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Zwölftes Kapitel

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1.

MORTLAT: DIE WELT DER KRIEGER

Nacht herrschte auf Mortlat, der Welt der Krieger. Die gelbe Riesensonne war längst hinter dem Horizont versunken, die meisten der Planetenbürger schliefen bereits. Doch in Gorth, der riesigen Hauptstadt des Planeten, herrschte immer Tag. Gewaltige Atomsonnen tauchten die Metropole in helles Licht. Sie war das Zentrum, hier regierte der Gorgh, der administrative Herrscher eines ganzen Sonnensystems, das ausschließlich von Mortlats besiedelt wurde. Jegliche andere Arten hatte man längst ausgelöscht.

Gorth besaß mehr als zehn Millionen Einwohner, großzügig angesiedelt. Die meiste Fläche nahmen das Regierungsviertel und der gewaltige Raumhafen in Anspruch. Er war einer von vielen auf diesen Planeten, doch er diente gleichzeitig als Umschlagplatz für die Hundertschaften stetig landender und startender Schiffe aller Größenordnungen. Nahe dem Raumhafen befand sich eine ebenso überdimensionale Funkzentrale, mit deren Hilfe man weitreichende Ortungen durchführte. Hier ortete und lokalisierte man fremdartige Quellen, gleichbedeutend mit außerirdischen, bislang unbekannten Lebensformen. Der Gorgh entschied dann, was mit den Fremden geschah. In der Regel vernichtete man sie, doch in letzter Zeit mangelte es an Sklaven. Ließen sich die Fremden als solche einsetzen, erwartete sie ein Schicksal, das tausendfach schlimmer war als der Tod. Die Lebensdauer eines Sklaven rechnete nach seiner Gefangenschaft bestenfalls Monate, keineswegs Jahre.

Der Gorgh hielt sich höchstpersönlich im Rechenzentrum auf, da sein Oberkommandeur ihn über rätselhafte Umstände informierte. Ungeduldig wartete der Gorgh, bis die Tausendschaft arbeitender Mortlats alle Auswertungen abgeschlossen hatte. Der Oberkommandeur bat den Herrscher in den Konferenzraum und berichtete unterwürfig.

»Unser Verdacht hat sich bewahrheitet, Ehrwürdiger. Die Armada der Yogh-Generation scheint von unbekannten Feinden vernichtet. Der Kommandant, der den Selbstzerstörungsimpuls seines Kommandoschiffes auslöste, berichtete in verschlüsseltem Code von einem unsichtbaren Feind. Sein Vorhaben, das havarierte Schiff zurück nach Mortlat zu steuern löste eine Meuterei aus, die dem Schiff endgültig den Todesstoß versetzte.«

Der Gorgh fuhr ruckartig aus dem wuchtigen Sessel.

»Unmöglich, Kommandeur. Entweder Ihr irrt Euch oder der Kommandant war nicht bei Sinnen. Kein Volk dieses Universums kann einem Mortlat die Stirn bieten. Schon gar nicht vermag er der gesamten Feuerkraft einer Armada standzuhalten. Schon oft mussten wir Kriege mit Völkern ausfechten, deren Flotten den unseren zahlenmäßig überlegen schienen. Doch nie konnte sich einer mit unserer Kampfkraft messen. Das ist ganz und gar unmöglich.«

Der Oberkommandierende verbeugte sich noch tiefer, als er fortfuhr.

»Das ist nicht alles, Ehrwürdiger. Der Kommandant behauptete, dass es sich bei dem Feind lediglich um ein einziges Objekt handele. Mehr konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.«

»Das ist der Beweis«, rief der Herrscher. »Der Kommandant wurde wahnsinnig und hat die Mannschaft in den Tod geführt. Kanntet Ihr den Kommandanten persönlich, Metrex?«

Dieser bejahte.

»Wir kannten uns sehr gut, da man uns zusammen ausbildete. Er machte immer einen sehr besonnenen und klugen Eindruck. Auf gar keinen Fall würde er sich vor irgendetwas fürchten, geschweige denn derart, dass er den Verstand verlöre.«

»Die Umstände seines verlorenen Geistes werden wohl immer ein Geheimnis bleiben. Ärgerlich, dass wir so viele Schiffe verloren.«

Der Oberkommandierende erhob sich plötzlich.

»Es gibt einen Gegner. Eine artfremde Macht, Ehrwürdiger. Ich wage nicht, an der Kampfkraft der Mortlats zu zweifeln, dennoch möchte ich die näheren Umstände dieses Geschehens klären. Der Funkspruch wurde mittlerweile lokalisiert. Ich bitte, mit fünfhundert Geschwadern aufbrechen zu dürfen, um die Artfremden aufzuspüren.«

Der Gorgh musterte seinen Untergebenen nachdenklich.

»Ihr habt recht, Kommandeur. Auch ich habe keine Ruhe, solange keine Klarheit herrscht, was mit unseren Kriegern geschehen ist. Ich werde persönlich an dem Unternehmen teilnehmen. Wir starten im Morgengrauen. Lasst die Flotten startklar machen.«

Der Oberkommandierende vollführte eine Ehrenbezeugung mit der Pranke und wandte sich rückwärts gehend ab. Die Entscheidung des Gorgh beglückte ihn, da er seit langem nicht mehr in den Genuss kam, in den Weiten des Alls Artfremde zu bekämpfen. Sollte ein Verbrechen an dem einzig würdigen Leben des Kosmos stattgefunden haben, dann würde er derjenige sein, der die Fremden mitsamt ihrem Sonnensystem zu Staub zerblasen würde. Endlich bekam er erneut die Gelegenheit, zu beweisen, dass er ein wahrer Kämpfer seiner Art war. Die Arbeit auf der Bodenstation füllte ihn zwar aus, doch der Drang zu jagen und zu töten verursachte einen Stau, der fast jeden Tag einem Sklaven das Leben kostete.

