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Erste Hilfe

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Katrin und Ruth rasten durch den strömenden Regen. Beide trugen sie hohe Gummistiefel – die Beutel mit ihren guten Schuhen und ihre Geschenkpäckchen hatten sie bei Müllers liegenlassen –, Katrin war in einen Kapuzenmantel verpackt, und Ruth hielt ein Schirmchen, das mit durchscheinendem rosa Plastik bezogen war, über dem Kopf.

„Wäre es nicht doch vernünftiger gewesen, wir hätten Silvy einfach telefonieren lassen?“ keuchte sie.

„Nein“, gab Katrin zurück, „oder glaubst du etwa, ich brause zum Spaß durch diese Sintflut? Denk doch mal nach! Jeder praktische Arzt macht nachmittags seine Krankenbesuche. Da müßte Silvy schon viel Glück haben, wenn sie ihn telefonisch erreichen würde.“

„Und wir? Werden wir ihn denn erwischen?“

„Klar. Wir laufen einfach so lange herum, bis wir ihn gefunden haben.“

Bis zur Geibelstraße 15 war es nicht weit. Doktor Horn wohnte in einem hübschen Einfamilienhaus, das große Ähnlichkeit mit dem Müllerschen hatte. Neben der Haustür war ein weißes Emailleschild angebracht, auf dem in dicken schwarzen Buchstaben stand: „Dr. med. Theodor Hom, prakt. Arzt, Sprechstunde montags bis samstags von 9 bis 12 Uhr“.

„Da hast du es“, sagte Katrin und drückte entschlossen auf die Klingel.

Sie mußten einige Zeit warten, dann öffnete sich ein Fenster im Erdgeschoß, ein blondes Fräulein in weißem Kittel mit einer dunklen Hornbrille auf der Nase ließ sich blicken und rief ihnen zu: „Der Herr Doktor ist nicht zu sprechen!“

„Das wissen wir!“ rief Katrin prompt zurück und tippte auf das Schild, „wir sind ja nicht blind!“

Das blonde Fräulein zögerte noch einen Augenblick, dann sagte sie: „Moment, ich komme.“

„Du warst aber ganz schön frech“, flüsterte Ruth der Freundin zu.

„Tatsächlich?“ fragte Katrin ganz erstaunt. „Ich habe bloß versucht, Eindruck zu machen.“

Trotz der schwierigen Situation mußte Ruth kichern.

Das blonde Fräulein öffnete die Haustür und fragte, alles andere als freundlich: „Was wollt ihr also?“

„Wir wissen, daß der Herr Doktor unterwegs ist“, sagte Katrin rasch, „aber wir müssen ihn unbedingt erreichen. Frau Müller, Leonores Mutter, die Frau von Rechtsanwalt Müller, ist von der Leiter gefallen …“

„Also doch!“ rief das Fräulein.

„Sie wissen es schon?“

„Ja, gerade eben hat mich ein Kind angerufen, aber, um ehrlich zu sein, ich habe es für einen dummen Witz gehalten.“

Katrin zog die Augenbrauen hoch und setzte ein maßlos überlegenes Gesicht auf. „Typisch Silvy“, erklärte sie, „besitzt keine Lebensart, das Mädchen.“

„Wo können wir Doktor Horn finden?“ fragte Ruth hastig. „Können Sie ihn nicht telefonisch erreichen? Frau Müller geht es nämlich wirklich sehr schlecht. Sie liegt auf dem Boden und tut keinen Mucks.“

Das Fräulein schüttelte den Kopf. „Leider“, sagte sie, „da kann ich gar nichts machen. Ja, wenn wir ein Walky-Talky hätten …“

„Aber Sie wissen doch bestimmt, welche Krankenbesudle er sich vorgenommen hat“, stieß Katrin nach, „und welche Richtung er gewöhnlich einschlägt und …“

„Ja, das kann ich euch sagen!“ Das Fräulein knabberte an seinem Zeigefingernagel und dachte angestrengt nach, dann murmelte es ein paar Namen vor sich hin, warf einen Blick auf die Armbanduhr und erklärte:

„Wenn ich mich nicht verrechnet habe, müßte er jetzt ungefähr auf der Mitte der Strecke sein … etwa bei Rösner, Asternstraße siebenunddreißig …“

„Danke!“ rief Katrin. „Vielen Dank!“

„Aber garantieren“, sagte das Fräulein, „kann ich euch natürlich gar nichts.“

„Erwarten wir auch gar nicht“, rief Katrin und riß Ruth an der Hand mit sich fort.

