Читать книгу Die schöne Amazone - Marion Chesney - Страница 3
ERSTES KAPITEL
ОглавлениеEs würde lange dauern, bis Honoria Honeyford, von Verwandten und Freunden Honey genannt, Amy Wetherall verzeihen konnte. Bis zu dem Tag, an dem Amy und ihre Familie in die Stadt Kelidon zogen, hatte Honey das Feld behauptet.
Alle Herren der Gegend pflegten Honey regelmäßig zu besuchen und schienen ihre unbekümmerte, zwanglose Gesellschaft zu schätzen. Honey hatte sich nicht dem langweiligen Benimmunterricht einer zukünftigen Debütantin unterziehen müssen. Statt den Umgang mit Globen, die italienische Sprache, die Kunst des Aquarellierens und Musizierens und die Handhabung eines Fächers zu erlernen, lernte sie Griechisch und Latein, Mathematik und Physik, und sie las die Werke aller freisinnigen Schriftsteller, derer sie habhaft werden konnte. Ihr Lieblingsbuch war »Eine Verteidigung der Rechte der Frau« von Mary Wollstonecraft. Sie bestand darauf, sich mit Männern auf vertrautem Fuß zu unterhalten und bequeme, männerartige Kleidung zu tragen. Ihr Haar war so kurz geschnitten wie das von Caroline Lamb, und die Leute in der Stadt sahen die schöne Miss Honeyford in Gedanken schon zu einer ebenso exzentrischen Person werden.
Denn Honey war wirklich schön. Was ihr von ihrem Haar geblieben war, nachdem sie es rücksichtslos geschoren hatte, war dick und glänzend, ein üppiges Kastanienbraun, in dem goldene Strähnen Glanzlichter setzten. Sie hatte eine schlanke Figur und ein zartes Elfenbeingesicht mit großen haselnußbraunen Augen und dichten schwarzen Wimpern.
Wäre ihre Mutter noch am Leben gewesen, hätte es vielleicht anders um Honey gestanden, aber Sir Edmund Honeyford verwöhnte seine eigenwillige Tochter, wo er nur konnte, und vielleicht war alles auch ein bißchen seine Schuld, weil er versucht hatte, sie zu dem Sohn zu machen, den er sich immer gewünscht hatte. Honey konnte ausgezeichnet mit dem Gewehr und dem Florett umgehen und brachte die Jäger der Gegend aus der Fassung, wenn sie an Hetzjagden teilnahm und sich unbekümmert der Sprache des allereinfachsten Stallknechts bediente.
Honey freute sich und war neugierig, als sie hörte, daß Amy Wetherall in die Gegend gezogen war. Sir Edmund lachte und meinte, Amy müsse ein bildhübsches Mädchen sein, weil all die jungen Männer gestanden hätten, sie seien von Amors Pfeil getroffen. Da er darauf brannte, die schöne Amy selbst zu sehen, nahm er die Einladung zu einer musikalischen Soiree im Haus der Wetheralls für sich und Amy an.
Die Honeyfords wohnten in einem großen, etwas heruntergekommenen Herrenhaus am Rande von Kelidon. Die Dienerschaft bestand durchwegs aus Männern, da Honey die Dienste einer Zofe voller Verachtung von sich wies. So glich das Haus eher einem Herrenclub, in dem es nach Brandy, Holzfeuern und den Zigarren roch, die Honey und ihr Vater rauchten, wenn sie sich am Abend unterhielten.
Als sie sich auf den Weg zu den Wetheralls machten, war Sir Edmund ordentlich, wenn auch nicht der Mode entsprechend, in einen alten Chintzrock und Kniehosen gekleidet. Honey trug ein weites Kleid in einem geradezu bedrückend tristen Schlammbraun. Ihr einziger Schmuck bestand aus einer riesigen Kameenbrosche, die eine römische Matrone mit harten Gesichtszügen darstellte. Sie sah aus, als hätte sie soeben dafür gesorgt, daß wieder ein Christ den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde.
Es war eine kalte Frühlingsnacht, und deshalb hatte Honey einen schweren Umhang mit zahlreichen Capes über ihr Gewand geworfen. Sie hielt einen Augenblick inne, bevor sie ihn anzog, weil ihre beiden Lieblingsfuchshunde, die sich im Haus aufhalten durften, den Umhang als Schlafplatz benutzt hatten und dieser ganz abscheulich nach feuchtem Hund roch, tröstete sich aber dann mit dem Gedanken, daß sie den Umhang ja nicht während der Soiree anbehalten würde. Ihr Kleid war altmodisch lang und reichte bis zum Boden, so daß es ihr unsinnig schien, an einem so kalten Abend dünne Seidenslipper anzuziehen. Deshalb schlüpfte sie in ein bequemes Paar Stiefel.
