Читать книгу Gundula, du wirst es schaffen - Marie Louise Fischer - Страница 7
Alles wird anders
ОглавлениеEs war Samstag. Als Gundula aus der Schule kam, war der Vater schon zu Hause. Herr Berendt stand in der Küche und buk Pfannkuchen. Gundula schleuderte ihre Schulmappe rasch in ihr Zimmer und deckte den Tisch.
Seit die Mutter im Krankenhaus war, aßen sie immer in der Küche, weil sie das bequemer fanden.
Gundula aß Pfannkuchen für ihr Leben gern, und der Vater sah ihr lächelnd zu, wie sie drei Stück verschlang.
„Es freut mich, daß es dir schmeckt“, sagte er, „nachher mußt du ja bei Kräften sein.“
Gundula riß die Augen auf. „Wozu?“
„Du weißt doch, daß morgen Mutter und das Brüderchen nach Hause kommen. Da gibt es noch allerhand zu tun. Mutter wollte das ja alles selbst machen,“
„Putzen, meinst du?“ fragte Gundula verständnislos. „Aber Frau Helmbrecht hat doch alles prima saubergemacht!“
„Aufräumen, Gundel! Dein altes Kinderbett und die Wickelkommode müssen wir vom Dachboden heranterholen.“
Gundula legte den Finger an die Nase. „Stimmt“, sagte sie, „daran habe ich gar nicht gedacht.“
„Eigentlich sollte dein Brüderchen in den ersten Wochen bei uns im Schlafzimmer schlafen. Gestern abend sprach ich noch einmal mit Mami darüber. Sie meint, daß du ein großes und vernünftiges Mädel bist, und daß Michael gleich vom ersten Tag an mit in deinem Zimmer wohnen kann.“
Gundula machte einen Luftsprung. „Hurra! Ich bekommeein richtig lebendiges Brüderchen. Andere Mädchen meiner Klasse müssen immer noch mit Puppen spielen. Aber … mein Zimmer ist doch viel zu klein!“ sagte sie. „Das reicht gerade eben für mich!“
„Natürlich mußt du dich ein bißchen einschränken, Gundel, das wissen wir“, sagte der Vater, „aber bestimmt ist Platz genug für euch beide! Und ich bin sicher, es wird dir sogar Spaß machen, den kleinen Kerl bei dir im Zimmer zu haben. Warte nur ab, du wirst es schon sehen.“ Gundula deckte den Tisch ab, spülte und stellte das Geschirr in das Drahtgestell zum Trocknen. Dann machte sie das Spülbecken sauber und fegte die Küche aus. Herr Berendt blieb währenddessen am Tisch sitzen und las in der Zeitung.
Als Gundula fertig war, hob er den Kopf und fragte: „Na, bist du soweit?“
Gundula nickte.
Herr Berendt faltete die Zeitung zusammen und stand auf. „Dann wollen wir mal! Ich denke, wir klettern zuerst mal nach oben und holen dein altes Kinderbett und die Wickelkommode herunter.“
Der Dachboden war nur schwach beleuchtet, es roch nach Staub und Mottenpulver. Gundula hatte nur selten Gelegenheit, hier heraufzukommen, und sie fand es sehr aufregend. Am liebsten hätte sie noch lange unter den alten Sachen herumgewühlt.
Aber Herr Berendt sagte mahnend: „Komm schon, Gundel … wir haben nicht soviel Zeit!“ Er hatte das zusammengeklappte Gitterbett gefunden und es bis zur Treppe gebracht.
„Hier ist noch etwas, Papi“, rief Gundula aufgeregt. „Sieh mal, ein Kinderstühlchen! Mit einem Loch im Sitz und einem Töpfchen unten drinnen! Sollen wir das nicht auch mit ’runternehmen?“
Herr Berendt schüttelte den Kopf. „Das wäre noch ein bißchen zu früh, Gundel. Es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis dein Brüderchen aufs Töpfchen geht. Komm jetzt her zu mir! Ich nehme die Gitter und die Matratze, nimm du das Unterteil des Bettgestells, damit wir nicht noch ein zweites Mal heraufgehen müssen.“
Im Badezimmer wusch Gundula das Bettgestell, das sehr verstaubt war, erst gründlich mit Seifenlauge ab. Währenddessen klopfte ihr Vater die Matratze auf dem Küchenbalkon aus.
Sie war gerade dabei, das Gitterbettchen abzutrocknen, als Herr Berendt seinen Kopf in das Badezimmer steckte. „Ich brauche dich, Gundel“, sagte er, „wir müssen leider doch noch mal nach oben! Der Tisch und die Bank müssen raus!“
„Was?!“ Gundula traute ihren Ohren nicht. Sie hatte sich sehr auf ihr Brüderchen gefreut. Sie wollte mit ihm spielen und es betreuen. Nun sollte sie aber für ihn ihre ganze kleine Welt opfern. Das war zuviel für sie.
Herr Berendt sah, daß Tränen in Gundulas blaue Augen stiegen. „Tut mir leid, Gundel, aber anders geht es nicht. Ich habe den ganzen Raum ausgemessen. Wenn wir die Wickelkommode und das Bettchen hineinbringen wollen, müssen der Tisch und die Bank heraus.“
„Aber … wo soll ich denn da sitzen?!“
„An deinem Pult natürlich.“
„Und wenn Leni mal zu Besuch kommt?“
„Meine liebe Gundel, unsere Wohnung ist ja nicht in erster Linie für Besuche gedacht. Wenn du mit deiner Freundin zusammen sein willst, könntest du sie ja auch mal besuchen. Soviel ich weiß, hat Leni keine Geschwister, und da werdet ihr mehr Platz haben als bei uns.“
„Aber … Mami hat doch immer gesagt, ihr ist es lieber, ich bringe meine Freundinnen mit zu uns!“
„Dann setzt ihr euch eben zusammen in die Küche oder auf den Balkon oder sonst wohin! Komm, mach nicht so ein Gesicht, Gundel, hilf mir lieber! Außerdem … es ist ja nicht für ewig. Wenn das Brüderchen größer ist und selber am Tisch sitzen kann, können wir ihn vielleicht wieder herunterholen.“
Es war nicht so einfach, das Bett zusammenzufügen und aufzustellen. Gundula wünschte sich innerlich, daß der Vater es überhaupt nicht fertig brächte, und freute sich, als er dabei ins Schwitzen geriet. Endlich klappte es doch.
„So“, sagte der Vater, trat zurück und rieb sich zufrieden die Hände. „Na, wie gefällt’s dir jetzt? Ich finde, das Zimmer ist richtig gemütlich.“
„Ja, wie eine Rumpelkammer!“ sagte Gundula.
Das Lächeln des Vaters erlosch. „Von dieser Seite kenne ich dich ja gar nicht!“ sagte er stirnrunzelnd. „Aber ich weiß schon den Grund … wir haben dich all die Jahre viel zu sehr verwöhnt. Es ist nie gut für ein Kind, das einzige zu sein. Es wird höchste Zeit, daß du dir angewöhnst, zu teilen.“
„Wenn ich nicht mal sagen darf, was ich denke!“ murrte Gundula.
„Häßliche Gedanken sollte man lieber für sich behalten.“
Wortlos half Gundula nun dem Vater, die Schubladen der Wickelkommode mit Schrankpapier auszulegen, Windeln und Jäckchen, Strampelhöschen und Hemden hineinzuordnen.