Читать книгу Perry Rhodan 898: Der Saboteur - Marianne Sydow - Страница 4

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1.

»Sehen Sie sich das an«, murmelte Bully mit düsterer Miene. »Diese Burschen fallen über die Vorräte her, als sei es gar kein Problem, für Nachschub zu sorgen.«

»Solange sie feiern, stellen sie wenigstens keinen Unsinn an«, wandte Jentho Kanthall ein. »Und nach ihrem Verständnis sind die Vorräte tatsächlich leicht zu ergänzen.«

Bully schwieg verbissen und beobachtete das halbe Dutzend Bildschirme, auf denen sich erschreckende Bilder zeigten.

Die Solgeborenen schienen außer Rand und Band geraten zu sein. Seit der Rückkehr Gavro Yaals und dessen Begleiter herrschte an Bord der SOL eine eigentümliche Stimmung. Die Evakuierung der Terraner war abgeschlossen. Sie alle befanden sich mittlerweile in der BASIS. Nur Reginald Bull und Kanthall waren zurückgeblieben, als »Statthalter Rhodans«, wie Gavro Yaal spöttisch gemeint hatte. Dementsprechend unwohl fühlten sich die beiden. Sie saßen in einem Raum in der Nähe der Zentrale des Mutterschiffs und beschränkten sich darauf, die Vorgänge zu beobachten. Den Solgeborenen etwas zu untersagen, hätte unter den herrschenden Bedingungen wahrscheinlich gar nichts eingebracht. Im Gegenteil – jede Unvorsichtigkeit konnte dazu führen, dass aus der Missachtung den Terranern gegenüber offene Feindschaft wurde.

»Sie werden sich noch wundern«, sagte Bully nach einer Weile. »Bei denen reichen die Vorräte nur für kurze Zeit, und hier, in Tschuschik, werden sie wohl kaum die Erlaubnis erhalten, sich auf einem Planeten mit frischem Proviant zu versorgen. Die Wynger machen sicher keinen Unterschied zwischen Terranern und Solgeborenen.«

»Sie sehen das Problem nicht richtig«, sagte Kanthall gelassen. »Frischer Proviant ist gar nicht erwünscht.«

»Genau so sieht das dort aus!«, knurrte Bully und deutete auf einen Bildschirm.

Vor einer Lagerhalle hatten Solgeborene einen Stand errichtet. Roboter schleppten Fleisch und Früchte herbei. Automatisch wurden daraus allerlei Gerichte bereitet. Scharen von Solgeborenen bedienten sich großzügig von den verschiedenen Platten. Sie stopften mehr in sich hinein, als ihnen bekommen mochte. Bully wünschte ihnen aus ganzem Herzen einen so gründlich verdorbenen Magen, dass ihnen derartige Prassereien für alle Zeiten vergingen.

Überall in der SOL waren solche Feiern im Gange. Es wurde gegessen und getrunken, und Musik dröhnte durch das riesige Schiff, als gäbe es jenseits der metallenen Wände weder die BASIS noch die Flotte der Wynger, die mit Recht aufgebracht darüber waren, wie unverschämt gerade Gavro Yaal sich in ihrem Herrschaftsbereich bewegt hatte. Der Wein floss in Strömen – aber auch hier beschränkte sich der Verbrauch auf die relativ kleinen und daher um so kostbareren Vorräte an »echten« Waren – also solchen, die nicht an Bord hergestellt worden waren.

»Sehen Sie sich die Gesichter dieser Menschen an«, forderte Jentho Kanthall den Terraner auf.

»Was soll es da Besonderes zu sehen geben?«

»Sie essen mit wenig Genuss. Sie müssen sich regelrecht dazu zwingen, das Zeug hinunterzuwürgen.«

»Von mir aus können sie an dem frischen Fleisch ersticken«, knurrte Bully wütend. »Wenn ich daran denke, wieviel Mühe es gekostet hat ...«

»Sie leben viel länger auf diesem Schiff«, unterbrach Kanthall ihn ärgerlich, »aber manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie die Menschen in der SOL gar nicht kennen.«

Reginald Bull sah den anderen betroffen an. Er musste zugeben, dass Kanthall einen wunden Punkt entdeckt hatte.

Natürlich wusste Bully, warum die Solgeborenen die Vorräte dezimierten – bestimmte Arten von Lebensmitteln konnten nicht aus bordeigenen Mitteln hergestellt werden und wurden darum von den Solgeborenen als Symbol der Abhängigkeit angesehen. Und die Menschen, die die SOL als ihre Heimat bezeichneten, wollten nicht abhängig sein, wenigstens nicht von irgendeinem Planeten, ganz egal, welchen Namen er trug. Es ging nicht einmal um die Erde, sondern um alles, was sich auf naturgegebenen Bahnen durch den Weltraum bewegte.

