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Kapitel 1: Die Ankunft

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Das Kaufhaus an der Ecke zur Zwanzigsten erlebte einen Massenansturm, den trotz großzügigsten Spekulationen niemand erwartet hatte.

Die Menschenschlangen hinter den Registrierkassen schienen stetig anzuwachsen, und die beschäftigten Verkäufer standen regelrecht am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Selbst die Weihnachtsmänner wiesen hektische rote Flecken in ihren Gesichtern auf. Teils wegen der Hitze, unter der sie in den dicken Kostümen litten, teils aufgrund ihrer schwierigen Aufgabe, sich inmitten dieser Massen frei zu bewegen und die Kinder mit Geschenken zu beglücken.

Die gigantischen Leuchtziffern unter dem Dach des großen Kaufhauses zeigten den 24. Dezember an. Acht Uhr abends. Nur noch wenige Stunden bis zu Santa Claus' Ankunft aus den himmlischen Gefilden.

Umso rätselhafter schien es, dass all diese zahlreichen Menschen erst jetzt ihre Weihnachtseinkäufe tätigten. Nun, die einen taten es wohl aus Bequemlichkeit, da man es Tag für Tag aus reiner Faulheit immer wieder aufschob, um sich erst im letzten Moment einen Ruck zu geben. Die anderen taten es entweder weil sie zu viel oder zu wenig im Geldbeutel hatten. Der geizige Reiche sowie der mittelständige Amerikaner nutzten die Sonderangebote, die wenige Stunden vor dem Fest ausgeschrieben wurden.

Als die Digitalziffern dann schließlich zehn Uhr anzeigten, fieberten die Angestellten den letzten zwei Stunden ihres hektischen Arbeitstages entgegen. Schlagartig schien eine regelrechte Massenflucht stattzufinden, denn binnen weniger Minuten leerte sich das Kaufhaus beträchtlich. Zurück blieben die wenigen Schlauen, die bewusst um diese Zeit ihre Einkäufe erledigten.

Es geschah wenige Minuten nach zwölf. Fünf unsichtbare Gestalten materialisierten in der großen Spielwarenabteilung des dritten Stockes, inmitten von Kasperlefiguren und Plüschtieren.

Die wenigen Kunden, die sich um diese Zeit dort aufhielten, wären wohl laut schreiend davongelaufen oder hätten ganz einfach den Verstand verloren beim Anblick der grässlichen Fratzen jener vergeistigten Dämonen. So liefen sie einfach unwissend an ihnen vorbei oder schlichtweg durch sie hindurch. Das wütende Gezeter der fünf Wesen drang nicht an ihre Ohren.

Jene jedoch beschlossen für diese Ignoranz bitter Rache zu nehmen.

* * *

Sie kamen direkt aus dem Hort des Bösen, einen Ort den man als Hölle bezeichnete und dem Fürsten der Finsternis als Domizil diente.

Doch sie besaßen nur untergeordnete Bedeutung an diesem Ort, den sie ihr Zuhause nannten. Als Dämonen der untersten Rangstufe waren sie in den Augen ihres Meisters nur widerliches Gewürm. Ihr ständiges Flehen und Bitten

um Anerkennung ließ Luzifer kalt, bis zu jener Stunde, als es sich der Meister in seiner unendlichen Gnade anders überlegte.

»Damit ich euer elendes Gewinsel nicht länger mitanhören muss, werde ich euch eine Chance zur Bewährung geben.«

Die fünf Dämonen starben fast vor Ehrfurcht, als der Meister zu ihnen diese Worte sprach.

»Ihr habt gewisse Fähigkeiten, die mir vielleicht doch von Nutzen sein könnten. Aber merkt euch eins: ihr bekommt nur diese eine Chance. Habt ihr Erfolg, bekommt ihr menschliche Gestalt und die Macht, unter den Menschen Chaos und Tod zu verbreiten. Versagt ihr, werdet ihr für alle Zeiten zu machtlosen Schattenwesen und euer Leiden wird endlos sein.