Die Wetheralls hatten den Besitz des verstorbenen Gutsherrn auf der anderen Seite von Kelidon übernommen. Honey und ihr Vater fuhren auf dem Kutschbock sitzend durch die Stadt. Honey lenkte das Viergespann, und das Tempo, das sie angab, war für die Stadt viel zu rasant. Sir Edmund freute sich jedoch an der Geschicklichkeit, mit der seine Tochter die Zügel führte, und pflegte stolz zu sagen, daß sie den Dreh heraushabe. Er klammerte sich auf seiner Seite fest und beobachtete zufrieden, wie die Läden und Häuser an ihnen vorbeiflogen. Er war ein kleiner, stämmiger Mann, der seine Haare trotz der schändlichen Mehlsteuer noch puderte. Er hatte immer als der eigentliche Gutsherr von Kelidon gegolten, auch als Mr. Pembroke noch am Leben war. Denn Mr. Pembroke war ein magerer, gelehrter Mann gewesen, ganz das Gegenteil des fröhlichen, sportbegeisterten Sir Edmund.
Sir Edmund hatte Honey jede Unart nachgesehen. Er erinnerte sich oft voller Zuneigung an den Tag, an dem sie gegen ihre Gouvernante rebelliert und statt ihrer einen »richtigen« Hauslehrer verlangt hatte. Obwohl er selbst keineswegs ein belesener Mann war, bewunderte Sir Edmund nichtsdestoweniger die Begeisterung, mit der seine Tochter Bücher verschlang. Lady Honeyford war gestorben, als Honey erst sechs war, und so war Honey aufgewachsen, ohne daß eine weibliche Hand ihrer exzentrischen Erziehung irgendwelche Einschränkungen auferlegt hatte. So waren sie an diesem schönen Frühlingsabend, an dem die frischen Blätter die Bäume im Mondschein in schwarze Spitzenwolken verwandelten, ein so zufriedenes und glückliches Vater-Tochter-Paar, wie es in ganz England im Jahre 1812 nur eines gab. Aber das war, bevor sie Amy Wetherall kennenlernten.
Das Haus des Gutsherrn war ein weiträumiges, efeubedecktes Gebäude gewesen, berühmt wegen seines verwilderten Gartens, seiner schlechten Sickerrohre und seiner düsteren Räume. Als sie sich ihm auf der neuerdings gepflegten Auffahrt näherten, merkten beide, daß der Efeu heruntergerissen und die Ziegelmauern frisch gestrichen waren. Und vor den Hauseingang hatten die neuen Besitzer einen modernen Säulenvorbau anbauen lassen.
Aus allen Fenstern strahlte helles Licht, und sämtliche Vorhänge waren zurückgezogen, genauso, wie es im weit entfernten London der Brauch war, wenn man eine Abendgesellschaft gab.
Honey ertappte sich bei der Hoffnung, daß sie sich ihres Umhangs entledigen konnte, bevor ihn jemand anderer als der Butler zu Gesicht bekam.
Aber andere Gäste kamen gleichzeitig mit ihnen an, und als Honey die Eingangshalle betrat, sagte eine junge Dame laut: »Ich hätte nicht gedacht, daß die Wetheralls Hunde im Haus halten. Es riecht entsetzlich nach feuchtem Hundefell.«
Honey stellte fest, daß sie ihren Umhang in einem Raum lassen sollte, der als Garderobenraum für die Damen gedacht war. Sie wurde ihn schnell los, indem sie ihn hinter einen Wandschirm warf. Die anderen Damen gaben sich vor dem Spiegel den letzten Schliff. Honey kannte sie alle, aber keine von ihnen grüßte Honey mit besonderer Herzlichkeit, denn Honey bevorzugte die Gesellschaft von Männern und war, ohne sich dessen bewußt zu sein, zu den Damen der Gegend immer recht unhöflich gewesen. Sie merkte, wie sehr sie sich alle für diesen Abend herausgeputzt hatten. Ihr eigenes Spiegelbild zeigte ihr dagegen eine triste Gestalt, die gegen all die hübschen pastellfarbenen Musselin- und Seidenkleider traurig abfiel. Wenn der alte Gutsherr Gäste gehabt hatte, war das Haus immer schrecklich kalt gewesen, aber heute abend war es warm. Nicht nur die Kaminfeuer, die in jedem Raum brannten, sondern auch Hunderte von feinsten Bienenwachskerzen erwärmten das Haus.
Zu Lebzeiten des Gutsherrn waren die Zimmer dunkel und düster gewesen. Jetzt hatte Honey das Gefühl, als stände sie auf einer Bühne. Sie bemerkte Hundehaare auf ihrem Wollkleid und streifte sie ungeduldig ab. Vielleicht, weil er gespürt hatte, daß sich seine Tochter in diesem Haus nach der neuesten Mode nicht wohl fühlte, wartete Sir Edmund in der Halle auf sie.
Er kniff die Augen ein wenig zusammen, als sie aus der Garderobe kam, weil er sie zum ersten Mal ganz bewußt wahrnahm – er sah die allzu kurzen Haare und die nachlässige Kleidung. Sie blieb mit dem Rocksaum an einem Stuhl hängen, und bevor sie den Rock wieder nach unten streifen konnte, hatte Honey ihrem Vater und der Gesellschaft offenbart, daß sie rissige Stiefel trug und gestopfte grüne Strümpfe.
