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Ein Frosch

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Als Nelli im Morgengrauen von diesem Froschquaken geweckt wurde, dachte sie im ersten Moment, sie sei in der Stadt bei Oma. In der Nähe des alten Mietshauses, in dem Oma wohnt, fließt ein Graben vorbei, der die Vorstadt von einem wunderschönen Park trennt. Dieser Graben beherbergt nicht nur viele Fische, auch die Frösche fühlen sich dort recht wohl.

In den Frühlingsmonaten veranstalten sie jeden Abend die schönsten Froschkonzerte, findet Nelli. Wenn sie mal bei Oma schlafen durfte, öffnete sie das Fenster weit, um diesem eigenartigen Liebesgesang der Froschmännchen zu lauschen. Die Anstrengungen der kleinen Quaker erfreuten sie und sie konnte stets gut einschlafen. Das schien nicht bei jedem Menschen so zu sein. Tante Inge, die Schwester von Nellis Mutter, fand dieses Gequake nervtötend, und wenn sie zu Besuch kam, blieb das Fenster geschlossen, egal, welche Temperatur herrschte.

„Lieber ersticken, als dieses fürchterliche Gequake anhören zu müssen. Das ist ja nicht zum Aushalten“, zeterte sie.

„Dagegen ist das Straßenbahngequietsche das reinste Ohrenvergnügen“, frotzelte Robbi, als Nelli ihrem Bruder von Tante Inges Ärger erzählte.

„Besonders wenn man frühmorgens auf diese wundersame Weise aus dem Schlaf gerissen wird“, und er tippte sich mehrmals vielsagend an die Stirn. Tante Inge wohnt nämlich in Berlin direkt in der Nähe einer Straßenbahnhaltestelle. Ja, so unterschiedlich kann man sich an etwas gewöhnen.

Nellis Oma und alle Bewohner an diesem Graben müssen zwar über Brücken gehen, um in den Park oder die Stadtmitte zu gelangen, aber sie werden dafür mit einer herrlichen Aussicht auf jahrhundertealte majestätische Bäume entschädigt. Als chamäleonartiger Gürtel, je nach Jahreszeit seine Farbe wechselnd, schlingt sich der Park um die kleine Stadt. Einst, als der französische Kaiser Napoleon I. mit seinem Heer nach Russland ziehen wollte, musste der sächsische König Friedrich August, der mit ihm verbündet war, diese Stadt zu einer Festung ausbauen lassen. 1810 begann der Festungsbau, nachdem Kaiser Napoleon selbst die Pläne der Festungsbaumeister studiert hatte und damit zufrieden war. Bis 1813 wurde an der Festung gebaut. „Und sie wurde eine der bedeutendsten Festungen der damaligen Zeit“, erzählte Robbi einmal beim Abendbrot, nachdem er sich fasziniert mit der interessanten Geschichte der kleinen Stadt beschäftigt hatte. „In Deutschland war sie damals die modernste Festung überhaupt.“

„Dass eine Festung modern sein soll, kann ich mir gar nicht vorstellen“, meinte Nelli überlegend. „Da wurde doch sicher eine große Mauer um die Stadt gebaut und fertig.“

Der Bruder schüttelte den Kopf und lächelte ein wenig überlegen. Auch der Vater amüsierte sich über die Worte seiner Tochter, aber er sagte nichts dazu. Ihn interessierte, was sein Sohn über diese Zeit wusste.

„So einfach hat man sich das nicht gemacht, Nelli. Natürlich gehören Festungsmauern dazu, aber die hatten verschiedene Tore mit Zugbrücken, die über den Festungsgraben gingen, Bunker wurden gebaut, Erdwälle angelegt, die Elbbrücken mit einem Brückenkopf versehen. Tausende Schanzarbeiter und Soldaten hatten Jahre zu tun.“ Robbi unterbrach seinen Vortrag und biss in sein Schinkenbrot.

Der Vater legte das Besteck zur Seite und meinte: „Wenn ich mich recht erinnere, so las ich einmal, dass 180 Gebäude dem Festungsbau weichen mussten, die ganze damalige Vorstadt. Das waren meistens Bürgerhäuser, aber auch die mittelalterlichen Tore der Stadt, ein Waisenhaus, zwei Kirchen und ein Lazarett wurden abgerissen. Da gab es kein Schonen.“

„Wie viel Leid ist schon dadurch entstanden“, warf die Mutter leise ein. „Und sollte nicht sogar das Schloss weichen?“

