Читать книгу Kommissar Lüppi - Band 2 - Markus Schmitz - Страница 4
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Оглавление6. Juni 1995, Dienstag, 7.25 Uhr Essen Frohnhausen
Beide hatten eine erste Tasse Kaffee zusammen getrunken und sprachen noch einmal über die Hochzeitsreise. Lüppi hatte ein paar Tage in Hamburg vorgeschlagen, was Torti gut gefiel, da sie auch dort immer mal hingewollt hatte. Wie üblich hatte sie ihm wieder eine Butterbrotstüte fertig gemacht und Herzchen darauf gemalt. Sie verabschiedeten sich vor der Haustür mit einem langen Kuss voneinander.
„Ich lieb dich, meine Torti“, sagte er und betonte den Namen Torti extra.
Sie warf ihm einen Luftkuss zu und er stieg in sein Auto. Sie schaute ihm winkend hinterher, bis er aus der Sichtweite verschwunden war. Auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle dachte sie noch über Heike nach.
Dienstag, 7.52 Uhr Polizeipräsidium Essen
Lüppi betrat das Büro und sah, dass Heike schon da war. Sie drehte sich zu ihm um und fragte: „Was ist denn mit dir los? So früh schon hier? Sonst kamst du doch erst nach neun Uhr.“
„Ja, auch das hat sich geändert bei mir“, antwortete Lüppi.
Sie stand von ihrem Schreibtisch auf, sah ihn weiterhin an und sagte: „Du brauchst dich gar nicht erst setzen. Wir haben einen Toten im Hotel Amadeus.“
„Scherzkeks, das haben wir dir gestern schon erzählt.“
„Du meinst bestimmt den Dr. Justus Bachschneider aus Bottrop?“
„Ja, warum fragst du das?“
„Wir haben einen zweiten Toten“, sagte Heike.
„Bitte, was?“
„Wann kommt denn der Gerhard immer so?“, fragte Heike.
„Müsste jeden Augenblick hier sein.“
Es vergingen fünf Minuten als auch Gördi eintraf. Er sah beide erstaunt an, da sie in diesem Augenblick aufstanden.
„Morgen, wollt ihr jetzt schon zu Frau Bachschneider?“, fragte Gördi.
„Nein, es gibt einen zweiten Toten im Hotel Amadeus“, sagte Lüppi.
„Ich habe aber noch keinen Kaffee gehabt“, kam als Antwort.
„Dann trink dir einen Kaffee und komm nach“, antwortete Heike auf den Kommentar von Gördi und Lüppi schmunzelte.
„Sag mal, du bist nicht mit Lüppi verwandt oder so?“, fragte Gördi in ihre Richtung.
„Das hätte auch von ihm sein können. Klasse, jetzt weiß ich was du meintest als du sagtest, dass du mit ihr gut klarkommst. Sie ist wie du“, sagte Gördi und sah dabei zu Lüppi, zeigte aber mit dem Finger auf Heike.
Sie ging auf Gördi zu und klappte seinen Zeigefinger zum Handballen ein, mit den Worten: „Mann zeigt mit dem Finger nicht auf Frauen.“
„Aua“, war von Gördi zu hören.
„Stell dich nicht wie ein Mädchen an“, erwiderte sie und folgte Lüppi, der in dem Augenblick das Büro verließ. Beide sagten Peter nicht Bescheid, da er noch nicht da war.
„Na, Klasse, jetzt habe ich zwei Lüppi´s.“
Er drehte sich zum Eingang um, wobei er feststellte, dass er bereits alleine war.
Auf dem Gang zum Treppenhaus fragte Lüppi: „Heike, weiß die KTU und die Rechtsmedizin Bescheid?“
„Ja, Horst wollte noch warten bis sein Kollege kommt und die Mitarbeiterin von Stefanie wollte ihr Bescheid geben, wenn sie eintrifft“, antwortete Heike.
Beide waren am Auto von Lüppi angekommen und waren im Begriff einzusteigen, da sahen sie, dass Gördi angelaufen kam. Als er am Auto ankam hatten Lüppi und Heike bereits Platz genommen. Für ihn blieb nur noch die Rückbank übrig. Als er die hintere Beifahrertür zuzog wurde ihm bewusst, er hatte noch nie hinten gesessen. Der nicht getrunkene Kaffee war kein Thema mehr.
Dienstag, 8.45 Uhr Essen, Hotel Amadeus
Der dunkelblaue Mercedes 230E hielt erneut vor dem Hotelportal an. Kollegen der Streifenpolizei trafen mit zwei Wagen auch dort ein als die drei den Eingang betraten. Im Foyer kam ihnen im Eilschritt ein geschniegelter junger Mann im Maßanzug entgegen.
„Good morning, good morning, quickly, eliminate the problem, please quickly”, rief der junge Mann den dreien entgegen.
„Guten Morgen, ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke. Neben mir steht Kriminalkommissarin Heike Buhrmann und Kriminalkommissar Gerhard Schwarz“, sagte Lüppi.
„Das ist mir jetzt egal, wer Sie sind, Sie müssen aber das Problem beseitigen, sofort“, sagte der junge Mann.
„Wer sind Sie, wie heißen Sie und was ist Ihre Funktion hier, denn uns ist es nicht egal?“, erwiderte Lüppi.
„Mein Gott, immer diese förmlichen Deutschen, jetzt tun Sie was! Wir haben keine Zeit für so etwas.“
„Ihren Namen, bitte!“, rief Lüppi so laut, dass es das ganze Foyer hörte.
„Mein Gott, nicht so laut. Ich sage Ihnen ja meinen Namen. Ich heiße George Miller und bin der Front Office Manager.“
„Also der FOM, warum sagen Sie es nicht direkt?“, fragte Gördi rhetorisch.
„Wir könnten schon längst am Tatort sein“, ergänzte Lüppi noch recht laut.
„Oh, mein Gott.“
„Von allen Gästen, die ab jetzt auschecken, lassen Sie sich bitte die Ausweise noch einmal zeigen und kopieren diese und wir bekommen ab jetzt jeden Tag die jeweiligen Kopien, bis auf weiteres“, sagte Lüppi.
„Ach, was für ein Aufwand und was sollen unsere Gäste dazu sagen?“
„Klappt das oder muss ich lauter werden?“, fragte Lüppi mit erhobener Stimme.
„Aber ja doch, seien Sie doch bitte leiser“, sagte George Miller eindringlich.
„Wo ist der Leichnam denn?“, fragte Heike.
