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Aus einem alten Kräuterbuch
(aus dem Jahre 1896):

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AUS EINEM ALTEN KRÄUTERBUCH

(AUS DEM JAHRE 1896):

RINGEL-, GOLD- oder TOTENBLUME, manchmal auch Regenblume genannt, weil sie, wie wir wissen, eine Wetterprophetin ist und Regen verkündet, wenn sie die Fensterchen ihres Häuschens bis acht Uhr morgens nicht öffnet.

Diese Blume besitzt weder Anmut noch Schönheit und ihr starker, durchdringend-aromatischer Geruch ist für die meisten Menschen höchst unangenehm. Aber sie scheint deren Gesellschaft sehr zu lieben, denn sie hängt sich mit wahrhaft heldenmütiger Ausdauer an ihre Schritte, vermehrt sich in Gärten in geradezu staunenswerter Weise, überschreitet daselbst die um ihren Standort gezogenen Grenzen, mischt sich unter Rüben und Salat, wächst auf den Wegen, geht mit den Abfällen in die Düngergruben, fasst auch dort Fuß und entwickelt sich da erst recht üppig, sendet Ansiedler auf einen nahen Schutthaufen oder in einen Winkel des Hofraumes, wo dieselben fröhlich und sorglos dem Leben und Treiben um sie her zuschauen, lässt sich im Dünger und Schutt auf die Äcker tragen, fühlt sich dort unter dem Ährendache sehr heimisch und bittet schließlich noch den Wind: »Führe mich über die Kirchhofmauer, denn ich muss die Gräber schmücken.« Wenn wir dann in den schönen Sommertagen kommen, um unsere Heimgegangenen zu besuchen, da sehen wir wieder diese schwefelgelbe Strahlenblume wie eine Wächterin am Grabe stehen, wo sie uns zu sagen scheint: »Fürchte nichts, ich bin hier, denn ich bin getreu bis in den Tod!« Zugleich aber scheint ihr vorwurfsvoller Blick uns auch zu fragen: »Warum hast du mich verschmäht? Siehe, ich bin dir gefolgt auf allen deinen Wegen, unter deine Tritte habe ich mich geworfen, auf dass du meiner dich erinnern solltest. Hättest du Hilfe von mir verlangt, so würdest du jetzt vielleicht nicht an diesem Grabe stehen und weinen …!«

So spricht die Ringelblume und sie hat recht. Denn wohl oder übel: Wir müssen uns bequemen, dieselbe als eine ausgezeichnete Heilpflanze zu schätzen und zu achten, weil der Erfahrung des täglichen Lebens hierüber sich die Autorität medizinischer Berühmtheiten zur Seite stellt, welche die Ringelblume, die bittere Extraktivstoffe, Öle, Gummi und Salze enthält und scharf, salzig und bitterlich-herbe schmeckt, zu den besten bitteren zusammenziehenden und zugleich auflösenden und schweißtreibenden Mitteln zählen. In ihren Wirkungen ist sie nicht heftig und ermüdend, was sie aber heilt, das heilt sie sicher und gut.

ANWENDUNGEN: Der günstige Einfluss der Ringelblume erstreckt sich namentlich auf krebsartige und skrofulöse Geschwüre und Eiterungen, verhärtete Drüsen, auf Magenkrämpfe , auch mit heftigem Erbrechen ; ferner auf Unterleibsstockungen, Verwundungen, Verletzungen und Schäden. Wer also an einem dieser Übel leidet, der gebrauche mit Vertrauen den Ringelblumentee, welcher aus frischem Kraute samt Knospen gemacht wird. Man verwendet zur Bereitung desselben nicht mehr als 2 Gramm der Pflanze auf einen Schoppen Wasser, oder besser Milch, und genießt zwei- bis dreimal des Tages. Angenehmer zum Gebrauche ist vielleicht der aus derselben gepresste Saft oder Extrakt, wovon man täglich zwei Esslöffel voll in Wein oder ein wenig gewärmter und gezuckerter Milch nehmen kann. Bald wird – namentlich bei Unterleibsstörungen – der Gebrauch dieses Tees oder Extraktes die regelmäßige Funktion der verschiedenen Organe und hiermit auch die Gesundheit wieder zurückrufen. Äußere Schäden, wie Brustkrebs, skrofulöse Geschwüre, Drüsenverhärtung und dergleichen verlangen neben der innerlichen Medikation auch eine örtliche äußerliche Behandlung, und zwar das letztere Leiden besonders den Ringelblumenabsud zu erweichenden Umschlägen, oder aber auch, wie die um sich fressenden Geschwüre , die Ringelblumensalbe.

Wunden usw. werden mit Ringelblumenabsud des Öfteren ausgewaschen und dann mit der Salbe behandelt. Auch die Ringelblumentinktur erwies sich hierbei als sehr heilsam. Sie ist in den Apotheken erhältlich und schließt die Wunden ohne Entzündung und Eiterung.

Wenn man das zerstoßene Kraut – häufig erneuert – auf Warzen, Hühneraugen und Schwielen legt, verschwinden dieselben oder fallen ab.

Durch das Trocknen verliert die Ringelblume einen großen Teil ihrer wirksamen Bestandteile. Sie wird daher meistens nur in frischem Zustand verwendet; ist sie ja doch von Ende Mai bis in den Winter hinein leicht zu haben. In Ermangelung der Pflanze selbst wendet man den Extrakt an, nimmt aber nur die Hälfte des zum Tee bestimmten Quantums. – Die Ringelblume ist nichts weniger als eine »feine Blume«; aber wir werden wohl daran tun, ihre Alltäglichkeit zu vergessen, um der wahrhaft ausnahmsweise schätzbaren Dienste willen, die sie uns zu erweisen vermag.

Maria Trebens Heilerfolge

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