„Das hat der sächsische König verhindert“, meldete sich wieder Robbi zu Wort. „Aber noch etwas sehr Wichtiges hatte ich vergessen.“ Robbi sah jetzt seine kleine Schwester an, als wären die Worte nun nur für sie. „Zu all den Festungsbauten gehörte auch ein Festungsvorfeld, das später dann bepflanzt wurde. Das heißt französisch Glacis.“

„Und das ist der Park bei Oma? Na, eben, deshalb sagt kein Mensch Stadtpark. Alle sprechen vom Glacis.“ Nelli schlug sich leicht an die Stirn. „Ich hab mich immer schon gewundert, warum der Park Glacis heißt.“

Der Bruder lachte und sah seine Schwester neckend an. „Gewundert, aber nie gefragt, kleine Wunderblume.“

Nelli war nicht böse darüber, drohte nur ein wenig mit dem Teelöffel. ‚Aber recht hatte er ja, man wundert sich manchmal über unerklärliche Dinge, holt sich jedoch keinen Rat‘, dachte sie. ‚Kleine Kinder sind da ganz anders, die fragen und fragen.‘ Sie dachte an Muttis Kinder im Kindergarten.

„Aber genützt hat auch der beste Festungsbau keinem Kaiser Napoleon“, brachte die Mutter das Gespräch wieder zurück.

Robbi nickte. „Es genügte ihm nicht, nach der französischen bürgerlichen Revolution an der Spitze Frankreichs zu stehen, nein, ganz Europa wollte er beherrschen, aber er machte es nur zu einem Schlachtfeld. Sein Feldzug im Winter 1812 in der klirrenden Kälte gegen Russland endete mit einer Niederlage, und nach der großen Völkerschlacht bei Leipzig, das war 1813, musste er sich geschlagen nach Frankreich zurückziehen.“

‚Geschah ihm recht‘, dachte Nelli.

„Aber Tausende Tote kostete die Machtgier eines Einzelnen. Österreicher, Preußen, Russen, Sachsen und natürlich seine eigenen französischen Soldaten, erschossen, verhungert, von Seuchen wie Cholera und Typhus dahingerafft, auch in unserer kleinen Festungsstadt“, sagte der Vater ernst.

„Schrecklich“, setzte Nelli hinzu, „ich verstehe einfach nicht, warum es immer und immer wieder Kriege gibt. Lernt man nicht einmal aus dem vielen Leid?“

„Auch wir Erwachsenen verstehen das nicht. Wir Menschen, die wir mit solch einer Intelligenz ausgestattet sind, dass wir Computer entwickeln können, die uns selbst erstaunen lassen, verfallen in solche Primitivität“, meinte Nellis Mutter nachdenklich.

„Apropos Computer“, setzte Robbi hinzu, „das Hamburger Schachprogramm Deep Fritz ist so faszinierend ausgeklügelt, dass der Schachweltmeister, der Russe Wladimir Kramnik, sogar einmal das Match in Bonn mit 4:2 verlor. Nach viereinhalb Stunden kapitulierte der Weltmeister gegen den Computer, der so eine unvorstellbare Rechenkraft besitzt, dass er pro Sekunde acht bis zehn Millionen Stellungen prüft. Grandios.“ In seiner Stimme klang Begeisterung. Er spielte selbst gern Schach.

„Um so unverständlicher die Gegensätze, die der Mensch mit seiner Macht ausübt,“ sagte der Vater leise. Dann aßen alle schweigend.

Mit den Namen ist das so eine Sache. Irgendetwas heißt so und so, und wenn es auch sonderbar klingt, interessiert sich keiner für den Ursprung. Es ist eben so, basta. Nelli musste erkennen, dass sie sich doch ein wenig über die „Wunderblume“ von Robbi ärgerte. ‚Na warte‘, dachte sie, ‚ich werde ihn von nun an löchern, bis es ihm zu viel wird.‘ Da war dieser Graben fast vor Omas Haustür. Schon seit ewigen Zeiten hieß er Schwarzer Graben. Nicht etwa, weil das Wasser so schmutzig ist, wie es Nelli nie anders kennengelernt hatte. Aber es wäre nicht immer so gewesen, hatte die Mutter erzählt. Das ganze Jahr über war der Graben jetzt fast zugewachsen mit Pestwurz und Teichrosen, die im Juni mit ihrem Gelb und Grün die Wasserfläche in eine Wiese verwandelten und allen Unrat, der hineingeworfen wurde, bedeckten. Nur in der schmalen offenen Mitte schwammen stets geruhsam ein paar Stockenten dahin, die Erpel in ihrem wunderschönen bunten Gefieder, die Enten in schlichtem Braun. Nelli konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre Mutti hier einst als Kind badete und sogar das Schwimmen erlernte. Wenn Nellis Mutti davon erzählte, glänzten ihre Augen in froher Erinnerung. Richtige Sandbänke hätte es gegeben.

