Читать книгу Fürstenkrone Classic 51 – Adelsroman - Marisa Frank - Страница 3

Оглавление

Die Wolken jagten über den Himmel, der Wind zerrte an Prinzessin Angelas schulterlangen Locken, blähte ihren Rock auf. Sie schien sich nicht daran zu stören und schritt durch ihren Obstgarten, der in voller Blüte stand. Angela Prinzessin von Rittlingen lehnte sich an einen Stamm. Eine der Blüten wurde vom Wind abgerissen und fiel direkt vor ihre Füße. Sie bückte sich danach, betrachtete sie sinnend. Ein Unwetter würde die Ernte nicht beeinträchtigen, es dürfte nur keinen Frost mehr geben. Sie war angewiesen auf einen guten Ertrag. Dieses Jahr wollte sie ihre Ernte direkt auf dem Markt verkaufen, da erzielte sie höhere Preise.

Prinzessin Angela hörte den Mann nicht rufen, der Wind, der sich inzwischen zum Sturm gemausert hatte, nahm seinen Ruf mit sich.

Graf von Eckhold mußte gegen den Sturm ankämpfen, um zu seiner Freundin zu gelangen. Er packte sie an den Schultern.

»Angela, was fällt dir nur jetzt wieder ein? Ich suche dich bereits seit einer halben Stunde, und du stehst hier und läßt dich durchblasen. Jeden Augenblick kann das Unwetter losbrechen.«

Angela sah zum Himmel hinauf.

Die Wolken hatten sich nun geballt, dunkel und drohend standen sie am Himmel. Wie zur Bestätigung von Graf Olivers Worten durchzuckte ein greller Blitz die Wolkenwand.

»Komm!« Graf Oliver mußte schreien, um sich verständlich zu machen. Er begann zu laufen, ließ dabei jedoch Prinzessin Angelas Arm nicht los. Er zog sie mit, sie stolperten die ausgetretenen Steinstufen hinunter, eilten auf den Torbogen zu, als sich plötzlich ein Stein aus dem Gemäuer löste und ihnen vor die Füße rollte.

Graf Oliver verhielt den Schritt.

Entsetzt sah er seine Freundin an. Da setzte der Regen ein. Es geschah so schlagartig, daß die beiden bis auf die Haut durchnäßt waren, als sie endlich durch das offenstehende Tor das Burginnere erreicht hatten. In der Halle war es kalt, deutlich war der Wind zu hören, der um das alte Gemäuer heulte.

»Das hast du nun davon«, schimpfte Oliver. Er schüttelte sich, strich sich das nasse Haar aus der Stirn. Sein Blick fiel auf Angela, die fröstelnd die Schultern in die Höhe zog. Freundlicher meinte er: »Liebes, du mußt dich umziehen, du holst dir sonst eine Verkühlung.«

Angela nickte. »Wir wollen hinaufgehen, auch du mußt dich trocknen, und dann mache ich uns einen Tee.«

Oliver brummte etwas Unverständliches, aber er folgte ihr über eine Treppe in einen schwach beleuchteten Gang, der in den Seitentrakt führte. Hier hatte sie sich eine kleine Wohnung eingerichtet. Sie brachte Oliver ein Handtuch, dann zog sie sich in ihr kleines Schlafzimmer zurück. Seufzend begann Oliver sich die Haare zu trocknen. So konnte es nicht weitergehen. Er konnte es einfach nicht zulassen, daß Angela sich weiter in diesem alten Gemäuer aufhielt. Es war zu gefährlich.

Er ließ das Handtuch sinken und lauschte. Selbst hier konnte man den Wind noch hören, obwohl Angela die Fenster erst kürzlich hatte isolieren lassen. Er mußte zugeben, sie hatte es verstanden, wenigstens drei Räume der alten Burg wohnlich einzurichten, aber sonst konnte man sich in der Burg, die langsam aber sicher zur Ruine wurde, nirgends mehr aufhalten.

Angela kam aus ihrem Schlafzimmer, sie lächelte ihm zu, und er stellte fest, daß sie bezaubernd aussah. Sie trug einen Hosenanzug, der ihre Figur ausgezeichnet zur Geltung brachte. Ihre schulterlangen Locken hatte sie mit einem Band zusammengebunden. Sie trug kein Make-up, sie wirkte wie ein junges Mädchen. Oliver brachte es nicht fertig, länger ärgerlich zu sein. Er ging zu ihr und küßte sie.

Nach einigen Minuten entzog sie sich seinen Armen.

»Ich muß mich um deine Gesundheit kümmern. Zieh zumindest das Jackett aus. Ich verschwinde in die Küche und koche Tee. Mal sehen, ob ich auch etwas zu essen finde. Ich habe ja heute mit deinem Kommen nicht gerechnet.«

»Ein Flug ist ausgefallen, und da habe ich mich ins Auto gesetzt und bin hergefahren. Ich hoffe, ich komme dir nicht ungelegen.«

»Nein!« Sie lächelte ihn an. »Ich wollte nur im Garten arbeiten, aber bei diesem Wetter ist dies sowieso nicht mehr möglich.« Sie drehte sich um und verschwand in die Küche. Die Tür ließ sie angelehnt, und so hörte er sie hantieren. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Angela mußte alles selbst machen, seit Jahren gab es auf der Burg keine Angestellten mehr. Ohne das Jackett auszuziehen, folgte er ihr in die Küche.