„Hätten wir uns nicht doch noch genauer erkundigen sollen?“ fragte Ruth, als sie den Vorgarten durchquert und den Bürgersteig wieder erreicht hatten. „Ich meine, wen er vor und nach Rösners besucht?“

„Hätte ich bestimmt getan, wenn das nicht eine so langweilige Ziege gewesen wäre! Es muß jetzt schnell gehen. Wir haben schon furchtbar viel Zeit verloren.“

„Vielleicht ruft Silvy die Polizei an und läßt sich einen Unfallwagen schicken!“

„Schon möglich, aber darauf können wir uns nicht verlassen. Wir haben versprochen, Doktor Horn heranzuschleifen, und das werden wir auch tun!“

Aber als die beiden die Asternstraße 37 erreichten, erlebten sie eine Enttäuschung. Vor dem Haus stand kein Auto, also konnte der Doktor auch nicht drinnen sein.

„Ach du dickes Hühnerauge!“ rief Katrin. „So ein Pech.“

„Vielleicht kommt er noch“, sagte Silvy, „wir können ja mal bei Rösners fragen!“

„Ja, tu du das! Ich gucke inzwischen mal um die Ecke.“ Katrin stob davon.

Ruth fühlte mit Schrecken, wie ein Anflug ihrer früheren Schüchternheit sie überfiel. Bei wildfremden Leuten zu klingeln und um eine Auskunft zu bitten, das war nicht gerade die Aufgabe, die sie sich selber ausgesucht hätte. Aber dann dachte sie an Leonores verunglückte Mutter und daran, daß jetzt möglicherweise alles auf sie ankam, und entschlossen marschierte sie auf die Haustür zu.

Sie hatte gerade geklingelt, als Katrin um die Ecke geschossen kam.

„Ich hab’ ihn! Ich hab’ ihn!“ brüllte sie schon von weitem.

Die Haustür wurde geöffnet, und eine ältere Dame trat heraus.

„Guten Tag, entschuldigen Sie bitte“, sagte Ruth mit einem artigen kleinen Knicks, „die Sache hat sich inzwischen erledigt!“ Sie raste hinter Katrin her.

Die Dame sah ihr verdutzt nach. „Diese fürchterlichen Kinder“, sagte sie mit einem tiefen Seufzer und zog die Tür wieder ins Schloß.

Ruth hatte Katrin inzwischen schon erreicht, die neben einem vom Regen blank gewaschenen Mercedes stand.

„Hier, siehst du!“ rief sie und tippte gegen die vordere Scheibe. „Das Arztschild… sogar mit Äskulap-Stab und Schlange!“

„Aber wenn das Auto nun gar nicht Doktor Horn gehört?“

„Du kannst einem schon auf die Nerven gehen, du, mit deinen ewigen Wenns und Abers! Es ist doch völlig schnuppe wie dieser Arzt heißt! Hauptsache ist doch, wir haben überhaupt einen erwischt, und ob er Frau Müller nun kennt oder nicht, wenn wir ihn um Hilfe bitten, muß er mit uns kommen.“

Ruth war immer noch nicht ganz beruhigt, aber sie verkniff sich weitere Zweifel und Fragen, weil sie Katrin nicht gegen sich aufbringen wollte.

Aber dann, als der Arzt aus dem Haus kam, stellte es sich heraus, daß er tatsächlich Doktor Horn war, wenn er auch ganz anders aussah, als Katrin und Ruth ihn sich vorgestellt hatten. Er war kein freundlicher älterer Herr, sondern ein energischer junger Mann, und er stellte auch nicht viel Fragen, sondern ließ die beiden in den Wagen steigen und fuhr geradewegs zu Müllers zurück.

Die Mädchen dort wußten zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, daß Hilfe nahte, und sie waren entsprechend aufgeregt.

„Das einfachste wäre ja, ich würde die Funkstreife anrufen“, sagte Silvy zum zigsten Mal.

Und: „Nein, laß das lieber! Wer weiß, ob Herrn Müller das recht ist, und Katrin ist ja schon auf dem Weg, einen Arzt zu holen“, entgegnete Olga genauso oft.

„Ach, Katrin, die hat doch bloß eine große Klappe!“ sagte Silvy wegwerfend.

„Du etwa nicht?“ gab Olga zurück. „Nun weine doch nicht, Leonore, bestimmt ist alles halb so schlimm, wie es jetzt aussieht …“

„Aber wir können Mutti doch nicht einfach so liegen lassen! Helft mir doch wenigstens, sie auf die Couch zu legen!“ sagte Leonore verzweifelt.