„Im zweiten Stock, Zimmer 232. Schrecklich und wieder ein Arzt“, sagte George Miller noch, während die drei schon zu den Aufzügen gingen.
Die Tür des linken Aufzugs schloss sich hinter den ihnen als die Kollegen der Streifenpolizei das Foyer betraten. Im 2. Stockwerk war das Zimmer 232 hinten links. Zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma standen vor der Tür und passten auf. Ärzte oder andere Personen waren nicht in Sicht. Die drei zeigten ihre Ausweise vor, was mit nicken eines der beiden Sicherheitskräfte bestätigt wurde.
„Wer ist der Tote?“, fragte Heike die beiden Männer.
„Ein gewisser Dr. Moritz Hedemann aus Herne, steht zumindest im Anmeldebuch.“
Lüppi und Heike zogen sich weiße Überschuhe an und betraten das Zimmer. Gördi wollte bei den Sicherheitsleuten bleiben und deren Personalien schon mal aufnehmen. Das Badezimmer war in diesem Zimmer auf der linken Seite, sowie auch das Doppelbett. Langsam schob Lüppi seinen Oberkörper nach vorne, um links um die Ecke auf das Doppelbett zu sehen. Der Tote lag auf der rechten Bettseite, die zum Fenster hingewandt war. Auf dem Boden schauend ging er langsam weiter ins Zimmer, gefolgt von Heike. Beide waren am Fußende auf der Höhe der rechten Bettseite angekommen, da stellte Lüppi fest, dass der Tote keine Abwehrverletzungen zu haben schien.
„Hast du nicht gesagt, der Dr. Bachschneider hätte Abwehrverletzungen gehabt?“, fragte Heike und zeigte auf den Toten.
„Ja, stimmt und ja, habe ich auch schon gesehen. Ist wohl nicht wach geworden als er ermordet wurde“, antwortete Lüppi.
Weiter sprachen die beiden kein Wort. Was auch nicht nötig war, da beide bemerkten, dass sich in den sieben Jahren nichts verändert hatte und sich beide weiterhin durch Blicke und Gestik verstanden.
Gördi hingegen fragte sich, warum die beiden nicht sprachen. Er wollte aber auch nicht ins Zimmer hineinrufen, da er sonst einen Spruch von Lüppi zu hören bekommen hätte und da war er sich sicher. Die Gängigsten kannte er bereits auswendig. Die da lauteten: ‚Komm doch und siehe selber‘ oder ‚Ach, sich nicht trauen, aber alles wissen wollen‘ und weitere.
Beide gingen ums Bett herum, wobei Lüppi genau auf den Fußboden achtete, damit er in keine Blutreste trat. Er sah aber keine auf dem Boden. Der Tote lag auf seiner rechten Körperseite und somit vom Fenster abgewandt. Das war der Grund, warum an diesem Tatort kein Blut auf dem Boden zu sehen war. Auch der Tote hatte wieder seine linke Halsschlagader aufgeschnitten. Es sah für Lüppi nach einem schnellen sauberen Schnitt aus. Das Blut schien ins Bett und zwischen beiden Matratzen hindurch gelaufen zu sein. Während Lüppi sich den Toten genauer ansah, schaute Heike nach den Anziehsachen des Verstorbenen, die über einem Stuhl hingen. Sie konnte zwar die Geldbörse sehen, aber ohne entsprechende Handschuhe nicht aus dem Jackett ziehen. Eine genauere Betrachtung war bis zum Eintreffen von Horst und dessen Kollege nicht möglich. Eine Visitenkarte, wie sie Lüppi am Vortag gefunden hatte, war nicht zu sehen. Nach fünf Minuten verließen beide wieder das Zimmer.
„Wer hat den Toten gefunden?“, fragte Gördi die beiden Sicherheitskräfte.
„Der Zimmerservice, als er das Frühstück bringen wollte. Er hat uns gesagt, dass die Tür nur angelehnt war und dass er das sehr komisch fand. Er ist dann vorsichtig hinein und hat... na ja, Sie wissen schon“, antwortete einer der beiden.
„Wer weiß sonst noch Bescheid?“
„Der FOM und die Rezeption.“
„Wo ist der Herr vom Zimmerservice jetzt?“, wollte Lüppi wissen.
„Der muss unten im Bereich von Küche oder Service sein. Es ging ihm nicht gut.“
Lüppi und Heike zogen ihre Überschuhe aus als Horst und Moris den Gang hinunterkamen.
„Guten Morgen zusammen, da sind wir wieder“, sagte Horst und machte einen gutgelaunten Eindruck.
Den Gruß erwiderten alle und beide KTU Mitarbeiter zogen sich die Schutzkleidung an.
„Wen haben wir denn dort?“, fragte Horst und zeigte in das Zimmer.
„Dr. Moritz Hedemann aus Herne“, antwortete Gördi.
„Na gut, dann wollen wir mal“, sagte Horst.
Er und Moris verschwanden im Zimmer. Lüppi, Heike und Gördi fuhren mit dem Fahrstuhl hinunter ins Foyer. An der Rezeption standen fünf Personen mit Koffer, die abreisen wollten. Während Lüppi die beiden zur Küche schickte, um nach der Person vom Zimmerservice zu schauen, ging er selbst zum Hoteldirektor. Er ging den Gang neben der Rezeption entlang und schaute auf die Schilder an den Türen. An der Tür mit dem Schild ‚Hotel Office Manager‘ klopfte er an. Nach dem ‚Herein‘ betrat er das Büro. Edward Harrison war nicht allein, der Front Office Manager George Miller, stand vor dessen Schreibtisch. Anders als zu erwarten war, war der Hoteldirektor die Ruhe selbst. Kein Rumgeschreie, keine Flüche, sondern er sagte.
„Guten Morgen Herr Lüpke, danke dass Sie kommen.“
Dabei stand er auf und hatte sogar ein Lächeln für ihn. Lüppi sah ihn an und stutzte.
– Was ist denn jetzt passiert? – dachte er.
„Ich bin sehr froh, dass Sie die Ermittlungen leiten“, sagte Herr Harrison.
– Ach, du dickes Ei, jetzt geht es los. – dachte er.
„Schauen Sie sich einmal an, was ich heute Morgen auf meinem Schreibtisch gefunden habe“, sagte er weiter und hielt Lüppi ein A5 Papier hin.
Lüppi nahm es nicht in die Hand und sah es sich nur wortlos an. Auf dem Papier waren Zeitungsschnipsel zu Worten geklebt worden.
An Her Hotelboss! Du zahlen uns 1.000.000 DM oder weitere Geste mus sterben. Ort wo du geben uns das DM sagen wir dir noch.