Angela hatte den Kühlschrank geöffnet. »Bist du mit Leberwurstbroten einverstanden?« fragte sie, ohne sich aufzurichten. »Ich habe noch ein Glas Essiggurken, auch könnte ich ein paar Eier kochen.«

»Angela, du sollst nicht für mich die Köchin spielen.«

»Ich habe aber auch Hunger.« Sie holte die Leberwurst aus dem Kühlschrank, dann drehte sie sich nach ihm um. »Dein Jackett«, mahnte sie. »Du hast es noch immer nicht ausgezogen. Warte, ich hole einen Kleiderbügel.« Sie wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie fest.

»Ich möchte nicht, daß du mich bedienst.«

»Mach dich doch nicht lächerlich!« Sie entzog ihm ihren Arm, eilte ins Schlafzimmer und kam mit einem Kleiderbügel zurück. »Nun gib mir schon dein Jackett. Zum Glück ist es nicht kalt, aber wir können den Ofen anmachen.«

Oliver schlüpfte aus seiner Jacke und hielt sie Angela hin. »Um den Ofen kümmere ich mich. Ich heize ein.«

Ein kleines, amüsiertes Lächeln huschte um die Lippen der Prinzessin. »Du kannst es ja versuchen, aber hast du schon einmal in einem Ofen Feuer gemacht? Es ist ein alter Ofen, es gehört eine gewisse Technik dazu, ihn einzuheizen.«

Oliver wußte, daß sie recht hatte, daher sagte er heftiger als beabsichtigt: »Ich finde es nicht gut, daß du hier alles allein machst. Du mußt dir zumindest ein Hausmädchen nehmen.«

»Wo sollte das denn wohnen? Und was noch wichtiger ist, wovon sollte ich es bezahlen?« Angela konnte nur den Kopf schütteln. »Oliver, wir wollen nicht schon wieder damit anfangen.«

»Du mußt hier heraus! Du kannst einfach nicht länger hier leben!«

Prinzessin Angelas Miene wurde abweisend. »Warum? Findest du es hier etwa nicht gemütlich?«

»Angela, bitte, versteh mich nicht falsch!« Er ging zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich kann es einfach nicht zulassen. Es ist zu gefährlich! Du lebst hier mutterseelenallein.«

»Es ist mein Zuhause!« Sie streckte sich unter seinen Händen, ihr Blick wurde eisig.

Aus Erfahrung wußte er, daß man mit ihr darüber nicht reden konnte. Es war besser, dieses Thema zu vermeiden, wollte er verhindern, daß es wieder zu einem Streit kam. So ließ er sie auch los und ging hinüber in ihr Wohnzimmer, wo er versuchte, ein Feuer in Gang zu bringen. Der Versuch scheiterte kläglich, und er fuhr herum, als er Angela hinter sich lachen hörte.

»Laß gut sein! Solange der Sturm so tobt, hat es auch keinen Sinn. Der Rauch kann nicht abziehen. Komm!« Sie streckte die Hand nach ihm aus und meinte versöhnlich: »Der Tee ist fertig. Er wird dir guttun.«

»Wie du hier nur leben kannst«, brummte Oliver. Er erhob sich, wollte ihre Hand nehmen, stellte jedoch fest, daß er rußig war. Er fluchte.

»Aber, Graf«, spottete Angela, »das ist nicht gerade die feine Art!«

»Mach dich nur lustig! Du wirst so lange hier hausen, bis das ganze Gebäude über dir zusammenfällt.« Er eilte an ihr vorbei, um sich seine Hände am Waschbecken zu reinigen. Schweigend reichte sie ihm ein Handtuch.

»Frierst du?« fragte er, nachdem er sie einen Augenblick betrachtet hatte.

»Ich nicht! Ich bin es gewohnt. Wenn der Ofen erst mal eingeheizt ist, dann ist es hier gleich warm.« Sie ging zum Herd und holte die Teekanne.

»Kann ich dir helfen?« fragte Oliver.

»Die Tassen sind im Schrank, das weißt du ja.«

Oliver, der öfter hier war – leider nicht so oft, wie er wollte, da er durch seinen Beruf sehr viel unterwegs war – ging sofort zum Tisch und deckte ihn. »Du machst aus mir noch einen perfekten Hausmann«, brummte er dabei.

»Das will ich gar nicht!« Sie sagte es mit Nachdruck.

Er ging zu ihr hin, nahm ihr die Teekanne aus der Hand, dabei fragte er, ihr tief in die Augen sehend:

»Was willst du dann?«

Sie erwiderte seinen Blick. »Ich denke über die Zukunft nicht nach. Ich bin froh, daß ich noch hier leben kann, und freue mich, wenn du auf Besuch kommst.«

»Mir ist es ein Rätsel, was du die ganze Zeit treibst.«

»Aber das weißt du doch!« Sie lachte. »Ich versuche zu überleben. Ich habe mir jetzt auch einen Gemüsegarten angelegt. Dieses Jahr werde ich zum ersten Mal Kartoffeln und Karotten aus dem eigenen Garten essen können.«

Er stellte die Teekanne auf den Tisch. »Du scheinst wirklich vergessen zu haben, wer du bist.«

»Du irrst! Das hier ist der Besitz meiner Vorfahren, das hier ist mein Zuhause!« Ruhig griff sie nach der Kanne und begann, die Tassen zu füllen. »Was spielt es denn für eine Rolle, daß ich jetzt nicht nach dem Mädchen klingeln kann? Wichtig ist, daß ich noch hier lebe. Da mache ich mein Brot gern selbst.«

