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Teil 2 WelthandelsrechtIV. Allgemeines WTO-Recht › 1. Das WTO-Übereinkommen im Überblick

1. Das WTO-Übereinkommen im Überblick

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Das Übereinkommen von Marrakesch zur Gründung der WTO (WTO-Übereinkommen)[1] ist ein Rahmenübereinkommen mit institutionellen Vorschriften für das Welthandelssystem. Die materiell-rechtlichen Regeln des Welthandels und weitere institutionelle Regeln sind in Übereinkommen niedergelegt, die sich in den Anhängen zum WTO-Übereinkommen befinden und die daher integrale Bestandteile des WTO-Übereinkommens sind. Diese Übereinkommen umfassen zunächst die multilateralen Handelsübereinkommen der Anhänge 1, 2, und 3, die gem. Art. II:2 WTO-Übereinkommen für alle Mitglieder verbindlich sind. Hinzutreten zwei plurilaterale Handelsübereinkommen in Anhang 4, die gem. Art. II:3 WTO-Übereinkommen nur für diejenigen WTO-Mitglieder verbindlich sind, die sie angenommen haben.

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Zu den multilateralen Handelsübereinkommen zählen zunächst die materiell-rechtlichen Vorschriften des Welthandelsrechts (Anhang 1). Diese unterteilen sich in die Übereinkommen über den Warenhandel in Anhang 1A, das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) in Anhang 1B[2] und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS) in Anhang 1C.[3]

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Während sich in Anhang 1B und 1C jeweils nur ein Übereinkommen findet, enthält Anhang 1A mehrere Übereinkommen. Das wichtigste ist das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994 (GATT), das sich aus dem GATT 1947[4], den Protokollen und Beschlüssen der VERTRAGSPARTEIEN des GATT 1947 (sog. „GATT acquis“) und sechs Vereinbarungen über die Auslegung verschiedener Artikel des GATT[5] zusammensetzt.

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Neben dem GATT 1994 enthält Anhang 1A folgende zwölf weitere Übereinkommen über den Warenhandel:

Übereinkommen über die Landwirtschaft
Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS)[6]
Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung
Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT)[7]
Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs)
Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Anti-Dumping-Abkommen)[8]
Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Zollwertbestimmung)
Übereinkommen über Vorversandkontrollen
Übereinkommen über Ursprungsregeln
Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren
Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (SCM)[9]
Übereinkommen über Schutzmaßnahmen[10]
Übereinkommen über Handelserleichterungen (Trade Facilitation Agreement): seit 2017[11]

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Ebenfalls zu den multilateralen Übereinkommen zählen die Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Dispute Settlement Understanding, DSU)[12] in Anhang 2 des WTO-Übereinkommens und der Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Mechanism, TPRM), in Anhang 3.

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Zu den plurilateralen Handelsübereinkommen in Anhang 4 gehören das Übereinkommen über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen und das Übereinkommen über das Öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA), das im Jahre 2012 revidiert wurde und dessen Änderungen im April 2014 nach Ratifikation von 2/3 der GPA-Vertragsparteien in Kraft getreten sind.

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Das Streitbeilegungsübereinkommen DSU, der handelspolitische Überprüfungsmechanismus TPRM und die institutionellen Rahmenvorschriften des WTO-Übereinkommens gelten für alle materiell-rechtlichen Übereinkommen und können als gemeinsames Dach des materiell-rechtlichen Rechts verstanden werden.[13] Lässt man die plurilateralen Abkommen aufgrund ihrer geringen Mitgliedschaft außer Betracht, unterteilt sich das materiell-rechtliche Welthandelsrecht in die drei Bereiche Waren, Dienstleistungen und handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums. Bildlich lässt sich die Struktur des WTO-Übereinkommens dann mit folgendem Drei-Säulen-Modell darstellen:

Figur 2:

Drei-Säulen-Modell der WTO


[Bild vergrößern]

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Nicht alle Übereinkommen der WTO-Rechtsordnung sind von gleicher wirtschaftlicher und praktischer Bedeutung. Neben dem WTO-Übereinkommen selbst ist das Streitschlichtungsübereinkommen in institutioneller Hinsicht besonders wichtig. Der Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik, mit dem regelmäßig die Wirtschafts- und Handelspolitik eines WTO-Mitglieds durch die anderen Mitglieder begutachtet wird, ist dagegen weniger bedeutsam. In materiell-rechtlicher Hinsicht sind neben den drei Hauptabkommen GATT, GATS und TRIPS vor allem das TBT- und SPS-Übereinkommen, die Übereinkommen über handelspolitische Maßnahmen (Anti-Dumping-, Subventions- und Schutzmaßnahmen-Übereinkommen) sowie das Übereinkommen zur Landwirtschaft wichtig.

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Das Verhältnis der einzelnen Übereinkommen der WTO-Rechtsordnung zueinander ist wie folgt geregelt: Nach Art. XVI:3 des WTO-Übereinkommens hat das WTO-Übereinkommen bei einem Konfliktfall Vorrang gegenüber den multilateralen Handelsübereinkommen der Anhänge 1-3. Für die materiell-rechtlichen Übereinkommen besteht lediglich eine Regel für den Konfliktfall zwischen dem GATT und den anderen Übereinkommen über den Warenhandel. Nach der allgemeinen Auslegungsregel zu Anhang 1 A sind im Konfliktfall die Bestimmungen der anderen Übereinkommen maßgebend, d.h. den speziellen Übereinkommen über den Warenhandel ist ein Vorrang vor dem GATT einzuräumen. Eine Anwendung der allgemeinen Regeln (lex posterior, lex specialis[14]) auf die übrigen Konfliktfälle dürfte daran scheitern, dass alle WTO-Übereinkommen am gleichen Tag in Kraft getreten sind (1.1.1995) und auch größtenteils Materien betreffen, die sich nicht überschneiden. Konflikte sollten daher bereits durch eine entsprechende Interpretation der jeweiligen Übereinkommen vermieden werden.

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