Читать книгу Politik nach Corona - Maria Stern - Страница 9

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Gute Nachricht Nr. 1: „Wir sitzen im gleichen Boot“

Seit Corona wissen wir: Wir sitzen alle im gleichen Boot. Egal ob Staatschefin oder Kindergartenkind, alle mussten sich die Hände waschen, um einander zu schützen.

Die Welt, unser Dorf, ist nicht nur wirtschaftlich und digital, sondern nun auch körperlich zusammengewachsen. Was vor wenigen Monaten noch Bad News von einem Tiermarkt in Wuhan waren, ist bei unserem betagten Nachbarn im zweiten Stock angekommen.

Wir wissen jetzt: Alle Menschen, auch die, die uns besonders egal sind, sind soziale Wesen. Unser lebendiges Gefüge ist zerbrechlich und stark zugleich und wir bewohnen ganz genau einen Planeten.

Gute Nachricht Nr. 2: „Wir können handeln“

Wir können jede Krise händeln, wenn wir koordiniert und beherzt handeln. Sowohl die Zivilgesellschaft als auch die österreichische Regierung haben das eindrücklich bewiesen. Wir zogen gemeinsam an einem starken Strang.

Das macht Mut, in Zukunft auch andere Großprojekte anzugehen, wie beispielsweise das Erreichen der Klimaziele, eine moderne Bildungspolitik oder den Kampf gegen Kinderarmut. Speziell in den sozialen Netzen wurde der Ruf nach Zusammenarbeit in all den Themen laut, die bisher politisch zerredet wurden und an ideologischen Details scheiterten.

Plötzlich war die Lähmung weg und eine globale Kooperation in den Bereichen Gesundheit, Klima, Flüchtlinge, Bildung, Hunger und Armutsbekämpfung vorstellbar. Auch um die guten Seiten des Kapitalismus zu erhalten.

Gute Nachricht Nr. 3: „Kooperation & Koordination“

Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, brachte die Notwendigkeit des raschen und besonnenen Handelns auf den Punkt: „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Ausflüchte (…). Länder planen seit Jahrzehnten den Ernstfall. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, diese Pläne umzusetzen. Die Epidemie kann erfolgreich bekämpft werden, aber nur mit einem kollektiven, koordinierten Eingriff der Regierungen.“

Überlebensnotwendige Kooperation und Koordination, um die Schwächsten und uns selbst zu schützen, können wir „Neue Solidarität“ nennen oder „Rationalen Egoismus“, das Ergebnis ist dasselbe.

Gute Nachricht Nr. 4: „Prägende Ereignisse verwandeln“

Strahlender Sonnenschein, Frühlingsblumen, zwitschernde Vögel, Schmetterlinge im Bauch und eine unsichtbare Gefahr. Das erlebten viele von uns auch schon 1986, nach der Katastrophe von Tschernobyl. Damals hielten wir uns von der Natur fern, heute sind es die Menschen. Die Abstraktion ist die gleiche, der Schock tief und die Trauer über Unwiederbringliches wohl prägend.

Damals durften wir nicht mehr auf die Wiesen vor dem Haus und mischten Milchpulver mit Wasser, während die Bauern ihre kontaminierte Milch entsorgten und die Kühe in die Ställe sperrten. Heute löschen wir unsere Kalender und werden auf uns selbst zurückgeworfen. Das Erlebnis des Alleinseins findet überall statt. In Zimmern von New York, Berlin, Peking und im Iran. Wir bewegen uns auf engstem Raum und sind in Gedanken mit der Welt verbunden. Wir wurden um den Frühling, viele Projekte und die Jahresplanung betrogen, während wir online mit unseren Liebsten kommunizieren.

Tschernobyl hatte langfristig positive politische Folgen. Die Hoffnung lebt, dass es nach Corona auch so sein wird.

Gute Nachricht Nr. 5: „Wir können lernen“

Aus der Gehirnforschung wissen wir, dass tiefgreifende Ereignisse die Verbindungen der Synapsen beeinflussen. Aus Trampelpfaden unseres Denkens, Fühlens und Handelns können Autobahnen werden. Und es ist möglich, dass wir plötzlich Abzweiger im Kreisverkehr entdecken, die uns in neue Gebiete führen. Das chinesische Schriftzeichen für „Krise“ zeigt zwei Aspekte, die uns in einer ungewohnten Situation begegnen: Gefahr und Chance.

Gute Nachricht Nr. 6: „Einer für alle. Alle für eine.“

Der Psychologe und Coach Dr. Roman Braun warnte frühzeitig vor der Gefahr hormoneller Umstürze, die aufgrund der verordneten sozialen Isolation erfolgen können. Die Auswirkungen? Depression und Angststörungen, ein geschwächtes Immunsystem und somit gesteigerte Infektanfälligkeit. Nach der SARS-Pandemie in Kanada stellte man bei einem Drittel der unter Quarantäne Gestellten posttraumatische Belastungsstörungen fest.