»Du tust mehr«, erinnerte Oliver sie. Er blieb beim Tisch stehen, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, dann erst nahm er ihr gegenüber Platz. »Du spielst hier Bäuerin, oder wie soll ich es sonst nennen, wenn du nicht gerade den Garten umgräbst oder die Hühner fütterst, fertigst du Puppen an.«

»Stimmt! Davon lebe ich! Einige Souvenirläden haben meine Puppen und andere Kleinigkeiten im Verkauf. Leider ist es noch immer viel zu wenig, um das Schloß renovieren zu lassen.«

»Schloß! Angela, das ist nur noch eine Burgruine! Das ganze vordere Gebäude müßte neu aufgebaut werden.« Er führte die Tasse an die Lippen und nahm einen Schluck. »Angela, ich mache mir wirklich Sorgen. Du bist oft tagelang allein hier. Es könnte dir weiß Gott was zustoßen, niemand würde es erfahren.« Er stellte die Tasse ab und griff nach ihrer Hand.

»Daran habe ich mich gewöhnt. Ich habe keine Angst. Im Gegenteil, ich fühle mich hier bedeutend wohler als in irgendeiner kleinen Mietwohnung in München.«

»Du könntest zu mir in mein Appartement ziehen.« Oliver senkte den Blick, aber er drückte ihre Hand so fest, daß es sie schmerzte. Er machte ihr diesen Vorschlag nicht zum ersten Mal, doch auch jetzt lehnte sie entschieden ab. »Was sollte ich dort? Herumsitzen und auf dich warten? Nein, hier habe ich alles, was ich brauche. Es reicht, um meine Bedürfnisse zu befriedigen.« Sie entzog ihm ihre Hand. »Mach nicht so ein Gesicht!« bat sie. »Du kennst meine Einstellung.« Sie hob den Kopf und lauschte. »Ich glaube, es hat aufgehört zu regnen. Wenn wir gegessen haben, muß ich nachsehen, welchen Schaden das Unwetter angerichtet hat. Die Bretter am Hühnerstall sind ziemlich morsch. Hoffentlich hat es nicht eine Latte losgerissen.«

Oliver wollte etwas sagen, er schluckte es jedoch hinunter. Er würde nicht lange bleiben können. Diese wenigen Stunden, die er in ihrer Gesellschaft verbringen konnte, wollte er so harmonisch wie möglich verleben.

Es war, als habe sie seine Gedanken gelesen, denn unvermittelt fragte sie: »Wie lange kannst du bleiben?«

»Ich muß noch am Abend zurück nach München. Morgen früh fliegen wir nach Hongkong. Ich werde über eine Woche unterwegs sein.«

Sie war enttäuscht, versuchte jedoch, es nicht zu zeigen. »Dann laß dir meine Leberwurstbrote schmecken. Wenn du wieder im Land bist, dann kannst du mich ja einmal zum Essen einladen.«

»Nach München willst du nicht kommen?«

Sie schüttelte den Kopf. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, sie überreden zu wollen. Allerdings fragte er sich, ob sie Angst davor hatte, Bekannten zu begegnen. Die einzige Stadt, die sie hin und wieder aufsuchte, war Passau. Hier machte sie ihre wenigen Einkäufe.

Prinzessin Angela begleitete Graf Oliver zu seinem Wagen. Er hatte in der Nähe des ehemals runden, großen Turms geparkt, der bereits so baufällig war, daß der Eingang mit Brettern vernagelt worden war. Angela hatte sich bei ihm eingehängt. »Schön, daß du vorbeigekommen bist«, sagte sie.

»Ich wäre gern länger geblieben.« Er nahm sie in die Arme. »Angela, es wäre alles einfacher, wenn du von hier wegziehen würdest.«

Rasch schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und küßte ihn.

Voller Leidenschaft erwiderte er ihren Kuß, dann nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände. »Liebes, ich mache mir Sorgen.«

Unwillig runzelte sich ihre Stirn.

Er fuhr jedoch fort: »Wenn du schon nicht an dich denkst, dann denke wenigstens an mich, Ich muß dich jetzt hier zurücklassen.«

»Oliver, ich bin doch kein kleines Mädchen mehr.«

»Ich weiß! Du bist eine achtundzwanzigjährige Frau und hast deinen eigenen Kopf. Wenn du schon unbedingt allein leben mußt, dann tue es nicht in diesem baufälligen Gemäuer.« Sie wollte sich ihm entziehen, doch er hielt sie fest. »Du wirst sehen, eines Tages bricht der Boden unter dir ein, und du landest im ehemaligen Verlies, oder irgendeine Mauer stürzt um, wenn du dich dagegen lehnst.«

»Nun übertreibst du aber!« Angela versuchte zu lächeln, obwohl sie wußte, daß Oliver so unrecht nicht hatte. Sie hatte schon selbst festgestellt, daß einige Steine locker saßen. Unwillkürlich sah sie zum Turm hin. Er war wirklich einsturzgefährdet.

Oliver war ihrem Blick gefolgt. »Genau, das meine ich!«

»Soweit ist es noch lange nicht.« Angela legte ihren Kopf in den Nacken, ihre Augen blitzten. »Es kann nichts passieren. Wie du siehst, habe ich nicht nur ein Schild angebracht, auf dem steht, daß das Betreten verboten ist, sondern auch den Eingang vernagelt.«

»Angela.«

»Nein«, sagte sie nun heftig. »Ich gehe nicht von hier weg!« Freundlicher setzte sie dann hinzu: »Ich bleibe hier und warte, daß du wieder einmal vorbeikommst.«

»Morgen früh fliege ich nach Hongkong«, sagte Oliver automatisch. Er war Flugkapitän und meistens auf Überseeflügen eingesetzt.