Merkt euch außerdem: Niemand kann euch sehen, niemand sich an eurem widerlichen Äußeren erschrecken. Doch ihr vermögt in ihre Seelen einzudringen und sie zu verwirren. Bald nähert sich jener verruchte Tag, den die Menschen Heiligabend nennen. Christmas eve. Weihnachten, das Fest der Liebe und Freude.«

Selten hatten sie ihren Meister derart hasserfüllt sprechen hören. Sie begannen vor Angst zu wimmern.

»Mein Triumph wäre groß, wenn ich ausgerechnet an diesem Tag einige weichherzige Schwachköpfe in meinem Reich begrüßen könnte. Eure Aufgabe ist es, mir ein paar dieser reinen Seelen zu liefern, nachdem ihr ihre Gedanken vergiftet habt. Glaubt ihr, dieser Aufgabe gewachsen zu sein?«

Schnell beeilten sich die fünf, ihrem Meister zu versichern, dass diese Aufgabe nur eine Kleinigkeit für sie darstellte und er keine geeigneteren Diener dafür finden könnte.

»Ich hoffe es für euch, Dämonen. Das Schattenreich hält solange fünf Plätze reserviert. Dennoch glaube ich, euch vertrauen zu können. Bewährt euch, und ihr werdet reich belohnt werden.«

Und nun waren sie hier, im Reich der Lebenden, der Menschen. Sie, die unsichtbaren Geister, die ihrem Meister versprochen hatten, ihm bis zum Ende des heutigen Tages einige Seelen zu sichern. Eine Aufgabe, die ihnen unendlich leicht schien, denn ob ihrer Fähigkeiten sollte es keine Mühe bereiten, Luzifer zufriedenzustellen. Er hatte sie schon viel zu lange ignoriert. Bald musste er einsehen, damit einen Fehler begangen zu haben.

»Seht sie euch an, diese Schwächlinge«, sprach der Dämon des Hasses verächtlich. »Sie fühlen sich sicher, nur weil sie uns nicht sehen können. Am liebsten würde ich eine dieser widerlichen Kreaturen in Stücke reißen.«

»Dazu hast du vielleicht Gelegenheit, wenn wir unseren Auftrag ausgeführt haben«, antwortete der Dämon der Schmerzen. »Wir haben nicht die Macht, ihnen körperliche Gewalt zuzufügen.«

»Würde auch gar keinen Spaß machen, oder? Was sind schon körperliche Qualen gegen die Leiden eines malträtierten Geistes.«

Der Dämon der Verblendung grinste hämisch bei seinen Worten.

»Ich gebe dir vollkommen recht, Bruder«, stimmte der Dämon der Versuchung zu. »Ich brenne schon regelrecht darauf, mich so richtig auszutoben.«

Der Dämon der Vergeltung erwiderte: »Was stehen wir hier überhaupt herum, die Zeit läuft. Bevor dieser Tag zu Ende ist, müssen wir unseren Auftrag erledigt haben. Oder habt ihr Lust darauf, eure zukünftige Existenz als Schatten zu fristen?«

»Es ist noch Zeit genug für einen Ausflug durch dieses Gebäude«, schlug der Dämon der Lüge vor. »Sehen wir uns diese hilflosen Geschöpfe doch mal genauer an. Ich bin sicher, wir werden uns köstlich amüsieren.«

Sein Vorschlag fand die rege Zustimmung seiner vier Brüder. Erwartungsvoll und mit bösen Gedanken zogen sie los.

* * *

»Stopp!« befahl der Dämon des Hasses seinen vier Gefährten und machte sie auf eine Szene aufmerksam, die sich direkt vor ihren Augen abspielte.

Eine Mutter versuchte verzweifelt, ihren achtjährigen Sohn von einem Stand wegzudrängen, an dem ein junger Verkäufer die Funktionsweise ferngesteuerter Fahrzeuge demonstrierte.

»Larry, ich sage es nicht noch einmal. Wir müssen jetzt nach Hause.«

Der Junge zog heftig dagegen, als seine Mutter ihn am Arm packte und mitschleifen wollte.