Sir Edmund zupfte verlegen an den Aufschlägen seines Chintzrocks und wünschte zum ersten Mal in seinem Leben, er hätte sich irgendwann der Mühe unterzogen, sich ein neues Abendjackett schneidern zu lassen.
An die Rückseite des Hauses war ein Musikzimmer angebaut worden, und ein berühmter Sopran namens Madame Venuti sollte für sie singen. Keiner hatte je zuvor von ihr gehört, aber der Glanz des Wetherall-Hauses tat das Seine, alle davon zu überzeugen, daß sie bestimmt schon einmal etwas über sie gelesen haben mußten.
Mrs. Wetherall erwartete ihre Gäste an der Tür zum Musikzimmer, um sie dort willkommen zu heißen. Sie war eine magere Frau mit eisengrauen Haaren, die von einem Spitzenhäubchen bedeckt waren. Ihre Augen waren blaßgrau und ziemlich vorstehend, und die kräftigen gelben Zähne entblößte sie, so sehr es nur ging.
Mr. Wetherall war ein großer Mann mit hängenden Schultern und ungesunder Gesichtsfarbe, von dem es hieß, er habe sein Geld in Indien gemacht.
Und dann war da noch Amy Wetherall.
Honey war schlank und zierlich, aber Amy Wetherall weckte in ihr das Gefühl, ein großer schwerfälliger Ochse zu sein, denn Amy wirkte in ihrem Kleid aus Goldlamé unvergleichlich ätherisch. Ihre braunen Haare waren kunstvoll zu einer scheinbar unordentlichen Lockenfrisur arrangiert, und ihren Glanz verdankten sie ausschließlich ihrer Gesundheit, nicht etwa einer Pomade. Sie hatte riesige stiefmütterchenbraune Augen, einen Mund wie eine Rosenknospe und eine hübsche, gerade Nase. Ihr Kleid war am Busen tief ausgeschnitten, und auf ihrem weißen Dekolleté schimmerte eine doppelte Perlenkette.
Honey machte vor allen Wetheralls einen Knicks und versuchte durch die Eleganz ihrer Bewegungen die Schäbigkeit ihres Kleides wettzumachen. Sie mußte nur ein paar Schritte in das Musikzimmer tun, aber es schienen ihr in ihrer Befangenheit Meilen zu sein. Sie war dankbar dafür, daß sie auf einen Stuhl in der letzten Reihe neben ihrem Vater sinken konnte und allmählich die Schamröte aus ihren Wangen weichen fühlte. Die musikalische Darbietung war eine einzige Qual für Honey. Der Sopran hatte eine schrille, durchdringende Stimme und traf nicht immer ganz den Ton, erhielt aber von den anderen Gästen herzlichen Beifall, da sie Kultur ohnehin mit unerträglichen Martern gleichsetzten und deshalb Madame Venuti für eine erstklassige Sängerin hielten.
Nach dem Konzert begaben sich alle in einen hübschen, blumengeschmückten Salon, um ein spätes Abendessen einzunehmen, und es gab viel Gelächter und Gedränge, als die Männer miteinander um einen Platz neben Amy wetteiferten. Honey beobachtete Amy hinter halb geschlossenen Augenlidern. Amy wußte ganz genau, wie man kokettierte – sie wedelte anmutig mit dem Fächer und lachte ein silbernes, glockenreines Lachen.
Sehen sie denn nicht, daß alles, was sie tut, einstudiert ist? dachte Amy. So will ich niemals werden. Ich verkehre mit Männern auf gleichem Fuß. Sie sah sich nach einem Mann um, mit dem sie auf gleichem Fuß verkehren konnte, aber sie drängten sich – ob alt, ob jung – alle um Amy.
»Ich habe gehört, daß Sie nach London gehen, Miss Wetherall«, sagte ein junger Offizier. »Sie werden dort die Herzen genauso brechen wie hier.«
Amy schaute ihn über den Rand ihres Fächers hinweg an. »Captain Jocelyn, ich kann mir nicht vorstellen, daß die Herren in London charmanter als die Herren in Kelidon sind. Bei meiner Ehre! Können Sie sich vorstellen, wie ich im Hyde Park am Arm eines Bond-Street-Beaus promeniere?« Sie legte ihren Fächer auf den Tisch, faßte sich an die Wangen, wo bei den Männern die Koteletten wachsen, und sagte mit rauher Stimme: »Meiner Treu, Miss Wetherall, Ihr Kleid ist fast so gut geschnitten wie mein Überrock, und der Teufel hole mich, wenn Ihr Täschchen nicht zu meiner Weste paßt!«
Die Männer brachen in lautes Gelächter aus. Zu ihrem Erstaunen sah Honey, daß einer der am lautesten lachenden Herren ihr Vater war. Dabei hatte sie das Gefühl, daß Amy weder etwas besonders Geistreiches noch Kluges gesagt hatte, ja nicht einmal etwas Lustiges.