»Das hast du schon gesagt. Du meldest dich einfach, wenn du wieder in München bist. Und nun sieh zu, daß du wegkommst, sonst bin ich noch schuld, wenn du morgen deinen Flug versäumst.« Sie lächelte, da vergaß er alles, nahm sie einfach noch einmal in die Arme und küßte sie.

Sie hörten das Auto erst, als es bereits die letzte Kurve genommen hatte und an der Mauer anhielt. Sie fuhren auseinander. Die junge Frau, die hinter dem Steuer eines Kleinwagens saß, wäre am liebsten umgekehrt, aber da kam die Prinzessin schon auf sie zu.

»Sie wollen doch sicher zu mir«, meinte sie erfreut. »Brauchen Sie weitere Puppen?«

»Nein, eigentlich nicht!« Frau Geißler stieg unsicher aus ihrem Auto. »Ich wußte nicht, daß Sie Besuch haben, Hoheit!«

»Bitte, Sie wissen doch, daß ich es nicht mag, wenn Sie mich so anreden. Das ist übrigens ein guter Freund von mir, Graf Oliver. Oliver, das ist Frau Geißler. Sie hat in Passau eine Boutique. Sie hat meine neue Puppenkollektion übernommen. Nun hoffe ich, daß diese auch Käufer findet.«

»Ich glaube schon, Hoh… Prinzessin Angela.« Frau Geißler sah zu Graf Oliver hin. Mit der Prinzessin konnte man reden, sie hatten sich schon oft sehr gut unterhalten. Da vergaß man leicht, daß sie blaublütig war. Nun, da sie nicht allein war, wußte Rita Geißler nicht, wie sie sich verhalten sollte. »Ich wollte nicht stören. Ich komme morgen wieder.« Sie neigte den Kopf in Richtung des Grafen.

»Nein, nein, bleiben Sie doch! Sie sind doch gekommen, weil Sie etwas wollten.« Angela sah die junge Frau erwartungsvoll an. Noch immer hoffte sie, daß es um ein Geschäft ging. Sie brauchte Geld, viel Geld, wollte sie im Sommer doch anfangen, den Innenhof etwas renovieren zu lassen.

»Ja, aber es ist nicht wichtig. Ich bin auch sicher, daß der Mann sich heute oder morgen selbst bei Ihnen melden wird.«

»Welcher Mann?« fragte Oliver, der aufmerksam geworden war und nun an Angelas Seite trat.

Frau Geißlers Wangen färbten sich. Sie war keine Klatschbase. Auf keinen Fall wollte sie, daß der Graf jetzt diesen Eindruck von ihr bekam. Sie zuckte die Achseln.

»Es ist vielleicht dumm von mir, daß ich gleich zu Ihnen heraufgefahren bin, aber ich dachte, Sie sollten es wissen, dann sind Sie vorbereitet, wenn der Mann kommt.«

Sie hatte sich wieder der Prinzessin zugewandt. »Dieser Mann war gestern bereits bei mir im Laden und hat sich nach Ihnen erkundigt. Zuerst dachte ich, er wollte Puppen kaufen, doch dann wollte er wissen, wie Sie leben.« Das Rot auf Frau Geißlers Wangen wurde noch dunkler. »Zuerst wollte er nicht glauben, daß Sie auf der Burg leben. Erst als ich ihm jede weitere Auskunft verweigerte, stellte er sich mir vor. Er ist von einem Großkonzern.«

»Wie?« wunderte Angela sich. »Was habe ich mit einem Großkonzern zu tun?«

Darauf konnte Frau Geißler antworten, denn sie hatte den Mann danach gefragt. Sie sah die Prinzessin an und sagte: »Er ist an Ihrem Besitz interessiert. Er will die Burg kaufen. Leider habe ich nicht herausfinden können, welche Pläne er damit hat. Aber wie gesagt, er handelt im Auftrag eines Konzerns. Man spricht auch schon davon, daß die Straße zu Ihnen herauf verbreitert werden soll.«

»Angela, das ist doch prima! Wenn sich ein Konzern für deinen Besitz interessiert, dann ist er sicher bereit, dafür auch zu zahlen.«

»Moment!« Prinzessin Angela funkelte ihren Freund an. »Ich denke gar nicht daran zu verkaufen. Das weißt du!«

»Angela, sei doch vernünftig! So eine Gelegenheit kommt wahrscheinlich nicht wieder. Du mußt froh sein, wenn du diesen alten Kasten los wirst.«

»Du scheinst zu vergessen, daß das hier meine Heimat ist. Ich werde nie verkaufen.«

»Willst du wirklich warten, bis keine einzige Mauer mehr steht?«

»Oliver«, empörte Angela sich. Ihr war diese Auseinandersetzung in Gegenwart einer Passauer Geschäftsfrau peinlich. Oliver wandte sich jedoch bereits an Frau Geißler. »Wissen Sie, wie dieser Mann heißt, wo er zu finden ist, oder um welchen Konzern es sich handelt?«