„Was sagen Sie dazu?“, fragte Herr Harrison, als er sah, das Lüppi fertiggelesen hatte.
„Könnte echt sein“, erwiderte Lüppi knapp.
„Was meinen Sie mit, könnte echt sein?“
„Das was ich gerade gesagt habe“, antwortete Lüppi und dachte – Jetzt regt er sich wieder auf. –
Aber das passierte nicht, stattdessen fragte FOM Miller: „Meinen Sie, da hat sich nur jemand einen bösen Scherz erlaubt?“
Lüppi sah ihn an und dachte – Och, du kannst auch normal sprechen? Da schau an. –
Die beiden sahen ihn erwartungsvoll an.
„Das sieht sich unsere KTU an. Wer alles hat das Papier in den Finger gehabt?“
„Nur wir beide“, antwortete Herr Harrison, sah Lüppi an und ergänzte. „Das war jetzt nicht so gut von uns, nicht wahr?“
„Nö“, antwortete Lüppi kurz.
„Entschuldigungen Sie bitte meine Äußerung von gestern in Bezug auf Ihre Baseballkappe. Das war nicht richtig von mir“, sagte Herr Harrison und Lüppi traute seine Ohren nicht, was er da gerade gehört hatte.
Er sah ihn an und nickte ihm zu.
„Danke, ich habe schon gehört, Sie wären nicht nachtragend.“
„Von wem?“
„Ihr Polizeipräsident hat mich über Sie aufgeklärt.“
Lüppi sah ihn an und machte eine Handbewegung, die Herrn Harrison sagte, erzähle mal weiter.
„Er hat mir gesagt, dass Sie der einzige Kommissar mit einer fast 100 Prozent Aufklärungsquote sind. Zwar ab und zu etwas speziell und nicht immer leicht im Umgang, aber der beste Ermittler.“
Lüppi sah ihn an, zeigte aber keine Reaktion. Herr Harrison sagte noch einmal wie leid ihm das vom Vortag tun würde.
„Wie ist es zu dem Gespräch mit dem Polizeipräsidenten gekommen?“
Mit der Frage hatte Herr Harrison nicht gerechtet. Seine erste Reaktion war, er biss sich auf die Unterlippe, was Lüppi wortlos mit einem Lächeln kommentierte.
„Äh, ich... äh, habe ihn angerufen. Ich kenne ihn vom Golf her. Da habe ich schon ein paar Mal mit ihm gesprochen, daher dachte ich, ich rufe ihn...“, sagte Herr Harrison und wurde von Lüppi unterbrochen.
„In Ordnung.“
Beide sahen ihn an und warteten, was nun kommen würde.
„Die Sicherheitskräfte sind jetzt erst seit gestern hier oder waren die auch schon vorher da?“, fragte Lüppi.
„Nein, seit gestern Abend achtzehn Uhr“, antwortete Herr Miller.
„Das mit den Kopien von den Ausweisen der abreisenden Hotelgäste klappt?“, fragte Lüppi.
„Ja, das habe ich veranlasst.“
„Hoffentlich, denn es reisen gerade wieder welche ab“, sagte Lüppi, was den FOM spontan dazu veranlasste, schnellsten Schrittes das Büro seines Chefs zu verlassen und zur Rezeption zu eilen.
„Was können wir tun, um Ihnen zu helfen?“, fragte Herr Harrison.
„Lassen Sie sicherheitshalber alle Zugänge von den Sicherheitskräften besetzen. Eine zusätzliche Protokollierung aller derer die ein- und ausgehen wäre auch notwendig, wenn wir möchten, dass kein weiterer Mord passiert“, sagte Lüppi als Heike und Gördi durch die offenstehende Tür schauten.
„Dürfen wir stören?“, fragte Gördi.
Lüppi winkte die beiden herein.
„Ich darf Ihnen Kriminalkommissarin Heike Buhrmann vorstellen?“, fragte Lüppi rhetorisch in Richtung Hoteldirektor.
„Ja, natürlich“, antwortete dieser und machte ein paar Schritte auf Heike zu.
Gördi stutzte als er den freundlichen Ton von ihm hörte. Heike ging auf ihn zu und beide gaben sich die Hand.
„Hat einer von euch einen Beutel zur Beweissicherung dabei?“, fragte Lüppi.
Heike zog zwei aus ihrer Hosentasche hervor. Lüppi zeigte auf das A5 Papier mit der Erpressung.
– Nee, nee, das glaube ich jetzt doch nicht. Die hat zwei Beutel dabei. Scheiße. – dachte Gördi.
Heike ging um den Schreibtisch und sah sich das Papier an.
– Jetzt bin ich gespannt wie sie ohne anzufassen das Papier in den Beutel bekommt. – dachte Gördi und sah voller Erstaunen, dass seine Kollegin das Papier zwischen zwei Kugelschreibern einklemmte und es in den Beutel balancierte.
– Scheiße, ist die gut und dann sieht die auch noch verdammt klasse aus. – dachte Gördi.
„Wir haben mit dem Herrn vom Zimmerservice gesprochen und uns seine Daten geben lassen. Er heißt Diego Capello und ist aus Spanien“, sagte Heike kurz danach.
„Ich veranlasse sofort, dass die Sicherheitsfirma weitere Kräfte schickt, wie von Ihnen vorgeschlagen, Herr Lüpke. Alle Eingänge werden kontrolliert“, sagte Herr Harrison.
Auch das wollte Gördi nicht glauben, was er gehört hatte.
„Wie viele Zugänge gibt es denn?“, fragte Lüppi.
„Der Haupteingang, die beiden seitlichen Türen, die Türen am Speiseraum, der Lieferanteneingang für die Küche und die Zufahrt zur Tiefgarage.“
„Wo wird die Bettwäsche und so weiter angeliefert?“, fragte Gördi.
„Über die Tiefgarage. Das Wäscheunternehmen kommt immer mit einem Ford Transit, der passt da unten hinein.“
„In Ordnung“, antwortete Lüppi und sah zu den beiden.
„Gördi, du gehst bitte runter in die Tiefgarage und siehst dich da um. Heike, du schaust dich bitte hier im Erdgeschoss um. Wir sehen uns nachher im Zimmer 232.“
„Gut, dann bis gleich“, sagte Heike und ging.
Gördi folgte ihr wortlos. Lüppi sah Herrn Harrison an.
„Wenn Sie wollen, können Sie auch jetzt die Sicherheitsfirma anrufen“, sagte Lüppi.