Sie hätten die Materialien, die ihnen so unsympathisch waren, kurzerhand durch die Schleusen nach draußen befördern können. Aber dazu waren sie viel zu sehr Raumfahrer im besten Sinne des Wortes. Die SOL war eine in sich geschlossene Welt. Ein mit großer Sorgfalt hergestelltes Gleichgewicht verhinderte, dass es zu Engpässen kam, aber genauso unmöglich schien es, dass jemals ein Überfluss an bestimmten Gütern entstand. Verschwendung war den Solgeborenen ein Gräuel. Lieber quälten sie sich mit riesigen Portionen von Speisen ab, die ihnen noch nie besonders verlockend erschienen waren, als sie einfach zu vernichten. An Bord eines Raumschiffs, auch wenn es so groß wie die SOL war, gab es nichts, was man ungestraft wegwerfen konnte.

»Viel Platz gewinnen unsere Freunde auf diese Weise aber auch nicht«, sagte Bully schließlich. »Und darum scheint es ihnen doch zu gehen.«

»Warten wir es ab«, meinte Kanthall. »Dies ist nur der Anfang. Eine erste Reaktion auf das, was Yaal ihnen verkündet hat. Die Euphorie wird schnell verfliegen. Ich bin gespannt, was sie sich als nächstes ausdenken.«

»Ich nicht. Überhaupt könnte ich darauf verzichten, mir dieses Schauspiel anzusehen. Ich wünschte, Perry käme zurück, um diesen Narren Vernunft beizubringen.«

»Er hat den Solgeborenen das Schiff versprochen.«

»Ja, und ich wusste sofort, dass uns das nur Ärger einbringen wird. Jetzt haben wir den Salat. Wenn man wenigstens Gewissheit hätte ...«

Diesmal war es Kanthall, der keine Antwort gab.

Rhodan und seine »Suskohnen« hatten die PAN-THAU-RA gefunden und waren dem Ziel dieses Unternehmens somit nahe. Ob aber auch Gavro Yaals Behauptung, auf dem Umweg über die Ansken dafür gesorgt zu haben, dass Rhodan und seine Begleiter in Kürze gesund und munter zurückkehren könnten, die Wahrheit traf, darüber herrschte Unsicherheit bei allen Beteiligten. Bully hätte nur zu gerne daran geglaubt, dass die Gefahr gebannt sei. Aber er wusste aus bitterer Erfahrung, dass man an einen Sieg erst dann denken durfte, wenn man ihn bereits hinter sich hatte. Und es schien, als sollte bis zu diesem Moment noch viel Zeit vergehen.

Inzwischen spielten die Solgeborenen verrückt.

Seit vielen Jahren hatten sie darauf gewartet, dass das gewaltige Schiff endlich ihnen allein gehörte. Sie glaubten, ein Recht auf die SOL zu haben, weil sie in diesem Schiff geboren und aufgewachsen waren. Dass es Terraner gewesen waren, die die SOL erbaut hatten, zählte in ihren Augen kaum. Bevor er mit seinen »Suskohnen« aufbrach, um die Rätsel der PAN-THAU-RA zu lösen, hatte Rhodan versprochen, das Schiff offiziell den Solgeborenen zu überschreiben. Die Gelegenheit dazu schien günstig zu sein. Die BASIS bot den Terranern nicht nur genügend Platz, sondern war auch technisch geeignet, die SOL vergessen zu machen. Das Klima auf dem Riesenschiff wurde ohnehin im übertragenen Sinne immer frostiger – schon vor Rhodans Versprechen hatten sich die Anträge von Terranern, die zur BASIS umsiedeln wollten, gehäuft. Die Solgeborenen waren zahlenmäßig weit überlegen, und je näher der Zeitpunkt rückte, an dem ihre Wünsche sich erfüllen sollten, desto stärker ließen sie es die Terraner spüren, dass sie sich ihnen überlegen fühlten.

Auf der BASIS dagegen lebten Menschen, deren Heimat Planeten waren und die wohl auch nicht die Absicht hatten, für immer in einem Fahrzeug zu leben, das rastlos durch den Weltraum flog. Die BASIS war für die Terraner ein Stück Heimat, eng verbunden mit der fernen Erde.

»Eines Tages wird es auch an Bord der BASIS Menschen wie diese geben«, sagte Kanthall nachdenklich.