»Ich will den Truck, Mom, bitte. Kauf mir den Truck, Daddy würde ihn mir auch kaufen.«

»Ich bin aber nicht dein Daddy«, erwiderte die Mutter so laut, dass sich einige Leute nach ihnen umsahen. »Dein Vater verwöhnt dich viel zu sehr, mein Freund. Außerdem bekommst du doch bald genügend Geschenke.«

»Ich will eure blöden Geschenke nicht, ich will den Truck.«

»Weißt du, wie viel so ein Ding kostet? Dafür muss dein Vater lange arbeiten. Komm jetzt mit oder du bekommst eine Ohrfeige.«

Der Dämon des Hasses kicherte verhalten.

»Wir wollten uns doch amüsieren, nicht wahr? Jetzt passt mal auf. Mit einem Kind habe ich leichtes Spiel. Fast schon wieder zu leicht.«

»Quatsch nicht rum«, erwiderte der Dämon der Lüge ungeduldig. »Lass mal sehen was du kannst, Bruder.«

Es dauerte keine Sekunde und der Dämon des Hasses war verschwunden. Gespannt beobachteten die vier den weiteren Streit zwischen Mutter und Kind. Der kleine Larry veranstaltete inzwischen ein wahres Heulkonzert.

»Na gut, du hast es nicht anders gewollt«, schrie die entnervte Mutter und gab ihrem Sohn eine schallende Ohrfeige. Die umstehenden Leute sahen betroffen weg, so als träfe sie die Schuld an der ganzen Misere. Der Schlag schien zu wirken, denn der Junge verstummte schlagartig. Anstandslos trottete er mit seiner Mutter in Richtung Ausgang. Sie nahm den Jungen absichtlich nicht an der Hand, um ihn spüren zu lassen, dass sie böse auf ihn war.

Als sie auf die Rolltreppe zuliefen, kamen sie an der Sportwarenabteilung vorbei. Zufällig kreuzte ihr Weg sich an den Körben, in denen zu Angebotspreisen Dutzende Baseballschläger angepriesen wurden.

Larry blieb stehen, nahm sich einen der für ihn viel zu großen Schläger aus dem Korb und betrachtete ihn scheinbar nachdenklich.

»Was ist jetzt schon wieder los?« fragte seine Mutter erbost. »Du hast bereits einen Baseballschläger, sogar einen besseren als diesen hier.«

Als Larry antwortete, glaubte sie der Schlag zu treffen.

»Friss Scheiße, du blöde alte Fotze.«

Larry spielte in der Untermannschaft seiner Liga Baseball, und den Schlag, den er gegen den Unterleib seiner Mutter führte, präzisierte er geradezu professionell. Die etwas mollige Frau klappte zusammen wie ein Taschenmesser. In Larrys Hirn forderte ihn eine Stimme erneut auf, doch damit weiterzumachen.

»Mach’ sie fertig, die alte Schlampe. Schlag ihr verdammtes Hirn zu Brei. So eine Gelegenheit bietet sich nie wieder. Nie mehr „Larry tue dieses nicht, tu‘ das nicht.“ Nie mehr. Mach sie fertig, das fette Miststück, schlag sie in Scheiben.«

Larry war versucht, den bösen Gedanken nachzugeben, als eine Stimme ihn zurückhielt.

»Um Gottes willen, Junge, was tust du da?«

Mit einem Mal sah sich der Junge von einer Woge aus Menschen umstellt. Die Sprecherin, eine schlampig aussehende Verkäuferin mittleren Alters, sah ihn ebenso entsetzt an, wie es alle taten, die einen Kreis um ihn gebildet hatten.

Plötzlich schien eine unsagbar schwere Last von ihm fallen, und als er zu seiner Mutter aufsah, die sich schmerzstöhnend aufrichtete und ihm Blicke entgegenwarf, die sich wie tausend feine Nadelstiche in sein Herz bohrten, fing er an zu weinen.

Nur wenige Meter von ihm entfernt befanden sich fünf Gestalten, die sich förmlich vor Lachen bogen. Niemand sah sie, niemand hörte sie. Und dieses Mal genossen sie diesen Umstand.

»Ich hätte ihn beinahe so weit gehabt, Brüder. Er hätte dieses Weibsstück eiskalt abserviert. Jungs, war das ein Spaß. Meint ihr, der Meister hätte sich über so eine kleine Kinderseele gefreut, ein armes kleines Bündel, das das Hirn der eigenen Mutter in einem Kaufhaus verspritzt?«

Der Dämon des Hasses wuchs in seiner Freude über sich hinaus, wurde jedoch vom Dämon der Verblendung scharf zurechtgewiesen.