Als Metrex wenig später wieder das Kommando über ein Generationenschiff übernahm, und er sich in dem großen Schalensitz niederließ, um seine Befehle zu erteilen, fühlte er sich groß und mächtig. Verabscheuend sah er auf die Kreatur vor ihm, einen Sklaven. Blasshäutig, mit großen Ohren und winzigen Augen, der in demütiger Haltung ein Tablett mit Speisen und Getränke trug. Metrex' Hass auf alles Artfremde wurde erneut übermächtig. Er schlug dem Sklaven das dargebotene Tablett aus der Hand und musterte mit Ekelgefühl die sich winselnd am Boden windende Gestalt mit den langen dürren abstoßenden nackten Beinen. Metrex bückte sich und hob das Geschöpf daran in die Höhe. Die Unterschenkel des Dieners waren so dünn, sie passten problemlos in die mächtige Klaue des Mortlat. Ein Muskel bewegte sich, die armlange Klinge schoss aus der Montur und hieb zu. Mit Interesse verfolgte der Mortlat das Austreten einer weißlichen Flüssigkeit, die sirupähnlich aus den Stümpfen der abgetrennten Beine hervorlief. Das Wesen drehte sich auf den Rücken und wedelte panisch mit seinen drei dünnen Ärmchen. Der Blick des Sklaven schrie nach Gnade. Der Mortlat wusste, dass das Wesen angesichts der entsetzlichen Schmerzen den Tod herbeisehnte. Er fand erstaunlich, dass es überhaupt noch lebte. Die Anatomie des Wesens stachelte zusätzlich das wissenschaftliche Interesse des Mortlat an, und er trennte dem Sklaven die Arme und Ohren ab. Zu guter Letzt schlitzte er ihm den Bauch auf. Das Wesen wimmerte vor Todespein, aber es lebte. Der Mortlat bedauerte, unter Zeitdruck zu stehen. Es hätte ihn nur allzu interessiert, wie lange der Sklave in diesem Zustand aushielt. Doch sein Pflichtbewusstsein siegte. Fast bedauernd hieb er ein letztes Mal zu. Der Schädel des Wesens platzte auseinander und braune gallertartige Masse trat aus. Der Mortlat befahl einem Reinigungsrobot, den Schmutz zu säubern. Danach gab er seine Befehle. Im Morgengrauen starteten die Schiffe. Fünfhundert Geschwader, bestehend aus insgesamt zehntausend Generationenschiffen. Losgelöst von ihrem Stamm, der Zylindersäule, erhöhte sich ihre Zahl um das Dreifache. Doch dies geschah selten. Der Schlagkraft dieser Schiffe hielt kein Gegner lange stand. Die Einheiten eilten aus alle Teilen ihres Heimatplaneten herbei, um dem Einsatzbefehl Folge zu leisten.

Lebensverachtende Kreaturen suchten den Krieg.

Carais Freude über das Eintreffen ihres Volkes versetzte sie in eine Euphorie des Glücks und der Liebe. Diese tiefen Gefühle zu ihren Artgenossen wurden allerdings durch nagende Ungewissheit und Sorge getrübt. Obwohl eine innere Stimme ihrer Hoffnung, Zodiac möchte noch leben, recht gab, so blieb doch die Unwissenheit, die sie ihre Suche strebsam vorantreiben ließ. Die zargonische Gemeinschaft zerschmolz zu einer geistigen Einheit, die mentalen Fühler tief in den Kosmos gestreckt. Sie ignorierten die verschiedensten Fremdimpulse. Sollte Zodiac am Leben sein, dann würde er ihr intensives Tasten sofort bemerken, und gleichzeitig einen so starken Impuls aussenden, dass die Zargonier ihn unter Milliarden von Lebensformen sofort herauszufiltern vermochten.

Doch es blieb alles ruhig.

Die Zargonier erschöpften ihre Kräfte fast völlig, doch Carai zeigte keinerlei Anzeichen von Resignation, als man die Suche vorläufig unterbrach. Wertvolle Stunden würden vergehen, bis sich ihre Kräfte erneut regenerierten.

Sie sah auf, als das Antlitz des weißen Jud auf dem Monitor des Bildsprechfunks aufleuchtete. Er schenkte ihr ein mildes Lächeln. Carai spürte das schlechte Gewissen, das sein Ego heimsuchte. Er kam sich wie ein Verbrecher vor, seine Schwester in die Verbannung geschickt zu haben. Es beruhigte ihn, an ihren Gefühlen, die sie nun nicht mehr abschirmte, teilzuhaben. Durch sie erfuhr er, dass Carai ihm verzieh.

»Ruhe dich aus, Carai«, sprach Jud. »Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Was schlägst du vor, in welche Richtung wir weiterziehen? Kantas, der Alte, hält es für ratsam, sich zu trennen. Doch ich bin es dir schuldig, dich um Rat zu fragen.«

Carai neigte den Kopf steif zur Seite, die zargonische Geste der Verneinung.

»Wir sind EIN Volk, wir gehören zusammen. Sollen die wenigen unseres Volkes sich ebenfalls verlieren? Teile Kantas mit, dass ich seine Teilnahme begrüße und mich geehrt fühle. Meister, vielleicht sollten wir nach Zargos zurückkehren. Möglicherweise wartet er dort auf uns oder liegt bewusstlos zwischen irgendwelchen Trümmern.«

»Zodiac hat das System verlassen, Carai«, erinnerte der Meister.

»Ich weiß«, entgegnete sie hoffnungsvoll. »Aber kann es nicht sein, dass er zurückgekehrt ist, und einer dieser Scheusale nur auf ihn wartet? Meister, wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen.«

Der alte Jud überlegte nicht lange. Zu arg wog die Schuld auf seinen Schultern, als dass er der Zargonierin einen Wunsch abschlagen konnte.