»Wir werden verhindern, dass es noch einmal so schlimm kommt!«, widersprach Reginald Bull energisch. »Immerhin haben wir aus der Vergangenheit auch etwas gelernt.«

Kanthall nickte düster.

»Sicher«, murmelte er.

*

Zum gleichen Zeitpunkt trafen zwei Männer zusammen, die beide zu den Solgeborenen gehörten, aber völlig entgegengesetzte Standpunkte zu vertreten schienen.

»Was Sie da machen, ist glatter Wahnsinn!«, sagte Joscan Hellmut zu Gavro Yaal. »Sie sollten vorsichtiger mit Worten umgehen! Diese Menschen glauben Ihnen und bereiten sich in jeder Weise darauf vor, die SOL vollständig zu übernehmen.«

»Womit sie genau das tun, was ohnehin geschehen muss«, entgegnete Yaal gelassen. Wer ihn so sah, konnte unmöglich verstehen, warum dieser Mann einen so großen Einfluss auf die Bewohner der SOL ausübte. Yaal war eher unscheinbar, der Prototyp eines Menschen, den man nach einem kurzen Blick sofort wieder vergisst. Er wirkte nicht wie ein Fanatiker oder ein Weltverbesserer, nicht einmal wie jemand, der nach Macht strebt. Paradoxerweise machte ihn gerade seine fehlende Auffälligkeit so außerordentlich gefährlich.

Gavro Yaal war kein Scharlatan. Wenn er sagte, dass er die Freiheit für alle Solgeborenen erreichen wollte, dann meinte er das wörtlich. Er hatte überhaupt keine Ambitionen, sich etwa selbst an die Stelle der Schiffsführung zu setzen oder andere Vorteile für sich herauszuschlagen.

»Bevor Perry Rhodan nicht zurückkehrt«, sagte Hellmut, »gehört die SOL nicht uns, sondern den Terranern. Es ist leichtsinnig und verantwortungslos, schon jetzt Veränderungen vorzunehmen, mit denen wir uns nur ins Unrecht setzen. Was, wenn Rhodan es sich anders überlegt?«

»Er wird sich hüten«, versicherte Yaal grimmig. »Denn dann bekäme er den Zorn der Solgeborenen zu spüren.«

»Er könnte triftige Gründe nennen, die es ihm unmöglich machen, sofort auf die SOL zu verzichten.«

»Die BASIS ist technisch weit besser ausgerüstet, und sie bietet den Terranern mehr Platz, als sie eigentlich brauchen. Wozu sollte da die SOL noch dienen?«

»Sie scheinen den Wert unserer Heimat nicht besonders hoch einzuschätzen«, versetzte Hellmut höhnisch.

»Das ist falsch«, erklärte Yaal. »Die SOL ist für mich die Welt an sich – und das meine ich wörtlich. Aber ich versuche, die Angelegenheit auch aus der Sicht der Terraner zu betrachten ...«

»Man merkt es!«

»Lassen Sie mich ausreden! Niemand wurde gezwungen, die SOL zu verlassen. Wie erklären Sie es sich, dass trotzdem alle Terraner zur BASIS übergesetzt haben?«

»Es gibt Ausnahmen.«

»Sie bestätigen nur die Regel. Und was Bull und Kanthall betrifft, so wären sie viel lieber drüben bei ihren Freunden.«

»Damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen«, stellte Hellmut bitter fest. »Denn wir sind offensichtlich nicht die Freunde der Terraner, obwohl sie doch unsere Eltern sind. Yaal, seien Sie kein Narr. Auch nach hundert Generationen sind wir dem Ursprung nach immer noch Terraner, daran kann keine Macht der Welt etwas ändern. Wir können mit der SOL so weit fliegen, bis die Erde selbst in tausend Jahren für uns nicht mehr erreichbar ist – aber wir sind Menschen. Wir können uns von unserer Abstammung nicht befreien.«

»Das ist mir bekannt. Auch nicht unsere Abstammung ist das Problem, sondern die Frage, was wir aus unserem Leben machen. Lassen Sie mich einen Vergleich versuchen. Die Terraner gebrauchen so gerne den Ausdruck von der ›Mutter‹ Erde. Stellen Sie sich ein Kind vor, bei dessen Geburt die Nabelschnur nicht durchtrennt wird. Im Gegenteil – je größer das Kind wird, desto fester gestaltet man künstlich die direkte Verbindung zur Mutter.«

»Das ist der dämlichste Vergleich, den ich jemals gehört habe!«, fauchte Joscan Hellmut wütend.

»Mir gefällt er«, behauptete Gavro Yaal gelassen.