»Der Meister hätte dich geviertelt und deine Stücke einzeln ins Schattenreich verbannt. Menschenkinder sind noch unreif, geistig noch nicht entwickelt. Es wäre für jeden dahergelaufenen Troll eine Kleinigkeit, eine solche Seele zu gewinnen. Nein, wir haben eine Aufgabe, und wir dürfen auf gar keinen Fall auffallen bevor wir nicht sicher sind unsere Opfer gefunden zu haben.«

»Auffallen?« fragte der Dämon der Schmerzen verächtlich. »Glaubt ihr vielleicht, irgendjemand könnte auch nur von unserer Existenz ahnen? Nein, wir sind sicher, aber ich gebe dir trotzdem recht. Es wird Zeit an unseren Auftrag zu denken. Dem Kleinen haben wir die Weihnachten auf jeden Fall gründlich versaut, da können wir sicher sein. Ein kleiner Erfolg, immerhin.«

»Denkt daran«, erinnerte der Dämon der Vergeltung, »wenn wir ein geeignetes Opfer gefunden haben, dann gibt es kein Zurück mehr. Der Meister gibt uns keine zweite Chance, ihr habt es gehört. Und der Meister sieht und hört alles. Er ist um uns.«

»Da seht«, unterbrach der Dämon der Versuchung das Gespräch. »Wir wäre es, wenn wir diesen alten Sack dort vorne hochnehmen. Seine Frau guckt schon ganz sauer, weil er ständig die Kleine an der Kasse beobachtet. Ich kann es spüren, Jungs. Der Alte fängt schon an Kalk anzusetzen, wie man hier so schön sagt. Passt mal auf.«

Sie waren mittlerweile bis in den zweiten Stock vorgedrungen. Der Mann, um den es sich drehte, war ein schwächlich gebauter Typ Mitte der sechziger Jahre. Er stand zusammen mit seiner Frau an der Kasse, um die Lammfellschuhe, die er sich selber zu Weihnachten schenken wollte, zu bezahlen.

Dabei galt sein ganzes Augenmerk der jungen Fran, die konzentriert in die Tasten tippte. Das Mädchen, gerade erst achtzehn geworden, arbeitete den dritten Tag in diesem Laden und dies gleich zu einer äußerst ungünstigen Saison. Niemand hatte recht Zeit gefunden, sie in nötiger Weise einzulernen. Sie, die noch nie an Registrierkassen gearbeitet hatte, sondern als Lehrling stets nur Regale einräumte und säuberte, tat sich bei ihrer neuen Tätigkeit nicht gerade leicht. Doch sie lernte schnell und die Arbeit machte ihr sogar Spaß.

Selbstverständlich bemerkte sie nicht die Blicke des alten Morris, der ihr über die Ränder seiner Brille in den Ausschnitt starrte.

Fran trug keinen dieser komischen Arbeitskittel, die alles verbargen, wonach sich sein Herz so sehnte. Der Grund lag einfach darin, dass sie noch keinen bekommen hatte, aber das wusste der alte Morris natürlich nicht, und wenn, würde es ihn die Bohne interessieren.

Sie trug eine weiße Bluse, die aufgrund der Hitze in dem Gebäude bis über den Brustansatz hinaus offenstand, was zwar nicht erlaubt, ihr aber an diesem Tage piepegal war.

Morris stand auf junge Mädchen, und seine Frau wäre mit Sicherheit ausgeflippt, wenn sie in der Speicherkammer sein heimliches Versteck mit den vielen schönen Heftchen und den noch viel schöneren Bildchen darin entdecken würde.

Blair, seine Frau, bemerkte seine Blicke schließlich, was nicht besonders schwerfiel, da sein Starren in den Ausschnitt des Mädchens gar nicht auffälliger hätte sein können. Was ihr aber äußerst peinlich war und sie innerlich auf die Palme brachte, war der Umstand, dass sie es nicht als einzige bemerkte.