Schließlich gelang es einem der Kavaliere, einen Platz neben Amy zu ergattern, und die übrigen verteilten sich, um sich andere Plätze zu suchen. Captain Jocelyn setzte sich geistesabwesend neben Honey, doch waren seine Augen immer noch auf Amy geheftet. Endlich wandte er seine Aufmerksamkeit widerstrebend Honey zu. »Ah, Miss Honeyford«, sagte er, »Sie müssen mir verzeihen. Ich war mit meinen Gedanken woanders.«
Captain Jocelyn war ein ausgesprochen gutaussehender Mann mit scharf geschnittenen, sonnengebräunten Zügen und ruhigen grauen Augen, der sich auf Heimaturlaub vom Krieg auf der Pyrenäenhalbinsel befand. Honey war ihm bereits auf der Jagd begegnet, und er gefiel ihr besser als andere Männer.
Auf einmal verspürte sie den Wunsch, daß er ihr so ungeteilte Aufmerksamkeit zuwende wie Amy. »Captain Jocelyn«, begann sie, »ich würde gerne Ihre Meinung zur Erweiterung der Machtbefugnisse des Prinzregenten hören. Glauben Sie, daß er eine Koalitionsregierung bilden wird? Er hat dem Parteivorsitzenden der Liberalen den Vorschlag gemacht, Premierminister zu werden, aber man sagt, daß Percival nichts von der Idee hält. Halten Sie eine Koalition für eine gute Sache?«
In diesem Augenblick erklang Amys silbernes Lachen. Sie beugte sich nach vorne und sagte etwas zu ihrem Tischherrn. Captain Jocelyn wandte sich von Honey ab und spitzte die Ohren in der offensichtlichen Hoffnung zu hören, was Amy gerade sagte. Schließlich wandte er sich mit nicht zu übersehender Anstrengung wieder Honey zu. »Es tut mir leid, Miss Honeyford«, sagte er. »Sie fragten gerade ...?«
Leicht errötend wiederholte Honey ihre Frage. Captain Jocelyn hatte sich bisher mit ihr sehr gerne über Politik unterhalten. Jetzt sagte er: »Ich weiß es nicht, Miss Honeyford. Der Teufel soll mich holen! Haben Sie je solche Augen gesehen?«
Nun war das ohne Zweifel die Art von Bemerkung, die er gemacht hätte, wenn er sich mit einem anderen Mann unterhalten hätte, und dennoch fühlte sich Honey in ihrem Stolz verletzt. »Miss Wetherall ist sehr schön, nicht wahr?« entgegnete sie und versuchte, sich frei und ungezwungen zu geben.
»Sehr schön«, stimmte ihr Captain Jocelyn verträumt zu. »Sie sind ein guter Kumpel, Miss Honeyford. Sie wissen, was ich meine. Schauen Sie sich nur einmal ihre zarten Handgelenke und ihre strahlenden Augen an. In ihrer Gegenwart fühlt sich ein Mann drei Meter groß.«
Honey zuckte bei dem »guten Kumpel« zusammen und vergaß dabei, daß ihr dieses Kompliment bis zum heutigen Abend als sehr erstrebenswert vorgekommen wäre. »Ich hoffe, Miss Wetheralls Bildung kommt ihrer Schönheit gleich«, sagte sie.
»Oh, Miss Wetherall ist außerordentlich intelligent«, beteuerte der Captain. »Sie hat Lady Jenkins’ Cockerspaniel gezeichnet, und es war der Hund, wie er leibt und lebt. Sie stickt ganz wunderbar, und ihre Stimme! Sie singt wie ein Engel.«
Honey fühlte sich verunsichert. Sie hatte den Wunsch, aufzuspringen und zu rufen: »Schauen Sie mich an! Ich bin auch eine Frau.« Statt dessen fragte sie in ihrer Verzweiflung: »Geht Miss Wetherall auf die Jagd?«
»Guter Gott, nein! Sie ist viel zu sehr eine Dame, als daß sie so etwas täte. Ich schaudere bei dem Gedanken, daß ein so zerbrechlicher Engel mit uns groben Kerlen ausreitet. Ich kann es nicht ertragen, auch nur daran zu denken.«
»Ich gehe aber auf die Jagd, wie Sie sehr wohl wissen, Captain Jocelyn«, erwiderte Honey spitz.
Er schien sie zum ersten Mal an diesem Abend zu sehen. Als er sie anblickte, wurde sich Honey erneut der Schäbigkeit ihres Kleids bewußt und fuhr sich nervös mit der Hand durch die kurzgeschnittenen Locken.
»Ja, das stimmt«, sagte er nachsichtig, »aber Sie sieht man irgendwie nicht als Dame an, Miss Honeyford. Ich meine, man merkt auf der Jagd keinen Unterschied. Meine Güte, was hab’ ich neulich gelacht, als der alte Harry Blenkinsop sagte, Sie fluchten kräftiger als sein erster Reitknecht.« Er lachte herzlich.