»Deine Hoffnung geht auf uns alle über, deshalb werden wir deinem Rat folgen und Zargos aufsuchen, Schwester. Die Allmacht möge sich gnädig zeigen und deinen Gefährten zu uns führen.«

Der weiße Jud unterbrach die Verbindung. Carai schickte ihm einen dankbaren Impuls zu. Völlig ausgelaugt und erschöpft klappte sie den Pneumositz nach hinten und versuchte einzuschlafen. Die Impulse ihrer Gefährten, die Teil ihrer selbst waren, schienen sich immer mehr zu entfernen, bis sie sie kaum noch wahrnahm.

Plötzlich SPÜRTE sie es.

Einen ganz schwachen Impuls, kaum wahrnehmbar für sie, keinesfalls aber für die anderen. Ungewollt verkrampfte sie sich. Als sie glaubte, einer Täuschung erlegen zu sein, spürte sie ihn erneut. Im gleichen Augenblick wusste sie um dessen Bedeutung. Jedes weibliche zargonische Wesen verspürte ihn irgendwann, jenen stillen, instinktiv ausgestrahlten Impuls, der von innen kam und Glückseligkeit und höchste Freude hervorrief. Auch Carai empfand ähnlich, doch die Angst um Zodiac vergönnte ihr selbst jenes sensationelle Erlebnis. Sie spürte etwas in ihrem Geist, in ihrem Körper. In ihrem Leib.

Tränen quollen aus ihren großen Augen. Tränen der Freude, des Glücks und der Trauer. Zodiac war fort, irgendwo dort draußen, lebend oder tot. Doch ein Teil von ihm war von nun an bei ihr, würde sie die nächsten zwölf Monate ihres Lebens begleiten. Ihr Körper schüttelte sich, so sehr umgab sie die Rührung. Das größte Wunder allen Lebens, geschaffen durch eine allmächtige Kraft, wurde ihr zuteil.

In ihrem Leib wuchs Leben.

Ein System wurde erschüttert, als die gewaltige Flotte mortlatscher Raumschiffe aus dem Hyperraum schoss. Über die furchtbaren Folgen dieser gewaltigen Strukturerschütterung, die auf den nahestehenden Planeten zerstörerische Wirkungen nach sich zog, machte sich keiner der sechs Milliarden Wesen an Bord jener Schiffe Gedanken. Die Armada verhielt treibend im All. Die Triebwerke standen für eine Zeitlang still. Die Schiffe schienen auf etwas zu warten. Unsichtbare Taststrahlen durchdrangen die Schwärze des Alls.

Metrex nahm den Stanzstreifen aus dem Schlitz der Positronik, noch bevor der diensteifrige Bordoffizier die Hand ausstrecken konnte. Zufrieden schnaubend wandte er sich zu dem Gorgh um, der aufrecht im erhöhten Sitz des Kommandanten inmitten der Zentrale thronte.

»Die neue Technik erweist sich als einzigartig, Ehrwürdiger«, kommentierte der Oberkommandeur. »Ohne diese Neuheit wäre es unmöglich gewesen, die winzige Restmenge nuklear strahlender Teilchen noch zu orten. Das Endergebnis ist eindeutig. Keine Spur von Fremdenergie. Wohl aber die bekannten Muster. In diesem Sektor wurde ein Generationenschiff zerstört.«

»Und wo ist der Rest der Flotte?«, wollte der Gorgh wissen, und warf einen verächtlichen Blick auf die Auswertung. »Damit sind wir nicht viel schlauer. Keine Ortung von Feindschiffen?«

»Keine Ortung, Ehrwürdiger«, rief der Ortungsoffizier laut und voller Ehrfurcht.

»Der Kommandant berichtete von einem Objekt«, erinnerte Metrex. »Damit dürfte eine Ortung zusätzlich erschwert werden. Zudem liegt zwischen der Zerstörung des Schiffes und dem Funkspruch eine nicht geringe Zeitspanne. In den fünfundvierzig Stunden unseres Fluges kann sich der Feind in jedbeliebige Galaxis abgesetzt haben.«

»Ich bezweifle, ob es einen solchen Feind wirklich gibt. Metrex, liegen die eindeutigen Koordinaten der letzten Mission der Yogh-Flotte vor?«

»Sie sind in den Speicherblöcken verankert«, vergewisserte Metrex eifrig, der gierig nach weiterem Handeln strebte. »Keine dreitausend Lichtjahre von unserem Standpunkt entfernt. Die übermittelte Kartographie liegt ebenfalls vor. Ein winziges System, fast ein Nichts, doch die Yoghs haben es entdeckt. Möglicherweise finden wir dort einen Hinweis.«

»Irgendwo müssen sie ja stecken«, knurrte der Gorgh. »Ich habe den dumpfen Verdacht, dass der Kommandant aufgrund plötzlich einsetzenden Wahnsinns sich von der Flotte absetzte. Die Mannschaft wehrte sich dagegen, den Befehlen eines Irren Folge zu leisten und meuterte. Metrex, nennt mir einen plausiblen Grund, weshalb die Mannschaft sonst meutern sollte, wenn nicht aus dem Grund, einem inkompetenten Kommandanten gehorchen zu müssen. Ein derartiges Ereignis ist fast einzigartig. Niemand zweifelt die Autorität eines Flottenkommandanten an, schon gar nicht eine komplette Crew. Einzelne Querläufer findet man immer wieder, doch diese werden hart bestraft. Keiner würde es wagen, einem Angehörigen des Oberkommandos zu widersprechen, dafür verbürge ich mein Amt.«

»Nehmen wir Kurs auf das kleine System, dann wissen wir möglicherweise etwas mehr«, schlug Metrex vor. Der Gorgh bestätigte mit einem Wink seiner Pranke.