Was der Hoteldirektor kommentarlos tat. Nach fünfzehn Minuten war klar, dass die von ihm genannten Eingänge rund um die Uhr in einer Stunde besetzt würden. Ebenfalls wurde von der Sicherheitsfirma zugesagt, dass zwei Springer sich im Hotel aufhalten würden, um einspringen zu können, wenn einer der Kollegen mal zur Toilette müsste oder etwas anderes wäre. Lüppi war zufrieden und verließ das Büro des Hoteldirektors. Im zweiten Stock traf er die Rechtsmedizinerin Dr. Stefanie Schneider an, die dabei war, den Toten zu untersuchen. Lüppi zog sich die Überschuhe an und betrat noch einmal das Zimmer. Sie sagte ihm, sie habe festgestellt, dass die Vermutung von ihm und Heike stimmen würde. Horst habe davon erzählt. Es war nur ein Schnitt festzustellen, der wahrscheinlich auch der tödliche war.
„Genaueres nach der Obduktion“, sagte Lüppi.
„Genau, aber jetzt muss erst mal Schluss sein mit den Toten, sonst komme ich nicht mehr nach“, sagte Stefanie.
„In Ordnung, ich sage nachher unten Bescheid“, erwiderte Lüppi und grinste.
Heike und Gördi kamen am Zimmer 232 an. Sie zog sich die Überschuhe an und Gördi blieb bei den Sicherheitskräften auf dem Gang stehen. Horst und Moris hoben die linke Matratze und den Lattenrost aus dem Bettgestell und alle fünf sahen eine riesige Blutlache auf dem Boden unter dem Bett. Heike bemerkte als erstes aber noch etwas anderes.
„Was ist denn in der Tasche da?“, fragte sie.
Moris machte einen langen Arm und holte die Tasche aus der Ecke unter dem anderen Lattenrost hervor. Alle sahen eine schwarze Ledertasche.
„Schon wieder eine Tasche?“, fragte Lüppi.
Moris öffnete sie und sah hinein. Er zog einen braunen A4 Umschlag heraus und sah hinein.
„Der ist leer“, sagte er erstaunt.
„Nix drin?“, fragte Horst nach.
„Nein.“
„Was steht denn da vorne drauf?“, fragte Lüppi.
Moris schaute hin und sagte: „Zu Händen Dr. Finnenthal.“
„Komisch, was macht denn der Tote Dr. Hedemann mit einem Umschlag von Dr. Finnenthal?“, fragte Lüppi mal wieder mehr zu sich selbst und machte sich Notizen in seinem karierten Block.
„Na, das kann ja noch heiter werden?“, meinte Heike.
Stefanie wandte sich ab und befestigte ein Kärtchen mit dem Namen des Toten am rechten dicken Zeh, danach packte sie ihre Sachen zusammen. Wenig später verabschiede sie sich.
„Dann lassen wir zwei euch noch einmal alleine und gehen zu den anderen Ärzten“, sagte Lüppi und beide verließen das Zimmer.
Lüppi, Heike und Gördi fuhren mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Als alle drei ausstiegen sahen sie, dass an der Rezeption drei Personen mit Koffer standen, die abreisen wollten. Bei einem Mitarbeiter an der Rezeption fragte Gördi, wo der Ärztekongress stattfinden würde. Mit einem Fingerzeig deutete der Mitarbeiter auf die rechte Seite von den Fahrstühlen.
„Dort hinten rechts durch die Tür, dann ist hinten links eine Doppeltür, dort steht Saal dran“, erklärte er.
Dienstag, 10.25 Uhr Essen, Hotel Amadeus
Alle drei gingen zu dem Saal und Lüppi öffnete die Tür, ohne vorher anzuklopfen. Im Saal standen Tischreihen quer im Raum. In der Mitte war ein Gang, der bis nach vorne zur Bühne reichte. Die schätzungsweise achtzig Teilnehmer saßen alle mit dem Rücken zum Eingang und vor Kopf war eine kleine Bühne. Keiner der Teilnehmer hatte das hereinkommen mitbekommen, außer den zwei Personen, die oben auf der Bühne standen. Die drei blieben erst einmal hinten stehen und hörten zu. An der Wand vor Kopf befand sich eine Art Bild mit einer Statistik, die mit Hilfe eines Tageslichtprojektors an die Wand geworfen worden war. Die beiden Personen auf der Bühne waren eine Frau und ein Mann. Den Mann kannten Lüppi und Gördi bereits, es war Dr. Volker Rake aus Wülfrath, der den Toten Dr. Bachschneider gefunden hatte. Dr. Rake endete mit seiner Analyse zu der Statistik und war im Begriff die nächste Folie auf den Tageslichtprojektor zu legen, da wandte sich die Frau an die drei.
„Hallo, Sie drei da hinten, das ist ja schön, dass Sie Interesse an unserem Kongress haben, aber ich möchte Sie bitten jetzt wieder zu gehen.“
Über die Hälfte drehte sich zu den ihnen um. Lüppi setzte sich langsam in Bewegung und ging durch den Gang nach vorne. Heike zögerte nicht lange und folgte ihm. Gördi blieb zuerst stehen, ging ein paar Schritte und stoppte dann hinter der letzten Reihe. Lüppi befand sich auf Höhe der dritten Reihe von vorne, da fragte die Frau: „Sie haben mich wohl nicht richtig verstanden?“
„Doch, habe ich“, antwortete Lüppi laut.
An der Bühne angekommen stieg er die drei Stufen hoch und ging auf die Frau zu. Heike blieb an den Stufen unten stehen und schaute in Richtung Teilnehmer.
„Guten Morgen zusammen, ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke und Leiter der Mordkommission in den beiden Mordfällen.“
„Was heißt denn beide Mordfälle?“, fragte die Frau.
„Verraten Sie mir doch bitte, wer Sie sind?“
„Ich bin Frau Dr. Irmgard Stewen aus Castrop-Rauxel, Zahnärztin und leite diesen Kongress.“
„Es ist heute Morgen ein weiterer Arzt in seinem Zimmer tot aufgefunden worden“, sagte Lüppi.
„Bitte? Das ist jetzt aber nicht wahr, oder?“, fragte Frau Dr. Stewen.
„Doch, leider ist es so.“
„Ja, bitte wer denn?“, fragte Dr. Rake, der noch immer die beiden Tageslichtprojektor-Folien in den Händen hielt.
„Es ist Dr. Moritz Hedemann“, sagte Lüppi und sah dabei zu den Teilnehmern.