Honey fühlte sich angesichts seines Gelächters immer kleiner werden. Sie hatte das Gefühl, daß sie ganz verschwinden könnte, wenn sie nur noch ein bißchen kleiner würde.
Das Eßzimmer war sehr heiß, und die Luft war parfümgeschwängert. Die anderen Damen trugen hauchdünne Musselinkleider. Honeys Kleid kratzte und kniff überall.
Als das Abendessen endlich vorüber war, sah Honey in der Hoffnung, er werde sagen, es sei Zeit, nach Hause zu gehen, zu ihrem Vater hinüber. Aber da verkündete Mrs. Wetherall, daß man die Stühle im Musikzimmer zur Seite geräumt habe und einen improvisierten Tanzabend veranstalten wolle. Alle, ausgenommen Honey, jubelten bei dieser Nachricht voller Freude. Mit düsterer Miene beobachtete sie, wie Captain Jocelyn sich schnell davonstahl, um zu versuchen, Amy zu einem Tanz zu überreden.
Traurig ging Honey zu den Matronen ins Musikzimmer, während sich die Paare zu Gruppen zusammenfanden, um einen Kontertanz zu tanzen. Das Gefühl, ein Mauerblümchen zu sein, lastete schwer auf ihr, und sie setzte sich hinter eine Säule.
»Jetzt muß ich mir aber eine Tanzpartnerin suchen«, kam eine männliche Stimme von der anderen Seite der Säule. John Anderson, dachte Honey. John und sie waren gute Freunde. Wenn sie aufstand und um die Säule herumging, würde er sie sicherlich zum Tanz auffordern.
»Zu spät, um die schöne Amy zu fragen«, sagte eine andere Stimme. »Gerade habe ich deine Freundin Miss Honeyford noch gesehen. Warum forderst du nicht sie auf?«
Mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen stand Honey halb auf.
»O nein, die doch nicht«, erwiderte Mr. Anderson mit erschreckender Deutlichkeit. »Sie benimmt sich doch wie ein Mann, und verflixt noch mal, womöglich führt sie noch mich beim Tanzen. Ein lieber Kerl, aber – na, du weißt schon.«
Ihre Stimmen verloren sich, während sie sich entfernten.
Honey saß wie zu Stein erstarrt da. Sie haßte Amy Wetherall. Diese Männer waren ihre Freunde gewesen. Sie hatte die Herzlichkeit ihrer Kameradschaft genossen. Und jetzt hatte Amy mit ihrer koketten Art alles verdorben.
Das Musikzimmer verschwamm für kurze Zeit vor ihren Augen. Dann blinzelte Honey die Tränen wütend weg. Amy würde bald nach London aufbrechen, und dann war alles wieder wie zuvor. Kam denn ihr Vater nie mehr? Es war sonst gar nicht seine Art, irgendwo so lange zu bleiben. Aber es wurde zwei Uhr morgens, ehe Honey endlich auf den Kutschbock klettern und die Zügel übernehmen konnte.
Sir Edmund machte einen abwesenden Eindruck und sagte auf dem ganzen Heimweg kein Wort.
Honey hatte nur den einen Wunsch – ihren schmerzenden, gedemütigten Kopf auf das Kissen zu legen und einzuschlafen. Aber kaum waren sie im Haus, da sagte Sir Edmund: »Ich möchte mit dir etwas Wichtiges besprechen, Honoria, bevor du zu Bett gehst.«
Honey sank der Mut. Ihren richtigen Namen benutzte er nur, wenn er besorgt oder ärgerlich war.
Dann hellte sich ihre Stimmung wieder etwas auf. Mit ihm vor dem Feuer zu sitzen, Brandy zu trinken und Zigarren zu rauchen würde dem Abend etwas von dem schlechten Geschmack nehmen, den er in ihrem Mund hinterlassen hatte.
Aber das erste Zeichen dafür, daß dieser Abend nicht wie andere verlaufen würde, war Sir Edmunds Anweisung, statt der Brandykaraffe das Teetablett in den Salon zu bringen. Er wartete und gab Honey durch einen Wink zu verstehen, daß sie schweigen solle, bis der Tee serviert war.
Er sah sie lange und ernst an, und dann sagte er: »Ich habe mit deiner Erziehung einen schönen Bock geschossen. Ich wünschte, daß deine liebe Mama noch am Leben wäre.«
»Ich kann mich nicht beklagen, Papa«, erwiderte Honey voller Aufregung.