„Das Wasser war damals flach und ganz klar und wir Kinder sammelten dort Flussmuscheln. Leere Muschelschalen wurden mit heimgenommen und als kleine Behältnisse für alle möglichen Utensilien verwendet. Die vollen warfen wir an den gegenüberliegenden Uferrand, wo es Schlamm gab und der Kalmus wuchs. Von den ummauerten Abflussrohren zur Entwässerung der Straße, die auch heute noch wie riesige Betonwürfel alle hundert Meter am Ufer stehen, hechteten die Mutigsten in das tiefe Wasser. Das traute ich mir nie zu“, sagte Nellis Mutter und hob bedauernd die Schultern. „Bei mir wurde es immer nur ein Hineinplumpsen.“

Nelli sah ihre Mutter vor sich als Kind, wie sie diese von den Fotos her kannte, klein, dünn, etwas ängstlich. Mit angezogenen Beinen sprang dieses Mädchen in den Graben, sodass das Wasser hoch aufspritzte, und sie musste lachen. Schließlich hatte sie selbst das Schwimmen und richtiges Springen in der Grundschule im Schwimmbad beim Sportunterricht erlernt.

„Ja, lach nur“, sagte die Mutter, „ich war eben einfach zu feige für einen Hechtsprung. Aber das Baden im Schwarzen Graben war trotzdem schön. Und wenn im Sommer Überschwemmung war durch die vielen Regengüsse, erbettelten wir uns die Zinkbadewanne und paddelten dann mit unseren Händen den Graben entlang, unter den herabhängenden Weidenzweigen hindurch, herrlich“, schwärmte die Mutter. „Wir stellten uns vor, so müsste es im Spreewald sein.“

„Jaja“, meinte Oma, „die alten Zinkbadewannen hatten auch ihr Gutes. Mit den heutigen Plastwannen ginge das gar nicht.“

„Aber Oma“, sagte Nelli, „heute würde doch keiner mehr mit einer Wanne fahren, höchstens aus Jux. Jetzt gibt’s doch Schlauchboote und aufblasbare Kanus, preiswert“, fügte sie noch hinzu.

Oma erwiderte trotzdem: „Für die, die genügend Geld haben. Die anderen müssten zugucken.“

„Na, brauchen sie ja nicht. In die Brühe will ja jetzt sowieso keiner.“ Nelli lachte. „Wieso hat sich eigentlich der Graben so verändert, wenn das kein Märchen ist, was du erzählst, Mutti?“

„Wenn ich mich richtig erinnere, wurde der Schwarze Graben damals jedes Jahr gereinigt. Dann türmten sich riesige Schlammberge an den Uferrändern auf und wenn sie etwas getrocknet waren, suchten wir Kinder nach besonders großen Schalen von den Flussmuscheln. Manchmal wurde auch ein Geldstück gefunden, und ich hatte einmal besonderes Glück und zog ein silbernes Kinderarmband aus der Erde mit Zwergenanhängern.“ Verträumt lächelnd dachte die Mutter daran zurück.

„Was du seitdem viele Jahre ständig getragen hast. Sogar in der Nacht.“ Belustigt schüttelte Nellis Oma den Kopf.

„Ja, bis ich es eines Tages auch wieder verlor.“

„Schade“, meinte Nelli, aber warum heißt der Graben denn Schwarzer Graben, wenn er doch mal so klar war?“ Nelli sah ihren großen Bruder herausfordernd an. „Die Wunderblume will es wissen“, setzte sie hinzu.

Robbi lachte. „Aha“, meinte er, da hat sich wohl doch jemand ein wenig über meine Kritik geärgert?“

Ihn hatte nicht nur die Festungsgeschichte der Stadt interessiert, ihn fesselte die Vergangenheit überhaupt. Beim zukünftigen Studium war er sich noch nicht sicher, ob er lieber Archäologie oder Jura wählen sollte.

„Dieser Name stammt noch aus dem Mittelalter, als man Schwarzwasser, das war gutes Quellwasser, zum Bierbrauen brauchte. Es kam aus dem Großen Teich am Wald und wurde in die Stadt geleitet. Nun bohre aber nicht weiter und frage nicht, warum heißt das gute Quellwasser zum Bierbrauen Schwarzwasser, wenn es doch nicht schwarz ist, Nelli.“ Robbi lachte seine kleine Schwester an. „Ich weiß es nicht. Das steht nämlich nicht einmal im Brockhaus.“

Damit war das Thema abgehakt. Alles ist eben nicht zu erklären. Aber jetzt dachte Nelli wieder daran, als sie diesen Frosch mit Inbrunst quaken hörte. Sie war jedoch nicht bei Oma, sondern zu Hause, und das bedeutete, dass im Goldfischteich, den ihr Vater erst vor kurzem anlegte, ein Gast Quartier bezogen hatte.

