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Bernd und Beatrice

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»Sprich doch endlich einmal zu mir!«, schrie Beatrice ihren Mann an. Die Tränen standen in ihren kleinen hellgrünen Augen, die Mundwinkel zuckten nervös auf und ab. Innerlich wusste sie längst, dass es vorbei war, doch sie konnte es nicht wahrhaben, sie wollte nicht, dass der Weg hier sein Ende fand. Beatrice ließ sich müde auf das Sofa fallen und wartete ab, während Bernd schweigend und leicht zitternd vor sich hin starrte. Nach einer Weile packte Beatrice eines der roten Kissen und drückte es sich schwach ins Gesicht. Mit letzter Kraft schrie sie hinein. Zu wenig Hoffnung und zu wenig Geist zum Kämpfen war ihr geblieben.

Es dauerte lange, ehe Bernd seine Worte wiederfand. Sein innerer Hass auf sich selbst schnürte ihm Sinn und Kehle zu. Doch dann sprach er kaum hörbar: »Du sitzt vor mir und ich spüre es, als wäre ich es selbst, der etwas über mich erfahren möchte. Das meiste, ›was ich denke und fühle‹ verstehe ich selbst nicht, höre immer nur kurze Gedanken oder werde wie von fremder Hand erdrückt.«

Bernd begann sich zu krümmen, denn jedes Wort, das er zu seiner Frau sprach, lud noch eine Last mehr auf seine Schultern. Irgendetwas stimmte nicht. So vieles war falsch mit den Zweien, aber noch mehr mit ihm, mit Bernd. Er wusste es schon lange, am Ende zu lange, doch er konnte das Handtuch nicht werfen.

›Aufzugeben wäre aber manchmal ein optimistischerer Schritt in Richtung Glück, denn ab und an bedarf es einer Entscheidung, die einen vom Alten trennt, damit alles in einem bereit wird für den neuen Weg‹, dachte Beatrice.

Oft wünschte sich Bernd, er könnte reden, hätte die Kraft und die Macht, all das, was sich in ihm verbarg, zu beschreiben und zu kommunizieren. Aber es mochte ihm nicht gelingen, und so wurde er stumm und sprach immer weniger. Er verfluchte seine Furcht vor der Wahrheit, doch konnte seine eigene nicht herauslassen, auch wenn er dadurch nur noch mehr Menschen verletzte. Er sehnte sich nach Ruhe und danach, dass Beatrice ihr Glück in Händen halten könnte. Mit einem schweren Seufzer sank Bernd in die andere Ecke des Sofas und machte einen runden, traurigen Buckel.

»Ich kann dir nicht geben, was du brauchst!«, sagte Bernd zu ihr und nahm selbst eines der Kissen, um es sich auf den Schoss zu legen.

»Wir wissen weder, was wir selbst brauchen, noch, was der andere möchte. Wir haben verloren, Bernd. Wir sind kläglich gescheitert, doch wollten es nicht zugeben.«

Beatrice wurde immer ruhiger und fand ihre Fassung zurück, strich sich das nussbraune Haar hinters Ohr und blickte nach draußen.

»Es ist wie ein Traum, aus dem niemand erwachen darf, in dem jeder für einen anderen lebt. Aber ich brauche das Leben ganz für mich. Du brauchst dein Leben für dich! Mir wird das alles zu fremd. Irgendwie scheint die Realität unsere gutgemeinten Wünsche zu überholen«, raunte Bernd fast nur zu sich selbst.

Stille.

»Ich habe Angst«, flüsterte Beatrice.

»Ich auch«, erwiderte er und nahm sie weinend in den Arm.

Einige Stunden lagen sie da, schwärmten von Erinnerungen, aber keiner wagte es, ihren Schlussstrich zu thematisieren. Immens waren die Gewichte der Gewohnheit, immer düsterer die Vorstellung von der ungewissen Zukunft.

Bernd wollte aufstehen und gehen. Aber er traute sich nicht, es zu sagen.

Beatrice wusste nicht, was sie tun sollte, konnte nicht loslassen, aber auch keinen Mut mehr fassen. So wagte sie es ebenso wenig, zu gehen und sich bewusst von der Vergangenheit abzulösen. Mit nichts als einer Handvoll Erinnerungen in den Träumen im Leben weiter voranzuschreiten. Lange schwiegen sie.

Plötzlich übermannte es Bernd und er rannte durch die Wohnung, er schrie laut auf, kratzte sich an den Armen, riss sich die Haare heraus und schlug seinen Kopf gegen die Wände. Beatrice verlor die Fassung und rief den Notarzt.

Viel zu lange dauerte es, bis der Krankenwagen kam. Der Arzt reichte Bernd eine kleine Tablette, die er abwesend schluckte, während das meiste Wasser an seinem Hals hinunterlief.

Die beiden Helfer griffen Bernd unter den Armen und schleppten ihn in den Wagen, dann rauschten sie davon.

Beatrice spürte, wie etwas Neues zu erblühen und zu wachsen begann. Es besaß etwas Individuelles und Wahrhaftes, tief aus ihrem Herzen heraus.

Der expressive Extremist

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