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Mit List und Tücke

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Strahlender Laune kam Klaudia nach Hause. Aber sie merkte bald, daß dicke Luft herrschte. Dr. May hatte sich hinter seiner Zeitung verschanzt, und die Mutter erwiderte nur gerade eben ihren Gruß. Ohne irgendeine Frage nach den Erlebnissen des heutigen Vormittags zu stellen, Klaudia ahnte, was das bedeutete. Wahrscheinlich hatte der Vater einen besonders schwierigen Fall in seiner Praxis, der ihm und der Mutter, die bei ihm als Sprechstundenhilfe arbeitete, besonders zu schaffen machte. Deshalb schien es ihr nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, mit ihrer Tanzstundenidee herauszurücken.

Nach dem Essen erbot sie sich, mit der jüngeren Schwester zusammen die Küche in Ordnung zu bringen, und die Eltern zogen sich zu einem Mittagsschläfchen zurück.

Während Klaudia Geschirr, Besteck und Gläser in die Geschirrspülmaschine räumte, pfiff sie vergnügt.

Silvie hatte ihre Schwester aufmerksam beobachtet. „Raus mit den Neuigkeiten“, sagte sie jetzt, „du platzt sonst noch!“

Klaudia warf ihr einen unschuldsvollen Blick zu. „Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst!“

„Tu bloß nicht so! Ich kenne dich bis auf den Grund deiner schwarzen Seele. Du hast wieder mal was ausgeheckt.“

Klaudia packte die Kleine bei den Schultern und wirbelte sie durch die Küche. „Silvie, Silvie, du bist wahrhaftig ein Wunderkind! Du kannst im Zirkus als Hellseherin auftreten!“

Silvie lachte. „Nur wenn du mitmachst … Klaudia und Silvie, die gedankenlesenden Schwestern … das wäre doch eine Nummer!“

Klaudia ließ Silvie los, tat Spülpulver in das dafür bestimmte Fach der Maschine und klappte die Türe zu.

„Wenn du wirklich Gedanken lesen kannst, dann rate doch mal, weshalb ich so guter Laune bin!“

„Weil du was vorhast!“

„Soweit waren wir schon … aber was?“

„Warum soll ich mir das Köpfchen zerbrechen, wenn du es mir ohnehin in den nächsten fünf Minuten sagen wirst?“

„Spielverderberin!“ Klaudia ließ heißes Wasser in das Spülbecken und begann die Töpfe zu schrubben.

Sie hätte es gerne gesehen, wenn die Schwester noch weitergefragt hätte, aber damit war nach Lage der Dinge wohl nicht zu rechnen. So entschloß sie sich, die Katze freiwillig aus dem Sack zu lassen. Aber sie erntete nicht die bewundernde Zustimmung, die sie erwartet hatte.

„Ihr wollt in die Tanzschule?“ fragte Silvie ganz betroffen.

„Na und? Paßt dir das etwa nicht?“

„Na ja, ehrlich gestanden …“

Silvie rieb unnötig heftig mit dem feuchten Tuch herum. „… ich hatte eigentlich gehofft, wir würden später zusammen gehen.“

„Wie kommst du auf das schmale Brett?“

„Ich hatte es mir eben so vorgestellt.“ Silvie sah die Schwester nicht an.

„Denkst du etwa, ich würde deinetwegen mit dem Tanzen warten, bis ich alt und grau bin?“

„In zwei Jahren“, sagte Silvie, „bin ich so alt wie du heute …“

Klaudia fiel ihr ins Wort. „Na, siehst du, du möchtest auch jung damit anfangen! Ist ja nichts dagegen zu sagen … aber dann gönne mir doch auch den Spaß.“

„Ich habe nie behauptet, daß ich ihn dir nicht gönne!“

„Dann mach auch nicht so ein Gesicht.“ Klaudia stellte die blankgescheuerten Töpfe auf die Abtropfe. „Tatsächlich wäre es so und so nicht gut, wenn wir zusammen in die Tanzstunde gingen.“

„Und warum nicht, wenn ich bitten darf?“

„Weil wir uns zu sehr ähneln. In zwei Jahren wirst du so aussehen wie ich heute! Ich nehme doch nicht an, daß du dein Haar ewig so kurz geschnitten tragen wirst wie jetzt. Na, und da kann es doch passieren, daß ein Boy sich gleichzeitig in uns beide verliebt und nicht weiß, für welche er sich entscheiden soll.“

Jetzt mußte Silvie doch lachen. „Du spinnst wohl!“

Silvie schlug das Trockentuch aus und hing es über den Halter. „Wahrscheinlich hast du sogar wirklich recht. Dann gehe ich eben mit meiner Klasse, wenn es soweit ist…, und bis dahin habe ich ja noch mengenweise Zeit.“

„Bravo.“ Klaudia ließ das Wasser aus dem Becken. „Ich wußte ja, du würdest es richtig verstehen.“

Sie sah sich in der Küche um, ob alles in Ordnung war, und stellte fest, daß sie vergessen hatten zusammenzukehren. Beinahe hätte sie darauf verzichtet, aber dann besann sie sich eines Besseren. Sie hatte allen Grund, die Mutter bei guter Laune zu halten.

Was nun? Klaudia warf einen Blick auf das Zifferblatt ihrer Armbanduhr. Die Eltern schliefen noch. Sie hätte sich also heimlich, still und leise verziehen können. Aber das entsprach nicht ihrer Art. Besser war es, erst die Schulaufgaben zu erledigen. Danach konnte sie Bescheid sagen.