Ein Mann aus der Mitte der Teilnehmer stand auf und sagte: „Das ist der schlechteste Scherz, den ich je gehört habe.“
Sah sich zu den anderen um und fragte: „Oder sehe ich tot aus?“
„Sie sind Dr. Moritz Hedemann?“, fragte Lüppi nach.
„Ja, ich glaub schon, dass ich das bin.“
Heike ging zu der Reihe, wo der besagte Dr. Hedemann sich befand und ließ sich den Ausweis von ihm zeigen. Anschließend nickte sie in Richtung Lüppi.
„Sie haben das Zimmer 232?“, fragte Heike.
„Nein, ich habe das Zimmer 228“, antwortete Dr. Hedemann und hielt dabei seinen Zimmerschlüssel hoch. „Na, wer ist denn jetzt der Tote, Ihr Experten?“, fragte Dr. Hedemann provokant.
Und auch vier andere Teilnehmer beteiligten sich daran.
„Das gibt es doch nicht“, „Das ist ja mal wieder typisch.“, „Wie können Sie hier hereinkommen und solche Dinge behaupten?“, „Da seht ihr es mal wieder, völlig unfähig unsere Polizei.“
„Ruhe!“, schrie Lüppi durch den Saal.
Ein leichtes zucken ging durch die Reihen.
„Wie gut, dass Ihnen allen noch nie ein Fehler unterlaufen ist“, sagte Heike recht laut und ärgerlich.
„Gerhard, gehst du bitte einmal die Herren Harrison und Miller holen, die sollen uns bitte einmal erklären, wie es sein kann, dass die Namen vertauscht worden sind“, sagte Lüppi noch immer mit lauter Stimme.
Gördi drehte sich um und verließ den Saal.
„Verlassen Sie jetzt bitte die Bühne“, sagte Frau Dr. Stewen und legte ihre rechte Hand auf Lüppi´s linker Schulter ab. „Ihre Unfähigkeit können Sie auch außerhalb von diesem Saal aufklären.“
Lüppi drehte sich sehr langsam zu ihr um.
„Hand von meiner Schulter, aber etwas plötzlich.“
Das tat sie zwar, wollte aber noch einmal nachlegen.
„Wir haben hier ein sehr strammes Programm und keine Zeit für Ihre...“, sagte sie, wurde aber von Lüppi unterbrochen.
„Überlegen Sie sich gut, was Sie jetzt von sich geben.“
„Sie können Ihren Fehler ruhig zugeben und sich bei uns allen entschuldigen. Das ist ja dann wohl das, was man unter Polizeiwillkür versteht“, sagte Frau Dr. Stewen, die anfing sich in Rage zu reden.
Lüppi schaute sie an, zeigte aber keine Reaktion.
„Was ist, kommt jetzt nichts mehr?“, fragte sie in einem aggressiven Ton.
„Vielleicht beruhigen wir uns jetzt erst einmal alle wieder. Unser Kollege, Dr. Hedemann, kann dann ja froh sein, dass er hier sitzt. Aber dennoch ist ja wohl ein Mensch tot und dann ist es ja wohl nicht an der Zeit über unsere Polizei herzuziehen, die ja einen guten Job macht“, sagte Dr. Rake und legte die beiden Folien auf dem Tageslichtprojektor ab und schaltete diesen aus.
„Volker, was soll das denn jetzt? Wir machen jetzt hier weiter!“, rief Frau Dr. Stewen ärgerlich.
„Nein, Irmgard, das machen wir jetzt nicht“, antwortete Dr. Rake.
„Ach, das entscheidest du jetzt hier oder was?“, fragte sie.
„Genau, so ist es.“
„Du hast hier überhaupt nichts zu sagen. Ich leite den Kongress und nicht du“, rief sie in einem aufgebrachten Ton.
„Was meinst du eigentlich, warum wir dich diesen Kongress leiten lassen? Damit du endlich Ruhe gibst und aufhörst hier herum zu nölen. Weißt du eigentlich, wie vielen Leuten du hier auf den Geist gehst mit deiner selbstherrlichen Art. Wenn dein Vater nicht so viel für diesen Kreis getan hätte, wären die wenigsten von uns überhaupt bereit, dich zu ertragen. Verdammt noch mal“, platzte es aus Dr. Rake heraus.
Sie sah ihn an und erstarrte zu einer Salzsäule.
Dr. Robert Adel fing an zu klatschen. Viele sahen ihn an. Ein weiterer Teilnehmer fing auch an zu klatschen und stand dabei sogar auf. Das tat nun auch Dr. Adel, auch er stand auf. Beide klatschten weiter. Zwei weitere schlossen sich an. Nach und nach standen immer mehr auf und klatschten. Drei Minuten später saßen nur noch fünf Teilnehmer und verhielten sich still. Darunter auch Dr. Hedemann und die vier Teilnehmer, die sich erst kurz zuvor aufgeregt hatten. Lüppi schaute zu Frau Doktor und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Einige Augenblicke später öffnete sich die Doppeltür. Herein kamen Gördi, Herr Harrison und Herr Miller, gefolgt von vier Streifenpolizisten. Frau Dr. Stewen erlang wieder die Kontrolle über sich und verließ im Eilschritt die Bühne. Da sie anscheinend auch den Saal verlassen wollte, ging Gördi auf sie zu und verwies sie auf den nächsten Stuhl. Kopfschüttelnd setzte sie sich wortlos mit einem roten Kopf auf den angewiesenen Stuhl. Alle Teilnehmer setzten sich wieder.
„Guten Morgen. Die Herren dort hinten vom Hotel, kommen Sie doch bitte nach vorne zu Herrn Lüpke und mir. Den meisten von uns ist der Kongress nicht wichtiger als ein toter Mitmensch, Irmgard!“, rief Dr. Rake von der Bühne.
Herr Harrison und Herr Miller gingen daraufhin nach vorne auf die Bühne und stellten sich allen vor.
„Ich habe hier das Anmeldebuch. Laut unserer Eintragung hat Herr Dr. Moritz Hedemann aus Herne das Zimmer 232“, sagte der FOM.
„Ich bin aber im Zimmer 228“, rief Dr. Hedemann zur Bühne hoch.
„Einen Augenblick bitte... 228 ist das Zimmer von Dr. Ralph Finnenthal aus Haltern am See“, sagte der FOM.
„Ist Dr. Finnenthal hier?“, fragte Heike, die noch immer zwischen den Teilnehmern stand.
Keine Antwort. Sie sah sich zu allen um.
„Ist Dr. Finnenthal hier?“, fragte Heike noch einmal.