‚Du würdest eine Nacht mit der Kleinen nicht einmal überleben‘, dachte sie erbost. ‚Ich bin zwar eine alte Schnepfe mit grauem Haar und verrunzelten Möpsen, aber ich bin das einzige Weib, das du noch zu befriedigen in der Lage bist, du alter Narr‘.

In den nächsten Augenblicken jedoch erlebte sie etwas, das ihr beinahe vor Schreck das Leben gekostet hätte. Es geschah, nachdem der Dämon der Versuchung in den verwirrten grauen Zellen des Mannes zu toben begann.

Zufällig passierte dies in dem Moment als Morris gerade an die Reihe kam. Anstatt dem Mädchen die Ware über die Verkaufsfläche zu reichen, packte er sie blitzschnell an den Armen und zog sie über den Stand zu sich herüber.

Niemand, wahrscheinlich nicht einmal er selbst, hätte dem gebrechlichen Körper je einen solchen Kraftakt zugetraut. Die Leute, die die Szene beobachteten, einschließlich Blair, seiner Frau, zeigten vor lauter Schreck nicht die geringste Reaktion.

Diesen Moment nutzte der Dämon der Verblendung und sprang eifrig von Bewusstseinsinhalt zu Bewusstseinsinhalt, wobei er sich über die darin herrschende Verwirrung halbtot lachte. Nebenbei sorgte er dafür, dass niemand auf den Gedanken kam, einzugreifen. Er wusste, dass er sich bei dieser Aufgabe übernahm, aber eine Verzögerung der Ereignisse genügte vollkommen. Schließlich wollten sie ja nur ihren Spaß.

Fran, das hübsche Mädchen mit dem dunklen kurzgeschorenen Haar, war nicht fähig zu reagieren. Sie ließ geschehen, dass Morris sie über den Kassenstand zu sich zog. Ihr wurde schlecht, als sie seinen fauligen Atem roch. Kurz darauf vernahm sie das Zerreißen von Stoff.

Die Geschehnisse spielten sich innerhalb von Sekunden ab, und Morris' Geilheit verwandelte ihn in Blitz, den superschnellen Supermann mit dem roten Kostüm. Doch Morris trug statt eines Kostüms eine Erektion mit sich, wie er sie seit Jahren nicht mehr erleben durfte.

Der Stoff der Bluse zerriss wie Papier. Die prallen Brüste lagen frei vor ihm, wobei er dem Gott der Geilheit dankte, dass sie auf so unpraktisches wie einen Büstenhalter verzichtet hatte.

Er knetete ihre festen Formen und verwechselte das Erschrecken in ihrem Blick mit Sehnsucht. Sehnsucht danach, ihm, Morris, unbedingt Befriedigung verschaffen zu wollen.

Eine Viertelsekunde, mehr benötigte er nicht, um den Reißverschluss seiner Hose zu öffnen. Sein fünfundsechzig Jahre alter, grau und unansehnlicher Penis schnellte erwartungsvoll aus der Öffnung.

Die Lähmung unter den Zuschauern hielt weiterhin an. Der Dämon der Verblendung befand sich in Hochform.

Der Dämon der Versuchung jedoch erkannte, dass er in seinem Opfer überflüssig war. Morris brauchte ihn nicht mehr. Er war dermaßen aufgeheizt, er würde das Spiel auch ohne ihn zu Ende spielen.

Stattdessen fiel er über dessen Opfer her, das gerade zur heftigen Gegenwehr ansetzen wollte. Es gelang dem Geistwesen erfolgreich und im letzten Moment ein Gerangel zu verhindern, indem es Frans Chromosomen anheizte. Doch noch erwies sich der Ekel größer als die künstlich erzeugte Woge der Lust, die über ihr hinwegbrauste.

»Bruder, hilf mir«, rief das Wesen seinen Gefährten zu. Sekunden später befand sich der Dämon der Verblendung bei ihm. Das Mädchen wurde nun von zwei Geistern beherrscht und ahnte es nicht einmal.