Sie holte also ihre Mappe aus der Garderobe, stieg in ihr Zimmer unter dem „Dach juchhe“ hinauf und machte sich an die Arbeit. Sie kam wie immer flink voran, denn das Lernen bereitete ihr keine Kopfschmerzen.

Erst danach stieß sie auf ein Problem. Was sollte sie anziehen? Es regnete immer noch in Strömen. Also mußte sie ein Kleidungsstück wählen, das unter ihren gelben Regenmantel paßte, und der war reichlich kurz.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich für ihr korallenrotes Wollkleid entschied. Das war zwar im Schnitt reichlich bieder, fand sie, dafür aber stand ihr die Farbe einmalig.

Sie probierte verschiedene Lidschatten aus, bis sie einen dunklen Ton wählte, der ihr ein interessantes Aussehen verlieh.

Nur zu gerne hätte sie ihre hochhackigen Lackpumps angezogen, aber auch das empfahl sich bei diesem Wetter nicht. Klaudia staunte selber über ihre Einsicht: Noch vor einem Jahr wären ihr solche Überlegungen nie gekommen, und sie wäre wahrscheinlich triefnaß bei Frau von Kaiser eingetrudelt.

Doch über einen solchen Leichtsinn war sie inzwischen weit hinaus; sie war entschlossen, ihre weißen Gummistiefel anzuziehen – aber natürlich mit langen Perlonstrümpfen.

Klaudia brauchte geraume Zeit für ihre Toilette, und als sie hinunterging, hatte Dr. May das Haus schon für seine nachmittäglichen Visiten verlassen, und seine Frau nutzte die Zeit, um für morgen vorzukochen.

„Ich gehe ein bißchen fort, Mutti!“ sagte Klaudia und steckte den Kopf in die Küche.

„Bei dem Wetter?“

„Ich zieh das Regenzeug an … tschau, bis später!“ Klaudia wollte sich schon wieder zurückziehen.

„Moment mal!“ rief ihre Mutter. „Laß dich ansehen. Du hast dich ja so fein gemacht. Was hast du vor?“

Klaudia mußte wohl oder übel Rede und Antwort stehen.

„Also weißt du, das ist so, Mutti …” Sie setzte ihr unschuldsvollstes Gesicht auf. „Ein paar aus unserer Klasse haben sich überlegt, ob wir nicht dieses Jahr schon in die Tanzstunde gehen sollen …“

„Und du bist natürlich dabei?“

Klaudia schenkte ihrer Mutter einen gekonnten Augenaufschlag. „Weil ich schon so groß bin, Mutti, nur deshalb! Sonst könnte es doch passieren, daß ich allen Jungens über den Kopf gewachsen bin, bis es soweit kommt.“

„Das kann ich mir zwar nicht vorstellen, Klaudia, denn du wirst ja nicht in den Himmel hineinwachsen … “

„Wer weiß!“ warf Klaudia düster dazwischen.

„Ich“, sagte Frau May, „und andererseits wachsen die Jungen ja auch mit.“

„Du verstehst das nicht, Mutti. Sieh mal, jetzt bin ich die größte in der Klasse, also habe ich wahnsinnig wenig Auswahl unter gleichaltrigen Jungen. Aber bei den älteren Jungen gibt es natürlich eine Menge, die größer sind als ich!“

„Ich dachte, du wolltest mit ein paar aus deiner Klasse gehen?“

„Wahrscheinlich sogar mit der ganzen Klasse, Mutti, da kann ich mich doch nicht ausschließen, das siehst du sicher ein.“

Frau May preßte sich die Hände vor die Ohren. „Klaudia, Klaudia, hör auf! Du redest ein Zeug daher, ich bin schon völlig verwirrt.“

„Tut mir leid, Mutti.“ Klaudia spielte die Zerknirschte. „Es ist einfach so, daß noch gar nichts entschieden ist und daß ich deshalb überhaupt noch nichts davon erzählt hätte, wenn du es nicht hättest wissen wollen!“

„Jetzt hört sich aber alles auf! Das ist doch schließlich mein gutes Recht! Hör mir mal gut zu: Bevor du irgend etwas unternimmst, mußt du vorher deinen Vater und mich um Erlaubnis fragen. Ganz billig wird dieser Tanzkursus ja auch nicht sein.“

„Mutti!“ rief Klaudia beschwörend. „Natürlich werde ich das … Ich hatte es ja von Anfang an vor! Ich wollte euch nur nicht wegen nichts und wieder nichts beunruhigen. Erst muß ich doch mal herausbekommen, ob diese Amelie von Kaiser uns überhaupt aufnimmt und wieviel der Spaß kosten würde. Ich bin doch nicht lebensfremd, Mutti!“

Frau May suchte nach Worten.

„Wenn du es nicht für richtig hältst, Mutti, daß ich mich zuerst erkundige … bitte! Dann warte ich bis heute abend und spreche mit Vati. Allerdings … vielleicht zerschlägt sich ja die ganze Sache, und dann könnte ich mir diese Auseinandersetzung sparen … mir und Vati. Ich glaube, er hat momentan genug am Hals.“

Frau May mußte lachen. „Du bist doch die raffinierteste Person, die mir je vorgekommen ist!“

Klaudia machte große Augen. „Findest du? Ich sage doch bloß, wie es ist!“ Sie legte den Kopf schief. „Also, ich darf, Mutti, ja?“

„Ja!“

Klaudia fiel ihrer Mutter stürmisch um den Hals.

„Bis nachher also … tschau!“

Klaudias erste Tanzstunde

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