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Aufbruch zu den Finsterbergen

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Nachdem Barbara Blocksberg ihren Mann am Bahnhof abgesetzt hatte, machte sie sich mit Bibi auf den Weg zur Schule. Sie waren spät dran, und als sie endlich vor dem Schulgebäude hielten, sprang Bibi eilig aus dem Wagen.

„Tschüss, Mami!“, rief sie, schwang ihren Rucksack über die Schulter und hastete zum Bus. Dort stand Frau Müller-Riebensehl und blickte schon ungeduldig auf ihre Uhr.

„Guten Morgen, Bibi Blocksberg“, sagte sie leicht ungehalten mit ihrer näselnden Stimme. „Mit dir sind wir jetzt endlich vollzählig.“

„Guten Morgen, Frau Müller-Rieben…“ Eigentlich wollte sich Bibi wegen ihres Zuspätkommens entschuldigen, aber da fiel ihr Blick auf den Kopf der Klassenlehrerin. Besser gesagt auf das, was sie auf dem Kopf trug. Bibi hielt inne. „Äh …“, stotterte sie überrascht. „Ist … Ihr Hut nicht etwas zu klein?“

In der Tat: Ein viel zu kleiner und wenig damenhafter Hut zierte das schon ergraute Haar von Frau Müller-Riebensehl. Bibis beste Freunde Moni, Marita und Florian standen in der Nähe und kicherten.

Die Lehrerin wandte sich mit einer energischen Bewegung zu ihnen um. „Da gibt es nichts zu kichern“, sagte sie streng.

„Frau Müller-Riebensehl war mal Pfadfinderin, Bibi“, erklärte Florian.

„Hm, hm“, räusperte sich die Klassenlehrerin. „Ich bin Pfadfinderin, lieber Florian. Das bleibt man auf Lebenszeit.“ Sie wandte sich an die ganze Klasse. „Der Hut mag etwas klein sein. Schließlich war ich damals unwesentlich jünger.“ Verlegen schob sie den Hut auf ihrem Kopf zurecht. „Aber zum Wandern ist er immer noch perfekt.“

„Wandern wir denn viel?“, fragte Bibi. Die Besorgnis in ihrer Stimme war eigentlich nicht zu überhören, aber Frau Müller-Riebensehl gelang es doch.

„Natürlich!“, rief sie begeistert. „Deshalb heißt es ja Wandertag.“ Sie holte tief Luft. „Und auf meiner Karte sind selbst die schmalsten Pfade in den Finsterbergen verzeichnet.“ Sie klopfte mit der Hand auf ihre Jackentasche, aus der eine dicke Wanderkarte ragte.

Moni, Marita, Florian und Bibi sahen sich an.


„Au Backe“, flüsterte Bibi und verdrehte die Augen.

Frau Müller-Riebensehl kümmerte sich nicht darum. Sie postierte sich an der Tür des Busses und klatschte in die Hände. „Alle einsteigen, bitte!“, rief sie. „Wir wollen heute noch auf die Gurgelspitze wandern.“

Die ganze Klasse stieg in den Bus. Mit Adleraugen zählte die Lehrerin alle durch. Im Bus setzte sich Bibi neben Moni. Florian und Marita kletterten auf die Sitze hinter ihnen. Kaum saßen alle, ging es los in Richtung Finsterberge.

Bibi hatte ihren Rucksack verstaut und drehte sich auf ihrem Sitz zu Florian und Marita um. „Habt ihr gehört?“ Sie machte Frau Müller-Riebensehls Stimme nach: „Wir wollen heute noch auf die Gurgelspitze …“

„Na, das kann ja was werden.“ Marita verdrehte die Augen. Wandern war nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung. Und damit war sie nicht allein.

„Nach dem letzten Wandertag taten mir drei Tage lang die Füße weh“, meinte Moni wenig begeistert.

„Wenigstens übernachten wir dieses Mal in einer Berghütte“, wandte Florian ein. Er versuchte immer, allem etwas Positives abzugewinnen.

Marita nickte begeistert. „Ja, darauf freue ich mich.“

„Ich auch“, sagte Bibi. „Wenigstens etwas …“

Sie hatten bereits den Stadtrand von Neustadt erreicht und fuhren durchs Industriegebiet, als Frau Müller-Riebensehl sich von ihrem Sitz erhob und sich zur Klasse umwandte. „So!“, rief sie und klatschte in die Hände. „Bitte Ruhe! Ich hoffe, ihr habt alle den Text aus dem Reiseführer gelesen, den ich ausgeteilt habe?“


Von den Sitzreihen des Busses kam zustimmendes Gemurmel.