Keiner meldete sich.
„Der wollte doch gestern Abend noch abreisen, weil er überraschenderweise wegwollte“, sagte Dr. Adel und stand dabei wieder auf.
„Stimmt, er hat sich noch von mir verabschiedet“, sagte Dr. Rake. „Pardon, ist mir entfallen.“
„Kein Problem“, sagte Lüppi und wandte sich um. „Herr Dr. Hedemann, wieso sind sie denn dann jetzt im Zimmer 228 und nicht im Zimmer 232?“, fragte Lüppi sehr laut.
„Das weiß ich doch nicht. An der Rezeption hat mir doch diese komische Polin den Schlüssel gegeben“, antwortete Dr. Hedemann.
Man konnte den meisten sofort ansehen, dass ihnen die Äußerung ihres Berufskollegen peinlich war.
„Ich möchte mich für die herablassende Art von Moritz Hedemann bei Ihnen entschuldigen“, sagte ein Kopf schüttelnder Dr. Rake.
„Doktor, bitte“, rief dieser zurück.
„Halt deinen Mund, Moritz“, erwiderte Dr. Rake.
„Danke, Herr Dr. Rake. Das ist sehr höflich von Ihnen. Es gibt leider immer wieder Menschen, die sich nicht zu benehmen wissen“, antwortete Herr Harrison.
„Dann kommen wir doch jetzt mal auf den Punkt“, sagte Lüppi und stellte weiter fest. „Es ist jetzt also so, dass die Herren Dr. Moritz Hedemann und Dr. Ralph Finnenthal an der Rezeption die Schlüssel vertauscht haben.“
„Tja, das ist wohl so“, sagte Herr Miller.
„Gut, dann wollen wir Sie alle nicht länger stören. Es kann aber sein, dass wir noch einige Male mit Ihnen sprechen müssen“, sagte Lüppi.
„Überhaupt kein Problem. Wir unterbrechen jeder Zeit für Sie, Herr Lüpke“, sagte Dr. Rake.
Lüppi und die beiden Herren Harrison und Miller verließen die Bühne und gingen Richtung Ausgang. Dr. Adel stand erneut auf.
„Volker, machst du dann bitte dort oben weiter?“, fragte er Dr. Rake.
Fast alle fingen an zu applaudieren. Lüppi sah, dass Frau Dr. Irmgard Stewen tiefer in ihren Stuhl rutschte. Sie sagte kein Wort mehr.
Im Foyer angekommen sprachen die drei noch eine längere Zeit mit Herrn Harrison und Herrn Miller.
Dienstag, 11.10 Uhr Essen, Hotel Amadeus
Alle drei waren wieder am Zimmer 232 angekommen. Lüppi wies Horst darauf hin, dass es sich bei dem Toten um Dr. Ralph Finnenthal aus Haltern am See handeln könnte. Dann erzählte er noch in wenigen Sätzen was unten vorgefallen war. Heike ergänzte noch, dass sie eine Geldbörse bei den Anziehsachen gesehen hätte. Moris schaute nach und öffnete diese. Er fand einen Personalausweis der bestätigte, dass es sich bei dem Toten um Dr. Finnenthal handelte.
„Das ist jetzt aber nicht gut gelaufen“, sagte Lüppi selbstkritisch.
„Ist ja noch gut gegangen“, meinte Heike.
„Schlimmer wäre es gewesen, ihr hättet Frau Hedemann mitgeteilt, dass ihr Mann tot ist und der würde noch unten im Kongress sitzen“, sagte Horst aus dem Zimmer heraus.
„Habt ihr noch etwas für uns?“, fragte Lüppi ins Zimmer hinein und verzog sein Gesicht dabei.
„Ja, haben wir. Wir haben uns noch einmal die schwarze Ledertasche angesehen. Da ist ein Seitenfach auf der Innenseite. Da haben wir das hier gefunden“, antwortete Horst und hielt einen Beutel zur Beweissicherung in die Luft.
Dort drin war ein Notizzettel zu sehen.
„Und?“
„Da steht eine Adresse mit drei Ausrufezeichen aus Haltern drauf“, antwortete Horst.
„Und wir haben das noch gefunden“, sagte Moris Veigel und hielt ebenfalls einen größeren Beutel zur Beweissicherung in die Luft.
Alle drei sahen in das Zimmer, auch einer der beiden Sicherheitskräfte machte einen langen Hals.
„Wieviel ist das?“, fragte Heike.
„10.000 DM in 200 DM Scheinen“, kam als Antwort.
„Wo waren die?“
„Im Badezimmer unter den Waschtisch geklebt“, antwortete Horst.
„Meine ich das nur oder geht der Fall wieder genauso los wie der letzte?“, fragte Lüppi und kratzte sich dabei an der Stirn.
Dann nahm er seinen karierten Block mit dem Bleistift und machte sich wieder Notizen.
„Die Scheine halte ich für echt“, sagte Horst kurze Zeit später.
„Wo drin war das Geld denn?“, fragte Gördi.
„Ach, Gerhard, bist du auch da?“, fragte Horst ironisch nach, da er ihn ja noch nicht wirklich gesehen hatte, weil Gördi ja immer draußen auf dem Gang stehengeblieben war.
„Ja, danke, Kollege“, erwiderte Gördi.
„Das Geld war in einem weißen A4 Umschlang eingewickelt. Fotos haben wir natürlich gemacht.“
„Natürlich“, bestätigte Lüppi.
„Beschriftet ihr das Kärtchen am Toten noch um?“, fragte Heike nach.
„Aber selbstverständlich“, sagte Horst Vollmer.
Die Aufzugtür ging auf und es kamen zwei dunkel gekleidete Männer den Gang hinunter. Sie hatten einen Sarg aus Metall dabei, der auf einem Fahrgestell ruhte. Gördi sah zu den beiden.
„Da sind wir wieder. Bestattungsunternehmen Lechmann, bitte nicht verwechseln mit Leichnam. Hihi“, sagte der ältere der beiden wieder.
„Horst, kann der Verstorbene schon mitgenommen werden?“, fragte Heike.
„Ja, zwei Minuten noch.“
„In Ordnung, dann sind wir jetzt wieder weg“, sagte Lüppi.