Die beiden Männer gingen auseinander. Joscan Hellmut durchstreifte mit finsterer Miene das Schiff, bis er das Treiben der anderen nicht mehr mitansehen konnte. Als er sich zurückziehen wollte, stolperte er auf dem Korridor vor seinem Quartier über ein Kind. Verdutzt sah er das Mädchen an. Es schluchzte herzerweichend, raffte sich aber schnell auf und rannte davon.

»He!«, rief Hellmut der kleinen Gestalt nach. »Dich kenne ich doch! Was ist passiert? Bleib stehen ...«

Aber das Kind war schon in einem anderen Gang verschwunden.

Er vergaß das Kind, als er die Tür öffnete und feststellte, dass jemand ihn über das Bildsprechgerät zu erreichen versuchte.

»Sie müssen etwas unternehmen!«, forderte Reginald Bull energisch. »Ihre Leute fangen jetzt an, alle möglichen Lagerhallen zu räumen und umzurüsten. Sogar die hydroponischen Anlagen nehmen sie sich vor. Wenn es so weitergeht, besteht die Gefahr, dass die SOL ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann.«

»Welche Aufgaben meinen Sie?«, fragte Hellmut niedergeschlagen. »Bis jetzt flogen wir von Planet zu Planet, und darauf war alles abgestimmt. Die Solgeborenen werden nirgendwo mehr landen. Darum halten sie viele Einrichtungen für überflüssig.«

»Glauben Sie etwa auch an diesen Unsinn?«, fragte Bull misstrauisch.

»Spielt das eine Rolle?«

»Sie sind der Sprecher der Solgeborenen. Wenn Sie die Leute nicht zur Vernunft bringen können ...«

»Sie überschätzen mich«, wehrte Joscan Hellmut ab. »Meine Aufgabe ist es, die Ansprüche der Solgeborenen gegenüber den Terranern zu vertreten, nicht aber, den Solgeborenen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.«

Bull sah ihn betroffen an.

»Es tut mir leid«, murmelte Hellmut. »Aber ich kann nichts für Sie tun.«

Er schaltete das Gerät hastig ab.

Fast im selben Moment hörte er ein seltsames Klirren. Er ging zur Tür und sah auf den Gang hinaus. Ein Beleuchtungskörper war zersprungen. Ratlos betrachtete Joscan Hellmut die Scherben auf dem Boden und die Reste des Beleuchtungskörpers an der Wand. Ein Roboter kam, um den Schaden zu beheben.

»Wie ist das passiert?«, fragte Hellmut die Maschine.

Der Roboter blieb einen Augenblick regungslos stehen.

»Es ist keine Ursache für den Schaden feststellbar«, antwortete die Maschine endlich.

Hellmut sah zu, wie der Roboter die neue Lampe anbrachte. Die Maschine saugte die Scherben auf und glitt wieder davon. Kopfschüttelnd kehrte Hellmut in seine Wohnung zurück. Was immer mit dem Beleuchtungskörper passiert war – es gehörte offenbar in die Kategorie jener Ereignisse, die so banal sind, dass sie sich gerade darum nicht erklären lassen.

Er vergaß den Vorfall und versuchte, sich durch Arbeit von seinen Sorgen abzulenken. Aber das gelang ihm nicht so recht. Schließlich war die SOL auch für ihn die Heimat, und so fühlte er sich denen, die jetzt so übereilt die Übernahme des Schiffes feierten, verbunden. Er hätte gerne an der Feier teilgenommen, und der Gedanke allein reichte andererseits aus, in ihm Schuldgefühle zu erzeugen.

Er wünschte nichts sehnlicher, als dass endlich eine Entscheidung fiel, und allmählich war es ihm beinahe egal, wie diese aussah. Wenn sie ihn nur aus seiner Ungewissheit erlöste, würde er sie willkommen heißen.

Es war alles andere als angenehm, in dieser Weise zwischen den Fronten zu stehen.

Immerhin gehörten auch Solgeborene zu Rhodans »Suskohnen«. Damit war gesichert, dass Gavro Yaal nicht etwa einen eigenmächtigen Durchbruch mit der SOL versuchte, ehe Rhodan mit seinen Leuten zurückkehrte. Außerdem musste selbst Yaal einsehen, dass die SOL den Wyngern nicht so einfach entwischen konnte.

Joscan Hellmut schaltete sich in einen Informationskanal ein. Missmutig verfolgte er das Treiben der Solgeborenen. Es schien, als nähme man die Nähe der BASIS gar nicht mehr zur Kenntnis.

Perry Rhodan 898: Der Saboteur

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