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Ein seltsamer Besucher

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Vier Jahre sind vergangen, seit sich die Wichtelkinder im Wald verirrt haben. Alle Wichtel tragen nun rote, gelbe oder blaue Mützen und im Wichtelwald stehen farbige Wegweiser, die den Wanderern zeigen, wo es zu welchem Baum geht. Die weitab gelegene Moorbirke ist nur mit Rennspitzmäusen zu erreichen, aber zwischen den Wohnbäumen der Eichen fahren täglich Postkutschen.

Wanda hat damit Wilfried in der Stieleiche besucht und Wilfried ist damit zu ihr und Großmutter Walburga in die Traubeneiche gekommen.

Übers Jahr haben sie sich dann auf halbem Wege zu Fuß getroffen und sind gemeinsam durch den Wichtelwald gestreift, in dem sie bald jeden Pfad kannten.

Wann immer sich eine ausgebüchste Rennspitzmaus verlief, die beiden haben sie gefunden und zurückgebracht. Als Anerkennung sind die beiden zu Pfadfindern ernannt worden. Die Könige haben ihnen eine kleine Schärpe überreicht und den Auftrag erteilt, die Wegweiser frisch zu streichen.

Gerade sind sie mit Farbtöpfen im Wald unterwegs, da geschieht etwas Seltsames: Über dem Wichtelwald kreist ein unheimlicher Vogel mit langem Hals und riesigen Pranken. Die Buchfinken schlagen Alarm, Mäuse und Käfer verziehen sich in ihre Verstecke. Auch woanders wurde das Ungetüm entdeckt: Die Wächter in den Eichenwipfeln posaunen entsetzt „Raffgeier!“

Da klauben die Wichtel draußen hastig ihre Siebensachen zusammen, rennen aufgeregt in ihre Baumhöhlen und verbarrikadieren die Eingänge.

Auf dem Friedhofshügel in der Mitte des Waldes, an dessen Ausgängen Wanda und Wilfried gerade die Wegweiser bepinseln, landet das Untier. Schnell verstecken die beiden ihre Farbtöpfe im Gebüsch und bedecken sie mit Gras. Dann klettern sie an Efeuranken entlang auf einen Baum, verbergen sich in einer verlassenen Spechthöhle und beobachten den Eindringling.

Der gefürchtete Geier duckt sich und von seinem Rücken steigt ein Wichtel, der seltsam gekleidet ist: Er trägt einen grauen Anzug mit dünnen schwarzen Streifen. Auf seinem Kopf sitzt ein kohlrabenschwarzer runder Hut mit Krempe und in der Hand trägt er ein Köfferchen aus schwarzem Leder, in dem bestimmt keine Kleider drin stecken. Was sich darin wohl verbirgt?

Kaum hat der seltsame Kerl Boden unter den Füßen, schickt er seinen Geier als Kundschafter in die Lüfte. Dann schaut er sich um. Aus der Ferne erkennen die Kinder ein käsebleiches Gesicht, schmale, zusammen gepresste Lippen und eine dicke Bosheitsfalte zwischen runzligen Augen. Vertrauen erweckend sieht dieser fremde Wicht nicht gerade aus...

Klopfenden Herzens fassen sie sich an der Hand. Was, wenn der düstere Fremde entdeckt, dass die Farbe auf den Hinweisschildern noch nicht trocken ist? Dann wüsste er, dass noch jemand in der Nähe sein muss...

Doch der graue Wicht läuft nur mit gesenktem Kopf umher und pflückt Beeren. Den Kindern wird mulmig zumute. Wie lange der Kerl wohl da bleibt? Als er sich auf einen Stein setzt und seine Funde in den Mund steckt, sieht er beinahe harmlos aus. Die Kinder schauen einander fragend an. Sollen sie es wagen, sich ihm zu zeigen? „Schleichen wir uns erstmal an“, flüstert Wilfried. Wanda nickt. Vorsichtig klettern sie im Schutz des Blätterdaches aus der Spechthöhle und an der Hinterseite des Baumstammes hinunter.

Am Boden springen sie von einem Moospolster zum anderen, ducken sich hinter große Huflattichblätter oder hinter die dicken Stielen von Schafchampignons. Schon wollen sie auf den grauen Wicht zugehen, da hören sie erneut ein Schwirren in der Luft. Die Waldvögel stoßen Warnschreie aus, verstummen und die Mäuse fetzen zu Tode erschrocken in ihre Löcher. Wilfried und Wanda ziehen ihre Mützen ab und buddeln sich ins lose Moos, das ihre Körper bedeckt. Ihr grüner Mooshaarschopf und die schwarze Igelnase fallen dort nicht auf.

Der Geier erstattet seinem Herrn Bericht. Die Wichtelkinder verstehen das Gekrächze nicht, aber der graue Wicht erwidert:

„Dann hat sich wohl über die Jahre nichts verändert.“ Dann lacht er höhnisch und prophezeit: „Den einfältigen Wichteln hier werde ich die Errungenschaften moderner Zivilisation nahe bringen!“ Dann reibt er sich die Hände und meint: „Mein Schaden soll ’s nicht sein. “

Wilfried und Wanda bleibt die Spucke weg. Was führt der Kerl im Schilde? Und was meint der mit „Errungenschaften moderner Zivilisation“? Ihnen bricht der Angstschweiß aus. Offenbar will dieser Eindringling das beschauliche Leben im Wichtelwald total umkrempeln...

Jetzt verfüttert der graue Wicht seine letzten Beeren an den Geier, steigt mit seinem Köfferchen auf dessen Rücken und während er Richtung Stieleiche fliegt, ruft er: „Wartet nur, ihr treudoofen Hinterwäldler, ich komme!“.

Die Wichtel-Olympiade

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