Metrex wandte sich abrupt um und schrie dem Funker Befehle zu. Dieser übermittelte sie an die Begleitschiffe, und nur wenige Minuten später setzte sich die gewaltige Armada erneut in Bewegung.

Die Automatik steuerte den kleinen Diskus ohne Irrmänover auf das entfernte Ziel zu. Selbstständig leitete sie den Sprung in den Hyperraum ein, in jenen Moment, als Carai schläfrig erwachte.

Verwirrt registrierte sie die starken Mentalimpulse ihres Volkes. Sie staunte über die Freude und das Glück, das sie ausströmten. Ihre Gefährten bemerkten ihr Erwachen und überschütteten sie mit Impulsen der Zuneigung. Im ersten Augenblick erschienen ihr jene Empfindungen gleich Blasphemie, angesichts der erst kürzlich vergangenen dramatischen Ereignisse.

Zargos zerstört.

Millionen Brüder und Schwestern ermordet.

Zodiac verschollen.

Doch plötzlich erkannte sie die Ursache der Ausgelassenheit ihrer Freunde. In Gedanken leistete sie Abbitte an ihr Volk. Verursachte sie doch fast den gleichen Fehler, den man einst an ihr beging: sie verurteilte. Dabei gab es keinen Grund dafür; nein, ihre Freude war natürlich, bei dem Erkennen einer der schönsten Wahrheiten der Welt.

Sie wussten es.

»Carai, die Allmacht segne dich und die Frucht ...«

»Du machst uns alle glücklich, neues Leben verheißt neue Hoffnung ...«

»Es scheint wieder Licht auf die Schatten unserer Gedanken, wir danken dir ...«

»Schwester, wir lieben dich alle, sei stark und mutig, Zargos steht hinter dir ...«

Erneut staute sich Flüssigkeit in ihren Augen. Voller Rührung sah sie auf das Gesicht des weißen Jud, das so plötzlich auf dem Bildschirm auftauchte. Respektvoll, aber voller Freude, zogen sich die Impulse der anderen zurück. Sie wurden zu einem angenehmen leisen Flüstern.

»Meine Tochter«, begann der Alte. Die Anrede Schwester hatte ihre Gültigkeit verloren. Die Gefährtin seines Sohnes trug Leben in sich, dies berechtigte ihn zu dieser Anrede, Ausdruck tiefster Verbundenheit. Carai sah und spürte die Rührung des Meisters. »Etwas Großes ist geschehen, ein Wunder. Du bringst neues Leben in die Gemeinschaft. Dein Gefährte würde vor Freude blau anlaufen, wüsste er um sein Erbe.«

Carais Gesicht trübte sich.

»Ein Grund mehr für uns, die Suche ehrgeizig voranzutreiben. Doch damit hat sich für dich einiges geändert, Carai. Du musst dir einen sicheren Ort suchen und dort auf uns warten. Wir werden Zodiac finden, ich verspreche es, und wenn wir bis zum Ende des Universums reisen müssten. Doch du darfst die Reinheit in dir nicht gefährden. Es wäre schlimmer Frevel, jetzt unumsichtig zu handeln.«

Carai schloss die Augen. Sie wusste, dass sie abermals gegen die Gesetze verstieß, wenn sie nun widersprach.

»Deine Worte sind wie immer weise, Meister«, erwiderte sie respektvoll, aber mit fester Stimme. »Doch ich habe mich entschieden, die Suche mit euch zusammen fortzusetzen. Die Frucht, die in mir heranreift, ist ebenso wie ich nur Teil eines Ganzen. Dieses Ganze ist unser Clan, und Zodiac gehört ihm ebenfalls an. Weder das Kind noch ich werden jemals als ein vollwertiges Wesen existieren können, solange wir uns nicht wieder vereint haben.«

»Carai«, antwortete Jud leise und verzweifelt. »Was ist mir dir, dass du derart unsere Ethik missachtest?«

»Ich missachte sie nicht, im Gegenteil«, widersprach sie. »Ich bin eine Zargonierin und glücklich darüber. Doch ich bin jetzt nicht mehr nur irgendein Segment der Gemeinschaft, die mir so viel Glück und Freude beschert, nein. Ich bin ein Geschöpf mit Verantwortung. Verantwortung dem Kind, meinem Gefährten, und auch meinem Volk gegenüber. Euch alle lasse ich im Stich, wenn ich mich nun verstecke. Nein, ich würde es nicht ertragen, eure Sorgen und Nöte ertragen zu müssen, Lichtjahre entfernt, ohne die Möglichkeit zu helfen. Es ist grausam, so etwas zu verlangen. Wenn ich sterben soll, dann ist es im Sinne der Allmacht. Ich vertraue ihr aber ebenso sehr wie ich sie verehre. Sie hat mir Leben geschenkt. Sie wird es sich nicht wieder nehmen.«

Die Impulse ihrer Freunde drückten zwar Sorge aber auch Bestätigung aus. Der alte Jud wusste, dass es keinen Sinn machte, weiterhin auf sein Anliegen zu bestehen.

»Es ist deine Entscheidung«, sagte er. »Ich bete für dich.«

Wenige Minuten später meldete sich die Automatenstimme des Autopiloten.

»Noch siebzig Quecks bis zum Wiedereintritt.«

Entspannt lehnte sich die Zargonierin zurück. Die Entmaterialisierung verursachte für gewöhnlich einen kurzen Entzerrungsschmerz. Er war leichter zu ertragen, wenn man sich psychisch und physisch darauf einstellte. Diesmal jedoch diente ihre Meditation in allererster Linie dem Wohl des Ungeborenen.