»Der Mann stellte sich mir als Herr Pleil vor«, sagte Frau Geißler. Sie wünschte sich weit weg. »Ich wollte Ihre Hoheit auch nur informieren. Ich dachte, es ist für sie sicher leichter, mit dem Mann zu verhandeln, wenn sie darauf vorbereitet ist.«

»Ich werde nicht verhandeln. Das steht überhaupt nicht zur Debatte.« Angela besann sich. Sie wandte sich an Frau Geißler: »Danke, daß Sie mich informiert haben. Es ist nicht sehr fein, wenn man hinterrücks Erkundigungen über mich einzieht.«

»Angela, es handelt sich um einen Konzern«, versuchte Oliver sie zu beruhigen. »Die hören sich zuerst einmal um, ob sie ihre Pläne verwirklichen können. Schade, daß ich weg muß, ich wäre gern geblieben und hätte mir angehört, was dieser Herr Pleil dir unterbreiten wird.«

»Oliver, ich werde ihn nicht anhören.«

»Angela, du darfst jetzt keinen Fehler machen, das ist eine große Chance. Du kannst ein völlig neues Leben beginnen.«

»Aber das will ich doch nicht! Nun sind wir schon so lange befreundet, zu kennen scheinst du mich aber noch immer nicht. Entschuldigen Sie, Frau Geißler, aber ich liebe meinen Besitz. Mit meinen Eltern habe ich einmal für einige Zeit in München gelebt. Damals war ich noch ein Kind, aber ich fühlte mich unglücklich. Ich kann nirgends anders leben als hier.«

»Es käme auf einen Versuch an«, murmelte Oliver.

»Seit dem elften Jahrhundert lebt meine Familie hier«, fuhr Angela ihn an. »Du kannst dies in der Familienchronik nachlesen.«

Frau Geißler räusperte sich. »Hoheit, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden. Es tut mir leid, daß ich gestört habe.« Sie neigte den Kopf in Richtung des Grafen, verbeugte sich tiefer vor Prinzessin Angela, dann wandte sie sich ihrem Auto zu.

Oliver kam heran und öffnete für sie die Autotür. »Danke, daß Sie gekommen sind. Es ist für die Prinzessin sicher wichtig, daß sie Bescheid weiß.«

Frau Geißler war froh, daß der Graf das gesagt hatte. Jetzt fühlte sie sich etwas besser. Sie nickte noch einmal, dann zwängte sie sich hinter das Lenkrad und startete. Bevor sie die erste Kurve nahm, warf sie noch einen Blick in den Rückspiegel. Ihre Erleichterung schwand, denn die eisige Miene der Prinzessin war nicht zu übersehen.

*

Wie ein gefangenes Tier lief Stephan Dorr in seinem Büro auf und ab. Er war mit seinem Leben nicht mehr zufrieden. Hier lief alles wie am Schnürchen, er wurde nicht gebraucht. Ausgewählte, verläßliche Männer standen an der Spitze seines Unternehmens. Er konnte es ruhig ihnen überlassen, Entscheidungen zu treffen. Stephan Dorr trat ans Fenster. Sein Büro befand sich im Citycorp-Building, einem neuen Wolkenkratzer von New York. Von seinem Standpunkt aus lagen nun die anderen Hochhäuser zu seinen Füßen, bis auf das Empire State Building, aber auch das konnte er von hier aus gut sehen, ebenso die Nadel des Chrysler Building, die sich in den Himmel zu bohren schien. War es der Anblick dieser Steinwüste, der ihn so deprimierte? Stephan Dorr seufzte. Er war mit seinen dreißig Jahren ein sehr reicher Mann, aber er wußte auch, daß er diesen Reichtum seinen Vorfahren zu verdanken hatte. Er war viel gereist, aber nach Deutschland, dem Land, aus dem seine Vorfahren stammten, war er noch nie gekommen. Vielleicht lag dies daran, daß er kaum etwas über seine Vorfahren wußte. Die Sehnsucht, dieses Land kennenzulernen, war in der letzten Zeit aber immer größer geworden.

Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Es war seine Vorzimmerdame, die ihm das Erscheinen von Miß Paddon meldete.

»Warum lassen Sie Miß Paddon nicht herein?« rief er ärgerlich in den Hörer.

»Selbstverständlich! Ich wollte Sie nur informieren«, kam es spitz zurück.

»Danke!« entgegnete Stephan und unterdrückte einen Seufzer. Er war sich bewußt, daß er seiner Sekretärin unrecht getan hatte. Sie hatte den strikten Auftrag, ihm jegliche Besucher fernzuhalten. Er haßte es, ohne Voranmeldung in seinem Büro überfallen zu werden. Jetzt jedoch freute er sich. Erwartungsvoll sah er zur ledergepolsterten Tür. Als Flora eintrat, ging er ihr entgegen.

»Du bist also nicht böse, daß ich so einfach hier hereinplatze?« Temperamentvoll, wie es ihre Art war, eilte sie auf ihn zu und küßte ihn. »Ich gebe zu, ich habe mich gelangweilt, da bist du mir eingefallen. Wie schön, daß du für mich Zeit hast. Du hast doch?« Forschend sah sie ihn an.

»Ich habe!« Stephan lachte. »Du kommst gerade recht. Ich habe über mein Leben nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß du darin bereits eine große Rolle spielst.«

»Das ist schön!« Sie setzte sich auf die Schreibtischkante, und er bekam ihre wohlgeformten Beine zu sehen. Sie war hübsch. Am besten gefiel ihm aber ihre Stupsnase, die zu ihrem Ärger mit zwei Sommersprossen verziert war. Sie strich sich das Haar zurück, baumelte ungeniert mit den Beinen, bis sie ihren rechten Schuh verlor. »Laß nur«, meinte sie, als er sich danach bücken wollte. Sie streifte auch ihren zweiten Schuh ab, seufzte und gestand: »Jetzt fühle ich mich wohler.«

»Willst du etwas trinken?« fragte Stephan.