„Ausgeschlossen!“ erklärte Silvy. „Am Tatort darf nichts verändert werden, ehe …“

„Jetzt mach aber mal einen Punkt!“ fuhr Olga sie an. „Bei dir piept es ja gewaltig. Schließlich handelt es sich hier nicht um ein Verbrechen …“

„Woher willst du das wissen? Warst du etwa Zeuge? Als wir das Haus betraten, hörten wir einen Schrei und einen Plumps. Frau Müller war allein im Zimmer, die Terrassentür stand offen, es ist also theoretisch sehr gut möglich, daß sich ein Verbrecher hereingeschlichen und die Leiter umgestürzt hat!“ erklärte Silvy, ganz beglückt über ihren eigenen detektivischen Scharfsinn.

„Junge, Junge, du hast dir entschieden zu viele Krimis angesehen!“ sagte Olga.

„Es war bestimmt ein Unfall …“ schluchzte Leonore, die neben ihrer Mutter kniete, „die Leiter war doch kaputt und … ach, bitte, bitte, Olga, hilf mir doch, Mutti auf die Couch zu Iegen.“

„Das wäre reiner Wahnsinn“, widersprach Olga, „nicht etwa, weil ich so durchgedreht wie Silvy bin und an ein Verbrechen glaube …“

„Warum denn dann?“ rief Silvy.

„Weil wir nicht wissen, was Leonores Mutter fehlt. Sie kann innere Verletzungen haben … ich bitte dich, Leonore, nimm dich zusammen, das muß ja nicht sein, aber man muß in solchen Fällen jede Möglichkeit berücksichtigen. Wir dürfen deine Mutter nicht bewegen, bevor wir genau wissen, was ihr fehlt …“

„Du kannst uns was erzählen!“ rief Silvy. „Soll ich dir mal was sagen? Du willst dich bloß wichtig machen, sonst gar nichts …“

„Und du schließt wieder mal von dir auf andere, Silvy! Aber du irrst dich, ich weiß nämlich Bescheid. Mein Bruder Hartmut hat einen Kursus in Erster Hilfe mitgemacht und lange Vorträge darüber gehalten.“

Olga fuhr sich mit beiden Händen durch ihr kurzgeschnittenes rotes Haar. „Ach, wenn die Jungen doch schon da wären!“ rief sie und konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor eine solche Sehnsucht nach ihren Brüdern gehabt zu haben, denn sie fühlte, daß sie der Situation auf die Dauer nicht gewachsen war und selber nahe vor einem Tränenausbruch stand. Und Tränen waren bei ihr verpönt.

In diesem Augenblick öffnete Frau Müller die Augen, blinzelte und fragte: „Was ist los? Warum liege ich …“ Sie hob den Kopf, ließ ihn aber gleich darauf mit einem kleinen Schmerzensschrei wieder sinken.

Mit Mühe unterdrückte Leonore ihre Tränen. „Du bist von der Leiter gefallen, Mutti, erinnerst du dich nicht? Es hatte geklingelt und …“

Frau Müller sah zu den festlich gekleideten Mädchen auf. „Mein Armes“, sagte sie und tastete nach Leonores Hand, „jetzt habe ich dir deine Party verdorben.“

„Aber Mutti, das ist doch jetzt ganz egal! Bitte, sag mir, hast du Schmerzen?“

„Wenn ich ruhig liege, nicht.“

„Ich wollte schon die ganze Zeit die Funkstreife anrufen“, sagte Silvy, „aber Olga und Leonore…“

Es klingelte an der Wohnungstür.

„Da sind die Jungen!“ rief Olga und stürzte, ganz erleichtert, hinaus.

Aber es war Dr. Horn, gefolgt von Katrin und Ruth, der Einlaß begehrte. Der Arzt legte Mantel und Hut ab, während die beiden Mädchen ihm in ihrem Regenzeug in das Wohnzimmer vorausgingen.

„Sehr vernünftig, daß ihr die Patientin habt liegen lassen“, sagte Dr. Horn, und er kniete sich neben Frau Müller.

Olga konnte es nicht unterlassen, Silvy hinter seinem Rücken die Zunge herauszustrecken.

„Haben Sie Schmerzen?“ fragte der Arzt.

„Wenn ich den Kopf bewege“, erklärte Frau Müller und zwang sich ein Lächeln ab.

„Wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung.“ Er sah das abgewinkelte Bein und tastete es ab. „Und ein Bruch des Unterschenkels. Ich werde Ihnen jetzt eine Spritze geben …“ Er öffnete seine Bereitschaftstasche.

„Warum?“ fragte Frau Müller.

„Sie stehen jetzt noch unter dem Einfluß des Schocks, deshalb spüren Sie nichts. Ich gebe Ihnen deshalb ein Medikament, das gegen den Schock wirkt und gleichzeitig die später auftretenden Schmerzen eindämmt.“ Er wandte sich an die Mädchen. „Bitte, laßt mich jetzt mit der Patientin allein.“

„Aber …“ wollte Leonore protestieren.

„Hinaus mit euch!“ sagte Frau Müller. „Hört ihr nicht, was der Herr Doktor gesagt hat.“

Sie verzogen sich in die kleine Diele, wo Ruth und Katrin ihre Regenkleidung ablegten, und so konnten sie Olgas Brüder und ihren Freund Gerd abfangen. Hastig erzählten sie ihnen, einander unterbrechend und sich gegenseitig ins Wort fallend, was passiert war.

„Kurzum, die Party ist geplatzt“, beendete Katrin den Bericht.

„Pech“, sagte Hartmut ohne allzu großes Bedauern, „dann können wir wohl wieder schieben. Kommst du mit, Olga?“

„O ja!“ rasch schlüpfte Olga in ihren Regenmantel und gab Leonore die Hand. „Gute Besserung für deine Mutter!“ Und schon war sie hinter den Jungen her und zur Tür hinaus.

Die anderen blieben noch, bis der Krankenwagen vorfuhr und zwei Sanitäter Frau Müller, die bis zum Hals mit einem regendichten Tuch bedeckt war, vorsichtig hinaustrugen.

Leonore lief nebenher und hielt ihrer Mutter einen Regenschirm über den Kopf. „Darf ich mitfahren, Herr Doktor?“ bettelte sie. „Bitte, bitte, ich muß doch unbedingt wissen …“

„Also gut“, sagte Dr. Horn, „steig ein! Ich hole dich dann später in der Klinik ab. Aber du mußt dann auch aufhören zu weinen.“

„Ganz bestimmt“, versprach Leonore und kletterte zu ihrer Mutter in den rückwärtigen Teil des Krankenwagens.

Herr Doktor Horn hatte Mantel und Hut angezogen; jetzt verstaute er seine Bereitschaftstasche in seinem Auto, setzte sich an das Steuer, wendete und fuhr davon.

„Sieben kleine Negerlein“, sang Katrin, „denen war es einerlei, was nun aus den anderen wurde, so sind wir nur noch drei!“

„Also, ich muß schon sagen“, meinte Silvy, „daß das selbst in Anbetracht der Umstände eine sehr sonderbare Auffassung von Gastfreundschaft ist.“

„Ich möchte bloß mal wissen, wie du dich benehmen würdest, wenn deiner Mutter so etwas passieren würde!“ konterte Ruth.

„Bestimmt würde ich nicht …“

„Zankt euch nicht, Freunde, haut euch lieber!“ fiel Katrin ihr ins Wort. „Wir haben jetzt drei Möglichkeiten: entweder schauen wir nach, wo die berühmten Kanapees und der hochgelobte italienische Salat stecken …“

„Ausgeschlossen!“ sagte Silvy sofort.

Ausnahmsweise war auch Ruth dieser Meinung. „Das geht nicht, Katrin, das wäre gar zu unverschämt.“

„Na schön. Ich habe zwar Hunger und könnte eine kleine Stärkung brauchen, aber, bitte, wie ihr wollt!“

„Und dein zweiter Vorschlag?“

„Wir könnten aufräumen!“

„Das hieße aber tatsächlich die Menschenliebe auf die Spitze treiben!“ behauptete Silvy. „Müllers sind schließlich fünf. Die können ruhig sehen, wie sie mit der Arbeit fertig werden.“

„Und außerdem ist die Leiter kaputt“, sagte Ruth, „und ich möchte mir keinesfalls auch noch ein Bein brechen.“

„Dann gondeln wir eben kurz entschlossen nach Hause.“

„Das geht nicht“, widersprach Ruth, „weil die beiden Kleinen im Haus sein müssen, die können wir doch nicht einfach allein lassen.“

„Habe ich total vergessen“, gestand Katrin.

„Und außerdem wissen Peter und Paul noch gar nicht Bescheid!“ gab Silvy zu bedenken.

Sie standen immer noch in der Haustür, berieten sich und blickten in den Regen hinaus, als die beiden Jungen endlich aufkreuzten.