Fünf Quecks ...

vier ...

drei ...

zwei ...

eins ...

Eintritt ...

Carai lächelte erleichtert. Sie hatte den kurzen Schmerz kaum gespürt, und die Impulse aus ihrem Leib schwankten nur für eine Millisekunde etwas unsicher. Entspannt blickte die Zargonierin auf die Monitore der Galerie. Sie beschloss die beruhigende Melancholie des schwarzen Alls in sich aufzusaugen und nicht daran zu denken, dass eine leere Öde dort auf sie wartete, wo einst Zargos seine Bahn um eine gelbe Riesensonne drehte. Negative Gedanken waren schlecht für die Entwicklung ihrer Leibesfrucht.

Doch die Bildschirme zeigten etwas gänzlich anderes als erwartet. Entsetzt schrie Carai auf, und mit ihr der klägliche Rest ihres Volkes.

Die Bestien.

Sie waren zurückgekehrt.

Die Mortlats sahen fassungslos auf die im All treibenden Trümmer einer einst gewaltigen Flotte. Metrex sah seine Ahnungen bestätigt, und der Gorgh warf dem Oberkommandierenden einen Blick zu, der Unsicherheit ausdrückte. Welche Macht konnte eine Flotte Generationenschiffe zerstören? Was für Titanenkräfte mussten dort am Werk gewesen sein?

»Das soll das Werk eines einziges Gegners gewesen sein?«, fragte Metrex sich selbst fassungslos.

»Auf gar keinen Fall«, grollte der Gorgh. »Der Feind muss in der Überzahl gewesen sein, eine gewaltige Armada. Der Kommandant hat den Verstand verloren, nachdem er erkennen musste, dass seine Flotte der Vernichtung preisgegeben war. Man kann es ihm nicht einmal verdenken.«

Der Ortungsoffizier trat in gebeugter Haltung näher und blieb unmittelbar vor dem Gorgh stehen.

»Ehrwürdiger, die Messergebnisse«, sagte er knapp und reichte dem Herrscher eine silberne Stanzfolie. Dieser musterte sie eine Zeitlang, um plötzlich wutschreiend aufzuspringen. Mit einem Hieb brachte er den Offizier zu Fall.

»Du wagst es, deinem Herrscher derartig dilettantische Daten vorzuweisen? Ich sollte dich auf der Stelle hinrichten. Metrex! Überprüft die Daten bevor Ihr diesen Unfähigen aburteilt.«

Metrex nahm die Folie, überflog sie kritisch, und nahm am Pult der Ortung Platz. Es dauerte nur kurze Zeit, bis er die Ergebnisse parat hielt. Als er dem Gorgh entgegentrat, klang seine Stimme ohne Furcht.

»Das Ergebnis ist korrekt. Die angemessene Energie stammt von den zerstörten Schiffen. Fremdenergie ist keine anzumessen. Es klingt unglaublich, aber die Fremden benutzten anscheinend keine Waffen auf thermischer, atomarer oder anderer uns bekannter Basis.«

»Ihr redet Unsinn, Oberkommandierender Metrex«, rief der Gorgh außer sich.

»Für mich beweist es lediglich, dass der Kommandant bis zum Schluss bei vollem Verstand war. Ein einzelner Gegner, geistig entartet, mutiert, ausgestattet mit einem paranormalen Gehirn. Wir kennen genügend Artfremde mit Parakräften, unsere Laborkäfige sind voll von jenen widerwärtigen Kreaturen. Einige von ihnen könnten uns durchaus gefährlich werden, hätten wir sie nicht in aller Sorgfalt studiert. Und es hat in der Vergangenheit immer wieder Zwischenfälle gegeben, die einigen Mortlats das Leben kosteten.«

»Ich bin kein Dummkopf, Metrex«, knurrte der Gorgh. »Ich selbst habe die Erforschung jener paranormalen Entarteten immer wieder vorangetrieben. Doch kein Lebewesen vermag eine Flotte Generationenschiffe mit der Kraft seines Geistes zu vernichten. Das darf nicht sein, es wäre eine Katastrophe.«

Metrex wollte antworten, doch in jenem Moment ertönte ein lautes Signal. Die Automatenstimme der Bordpositronik erstattete unpersönlich Meldung.

»Fremdortung! Dreihundert feindliche ellipsenförmige Objekte geortet, Entfernung zweihundert Lichtjahre. Angemessene Transition minus dreiunddreißig Sekunden.«

Metrex und der Gorgh wandten sich zu der riesigen Panoramagalerie um. Die Flugsonden übermittelten in Sekunden ein scharf gestochenes Bild der plötzlichen Eindringlinge.

»Sofort vernichten«, befahl der Gorgh über Funk der Feuerleitstelle.

»Ich würde im Augenblick davon abraten, Ehrwürdiger«, wagte sich Metrex gegen den Befehl des Herrschers zu stellen. »Wir benötigen Informationen über die Vernichtung der Yogh-Flotte. Möglicherweise sind diese Schiffe mit Zargoniern besetzt. Die Bauart lässt den Berichten zufolge auf jeden Fall darauf schließen. Ich rate zu Funkkontakt.«

»Ihr wagt es, meine Anweisungen anzuzweifeln?«, fragte der Gorgh fassungslos, begann aber schlagartig zu überlegen. »Was habt Ihr vor?«

»Ich möchte ein Gespräch mit den Fremden führen. Vielleicht gelingt es mir herauszufinden, was sich in diesem Sektor wirklich abspielte. Sollte das Gespräch keine Resultate erzielen, verlieren wir keine Zeit und vernichten die Fremden.«

Der Gorgh grübelte.