»Keine schlechte Idee! Im Broad­way glaubt man zu ersticken. Ich bin völlig geschafft.« Sie streckte sich.

»Das gleiche dachte ich gerade vorher auch«, sagte Stephan. Er ging zur Bar, die in einem Teakholzschrank untergebracht war. In zwei Gläser gab er Eiswürfel und füllte sie dann mit einer Flüssigkeit auf. Mit den Drinks kam er zu Flora zurück, die noch immer auf der Schreibtischkante hockte. »Man sollte New York den Rücken kehren.« Er reichte ihr das Glas.

»Mmh!« machte Flora und nippte daran. »Das schmeckt köstlich! Du verstehst es wirklich, Drinks zu mixen. Auf dein Wohl!« Sie nahm einen kräftigen Schluck.

»Auf das deine!« Er trank ebenfalls, dann betrachtete er sie sinnend. »Ich meine es ernst, Darling! Was hältst du davon wegzufahren?« Er sah, daß sie das Gesicht verzog und setzte rasch hinzu: »Egal wohin, du kannst das Ziel bestimmen.«

»Verlockend!« Sie lächelte, trank erneut.

»Und?« drängte er. »Wohin fahren wir?«

»Du willst wirklich verreisen?« Flora stellte das Glas auf den Schreibtisch, schlug die Beine über­einander. »Nun, warum sollst du nicht Urlaub machen? Wann gedenkst du zu fahren?«

»Wenn du willst, schon morgen!«

»Ich? Was habe ich damit zu tun?« Flora rutschte vom Schreibtisch. »Fliege ruhig für vierzehn Tage nach Hawaii oder wohin du immer willst. Einige Tage Nichts­tun werden dir sicher guttun.«

»Flora, du hast mich nicht richtig verstanden. Es dreht sich nicht um einige Urlaubstage. Ich möchte weg von New York.« Er ließ seinen Blick durch das Büro gleiten. »Ich weiß nicht, was ich hier noch soll. Im Grunde werde ich nicht gebraucht. Mein Vermögen vermehrt sich auch ohne mein Zutun von Woche zu Woche. Ich will etwas anderes sehen, etwas anderes tun.«

»Ich verstehe«, sagte Flora, obwohl sie nicht verstand. Sie schlüpfte in ihre Schuhe. »Darling, was machen wir nun? Wir könnten zusammen essen gehen. Ich habe heute Zeit.«

»Flora, hör mir zu, ich möchte, daß du mich begleitest. Laß uns nach Europa fahren.«

»Europa? Das ist doch sehr weit.«

Stephan nickte. »Ich möchte nach Deutschland. Das ist ein ganz kleines Land«, begann er eifrig zu erzählen. »Dieses Land möchte ich bereisen, dort möchte ich mich umsehen. Meine Vorfahren haben einst dort gelebt.«

Flora zog eine Schnute.

»Deutschlandl! Wenn Urlaub, dann auf einer Insel. Ich träume von Palmen und weißen Sandstränden. Was willst du denn in diesem Deutschland tun?«

»Ich möchte es kennenlernen. Ich sagte ja schon, daß meine Vorfahren dort lebten.«

»Wenn du mich nach meinen Vorfahren fragst – ich habe mir darüber noch nie den Kopf zerbrochen. Ich weiß nur, daß mein Vater in Brooklyn aufgewachsen ist, und da ist er auch nie herausgekommen.« Sie runzelte die Stirn. »Was willst du denn plötzlich von deinen Vorfahren?«

Stephan zuckte die Achseln. Darauf konnte er nicht antworten. So meinte er nur: »Dies alles habe ich doch ihnen zu verdanken.«

»Du hättest es auch allein geschafft. Schließlich und endlich verfügst du über den nötigen Grips.« Sie lachte, doch Stephan ging nicht darauf ein.

»Was hältst du vom Wegfahren? Du hast dich dazu noch nicht geäußert.«

»Zehn Tage mit dir auf einer Insel, das könnte traumhaft sein.« Sie schlang ihm die Arme um den Nacken. »Sag, willst du wirklich Urlaub machen?«

»Ich möchte weg von New York!« Stephans Gesicht war jetzt sehr ernst. »Ich frage dich, ob du mitkommst.«

»Weg von NewYork für länger? Das ist nicht möglich!« Floras Augen verengten sich. Langsam begriff sie, daß ihr Freund es ernst meinte.

»Aber warum? Was hindert dich daran, New York den Rücken zu kehren? Ich bin dazu bereit, am liebsten würde ich noch heute aufbrechen.«

»Nein!« Flora trat einen Schritt zurück.