„Hallo“, rief Peter schon von weitem, „was steht ihr da wie bestellt und nicht abgeholt? Ihr wißt wohl ohne uns nichts anzufangen!“

„Ist die Party schon in vollem Gange?“ fragte Paul, als sie nähergekommen waren.

„Es gibt keine Party“, erklärte Silvy unumwunden, „eure Mutter ist von der Leiter gefallen, ein Krankenwagen hat sie abgeholt, und Leonore hat sie begleitet.“

„Hört auf mit dem Quatsch! Solche Witze könnt ihr mit uns nicht machen!“ rief Peter.

„Da seid ihr schief gewickelt“, erklärte Katrin, „Silvy hat ausnahmsweise mal die Wahrheit gesagt.“

„Aber ihr braucht euch nicht zu beunruhigen“, fügte Ruth hinzu, „außer einer Gehirnerschütterung und einem Beinbruch ist nichts passiert.“

Die Brüder waren ziemlich blaß geworden.

„Ihr habt Nerven!“ knurrte Paul.

„Können wir euch helfen?“ fragte Katrin höflich. „Aufräumen oder uns um die Kleinen kümmern?“

„Nicht nötig. Das machen wir schon alleine“, lehnte Peter in einem reichlich patzigen Ton ab.

„Oh, wir wollten uns keineswegs aufdrängen“, sagte Katrin zuckersüß, „so interessant, wie ihr zu glauben scheint, ist uns eure ehrenwerte Gesellschaft gar nicht!“ Sie wandte sich Ruth und Silvy zu. „Los, zieht euch an. Ihr seht, unsere Typen sind hier nicht erwünscht.“ Sie schlüpfte in ihren Kapuzenmantel, nahm ihren Schuhbeutel, stürmte aus dem Haus und wartete erst nach einigen Metern auf die anderen.

„So frech hättet ihr zu den Jungen auch nicht zu sein brauchen“, tadelte Ruth.

„Waren sie denn etwa fein zu uns?“

„Sie waren sehr erschrocken“, erklärte Ruth, „und da kann man schon mal vergessen, höflich zu sein.“

„Ruth hat nicht so unrecht“, sagte Silvy hoheitsvoll, „es wird wirklich Zeit, daß du anfängst, dich im Umgang mit Herren zu üben. Wenn du so weiter machst, kriegst du nie einen Mann.“

Katrin blieb mitten im Regen stehen. „Nun sag mal, bist du denn ganz verrückt geworden? Ich soll mich jetzt schon um einen Mann kümmern? Ich weiß ja überhaupt noch nicht, ob ich jemals heiraten möchte, und wenn, dann bestimmt keinen so dummen Lümmel wie Peter oder Paul!“

„Du bist unverbesserlich“, tadelte Silvy.

„Ich!?“ schrie Katrin. „Und wer, bitte, ist im Regen herumgesaust und hat den Arzt herbeigelockt? Ja, stimmt, du hast mich begleitet, Ruth, das war famos von dir. Aber findet ihr nicht, daß Leonore sich ruhig hätte bedanken können?“

„Das tut sie wohl noch“, versuchte Ruth sie zu beruhigen.

„Dazu hätte sie auch allen Grund“, sagte Silvy, „denn wir sind ganz schön hereingefallen. Statt der versprochenen Party hat es gar nichts gegeben, nicht einmal ein Stück Kuchen. Und unsere Geschenke hat sie trotzdem kassiert, denn die konnten wir ja nicht gut wieder mitnehmen.“

„Und ganz umsonst schön gemacht habe ich mich auch“, maulte Katrin, „sogar die Haare habe ich mir gewaschen. Habt ihr überhaupt mein umwerfend schickes Kleid beachtet?“

„Du bist wirklich zu bedauern“, sagte Silvy, „jetzt stehst du da mit deinem geschrubbten Hals.“

Ruth ladite. „Wißt ihr was“, schlug sie vor, „wir kratzen unsere Pfennige zusammen und gönnen uns in der Milchbar ein Stück Kuchen oder ein Eis, denn eine kleine Stärkung haben wir nach all den Aufregungen und Enttäuschungen bestimmt verdient.“

„Das ist die Masche!“ rief Katrin. „Dann kann ich wenigstens noch mein Kleid zur Geltung bringen.“

„Und ich auch“, sagte Silvy.

Sie hakten sich beieinander ein und strebten im Sturmschritt dem verlockenden Ziel zu.

Silvy will die Erste sein

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