»Es liegt nicht in der Art eines Mortlats, mit einem Artfremden zu sprechen, wenn er ihm begegnet. Bisher wurde jeder auftauchende Fremde sofort ausgelöscht. Ich hoffe, Ihr verschwendet nicht allzu viel unserer wertvollen Zeit an diese Unwürdigen.«

»Verlasst euch auf mich«, erwiderte er knapp. Danach lief er durch die Zentrale hindurch auf das Pult des Funkers zu.

»Bild –und Sprechkontakt zu den Fremden herstellen«, befahl er. Er spürte den sichtlichen Widerwillen des Cheffunkers, ignorierte dessen Verhalten jedoch. Seine Anspannung wuchs mit jeder Sekunde, die verstrich. Dann bekam er Kontakt.

Carai fuhr es eiskalt in die Glieder, und sie spürte, dass sich ihre tödliche Furcht auf den Embryo übertrug. Sie sah ebenso wie ihre Gefährten auf das entsetzliche Gesicht mit den geschlitzten, unbarmherzig blickenden Augen, die die Zargonierin abschätzend musterten. Aus der der vorgezogenen Schnauze troff Geifer, und sie sah auf ein Gebiss, dessen Hauer Knochen wie Papier zu durchtrennen vermochten. Sie hatten zuerst gezögert, als der Funkruf eintraf, doch ihre ethische Verpflichtung gebot ihnen, trotz verwurzelter Todesangst den Kontakt zu suchen. Verständigung war die Basis allen Zusammenlebens. Carai hatte beschlossen, den Kontakt zu erwidern. Ihre Gefährten warteten gespannt. Während dreihundert Zargonier den Mortlat sahen, so erschien auf dessen Bildschirm Carais Gesicht.

Die Bestien hätten sie sofort angreifen können. Da sie es nicht taten, erweckte dies unterschwellige Hoffnung. Wesen wie diese zerstörten ihre Welt; ein guter Grund, ihnen nicht zu trauen. Die mächtige Armada, die das All mit metallenen Leibern füllte, trug keineswegs zur Beruhigung bei. Doch vielleicht waren die Mörder ihres Volkes Abtrünnige gewesen, Verbrecher, die sich an Zargos versündigten. All diese Dinge gingen Carai durch den Kopf, als die Fratze auf dem Monitor erschien. Der Anblick des Mortlats alleine schien ihrer Vermutung zu trotzen. Es widersprach ihrer Mentalität, ein Wesen nach seinem Aussehen zu beurteilen, doch die Furcht, die sie in diesen Sekunden befiel, wurde fast zu einer Ahnung. Schließlich, nach endlos erscheinender Zeit, die der Fremde zu seiner Musterung benötigte, begann er zu sprechen. Die Translatorenautomatik übersetzte die Worte des Mortlats nach einiger Verzögerung, die sie zur Ausarbeitung der Modulation benötigte, in die zargonische Sprache. Der Mortlat schien über den technischen Stand ihrer Schiffe entweder bestens informiert oder ihm war es gleichgültig, ob er verstanden wurde. Nachdem die ersten Worte des Mortlat übersetzt waren, wusste sie, dass ihre Hoffnungen nicht erfüllt werden würden.

»Hier spricht Metrex, Oberkommandierender der Hauptwelt Mortlat, Befehlshaber dieser Flotte, im Auftrage des ehrwürdigen Gorgh. Ich fordere die zargonischen Schiffe auf, einen detaillierten Bericht über die Geschehnisse in diesem Sektor abzugeben. Die Yogh-Flotte unter dem Befehl von Kommandant Cort wurde von unbekannten Kräften vernichtet. Es gibt Hinweise, dass an dem heimtückischen Überfall Zargonier beteiligt waren. Ich fordere euch auf, die Mörder sofort an die mortlatsche Flotte auszuliefern.«

Carai ließ die Worte des Mortlats auf sich einwirken. Sie spürte, wie sich ihre Furcht verlor und wilder Entschlossenheit wich. Vor gar nicht allzu langer Zeit hätten ihre Gefährten sie im Stich gelassen und schmerzlich berührt von den unreinen Gedanken die Flucht ergriffen. Doch diesmal war alles anders. Die Zeit der Veränderungen stand an. Zodiacs Saat ging auf.

Während Metrex über die Bildfunkanlage zu den Zargoniern sprach, tasteten seine Finger über die Konsolen und stellten eine Verbindung zur Feuerleitstelle her. Mit kurzen Gesten seiner Pranke, die er außerhalb des Aufnahmebereichs hielt, gab er dem dortigen Offizier zu verstehen, sich bereitzuhalten. Er plante eine kurze Demonstration seiner Entschlossenheit. Nachdem er seine Forderungen eindeutig formuliert hatte, wartete er mit sadistischer Freude auf die Antwort des kleinen schwachen Wesens, das ihn aus wässerigen Augen vom Monitor entgegensah. Corts Bericht zufolge bestanden die Zargonier aus einem dümmlichen Volk, das in dem Glauben lebte, ohne Waffen und Kriege bestehen zu können. Umso unglaublicher schien es, dass ausgerechnet derartig artfremde Kreaturen es mit einer Mortlatflotte aufnehmen konnten. Die Angelegenheit war mehr als mysteriös. Die Antwort, die er erhielt, komplizierte die Sache.

»Mortlat, Ihr sucht einen Mörder in den Reihen eines Volkes, das keine Waffen kennt. Was versteht ihr unter dem Begriff Mord? Dieses Wort wirkt außergewöhnlich fremd aus dem Mund eines Geschöpfes, dem Leben so wenig bedeutet. Kann man zum Mörder eines Mörders werden?«

Der Mortlat sah geschockt zu dem kleinen Wesen, das die Worte leise, aber doch ohne Furcht in der Stimme in das Mikro sprach.