»Nein? Nun, um so schlimmer. Du hättest heute abend diejenige sein sollen, um die sich die Herren drängen. Es hat mir das Herz gebrochen, ansehen zu müssen, wie du daherkamst – wie eine Vogelscheuche.«
»Papa!«
»Ja, wie eine Vogelscheuche, Honoria. Ich war schon genug über mein eigenes Aussehen beschämt. Wir haben es uns miteinander wie zwei alte Junggesellen wohl sein lassen, so wohl, daß ich schon beinahe vergessen hatte, daß du eine junge Dame im heiratsfähigen Alter bist.«
»Aber es ist doch alles in Ordnung so, wie wir leben«, entgegnete Honey. »Wir sind glücklich.«
»Es gibt kein Zurück. Ich danke dem lieben Gott, daß du noch jung genug bist und alles ungeschehen gemacht werden kann. Du mußt lernen, wie sich eine junge Dame benimmt, auf die ich stolz sein kann.«
»Es ist die verdammte Amy«, sagte Honey. »Sie hat dich beeinflußt. Du warst einmal stolz auf mich.«
»Ich bin es noch, gewissermaßen. Du darfst Miss Wetherall nicht die Schuld geben. Es kommt der Tag, da wirst du ihr dafür danken, daß sie mir die Augen geöffnet hat. Erinnerst du dich an deine Tante, die ältere Schwester deiner Mutter, Lady Canon?«
»Tante Elizabeth? Ja, undeutlich.«
»Sie hat mir voriges Jahr geschrieben und angeboten, dich während der Londoner Saison als Anstandsdame zu begleiten. Damals habe ich ihr Angebot mit der Begründung, du seist zu jung, abgelehnt, aber in Wirklichkeit wollte ich dich bei mir behalten. Noch heute nacht werde ich Lady Canon schreiben, daß du nach London reist, um bei ihr zu wohnen.«
»Ich kann nicht weg von hier«, sagte Honey und begann zu weinen. »Amy wird bald gehen, und dann werden wir uns wieder wohl fühlen.«
»Ich kann mich erst wieder wohl fühlen, wenn ich dich mit einem anständigen Mann verheiratet sehe, der deine guten Eigenschaften zu schätzen weiß.«
»Heiraten! Du hast mich immer darin bestärkt, unabhängig zu sein und selbständig zu denken. Heiraten bedeutet, als Sklavin eines Mannes ans Haus gefesselt zu sein, ein Leben im Kindbett und auf dem Krankenlager zu verbringen!«
»Pst, Kind. Du wirst dich nach dem Ehestand sehnen, wenn du erst einmal frei von meinem rauhen Einfluß bist. Es hat keinen Sinn zu weinen, mein Kind. Ich bin fest entschlossen.«
»Ich gehe nach London, wenn du es wünschest, Papa«, sagte Honey und wischte sich die Tränen ab. »Aber nichts und niemand wird es fertigbringen, mich zu einer einfältigen, gezierten Gans wie Amy Wetherall zu machen.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß die Liebe das bewirkt, was ich versäumt habe«, meinte Sir Edmund.
»Liebe! Ich werde niemals einen Mann lieben, wenn du mit Liebe romantische Liebe meinst. Sie würdigt eine Frau herab und macht sie zu einem im Staub kriechenden Schoßhund, der nach dem Klang der Schritte seines Herrn lechzt.«
»Wir werden sehen«, seufzte Sir Edmund. »Laß mich jetzt allein.«
Als Honey am nächsten Morgen erwachte, hatte sie es geschafft, sich einzureden, daß ihr Vater nur einen verrückten Einfall gehabt hatte. Und während der folgenden Woche hatte es auch den Anschein, als hätte Sir Edmund die ganze Sache schon wieder vergessen. Allerdings glänzten die jungen Männer, die sonst regelmäßig vorbeigekommen waren, um mit Honey und Sir Edmund zu plaudern, durch Abwesenheit.
Als eine Woche vergangen war, beschloß Honey, einen langen Spaziergang zu machen, um sich von der nervösen Anspannung, die sie seit der Gesellschaft bei den Wetheralls plagte, zu befreien. Sie stülpte sich einen tristen Biberhut auf den Lockenkopf und warf sich ihren Umhang über die Schultern. Dabei vergaß sie völlig, daß sie sich geschworen hatte, ihn nie wieder zu tragen.
Als sie ein paar Meilen gelaufen war, fühlte sie sich allmählich gelöster und fröhlicher. Sie ging durch die Stadt, blieb gelegentlich stehen, um mit Bekannten zu sprechen, und schlug dann beinahe gegen ihren Willen den Weg aus der Stadt ein. Sie ging auf das Herrenhaus der Wetheralls zu.
»Ich bin sehr dumm«, schalt sie sich. »Die Herren haben bestimmt Verpflichtungen, die ihr Fernbleiben erklären. Es ist doch unmöglich, daß sie die ganze Zeit damit verbringen, um Miss Wetherall herumzuschleichen.«
Als sie um die nächste Ecke bog, lag das Tor zur Auffahrt der Wetheralls direkt vor ihr, und auf der Straße herrschte große Aufregung, als eine Kutsche herausgefahren kam. Jeder annehmbare Freier in der Grafschaft drängte sich am Tor. Amy Wetherall fuhr nach London.
Sie lachten und hielten bunt verpackte Päckchen und Blumen in die Höhe. Die Kutsche hielt an, und Amy kletterte heraus, um die Abschiedsgeschenke ihrer Verehrer entgegenzunehmen.