Der Ball wurde aufgenommen und wir bekamen Tipps, den Prozess abzufedern. Nach Corona werden wir die Ursachen von Depressionen und Angststörungen, die längst moderne Zivilisationskrankheiten sind (Nr. 13), breit diskutieren und mit vereinten Kräften über Bord werfen.

Gute Nachricht Nr. 7: „System Reset“

Der Zukunftsforscher Mathias Horx machte auf die Chance eines tiefgreifenden System Resets aufmerksam. Die Zeit der Entschleunigung, des Durchschnaufens und der Entdeckung der eigenen Persönlichkeit ohne Bespiegelung in der Außenwelt betrachtete er als vorösterliche Fastenkur. Statt permanenter Verfügbarkeit und Selbstoptimierung standen lange Telefonate mit Familienmitgliedern und Freunden auf der To-Do-Liste. Die geschlossenen Geschäfte konnten zur Erkenntnis führen, dass wir nicht endgültig zu Konsumtrotteln mutiert waren.

Das kollektive Improvisieren zeigte, dass wir schöpferische Wesen sind, die ihre Zukunft in die Hand nehmen können. Wir erfuhren, dass auch Tiefenkrisen nicht zum völligen Zusammenbruch führen.

Durch die Bewältigung der Angst wird Dopamin unsere Synapsen öffnen und uns wieder neugierig auf das Abenteuer Leben machen. Nach Überwindung der Fassungslosigkeit werden viele eine innere Kraft spüren, die ihnen hilft, sich neu zu positionieren. Das wird Politikern, die mit unseren Ängsten spielen, zukünftig den Wind aus den Segeln nehmen.

Gute Nachricht Nr. 8: „Vom Saulus zum Paulus“

Das Wunder geschah. Der Bundeskanzler, von Spitzenverdienern ins Amt gespendet und zwischen 2017 und dem Ausbruch von Corona ausschließlich den Wirtschaftsinteressen der ganz Großen im Wort stehend, setzte u. a. den 12-Stunden-Tag, die Schwächung der Sozialpartnerschaft, Kürzung der Familienbeihilfe, Kürzungen der Gelder für Frauenorganisationen, Deutschkurse und für das AMS kaltschnäuzig um.

Plötzlich redete er täglich von Solidarität und davon, niemanden zurückzulassen, koste es, was es wolle. Er war vom Saulus zum Paulus geworden. Ein geläuterter Neoliberaler, der sich, christliche Werte umsetzend, gegen den großen Kollaps stemmte.

Hätte er nicht so medienwirksam einen auf „Team Österreich“ gemacht, wäre die Wandlung länger glaubwürdig gewesen. Memento mori.

Gute Nachricht Nr. 9: „Starker Mann oder Bürgerparlamente?“

Die Erfahrung, dass Experten und Wissenschaftlerinnen täglich mit Regierungsmitgliedern tagten und wir alle klug genug waren, den Kampf gegen Corona gemeinsam aufzunehmen, wird die groß gewordene Sehnsucht nach dem starken Mann wahrscheinlich schrumpfen lassen.

Nachdem die Zivilgesellschaft gefeiert wurde, ist es wohl an der Zeit, auf ihr Wissen und Können für das Allgemeinwohl nicht mehr zu verzichten. Somit wären Bürgerparlamente (Citizens Assembly) der nächste Schritt zur Weiterentwicklung der Demokratie.

Gute Nachricht Nr. 10: „Comeback der Gutmenschen“

Ab 2015 schlechtgeredet und als Willkommensklatscher diffamiert, feierten Gutmenschen ein Comeback. Sie organisierten sich, um Einkäufe für die ältere Generation oder an Corona Erkrankte zu übernehmen und brachten die Ernte ein. Freiwillige Helfer mussten sich nicht mehr gegen Blödmenschen verteidigen, sie waren von heute auf morgen die Darlings der Republik.

Gute Nachricht Nr. 11: „Politik der Kornspeicher“

Staatslenker der Antike wussten, dass man in fetten Jahren die Kornspeicher füllen muss, um dürre Jahre, die verlässlich kamen, zu überleben. Eine Weisheit, die in Zeiten der individuellen Gewinnmaximierung aus der Mode gekommen war.

Dass Österreich nicht einmal sein Gesundheitspersonal mit qualitativ hochwertigen Schutzmasken ausstatten konnte, wird zu einem Umdenken führen. Regionale Wirtschaftskreisläufe und Depots können sinnvolle Folgen sein.

Gute Nachricht Nr. 12: „Steuern steuern“

Es war schnell klar, dass der Staat unzählige Existenzen unterstützen musste. Das wird Steuererhöhungen notwendig machen. Man darf gespannt sein, wie ausgerechnet diejenigen, die Steuern bisher schlechtredeten und deren Senkung versprachen, die Wählenden davon überzeugen werden, dass Steuern in einem Staat durchaus nützlich sind, um das Gemeinwohl zu sichern.

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