»Das Universum gehört den Starken«, antwortete Metrex mit Überzeugung. »Die Schwachen werden ausgemerzt, sie sind Abfall. Wir, die Mortlats, stellen das einzig würdige Leben im Kosmos dar. Alles Artfremde muss entweder vernichtet oder versklavt werden. Die Zerstörung eures Lebensraumes war lediglich eine Säuberungsaktion. Derjenige aber, der es wagte, das wahre Leben anzugreifen, verdient tausendfachen Tod.«

Der Mortlat sah interessiert zu, wie die Augen des Wesens größer wurden, und sich das Gesicht fast bis an den Rand der Aufnahmeoptik drückte.

»Uns, dem zargonischen Volk, fällt es schwer, euch zu hassen. Mitleid wäre angebracht für diese Missbildung des Schöpfungsaktes. Überragende Intelligenz paart sich mit wilder Mordgier, eine Verschwendung der Natur. Doch die Allmacht wird über euch richten, eines Tages. Sie duldet es nicht, dass derart negative Kreaturen die Gesetze des Kosmos missachten.«

Metrex verzog das Gesicht zu einem hässlichen Grinsen. Er hob unmerklich den Daumen. Der Feuerleitoffizier reagierte sofort.

»Ihr schwächlichen Narren glaubt, die Erben des Universums demütigen zu können? Kein Mortlat duldet Widerstand. Hier ist unsere Antwort.«

Aus dem Kommandoschiff des Gorgh löste sich plötzlich ein gebündelter Strahl. Eines der Diskusschiffe verging in einem Feuerball. Der Oberkommandierende lachte laut, als er das blassgraue Wesen zittern sah. Er ahnte nicht, welche Schmerz und Pein er damit in den Seelen der Zargonier verursachte. Metrex wog sich sicher. Nach dieser Demonstration würden sie die Verantwortlichen des Massakers an seinem Volk ausliefern. Danach schlug er ohne Kompromiss zu und vernichtete den Rest des erbärmlichen Haufens.

Carai krümmte sich indessen vor schmerzlicher Pein. Die Gemeinschaft wurde erneut auseinandergerissen, und abermals traf es sie hart.

»Meister ... Bruder ... Freund ... die Allmacht sühne deinen Tod.«

Der Feuerstoß des Mortlatschiffes hatte sich als Ziel das Schiff des weißen Jud gesucht. Der Meister war tot. Die Zargonier wären in stundenlang anhaltende Trauerstarre verfallen, wenn Carai nicht höchste Gefahr für das Ungeborene signalisiert hätte.

Die Zargonierin näherte sich langsam der Aufnahmeoptik und wies mit dem Finger auf die entstellte Fratze, die sadistisch lachte.

»Mörder! Mörder!«, rief sie mit zitternder Stimme.

»Liefert uns die Vernichter der Yogh-Flotte aus«, befahl Metrex. »Vielleicht lässt der Gorgh Gnade walten und euch unbehelligt weiterziehen.«

Der Gorgh, der in seinem Kommandositz aufmerksam das Geschehen verfolgte, lächelte amüsiert. Metrex sah fast belustigt zu, wie sich das kleine Wesen ständig mehr erregte.

»Ein einziger Zargonier, mein Gefährte, Zodiac aus dem Clan der Kulaans, hat die Mörder seines Volkes bestraft. Er hat uns den Weg bereitet für eine neue Zukunft. Wir bestrafen nun die Mörder unseres Meisters. Unreines Leben, das ihr seid, flieht, oder wir werden euch alle vernichten.«

Der Gorgh brüllte vor Belustigung. Metrex stimmte nicht mit ein. Ein Gefühl warnte ihn. Er konnte nicht ahnen, dass die dreihundert Zargonier bislang verborgene Kräfte miteinander vereinigten, um ein einmaliges Vernichtungswerk zu schaffen. Metrex knurrte ärgerlich, als das Wesen den Kontakt unterbrach, und unbewusst glitt sein Blick auf die Panoramawand. Aus einer Ahnung heraus lief er zum Steuerpult und änderte die Justierung der Außenbordkameras. Wie eine Wand tauchte unmittelbar die gigantische Armada seiner Schiffe vor ihm auf. In Keilformation reihten sich Abertausende von ihnen. Die Zargonier mussten wahnsinnig sein, wenn sie auch nur entfernt annahmen ...

Da geschah es.

Scheinbar aus dem Nichts heraus materialisierte eine gigantische Feuerwalze, die binnen Sekunden Dutzende Schiffe ins Verderben riss. Metrex sah fassungslos dem Sterben seiner Schiffe zu. Wie in einer Kettenreaktion pflanzten sich die Atombälle inmitten der Phalanx fort. Der Gorgh brach in lautes Brüllen aus und schrie den Feuerleitoffizieren der Begleitschiffe Befehle zu. Metrex erkannte die Vorsicht, die sich in Gorghs Gebaren verbarg. Das Kommandoschiff sollte sich nicht an dem bevorstehenden Gegenschlag beteiligen. Fast eintausend Generationenschiffe der vordersten Front nahmen Gefechtsposition ein. Unmittelbar darauf eröffneten sie aus schwersten Geschützen das Feuer.

Metrex schloss geblendet die Augen, als eine grellweiße Lichtflut die Zentrale in Weißlicht badete. Das Leuchten erlosch, und von den Angreifern der mortlatschen Flotte war keine Spur zu entdecken. Der Gorgh schrie entsetzt auf. Nie zuvor in seinem Leben erlitt er eine Niederlage, und in dieser Stunde widerfuhr sie ihm durch ein Volk, dass den Frieden in den Maßen verehrte wie er ihn verachtete.

Doch den Männern der Zentrale blieb keine Zeit, länger über das Geschehene nachzudenken. Der Feuerorkan tobte weiterhin in den Reihen der Armada. Der Weltraum wurde zum Szenario eines gigantischen Feuerwerks.