»Teamwork ist unzulässig, Bruder. Aber schließlich ist es nur ein Spiel.«

Schließlich verwandelte er den alten Morris in Frans Geist zu einem wunderschönen braungebrannten, nackten Mann mit schwarzem Kraushaar und blauen Augen, genau in jenen Typ von Mann, den sie sich in ihrem geheimsten Träumen immer wieder voller Wollust hingab. Und nun stand er hier vor ihr, nackt und schön, mit einer gewaltigen Erektion. Sie beschloss, es hier mit ihm zu machen, vor allen Leuten. Es war ihr egal. Wichtig war nur, er blieb hier bei ihr.

Sie sank auf die Knie zu dem wunderschönen Jüngling herab. Sie achtete nicht auf das plötzlich aufbrandende hysterische Geschrei Blairs, die aus ihrer Erstarrung erwachte. Sie ließ es sich gefallen, dass der Jüngling sich fest in ihr kurzes Haar krallte und dabei stöhnte wie ein waidwunder Hirsch.

Blairs Schrei ließ auch die übrige Kundschaft wieder zu Sinnen kommen. Die Reaktionen der Leute unterschieden sich ganz individuell. Die einen machten, dass sie davonkamen, kopfschüttelnd und entsetzt; die anderen lachten Tränen und sahen interessiert zu. Wieder andere, nämlich jene, die noch darauf warteten, von ihrer Kassiererin abgefertigt zu werden, sahen sich ratlos in die Gesichter.

Wirklich eine Frechheit. Zuhause warteten noch die ganzen Vorbereitungen für den Abend, und die Kassiererin hatte nichts Besseres zu tun, als ihrer Kundschaft einen zu blasen. Mein Gott, man würde zu spät zum Abendessen kommen.

Blair stürmte zeternd davon und fiel um ein Haar noch die Rolltreppe hinunter.

Niemand kam noch auf die Idee, der jungen Frau zu Hilfe zu eilen. Wenn es auch erst aussah, als würde der alte Bock wirklich zu einer Vergewaltigung ansetzen, so wirkte es nun, als hätte die Kleine nur darauf gewartet, dem lieben Opa an die Hose zu gehen.

Auf ein unsichtbares Zeichen hin zogen sich die beiden Dämonen schlagartig zurück und entließen die junge Frau blitzschnell aus ihrer Gewalt. Sie kam im denkbar ungünstigsten Augenblick zu sich. Im ersten Augenblick schmeckte sie nur diesen seltsamen Geschmack, der dem Ding aus ihrem Mund anhaftete. Dann, als sie nach vielen verstrichenen Sekunden endlich begriff, schrie sie entsetzt. Schreiend warf sie sich zu Boden und vergaß dabei nicht, sich immer und immer wieder zu übergeben. Das eintönige Grau des Teppichbodens wurde mit vielen interessanten Mustern besetzt und wirkte auf die Beobachter nicht eindruckslos.

Als sich ein Mann mit Namensschild und Krawatte, vermutlich der Abteilungsleiter, um die junge Dame bemühte, befanden sich die fünf Dämonen bereits im Untergeschoss. Im Augenblick allerdings waren sie keinerlei Unterhaltung fähig, da sie brüllten, jauchzten und tobten vor Lachen.

Sie ahnten nicht, dass Luzifer auf seinem Thron saß und zufrieden lächelte. Mit einem Mal tat es ihm fast leid, diese Kreaturen so lange Zeit nicht beachtet zu haben. Er war gespannt, wie sie ihre Aufgabe bewältigen würden, und fieberte bereits nach den Seelen der Opfer.

»Habt ihr das gesehen?« brüllte der Dämon der Verblendung. »Man hätte meinen können, die Kleine wolle einen neuen Weltrekord im Dauerlutschen einlegen.«

»Und all die ganzen Idioten ringsum«, wieherte der Dämon der Vergeltung, der engste Artverwandte zum Dämon des Hasses.

»Haben sich fast die Augen aus dem Kopf geklotzt, diese billigen Spanner.«

»Wir sind jetzt schon zu mächtig, als dass sich einer dieser Würmer uns zu widersetzen vermag«, knurrte der Dämon der Schmerzen zufrieden und böse.