‚Vielleicht gefällt es ihm dort so gut, dass er nun nach einer Fröschin ruft‘, dachte Nelli und fand den Gedanken so schön, dass sie am liebsten aufgestanden wäre, um die Eltern zu wecken und ihnen die Neuigkeit mitzuteilen.

Sie machte es natürlich nicht, denn Mutti musste ja um fünf schon wieder aufstehen, da sie diese Woche Frühdienst im Kindergarten hatte. Nelli wusste, dass eine viertel Stunde vor sechs Uhr schon die ersten Eltern ihre Kinder brachten. Da musste die Kindergärtnerin schon da sein, obwohl offiziell der Kindergarten erst sechs Uhr öffnete.

„Aber kommen die Mütter zu spät zu ihrer Arbeit, können sie bald mit einer Entlassung rechnen“, sagte Nellis Mutter. „Es gibt nur wenige Chefs, die den Frauen in der Zeit entgegenkommen. Am liebsten stellt man gar keine Frauen mit Kindern ein, da diese ja auch mal krank werden können und nicht immer eine Oma da ist, die sie dann behütet. So ein Risiko mag man nicht. Eine richtige Männergesellschaft ist das“, erregte sich Nellis Mutter stets bei diesem Thema.

Sie war eine sehr selbständige Frau, die sich genau wie ihr Mann in einer liebgewordenen Tätigkeit verwirklichen wollte. Nelli wusste, dass sich ihre Mutti keineswegs zu Hause langweilen würde. Sie hatte so viele Interessen, schrieb Kindergedichte, verfasste selbst Geschichten und Handpuppenspiele, die sie für ihre Erziehungsarbeit brauchte, arbeitete mit Vati an der Ortschronik und fotografierte dafür. Sie hatte sogar Spaß am Renovieren der Zimmer. Vati überließ ihr das gern. Er werkelte lieber in seiner Freizeit in der Werkstatt und kümmerte sich um die Beete und Bäume im Garten. Das war sein Ausgleich für die anstrengende Arbeit in der Schule. Und vor allem gab es ja viel zu tun bei seinen Bienen. Während er alle Arbeit an den Bienenstöcken, den Beuten, verrichtete, kümmerte sich die Mutter um die Zusatzarbeiten. Da waren die Rähmchen zu drahten und Wachsmittelwände einzulöten, damit die Bienen gezielt ihre Waben für Futter und Nachzucht bauen können, dann war Honig zu schleudern und in die Gläser zu füllen. Natürlich mussten auch Robbi und Nelli helfen, aber das meiste blieb doch an Nellis Mutti selbst hängen.

‚Nein, an Langeweile würde Mutti nie leiden‘, dachte Nelli manchmal. Aber im Kindergarten war sie jemand. Sie leitete den kleinen Kindergarten hier im Ort. Da konnte sie nicht immer Feierabend nach der Uhrzeit machen. Aber sie liebte die Arbeit mit den Kindern und ihr gefiel diese verantwortungsvolle Tätigkeit. Als Frau, den Mann ständig um Geld anzubetteln, wäre ihr nicht im Traum eingefallen.

„Das muss ja fürchterlich sein, wenn ich mir jedes T-Shirt erfragen muss“, sagte sie einmal.

Das konnte sich Nelli auch nicht vorstellen, wenn sie selbst einmal erwachsen sein würde. Ihr ging es schon manchmal „auf den Geist“, wenn das Taschengeld im Monat zu schnell alle wurde und sie hatte doch noch einen Sonderwunsch und musste nun mit den Eltern diskutieren, die ja die obergroße Wichtigkeit oft nicht einsehen wollten. Aber Nelli fand das jetzt, da sie noch ein Kind war, so einigermaßen in Ordnung, aber Muttis Haltung konnte sie gut verstehen. Sie wünschte sich auch einmal einen Beruf, den sie mochte und in dem sie etwas leisten konnte. In welcher Richtung das allerdings sein würde, war noch sehr ungewiss. Als sie einmal mit den Eltern einen Waldspaziergang machte, wollte sie danach unbedingt Försterin werden.

„Aber dir ist schon bewusst, dass du dann auch überzählige oder kranke Tiere schießen musst, Wildschweine, Kaninchen, Rehe“, meinte Robbi.