»Jäger ausschleusen, Kreuzerkommandos einsatzbereit machen ...«

Der Gorgh war außer sich. Metrex fragte sich nicht zum ersten Male, ob es für ihn nicht an der Zeit wäre, dem Herrscher Mortlats den Rang abzulaufen.

»Es wird in Kürze kein Schiff mehr existieren, das wir gegen den Gegner einsetzen können. Ich schlage vor, mitsamt dem Rest der Flotte den Rückzug anzutreten.«

Der Herrscher raste auf Metrex zu und packte ihn mit seinen Pranken an den Aufsätzen der schwarzbraunen Borduniform.

»Seit Ihr wahnsinnig, Metrex?«, schrie er außer sich. »Kapitulation? Ein Mortlat ergibt sich keinen Artfremden.«

»Niemand spricht von aufgeben«, erwiderte er hastig. Er wusste, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing. »Aber seht Euch nur die Schirme an, Ehrwürdiger. Seht ...«

Unwillig wandte der Herrscher den Kopf in Richtung Galerie. Ein Zucken huschte über seine Gesichtszüge.

In wilder Panik stob die Armada auseinander. Doch die gewaltigen Eruptionen rissen mehrere Schiffe nacheinander ins Verderben. Ein Fünftausendmeter-Kreuzer taumelte angeschlagen in beängstigender Nähe ins Sichtfeld.

»Vorsicht, Kollision«, schrie der Navigator, dessen geistige Abwesenheit ihnen zum Verhängnis werden drohte. Der Gorgh ließ von Metrex ab und stürmte auf das Pult des Kommandanten zu.

»Ausweichmanöver, Narr«, schrie er den starr in seinem Sessel sitzenden Mortlat an, während er ihn aus dem Sitz riss. Metrex warf sich indessen hinter das Intex-Pult, jener ausschließlich dem Kommandanten unterstellten Einrichtung, die ihn befähigte, sämtliche Schiffsfunktionen manuell auszuführen. Der Oberkommandierende ließ einen Monitor aufleuchten. Gleichzeitig brach er das Siegel, das über einer plattformähnlichen Erhöhung angebracht war. Ein roter Knopf und ein Cursorknüppel kamen zum Vorschein. Metrex führte die notwendigen Justierungen schneller aus, als es die bordeigene Automatik vermocht hätte. In diesem Moment vernahm er den Aufschrei des Herrschers.

»Verdammt, wir schaffen es nicht mehr. Das Wrack rammt uns in fünf Komma drei Sek ...«

Das wirbelnde brennende Schiff geriet ins Fadenkreuz des Zielmonitors, den Metrex schlitzäugig betrachtete. Blitzschnell drückte seine Klaue den roten Knopf in den Sockel der Vertiefung. Die unsichtbaren Strahlen des gigantischen Detonators, eine Vergrößerung des handlichen Zertrümmerers, trat in Aktion. Es war ein unheimliches Bild, als das Wrack fast die gesamte Bildbreite der Panoramawand einnahm. Die Mannschaft wartete auf den Aufprall.

Aus.

Doch in dem Moment, da es schien, das brennende Wrack würde inmitten der entsetzten Mortlats einschlagen und sie mitsamt Schiff in das Verderben reißen, zerstob er in einer heftigen Detonation. Unzählige brennende Trümmerstücke trafen den Schutzschirm des Schiffes, verglühten jedoch sofort, ohne Schäden anzurichten.

»Geschafft!«, schnaufte Metrex auf. Erst jetzt erkannte die Mannschaft, wem sie ihr Leben verdankte. Der Oberkommandierende genoss den verachtungsvollen Blick des Gorgh. Sein nächster Blick galt dem weiterhin tobenden Inferno. Der Gorgh stieß ein Knurren aus und befahl den Kommandos den Rückzug. Doch die Verwirrung auf den Schiffen musste übermächtig sein. Es erfolgte nicht eine Antwort. Das Kommandoschiff verharrte mit etwa fünfhundert Generationenschiffen ein halbes Lichtjahr abseits von dem Geschehen. Der kümmerliche Rest der angegriffenen Flotte handelte plötzlich entschlossen. Der Gorgh ahnte, dass die Kommandanten absichtlich keine Verbindung aufnahmen. Sie konzentrierten sich auf den bevorstehenden Kampf. Die Schiffe hatten sich zu einer geschlossenen Formation zusammengefunden und rasten mit wahnwitziger Geschwindigkeit auf die dreihundert Diskusraumer zu. Die Feuerwalze war überraschend zu einem Nichts verblasst, so dass die Kommandos neuen Mut schöpften. Metrex ließ die Schiffe walten. Auch der Gorgh schien ein ungutes Gefühl zu verspüren. Dann, als die riesigen Giganten über die kleinen ärgerlichen Stechmücken in ihrem Rücken herzufallen drohten, entstand aus dem Nichts heraus eine überdimensionale Sonne, die das gesamte Geschwader verschlang.

Der Gorgh öffnete den Rachen, um seine Befehle zu geben. Zugleich fauchte die Welle der Vernichtung auch über ihnen hinweg. Vor, hinter, über und unter dem Kommandoschiff glühten Feuerorkane auf. Der Raumer geriet erneut in ärgste Bedrängnis. Metrex, der nun im Pilotensitz saß, steuerte manuell. Mit irrwitzigen Werten jagte er das riesige Schiff in den Hyperraum hinein. Kurz bevor er entmaterialisierte, durchflutete den Oberkommandierenden ein seltsames Gefühl. Resignation war es, die er empfand. Die Niederlage verhieß unendliche Schmach.

Die Herren des Universums schienen ihren Meister gefunden zu haben.

Zodiac-Gejagter zwischen den Welten III: Jagdzeit

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