Alle drei fuhren mit dem Fahrstuhl hinunter ins Foyer. Als sie ausstiegen, sahen alle sie, dass der Haupteingang von zwei Sicherheitskräften bewacht wurde. Bis auf die drei Hotelmitarbeiter hinter der Rezeption stand nur eine Frau mit Koffer dort. Sonst war niemand im Foyer. Lüppi machte ein paar Schritte zur Rezeption, um sich anzusehen, ob auch wirklich Kopien von den Ausweisen der abreisenden Hotelgäste gemacht wurden. Die abreisende Dame schaute etwas verständnislos als ihr Ausweis kopiert wurde, sagt aber nichts weiter dazu. Einer der Mitarbeiter ging auf Lüppi zu und fragte ihn: „Möchten Sie die Kopien der bisher abgereisten Personen schon mitnehmen?“
„Ja, das ist eine gute Idee“, antwortete Lüppi:
Der Mitarbeiter händigte einen größeren Stapel A4 Blätter aus. Lüppi sah ihn sich an. Heike und Gördi stellten sich zu Lüppi an die Rezeption.
„Wieviel sind das?“, wollte Lüppi wissen.
„Fünfundsiebzig Personen aus sechsunddreißig Zimmern“, sagte der Hotelmitarbeiter.
„Lüppi, gib ma rüber“, sagte Heike auf Ruhrgebietsdeutsch und hielt ihre Hand auf.
Er sah zu ihr und wusste, was sie meinte.
„Schön, dass du wieder da bist“, sagte er und gab ihr den karierten Block mit Bleistift.
– Na, klasse, das kann ja heiter werden. Jetzt verstehe ich, was er an ihr findet. – dachte Gördi und verzog leicht sein Gesicht.
„Wie viele Teilnehmer hat der Ärztekongress?“, fragte Lüppi.
„Zu Anfang waren es fünfundachtzig. Jetzt sind es noch einundachtzig.“
„Einundachtzig? Also vier sind abgereist?“
„Ja, zwei sind abgereist und zwei... na, Sie wissen schon.“
„Welche Ärzte sind abgereist?“, fragte Lüppi.
„Die hier“, antwortete der Hotelmitarbeiter und gab ihm separat zwei Kopien.
Lüppi sah sich die beiden an und gab sie an Heike weiter. Sie notierte selbstverständlich die Namen und Adressen in dem karierten Block.
– Tja, da muss ich mich jetzt aber ins Zeug legen, sonst gehe ich unter. – dachte Gördi.
„Wären die alle heute abgereist?“, fragte Lüppi und tippte mit dem Zeigefinger auf den Kopie Stapel.
„Nein, eigentlich nur zwölf Gäste.“
„Wie viele Gäste sind jetzt noch da, ohne die Teilnehmer des Ärztekongresses?“
„Mmh... einen Augenblick, bitte“, sagte der Hotelmitarbeiter, sah im Computer nach und teilte nach einer Minute mit. „Siebenundvierzig Zimmer mit zweiundsechzig Gästen.“
„Wie viele Zimmer hat das Hotel denn?“
„Einhundertachtundachtzig Zimmer und vier Suiten. Zwei kleine und zwei größere.“
„Das heißt, wie viele Zimmer sind ungenutzt?“
„Zweiundzwanzig Zimmer und zwei Suiten waren bis heute Morgen nicht belegt.“
„Erwarten Sie, dass noch weitere Gäste abreisen?“
„Das wollen wir mal nicht hoffen, sonst wird es eng für uns.“
„Haste alles?“, fragte Lüppi und sah zu Heike.
„Jo, hab alles“, antwortete sie.
Lüppi und Heike verabschiedeten und bedankten sich bei dem Hotelmitarbeiter. Gördi sagte nichts. Draußen vor dem Hoteleingang standen an dem Tag keine Reporter und keine Fotografen, da die Sicherheitskräfte auch das Gelände bis zur Straße abgesperrt hatten. Auf der anderen Straßenseite hatten sich trotzdem ein paar eingefunden.
Dienstag, 12.50 Uhr Polizeipräsidium Essen
Die drei betraten das gemeinsame Büro und waren dabei sich zu setzten als Kriminalrat Eckerhard Schuster hereinkam. Er blieb im Türrahmen stehen, stützte seine Hände in der Taille ab und schüttelte seinen Kopf.
„Guten Tag, Eckerhard“, sagte Lüppi und holte seine Butterbrotstüte aus der Schublade heraus.
„Ja, wo wart ihr denn so lange?“, fragte Eckerhard.
„Es gibt einen zweiten Toten im Hotel Amadeus“, antwortete Heike, da sie sah, dass Lüppi bereits in eine der beiden Stullen gebissen hatte.
„Ach, du Schreck“, entfuhr es Eckerhard und hielt sich hinterher eine Hand vor den Mund.
Er kam ins Büro, nahm sich den Besucherstuhl von Lüppi und sagte: „Dann erzählt mal.“
Heike sah zu Gördi, der in dem Augenblick auch in sein Butterbrot biss.
„Tja, dann erzähle ich einmal, da ja meine Kollegen Hunger zu haben scheinen“, sagte sie und war im Begriff anzufangen, wurde aber von Lüppi unterbrochen. Mit vollem Mund rief Lüppi den Kollegen Peter Kordes noch dazu. Als der dann auch im Büro war fing Heike an zu erzählen, wobei sie nichts ausließ. Nach etwa über einer Viertelstunde war sie fertig und Lüppi hatte aufgegessen.
„Sag einmal, Eckerhard, hat die Kriminalinspektion 2 noch ein oder zwei Leute für uns über?“, fragte Lüppi.
„Nein, ganz im Gegenteil. Es sind alle verfügbaren Leute zu den Kollegen geschickt worden“, antwortete er.
Lüppi sah ihn verdutzt an, was Eckerhard sah.
„Das liegt an den Ermittlungen von eurem letzten Fall. Der Umkreis von Timo Birnbaum hat eine Größe, die weitere sehr umfangreiche Ermittlungen erfordert. Von da kann keiner helfen.“
„In Ordnung“, sagte Lüppi und sah Peter an. „Peter, da fällt mir etwas ein, was macht eigentlich deine Schusswaffe?“
„Die liegt drüben im Schreibtisch, warum?“, fragte Peter.
„Hol die doch mal bitte.“
Was er auch tat. Lüppi forderte ihn auf, das Waffenholster anzulegen. Auch das tat er.
„Jetzt sag nicht, ich muss schon wieder zu der Schießübung?“, fragte Peter.
Das verneinte Lüppi, sagte ihm aber, dass ihm das Holster stehen würde. Eckerhard verstand worauf das Ganze hinauslief und musste schmunzeln. Ganz anders Peter, er verstand nicht, was der MK-Leiter beabsichtigte. Lüppi bat Peter seine Jacke zu holen. Auch das tat Peter noch immer ahnungslos, er wunderte sich aber.