Obwohl es ein kalter Tag war, trug sie ein dünnes französisches Batistkleid unter einer Pelerine aus bernsteindurchwirktem Sarsenett, die mit blauen Satinbändern eingefaßt war. Der dazu passende Hut war mit einer blau-weiß karierten Schleife unter dem Kinn gebunden und von Nachthyazinthen gekrönt. Unter dem modisch kurzen Saum des Kleides blinkten hellblaue Lederschuhe hervor, und die langen Handschuhe bedeckten ihre Arme bis über die Ellbogen hinauf. Ihre glänzend braunen Locken waren in die Stirn gekämmt.
Honey drehte sich um und ging schnell weg. Sie war lange Zeit der Ansicht gewesen, daß sich eine Dame bequem kleiden und sich nicht zum Sklaven der Mode machen sollte. Aber jetzt erschienen ihr ihre eigenen Kleider schlicht verschroben. Das Kleid, das sie zu der musikalischen Soiree getragen hatte, war zu warm gewesen und hatte gekratzt. Wieviel vernünftiger waren die lockeren, leichten Musselinkleider der anderen weiblichen Gäste gewesen!
Doch als sie zu Hause ankam, hatte sie ihre gute Laune weitgehend wiedergewonnen. Jetzt, wo Amy weg war, würde das Leben wieder seinen gewohnten angenehmen Gang gehen.
Das Haus sah düster und heruntergekommen aus. Warum war ihr das bisher nie aufgefallen? Aus den Glasvitrinen in der Halle starrten sie ausgestopfte Füchse feindselig an, und über dem Kamin war ein riesiger ausgestopfter Hecht befestigt. Ein Wind war aufgekommen und stöhnte traurig in den Dachtraufen.
Zum ersten Mal sah sie, was die jungen Männer der Gegend gesehen haben mußten – dieses seltsame, düstere Haus mit seiner seltsamen, altmodisch gekleideten Tochter. Vor ihrem Auge stand das Bild des Wetherall-Hauses, das im Kerzenlicht strahlte und mit Blumen geschmückt war, und darin Amy, zauberhaft und kokett, mit ihren graziösen Bewegungen, von denen sie keine dem Zufall überließ.
George, der Lakai, der gerade die Tür, die von den Wirtschaftsräumen in die Halle führte, öffnete, sah einem Wilderer ähnlicher als einem Lakaien. Sein Anzug sah zwar über der Taille einer Livree in verblichenem Weinrot mit silbernen Litzen recht ähnlich, aber von der Taille abwärts war er in fleckige Kniehosen und ein Paar von Sir Edmunds abgelegten Reitstiefeln gekleidet. »Der Herr wartet in der Bibliothek auf Sie, Miss Honoria«, sagte er.
Honey ließ sich aus dem Umhang helfen und ging dann in die Bibliothek, wo ihr Vater vor einem kleinen, rauchenden Feuer saß. Er hielt einen Brief in der Hand.
»Setz dich, Honoria«, sagte er, und Honey wurde beim Klang dieses »Honoria« wieder ganz mulmig zumute. »Ich habe Lady Canon ein Expreßschreiben geschickt, und sie war so entgegenkommend, mir auf demselben Weg zu antworten. Sie schreibt, es ist ihr eine große Freude, dich so bald wie möglich an die Hand zu nehmen. Ich habe ihr in meinem Brief geschrieben, daß ich ihr Geld senden werde, damit du dir in London eine große Garderobe zusammenstellen kannst.«
»Oh, muß ich wirklich gehen, Papa? Wenn ich verspreche, daß ich nächstes Jahr gehe ...«
»Die ganze Geschichte hat auch eine finanzielle Seite«, seufzte Sir Edmund. »Die Wahrheit ist, daß ich nicht weiß, wie ich mein Land gewinnbringend bewirtschaften soll. Die sogenannten Pachtverträge binden zwar den Gutsbesitzer, haben aber keinerlei Wirkung auf den Pächter. Weil die Pächter auch nicht wissen, wie sie die Güter bewirtschaften sollen und sämtliche Verbesserungen und Neuerungen ablehnen, zahlen sie mir nur die Hälfte der Pacht, die sie noch meinem Vater schuldeten. Ich fürchte, die sprichwörtliche Ehrlichkeit des britischen Bauern ist eine fromme Lüge. Wenn ich den Versuch mache herauszufinden, was sie in der Tasche haben, erklären sie immer, daß ihr Kapital jemand anders gehört – ihrer Tante, ihrem Onkel oder ihrer Großmutter –, und deshalb bleiben die Pachterträge äußerst niedrig. Und wenn die Pacht einmal niedrig ist, ist es sehr schwer, sie zu erhöhen, solange sie ihre Armut anführen. Und mein Verwalter John Humphries ist zu bequem und läßt die Dinge laufen ... Es wäre eine große Hilfe, einen zweiten Mann in der Familie zu haben, einen Schwiegersohn. Um es einmal ganz offen auszusprechen, einen Schwiegersohn mit Geld.«