Die fünf befanden sich einer derart euphorischen Stimmung, dass sie darüber fast ihren Auftrag vergaßen. Bevor sich einer von ihnen darauf besinnen konnte, johlte der Dämon des Hasses:

»Seht mal, da drüben, der Typ im Santa Claus Kostüm. Soll ich ihn dazu bringen, einen dieser süßen Kleinen in seinen Sack zu stecken und zu ersäufen?«

»Nein, ich habe eine viel bessere Idee«, warf der Dämon der Lüge ein. »Wir schwirren ein bisschen in seinen Gedanken herum und machen ihn wirr. Machen wir ihm doch glauben, er sei der Osterhase.«

»Waaahhhnnnssinnn«, grölte der Dämon der Vergeltung. »Nichts wie hin, Jungs.«

Gemeinsam drangen sie in den Geist des Weihnachtsmannes ein, der seelenruhig auf einem Sessel saß und Geschenke aus einem Sack mit unergründlichen Tiefen hervorzauberte. Er strich den Kindern zärtlich über den Kopf und wechselte auch ein paar nette Worte mit den Eltern.

Merkwürdigerweise kamen sie alle zu IHM, und die anderen maskierten Weißbärte marschierten ratlos auf und ab, ärgerlich auf den Kollegen, der ihnen die Schau stahl.

Gerade als ein kleines blondes Mädchen nach einem Kuss vom Weihnachtsmann zu ihren Eltern sagte: »Das war der echte Santa Claus, Mutti, nicht wahr?«, in genau jenem Moment starteten die fünf Dämonen ihren Frontalangriff … und erlebten den Schreck ihres Lebens, als sie von einer gigantischen, unsichtbaren Faust zurückgeschmettert wurden.

Benommen sahen sie dem lächelnden alten Mann entgegen, der sich gemächlich von seinem Sitz erhob. Er sah genau in ihre Richtung, und als sie sich darüber bewusst wurden, ergriff sie eine Welle von Panik. Das Gefühl der Stärke und Macht schrumpfte dahin, mit jedem Schritt, den Santa Claus sich näherte. In diesen Sekunden offenbarten sie ihr wirkliches Wesen.

Feige und erbärmlich.

»Ein frohes Fest wünsche ich den Herrschaften«, sprach Santa mit seiner grollenden Bassstimme.

»Hat der alte Gauner wieder seine Schleusen geöffnet, um ein paar seiner armseligen Wichte auf die Menschheit loszulassen? Der Schurke zeigt wieder mal nicht den nötigen Respekt. Kein Wunder, dass kein Platz mehr war für ihn da oben. Schlimm, schlimm.«

Die fünf Dämonen waren drauf und dran, einfach zu verschwinden. Irgendwohin, nur weg von diesem seltsamen Mann, der sich als Santa Claus verkleidete und sie sehen konnte. Oder war er etwa ...?

Der Dämon des Hasses, der Mutigste unter ihnen (wenn man überhaupt von so etwas wie Mut sprechen konnte), überwand sich als erster.

»Was willst du, alter Mann? Denkst du, wir hätten Angst vor dir, weil du uns sehen kannst? Niemand kann uns besiegen, und wir werden diesen elenden Sterblichen den Weihnachtsabend gründlich vermiesen. Einige von ihnen werden noch heute Abend ohne ihr Wissen ihre Seele an den Meister verkaufen. Sie werden durch uns zu dem, was sie in ihrem tiefsten Inneren schon sind. Teile von uns, dem wahren Bösen, der einzigen großen Macht auf dieser Welt.«

Seine Brüder sahen ihn an, so als hielten sie ihn für schwachsinnig, da er so große Töne spuckte. Aber was blieb ihm anderes übrig, um seine plötzliche Furcht auf diese Weise zu vertuschen.

Santa zeigte jedoch keine Scheu und lachte brummend.

»Luzifer muss größenwahnsinnig sein, wenn er glaubt, dass ein paar seiner lächerlichen Geister dem Zauber der Weihnacht Paroli bieten können. Verschwindet, ihr Wichte, und zwar dahin, wo ihr hingehört. Es ist besser für euch, glaubt mir.«

»Das bezweifle ich«, hörte sich der Dämon der Lüge rufen und erntete böse Blicke seiner Artgenossen.

