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1. Übergänge sind heilig

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Alle großen Religionen haben Übergangsriten. Ob es die Kommunion oder Konfirmation im Christentum ist, die Weihen im Hinduismus, die Beschneidung im Islam und im Judentum, Initiationen in Naturreligionen oder die Jugendweihe im Osten Deutschlands, überall auf der Welt kennt man die Bedeutung von Übergängen.

Einige werden zeitlich genau eingeordnet und gefeiert. So ist es zum Beispiel mit den Übergängen, die wir das ganze Jahr über erleben. Der Winter geht über in den Frühling, der wieder in den Sommer und der macht schließlich dem Herbst Platz. In der keltischen Kultur feierte man diese Übergänge und war sich der Bedeutung des Zwischenraums zwischen den Jahreszeiten noch bewusst. Hier konnte man spirituell Einfluss nehmen auf die Zeit, die noch kommen würde. Konnte für eine gute Jahreszeit bitten und in dieser Zeit, in der die Schleier zwischen den Welten dünner waren, waren die Chancen, dass die Bitten erhört wurden besser als zu jeder anderen Zeit.

Aber nicht nur zwischen den Jahreszeiten kannte man diese Übergänge. Auch von Jahr zu Jahr gab es diesen Zwischenraum, der der Kreation des nächsten Jahres vorbestimmt war. Da das Sonnenjahr länger ist, als das Mondjahr, entstand beim Jahreswechsel immer eine Zeit zwischen den Jahren, die man auch Rauzeit nennt. In dieser Zeit empfiehlt es sich zu ruhen und das nächste Jahr zu visionieren, da es hier besonders viel Kraft hat.

Der Weise Lao tse, Begründer des Taoismus sagte:

Bringe Dinge in Ordnung bevor sie existieren. (Tao Te King 64)

Er wusste um die schöpferische Kraft des Zwischenraums, des Übergangs.

Aber nicht nur, wenn wir eine längere zeitliche Periode abschließen, gilt es, sich des Übergangs bewusst zu sein. Auch in unseren ganz normalen Alltagsabläufen haben wir ständig solche Übergänge, die wir meist achtlos übergehen, weil wir meinen es wäre nicht wichtig. Wir sehen nicht den Unterschied, den es bewirkt, dass wir nicht ganz da sind.

Wo es doch oft so eindeutig ist.

Ein Beispiel:

Stell dir vor, du sitzt gemeinsam mit Freunden beim Essen. Du steckst dir gerade einen großen Bissen in den Mund, noch während du kaust fragt dich dein Gegenüber etwas. Ohne das Kauen zu beenden antwortest du auf die gestellte Frage. Die Person, die dir zuhört muss froh sein, wenn sie von dem, was du im Mund hast nicht die Hälfte abbekommt. Und auch wenn nicht, so ist es doch zumindest ein recht unappetitlicher Anblick, dass leuchtet in diesem Zusammenhang jedem ein.

Bei uns hieß es früher:

Nicht mit vollem Mund sprechen, das ist meist undeutlich und mit Materialverlust verbunden.

Aber was uns in diesem Zusammenhang so klar ist, ignorieren wir andernorts oft gründlich. Beim Essen kauen wir erst unseren Mund leer, bevor wir beginnen zu reden. In anderen Zusammenhängen sind wir geistig noch gründlich am Kauen, obwohl wir uns schon mit etwas völlig anderem beschäftigen. Wir kauen noch auf etwas herum, sprechen aber schon über das Nächste. Dort ist es nicht so sichtbar, aber nicht weniger schlimm.

Manche Unterhaltung wird ohne Not verbissen, weil wir noch auf etwas anderem Herumkauen, um im Bild zu bleiben.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Es gibt Menschen, die sich der Wichtigkeit von Übergängen bewusst sind. Wenn sie bildlich oder real einen neuen Raum betreten, dann verharren sie zunächst auf der Türschwelle. Die einen nennen das schüchtern, die anderen fühlen sich einfach nur genervt, weil sie nicht rein können, wenn da jemand in der Tür steht.

Meine Patentochter ist 4 Jahre alt. Sie macht das so. Sie bleibt auf den Türschwellen stehen. Natürlich schieben sie ihre Eltern dann meist in den Raum, man will ja niemanden aufhalten. Wie wäre es, wenn sie ihrer Tochter den Raum gäben, den sie benötigt, um diesen nächsten Schritt zu machen.

Wie wäre es, wenn wir alle achtsamer damit wären, wenn wir einem Übergang begegnen?

Aber dafür bleibt leider oft keine Zeit. Wir müssen schnell sein. Wir müssen weitermachen. ‘The show must go on’ und darf keinesfalls stehen bleiben. Nur, ...

bei der ganzen Geschwindigkeit verlieren wir etwas.

Uns.

Wir tun nicht mehr das, was wir wirklich wollen, weil wir nicht inne halten, stoppen und alles noch mal überdenken. Wir tun einfach weiter, was wir immer schon getan haben. Es ist eher so, dass wir funktionieren, als dass wir leben. Wir leben kein Leben, wir erfüllen ein Programm.

Wir funktionieren.

Wir sind Roboter.

Übergänge und Zwischenräume

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