„Na, dann wollen wir mal hören …“ Die Klassenlehrerin nickte zufrieden. „Unsere Hütte steht im schönen Gurgeltal am Grünsee. Warum heißt der See denn so?“

Sie sah sich suchend um, doch bevor sich jemand melden konnte, war eine vorlaute Stimme zu vernehmen.

„Weil er grün ist?“

Alle lachten. Es war niemand anders als Bibi, die da gerufen hatte. Sie wurde ein bisschen rot. So laut hatte sie gar nicht rufen wollen. Es war ihr einfach herausgerutscht.

Doch Frau Müller-Riebensehl war heute gut gelaunt. Sie freute sich auf die Wanderung und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Sehr richtig, Bibi“, sagte sie. „Und weshalb ist er grün? Weißt du das auch?“

„Ähm … Nein“, sagte Bibi kleinlaut und wurde noch röter.

Ein Fingerschnalzen hinter ihr erlöste sie aus ihrer Not.

„Ja?“ Die Lehrerin zeigte auf Florian, der sich eifrig meldete.

„Eigentlich wegen der vielen Algen. Aber einer alten Sage nach badet dort auch der grüne Runkelgroll“, rief Florian wie aus der Pistole geschossen.

Wieder lachte der ganze Bus.

„Florian hat recht.“ Frau Müller-Riebensehl nickte und brachte die Klasse mit einer Handbewegung zur Ruhe. „Der Runkelgroll ist ein Berggeist, der angeblich im Gurgeltal wohnt. Weiß jemand mehr?“ Sie ließ den Blick über die Köpfe der Schüler schweifen. „Marita?“

„Äh …“, machte Marita ratlos. Von Berggeistern hatte sie nun wirklich keine Ahnung.

Florian gab ihr einen leichten Schubs mit dem Ellbogen. „Der Runkelgroll wohnt in den Bäumen und pfeift da“, flüsterte er ihr zu.

Marita blickte ihn dankbar an und rief dann eilig: „Der Runkelgroll wohnt in den Bäumen und reift da!“

Die Lehrerin hob erstaunt die Augenbrauen. „Ach ja?“, meinte sie spöttisch. „Und wenn er reif ist, fällt er runter wie Fallobst, wie?“

Die Klasse bog sich vor Lachen, während Marita mindestens so rot anlief wie vorhin Bibi.

„Spaß beiseite!“, rief Frau Müller-Riebensehl ins allgemeine Gelächter. „Florian hat es richtig vorgesagt. Der Runkelgroll wohnt angeblich in Bäumen, und ab und zu kann man ihn pfeifen hören.“

„Und außerdem spielt er mit Felsbrocken Murmeln. Das hört sich wie Donnergrollen an“, ergänzte Florian eifrig.

„Richtig“, bestätigte die Lehrerin. „Natürlich sind das alles normale Naturphänomene wie Wind und Donner. Die Menschen versuchten früher nur, die Geräusche mit dieser Sage zu erklären.“

„Hoffentlich …“, meinte Moni und schauderte. Geistergeschichten waren ihr nie ganz geheuer.

„Und wenn nicht?“, fragte Bibi prompt.

„Wie bitte?“ Frau Müller-Riebensehl blickte sie erstaunt an.

„Vielleicht sind es ja keine Naturphänomene, sondern es ist wirklich der Runkelgroll“, fuhr Bibi ungerührt fort.

Die Lehrerin schüttelte unwirsch den Kopf. „Sei nicht albern, Bibi“, sagte sie streng. „Jeder weiß, dass es keine Berggeister gibt.“

„Wirklich? An solchen Sagen ist oft ein Funke Wahrheit …“, beharrte Bibi.

Moni nickte eifrig. „Das sagt meine Mutter auch immer“, meinte sie.


„Unsinn!“, rief Frau Müller-Riebensehl. „Das ist purer Aberglaube. Genießt lieber die Fahrt. Ihr wisst ja: Wir wollen heute noch auf die Gurgelspitze.“

Alle stöhnten. Musste das sein? Aber so wie sie Frau Müller-Riebensehl kannten, würde sie sich diesen Plan nicht aus dem Kopf schlagen.

Bibis Gedanken waren woanders … Der Runkelgroll hatte ihre Fantasie angeregt. Und während draußen die Landschaft vorbeizog, dachte sie an den pfeifenden und mit Murmeln spielenden Berggeist im Gurgeltal.


Bibi Blocksberg - Der verhexte Wandertag

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