»Aha«, machte Santa. »Euch droht schlimme Strafe, wenn ihr versagt, habe ich recht? Seht ihr, das ist der Nachteil gegenüber dem Gott der Christen. ER kennt Gnade.«

»Du kannst uns keine Angst machen, Alter«, schrie der Dämon der Schmerzen. »Bei den anderen Menschen wird unsere Macht nicht versagen wie bei dir, wenn du überhaupt ein Mensch bist. Und wenn dieser Tag zu Ende geht, werden wir uns wiedersehen. Mal sehen, wer dann unter hohntriefendem Spott zu leiden hat.«

Santa hob warnend den Finger.

»Ich möchte euch nur warnen. Und nicht nur das. Ich möchte euch etwas anbieten. Ein Angebot, das ich mir an eurer Stelle einmal überlegen würde.«

»Und das wäre?« fragten sie überrascht, ohne Ahnung, was ihnen dieser arme alte Narr zu bieten hatte.

»Tut Gutes an diesem Tage, wo immer ihr könnt. Sagt eurem Meister Lebewohl und fangt an umzudenken. Einst wart ihr selbst Menschen, nur ihr wisst es nicht mehr. Die Schlechtigkeit, das Böse in euren Gedanken, das Böse, das ihr zu Lebzeiten anderen zugefügt habt, verwandelte euch in die grässlichen Ungetüme, die ihr nun seid.

Doch heute, an Heiligabend, gibt euch jemand Gelegenheit zu bereuen und eure Fehler wieder gut zu machen. Gebt ihr euch ehrlich Mühe, dann geht ihr heute noch ein in das große Licht, wo Engel euch zu einem besseren Platz wie ihr in kennt, geleiten werden.«

Sekundenlang herrschte Schweigen, und nie erfuhr jemand, was die fünf in dieser kurzen Zeit dachten. Dann jedenfalls blökten sie laut los. Ihr Lachen klang hundsgemein und widerwärtig.

»Wer oder was immer du auch bist, Alter«, antwortete der Dämon der Vergeltung. »Gehe du zurück, wo du hergekommen bist und krieche deinem schwachen, nichtsnutzigen Gott sonst wohin. Schöne Grüße an den Sohn und den Heiligen Geist, sie sollen zur Hölle fahren. Der Meister wartet schon. Hahahahahah.«

Sie lachten und wollten weiterfahren mit ihrem Spott, als sie bemerkten, dass der Weihnachtsmann sich anscheinend in Luft aufgelöst hatte.

»Wo zum T..., verzeih mir, Herr, ist dieser Bursche hin?« wunderte sich der Dämon der Versuchung.

»Egal«, erwiderte der Dämon der Verblendung. »Wenn wir nicht bald an unseren Auftrag denken, müssen wir vielleicht noch auf sein Angebot eingehen.«

Das wirkte. Ihnen kam es gar nicht in den Sinn, ihrem Meister abtrünnig zu werden. Das Böse war allmächtig, warum sollte man sich also verschlechtern. Die Katastrophen und Kriege in der Welt, wer hatte sie letzten Endes geschaffen, diese vernichtenden Kräfte?

Satan, Luzifer, Beelzebub, der Herr der Fliegen, Leviathan, und was für Namen er noch in dieser Welt trug. Kein Gott, kein Jesus, kein Heiliger Geist konnte dagegen an. ER war stärker als sie. Warum also sollten sie ihren Herren verraten?

In aller Schnelle fassten sie den Plan, sich gezielt ihre Opfer auszusuchen. Sie waren sich dabei einig, dass jeder allein für sich bei dieser Suche tätig sein würde.

Drei vertraten die Ansicht, dass es einfacher wäre, sich hier im Kaufhaus in aller Ruhe umzusehen, während die anderen zwei darauf brannten, unheildrohend durch die Straßen New York Citys zu streifen. Dort draußen herrschte millionenfache Auswahl, und sie brannten darauf, Seelen zu vernichten.

Luzifer empfing die ehrgeizigen Gedanken seiner Schößlinge und lächelte zufrieden.

So nahmen die Dinge ihren Lauf. Und alles geschah so ganz anders als man es erwartete.

Christmas Meeting

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