»Nein?« Stephan wollte es nicht glauben. Er streckte die Hände nach ihr aus. »Du willst mich nicht begleiten?«

Flora rührte sich nicht. Sekundenlang sahen sie sich an, dann schob sie ihre Unterlippe nach vorn. Sie wirkte jetzt wie ein bockiges Kind. »Nicht auf unbegrenzte Zeit und nicht nach Deutschland!«

Stephan schluckte seine Enttäuschung hinunter. Ruhig fragte er: »Was hast du gegen Deutschland?«

»Nichts!« Sie kreuzte angriffslustig die Arme vor der Brust. »Es ist nur zu weit weg! Wie gesagt, gegen einige Tage Ferien hätte ich nichts.«

»Ich denke nicht an Ferien.« Stephan begann wieder auf und ab zu gehen. Was hatte er eigentlich erwartet? Er wandte den Kopf nach seiner Freundin. Es wäre schön, wenn sie mit ihm zusammen durch Deutschland reisen würde. »Was hält dich in New York?« fragte er.

»Meine Karriere! Du weißt, daß ich daran schon lange bastle. Ich will endlich einen richtig guten Film drehen.«

Stephan starrte sie an. Natürlich hatte sie immer wieder davon gesprochen. Auch hatte sie bereits schon kleine Rollen gespielt, hatte als Fotomodell oder Mannequin gearbeitet.

»Ich weiß, daß ich Talent habe.« Flora stellte sich in Positur. »Ich werde es allen beweisen! Bald werde ich mit den Großen der Filmbranche in einem Atemzug genannt werden.«

Sie sah entzückend aus in ihrem Eifer, und Stephan mußte lächeln. »Kannst du mit deiner Karriere nicht noch warten? Wir machen zuerst unsere Europareise.«

Ihre dunklen Augen blitzten, ihr Schmollmund erschien. Sie entzog sich seiner Umarmung. »Du nimmst mich nicht ernst! Aber auch dir werde ich noch beweisen, was in mir steckt. Meine ersten Kontakte zu Hollywood sind geknüpft. Wenn du Näheres wissen willst, dann komm mit, ich erzähle dir davon beim Essen.« Sie stürmte zur Tür, und Stephan hatte keine andere Wahl, er mußte ihr folgen.

*

Ungeduldig trat Stephan Dorr von einem Fuß auf den andern.

War Flora etwa nicht zu Hause? So wie er wußte, hatte sie erst gegen Abend eine Verabredung. Erneut drückte er auf den Klingelknopf. Nach einer Zeit, die ihm endlos vorkam, ertönte ihre Stimme aus der Sprechanlage.

»Darling, ich bin es!«

»Du?« Wie Stephan hören konnte, klang dies nicht gerade begeistert.

»Ich habe mich gelangweilt, und da dachte ich, ich sehe einmal bei dir vorbei. Ich möchte mit dir etwas besprechen.«

»Jetzt? Aber ich habe nicht viel Zeit. Darling, ich habe dir doch erzählt, daß ich eine Verabredung habe.«

»Willst du mich etwa vor dem Haus stehen lassen?« Stephans Stirn runzelte sich.

»Natürlich nicht! Komm herauf!« Der Türsummer gab Laut, und Stephan drückte gegen die Tür. Er fuhr mit dem Lift nach oben zu ihrem Appartement. Die Tür war bereits angelehnt, aber sie war nirgends zu sehen. »Moment«, kam da ihre Stimme aus dem Schlafzimmer. »Ich bin gerade dabei, mir die passende Garderobe für den Abend auszusuchen. Ich komme gleich! Nimm dir doch inzwischen einen Drink.«

Stephan mußte lächeln, das war typisch Flora. Wahrscheinlich sah es in diesem Moment in ihrem Schlafzimmer chaotisch aus. Er ging zur eingebauten Bar. Ehe er ein Glas herausholte, rief er: »Darling, darf ich dir auch einen Drink mixen?«

»Nein, nein, dazu habe ich keine Zeit. Ich bin völlig verzweifelt. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Dabei ist der erste Eindruck sicher der wichtigste.«

Schmunzelnd rief er zurück: »Kann ich dir behilflich sein?«

»Stephan, mach dich nicht lustig über mich«, kam es aus dem Schlafzimmer. »Untersteh dich und komm herein! Ich ziehe mich schon seit Stunden aus und an. Ich möchte nicht zu sportlich wirken, aber auch nicht zu elegant.«

Stephan lachte. Da steckte sie den Kopf ins Wohnzimmer. »Drei neue Kleider habe ich mir gekauft«, jammerte sie, »aber nun finde ich keines mehr passend.«

»Laß doch sehen«, schlug Ste­phan vor.

Flora zog ihre Nase kraus. Zuerst hielt sie nicht viel von diesem Vorschlag, doch dann wirbelte sie herum. »Warum nicht? Du bist auch ein Mann. Ich werde für dich eine Modenschau veranstalten. Mal sehen, welches Kleid dir am besten gefällt.« Diese Idee begeisterte sie so, daß sie auf Stephan zulief, jetzt bekam er auch seinen Kuß. Dann drückte sie ihn in einen bequemen Sessel. »So, da bleibst du nun sitzen.« Sie musterte ihn. »Du mußt aber ehrlich sein, Darling. Du mußt mir wirklich sagen, in welchem Kleidungsstück ich dir am besten gefalle.«

Stephan kam im Moment aber überhaupt nicht dazu, etwas zu sagen, denn seine Freundin wirbelte bereits wieder davon. Er stieß einen kleinen Seufzer aus und ergab sich in sein Schicksal. Er mußte nicht lange warten, und Flora erschien wieder. Sie trug ein raffiniert geschnittenes Kleid. Sie bewegte sich darin sehr graziös, und Stephan klatschte begeistert Beifall. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Flora wurde zum Mannequin, und Stephan konnte sich nun davon überzeugen, daß sie eine gute Schauspielerin war, denn sie benahm sich stets entsprechend der Kleidung, in die sie geschlüpft war. Er war begeistert, und von ihm aus hätte diese Vorführung noch stundenlang dauern können, doch völlig unerwartet brach Flora damit ab. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus.