»Aber das hättest du mir früher sagen sollen«, jammerte Honey völlig entgeistert. »Ich hätte mich mit Landwirtschaft beschäftigen und alles über die neuen Methoden und Maschinen lernen können.«
Sir Edmund schüttelte den Kopf. »Die Bauern und John Humphries nehmen von einem Mädchen keine Befehle an.«
»Ich hasse es, ein Mädchen zu sein«, rief Honey leidenschaftlich aus. »Ich wünschte, ich wäre als Junge geboren.«
»Deine ungewöhnliche Erziehung veranlaßt dich, so zu denken«, sagte Sir Edmund. »Honey, du mußt dich hüten, zu einer schrulligen Landpomeranze zu werden.«
»Papa«, entgegnete Honey errötend. »Du hast immer gesagt, ich sei ein gescheites Mädchen.«
»Das bist du auch, mein Kind, und deshalb wird Lady Canon bestimmt feststellen, daß du gelehrig bist.«
»Aber jeder kann lernen, was Mädchen wie Amy Wetherall lernen – ein Instrument spielen, zeichnen, singen, tanzen, Wachsblumen modellieren, häkeln. Und wozu soll das gut sein? Ein Mann hat nichts von einer Frau, die nichts kann als Slipper mit Perlen verzieren.«
»Aber von einem jungen Mädchen, das Griechisch und Latein kann, hat er auch nichts«, erwiderte Sir Edmund trocken. »Als deine Mutter jung war, hat man von einem jungen Mädchen erwartet, daß es vom Haushalt genauso viel versteht wie die Dienstboten. Aber dir hat man ja nicht einmal das beigebracht. Honey, eine Frau hat nun einmal die Aufgabe, zu heiraten und Kinder zu kriegen.«
»Es sei denn, sie hat Glück«, sagte Honey, sprang auf und begann auf und ab zu schreiten. »Ich verachte junge Damen wie Amy Wetherall zutiefst.«
»Ach nein? Warum bist du dann so eifersüchtig auf sie?«
»Ich eifersüchtig?«
»Ja, eifersüchtig. Eifersucht ist der Charakterfehler, von dem jeder behauptet, daß ihn der andere hat, nur er selbst nicht.«
»Ich werde auf den Heiratsmarkt getrieben wie eine Kuh!«
»Wie ein junges Mädchen, das vom Glück äußerst begünstigt ist. Du bist doch sicher schon einmal an dem riesigen neuen Gebäude in Kelidon vorbeigekommen, dem sie den Spitznamen Bastille gegeben haben? Das, meine Liebe, ist das Arbeitshaus. Denk an die jungen Frauen, die da drin sind, bevor du anfängst, dich über schöne Bälle und feine Leute zu beklagen.«
Honeys Augen füllten sich mit Tränen. »Du bist sehr hart, Papa.«
»Ich bin absichtlich hart, damit dir der Abschied leichter fällt. Denn du reist morgen ab.«
»Ich habe nichts vorbereitet. Ich kann morgen noch nicht abreisen.«
»Aber ich habe alles vorbereitet. Du hast wenig zu packen, da du nichts Passendes hast. Meine einzige Sorge ist, daß es mir nicht gelungen ist, in der Stadt eine Frau zu finden, die dich als Zofe begleiten könnte.«
»Ich habe noch nie eine Zofe gehabt. Ich brauche keine.«
»Du wirst zwei Reitknechte und den Kutscher mitbekommen. Aber es schickt sich nicht für eine junge Dame der guten Gesellschaft, ohne weibliche Begleitung in einer Poststation abzusteigen.«
»Ich bin sehr wohl in der Lage, allein zurechtzukommen«, beteuerte Honey.
»Wir werden sehen. Noch haben wir etwas Zeit. Geh jetzt auf dein Zimmer und packe nur die Dinge ein, von denen du glaubst, daß sie für London geeignet sind.«
»Was ist mit Jasper und Casper?« Jasper und Casper waren Honeys Lieblingsfuchshunde.
»Sie werden mir Gesellschaft leisten.«
»O Papa, warum kommst du nicht mit mir?«
»Weil wir beide in London einfach zu viel kosten würden. Bitte, mach es mir nicht schwer, Honey. Du mußt gehen.«
Honey fiel vor ihm auf die Knie und sah flehend zu ihm auf. »Wenn ich mich sehr bemühe, mich hübsch anzuziehen und wie eine Dame auszusehen«, sagte sie, »dann könnte ich vielleicht einen Mann heiraten, der in unserer Gegend wohnt – einen Mann wie Captain Jocelyn vielleicht.«
Er fuhr ihr über die kurzen Locken und seufzte: »Nein, mein Kind. Captain Jocelyn und die anderen würden trotzdem die Honey, die sie von der Jagd kennen, in dir sehen. Mach mir das Herz nicht länger schwer durch deine Bitten. Du gehst nach London, Honoria, und damit basta!«