„Rehe auch und Kaninchen?“ Nein, da wollte Nelli diesen Beruf auf gar keinen Fall mehr erlernen.

Als sie ein interessantes Buch über den berühmten Polarforscher Amundsen las, stand für sie fest, Forscherin zu werden und mit den neuesten Methoden das Eis der Arktis zu untersuchen und mit beizutragen, die Geschichte der Menschheit zu erkunden. Aber auch Archäologie reizte sie. Wenn ihr Bruder begeistert vom alten Ägypten, von den Pharaonen erzählte, von Hatschepsut, der Königin auf dem Pharaonenthron, die wunderbare Tempel bauen ließ, auch einen ganz berühmten Terrassentempel, von Tutench-Amun, dem jungen Pharao, der eine neue Religion einführte und schon mit achtzehn Jahren starb oder vielleicht sterben musste, und wenn Robbi von den Geheimnissen der Pyramiden berichtete, die bis heute noch nicht ganz gelüftet sind, dann war ihr größter Wunsch, einmal an Ausgrabungen teilzunehmen. Vielleicht würde es ihr, Nelli, gelingen, Hieroglyphen, also Schriftzeichen der alten Ägypter zu finden, die die letzten Geheimnisse preisgeben.

Nelli blieb also liegen und lauschte belustigt dem unermüdlichen quakenden Gesang des Froschmännchens. Als sie nachmittags aus der Schule kam und ihr Fahrrad in den Schuppen gestellt hatte, lief sie sofort zum Teich, um den neuen Gast zu begrüßen. Nellis Vater hatte das kleine Gewässer auf einem Teil der Wiese angelegt. Mit den Augen tastete Nelli den Teich ab. Kalmus wuchs an einer Seite, um das Wasser sauber zu halten. Zwischen Natursteinen am Rand wucherten Gräser und Schilfblumen. Da entdeckte sie ihn auf einem Stein am Uferrand. Es war kein besonderer Frosch, sondern ein ganz einfacher Teichfrosch, wie es viele davon an den Gewässern gibt. Nelli sah es an der Größe. Dieser Frosch war vielleicht zehn Zentimeter lang und war braun-olivgrün und die Innenseiten seiner Oberschenkel zeigten gelbe Flecken. Das waren Merkmale des Teichfrosches. Im Biologieunterricht hatten sie die verschiedensten Froscharten kennengelernt und wer es wollte, durfte einmal gemeinsam mit Helfern vom Naturschutzbund und Eltern abends am Krötenzaun im Glacis der Stadt helfen. Kröten legen ihren Laich, ihre Eier, immer dort ab, wo sie einmal geboren wurden, und das bedeutet, dass sie manchmal über stark befahrene Straßen ziehen müssen. Damit dieser Laichgang für die Kröten sicher ist, werden von Naturfreunden an der einen Seite der Straße Krötenzäune gespannt, vor denen die Tiere liegen bleiben. Nelli und ihre Mitschüler sammelten die Kröten in Eimer und trugen sie über die gefährliche Straße. Einigen aus Nellis Klasse gruselte es sehr vor dem Anfassen dieser warzigen Tiere. Nelli machte es nichts aus.

„Iigitt“, stieß Franziska aus, aber ihre Zwillingsschwester Susi stieß sie an, als sie sah, dass ihr Schwarm Christian schon ohne zu zaudern begonnen hatte, Kröten einzusammeln. Die beiden waren Nellis Freundinnen.

„Hab dich nicht so“, sagte Susi laut zu ihrer Schwester und lächelte in Christians Richtung, der aber reagierte nicht, sondern ging schon gebückt von Kröte zu Kröte. Seine Rastazöpfe baumelten über den Ohren.

„Die sind aber wirklich eklig“, verteidigte sich Franziska. „Aber sie haben wunderschöne goldumrandete Augen“, meinte Nelli.

Als Dank für die Krötenhilfe erhielt jeder Schüler anschließend eine Broschüre über die Lurche der Heimat. Darin waren alle vorkommenden Frösche mit Bildern vorgestellt. Danach war der Frosch in Nellis Garten eindeutig kein seltenes Exemplar, sondern ein ganz gewöhnlicher Teichfrosch, aber Nelli war trotzdem glücklich. Sie nahm sich vor, Katharina einzuladen und ihr den Gartenteich mit der allerneuesten Errungenschaft zu zeigen, ihren kleinen Hamster Mucki und die stolze schwarze Romina. Es war ja eigentlich auch Zeit, dass Katharina endlich mal hier in Nellis Dorf käme.

Katharina hat’s gut!

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