»Ich muß mich beeilen! Nun, Stephan, was soll ich anziehen?«

Stephan erhob sich. »Du hast stets bezaubernd ausgesehen.« Er ging auf sie zu, wollte sie in die Arme nehmen, doch sie stemmte die Hände gegen seine Brust.

»In welchem Kleid würdest du mich am liebsten sehen?« stellte sie die Frage neu.

»Das wäre mir völlig egal«, sagte er ehrlich. »Du gefällst mir in jedem Kleid.«

Seine Antwort erboste Flora jedoch. »Denk jetzt nicht an dich«, fuhr sie ihn an. »In welchem Kleid kann ich den Mann am meisten beeindrucken?«

»Ich weiß nicht einmal, mit wem du verabredet bist.«

»Na hör mal, das habe ich dir doch erzählt!« Flora stampfte mit dem Fuß auf. »Ich treffe mich mit dem bekannten Produzenten Dodwell. Nun, begreifst du endlich? Ich muß ihn beeindrucken, er muß von mir hingerissen sein.«

Stephan war der Mann kein Unbekannter. Er wußte aber auch, daß William Dodwell schon einige Male verheiratet gewesen war und laufend neue Affären hatte. So zog er die Augenbrauen in die Höhe und fragte: »Willst du mich eifersüchtig machen?«

Flora ballte die Hände. »Sei nicht kindisch! Ich will eine Hauptrolle in seinem neuen Film. Der Mann hat Geschmack.«

Stephan zog es vor, darauf nichts zu sagen. Er ging zur Bar und schenkte sich noch einmal sein Glas voll. »Stephan, nun äußere dich doch!« forderte hinter ihm Flora. Er drehte sich nach ihr um.

»Darling, das habe ich doch schon getan.« Er sah, daß ihre Augen zornig blitzten, und lenkte ein: »Mit dem neuen seidenen Hosenanzug bist du sicher gut angezogen.«

»Meinst du nicht, daß er zu extravagant ist?«

»Er kleidet dich ausgezeichnet. Vor allem steht dir Gelb gut.«

»Dann könnte ich auch das Kostüm anziehen. Es ist aus gelbem Leinen. Was hältst du davon?«

Stephan unterdrückte einen Seufzer. »Natürlich könntest du auch das Kostüm anziehen. Wie gesagt, Gelb steht dir. Du wirkst darin sehr damenhaft.«

»Genau das ist es!« Verzweifelt rang Flora die Hände. »Wie will Dodwell mich haben? Als Vamp oder als Lady?«

»Ich glaube, du machst dir zu viele Gedanken, setz dich zu mir. Willst du jetzt nicht doch einen Drink?«

»Bitte, Stephan! Ich muß eine Entscheidung treffen.« Sie griff sich mit beiden Händen an den Kopf. »Wenn ich nur wüßte, welchen Typ er bevorzugt. Das Leinenkostüm wirkt sicher zu brav.«

»Flora, setz dich!« Er packte sie an den Schultern und drückte sie in die weichen Polster der Couch. Langsam verlor er die Geduld. »Ich finde, es ist völlig egal, was du anhast. Es geht um eine Filmrolle. Wenn er dich engagiert, wirst du sowieso in irgendeine Rolle schlüpfen müssen.«

»So kannst auch nur du sprechen!« Sie stemmte die Hände in die Seiten. »Dir wäre es wahrscheinlich lieber, wenn ich die Rolle erst gar nicht bekommen würde.«

Stephan biß sich auf die Lippen. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

»Genauso ist es! Du gibst es wenigstens zu.« Sie sprang auf.

»Bitte, Flora, hör mir einen Augenblick zu. Ich habe auch Pläne, und ich möchte dich in meine Pläne mit einbeziehen. Ich möchte, daß du meine Frau wirst.«

»Ist das ein Heiratsantrag?« Sie sah ihn mit leicht geöffnetem Mund an…

»Genau, mein Liebes! Deswegen bin ich hier.« Ehe sie sich versah, hatte er sie in die Arme genommen. Er küßte sie voller Leidenschaft. Zuerst schmiegte Flora sich an ihn. Sie liebte ihn, und so erwiderte sie seine Küsse.

»Darling, wir heiraten so schnell wie möglich«, flüsterte er ihr ins Ohr. Da versteifte sie sich in seinen Armen. »Darling, es wird wunderschön sein! In Zukunft werden wir alles gemeinsam machen.« Sein Mund suchte wieder ihre Lippen, doch jetzt drehte sie den Kopf zur Seite.

»Was erwartest du von mir?«

»Ich verstehe nicht! Wichtig ist doch, daß wir heiraten. Über unsere Zukunft können wir dann gemeinsam entscheiden.«

»Ich kann dich jetzt nicht heiraten.« Sie löste sich aus seinen Armen. »Stephan, hast du denn nicht verstanden? Ich bin im Begriff, Karriere zu machen.«

»Ich liebe dich, Flora! Ich habe nicht die Absicht, über dich zu bestimmen. Ich verspreche dir auch, nicht eifersüchtig zu sein.«

»Aber du willst nicht, daß ich mich von William Dodwell unter Vertrag nehmen lasse?«

Fürstenkrone Classic 51 – Adelsroman

Подняться наверх