„Zieh mal die Jacke an, ich möchte sehen, ob man das Holster sehen kann“, sagte Lüppi.
Auch das tat er. Lüppi machte ein zufriedenes Gesicht und sah zu den beiden hinüber. Gördi war gerade dabei den Deckel von einem Fruchtjoghurt zu öffnen.
„Heike und Gördi, dann fahrt ihr zwei jetzt bitte zu Frau Finnenthal nach Haltern am See und überbringt ihr die schlechte Nachricht“, sagte Lüppi.
„Okay, Lüppi, aber erst wenn mein Gerhard seinen Joghurt aufhat“, antwortete Heike und sah zu ihm hinüber. Gördi musste schlucken, sah Heike erstaunt an und fragte: „Hast du gerade ‚mein Gerhard‘ gesagt?“
„Ja, habe ich, warum? Iss schön deinen Joghurt auf und wir können fahren, mein Gerhard.“
Gördi musste noch einmal schlucken. Eckerhard, Peter und Lüppi sahen sich das Spielchen an, bis Gördi seinen Joghurt aufhatte und aufstand.
„Gerhard, dann fahrt ihr mit deinem Wagen“, sagte Eckerhard.
„Alles klar“, antwortete Gördi und ging um den Schreibtisch herum.
Auch Heike stand auf und beide waren dabei das Büro zu verlassen. Kurz vor der Bürotür nahm sie Gördi in den Arm. Er sah sie erstaunt an.
„Redest du bei Frau Finnenthal oder soll ich?“, fragte sie ihn.
„Ich mache das nur sehr ungerne“, kam die Antwort.
„Kein Problem, mein Gerhard, dann übernehme ich das“, sagte sie und beide hatten das Büro verlassen.
Peter war neugierig, machte zwei Schritte hinaus in den Gang und sah beiden hinterher. Eckerhard und Lüppi hörten ein ‚Klatsch‘ und ein ‚Aua‘. Als Peter wenige Augenblicke später wieder im Büro war, fragte Lüppi.
„Hat sie ihm auf den Hintern gehauen?“
„Ja, hat sie“, sagte Peter.
„Ihr wisst, was das bei ihr heißt?“, fragte Eckerhard und sah zu den Kollegen.
„Gördi gefällt ihr“, antwortete Lüppi.
„Einer muss ihr sagen, dass er verheiratet ist“, sagte Eckerhard und sah dabei zu Lüppi.
„Fragt sich nur wie lange noch“, sagte Peter.
„Herr Kordes, ich muss Sie doch sehr bitten“, reagierte Eckerhard.
„So meinte ich das nicht, Herr Kriminalrat.“
„Sondern?“
„Gördi ist in den letzten drei Wochen tagsüber mehrfach angerufen worden und auch zum Feierabend hin. Das waren immer merkwürdige Telefongespräche.“
„Bitte? Wie meinen Sie das denn?“, fragte Eckerhard.
„Tagsüber hat die Frau Becker mehrfach angerufen und wollte immer Gördi sprechen. Ich habe ihr gesagt, er wäre nicht da. Dann hat sie ihn zum Feierabend erreicht und er hat gesagt, er würde eben vorbeikommen.“
„Die Frau Becker von dem Mordopfer Alfred Becker, der Ende letzten Jahres ermordet worden ist?“, fragte Lüppi.
„Ja, genau die. Aber das war letzten Herbst“, antwortete Peter.
„Herr Kordes, Sie belauschen die Kollegen?“
„Nein, tue ich nicht, aber Gördi spricht ja immer recht laut und außerdem sind die Türen ja immer alle auf.“
„Peter, du hast die Adresse von der Arbeit von Frau Bachschneider, wie ich dich kenne?“, fragte Lüppi.
„Ja, ich hole sie dir“, sagte er und ging in sein Büro.
Nur wenige Augenblicke später kam er zurück und hielt Lüppi einen Zettel hin.
„Den kannst du festhalten, wir zwei fahren jetzt nach Bottrop“, sagte Lüppi.
Peter stand im ersten Augenblick mit offenem Mund da und wusste gar nicht, wie ihm geschah.
„Aber ich mache doch Innendienst“, sagte er.
„Heute nicht. Komm mit“, sagte Lüppi und ging.
Peter sah zu Eckerhard, der aber machte eine Handbewegung und sagte „Husch, husch.“
Dienstag, 14.08 Uhr Bottrop
Lüppi und Peter hielten auf einem Parkplatz an einem Fitnessstudio an. Die Adresse stimmte. Maike Bachschneider arbeitete also jetzt in diesem Studio. Beide stiegen aus Lüppi´s Mercedes aus und betraten das Studio. Nach der Eingangstür aus Glas standen sie nach vier Metern an einem Tresen. Dort war niemand. Von dort konnte man einige Geräte und Laufbänder sehen. Lüppi zählte die Besucher, es waren zehn. Er drückte zweimal auf die Tischglocke und kurze Zeit später ging ein paar Meter weiter eine Tür auf. Es trat eine rothaarige schlanke Frau mit langem Haar heraus und sah zu den beiden. Sie trug eine enganliegende rote Shorts mit einem schwarzen Trägertop. Die hochhackigen Schuhe dazu waren für ein Fitnessstudio nicht geeignet. Da die Frau nun auf die beiden zukam, fielen die Blicke der beiden auf die Oberweite. Dies konnte nur Frau Bachschneider sein, da Lüppi an die Aussage vom Vortag denken musste, da die ehemaligen Kolleginnen doch dies extra erwähnt hatten.
– Die hat sich extra für ihn die Brüste machen lassen. –
Lüppi fiel es schwer nicht auf die Oberweite zu sehen. Als die Frau am Tresen ankam, stellte sie sich dahinter und beugte sich so vor, dass die beiden auch schön in den Trägertop sehen konnten. Lüppi schätzte die Körbchengröße auf ‚E‘ oder ‚F‘.
„Na, ihr zwei tollen Männer, euch kenne ich ja noch gar nicht. Ihr wollt euch bestimmt nach den Konditionen erkundigen, da ihr keine Sportsachen dabeihabt.“
„Ich darf annehmen, Sie sind Jutta Bachschneider?“, fragte Lüppi.
„Ja, stimmt“, antwortete sie, hielt den Kopf etwas schief und fragte in einem Ton voller Liebreiz: „Welcher Freund hat euch denn zu mir geschickt, mmh?“
Zum Schock von Peter leckte sie sich anschließend noch mit ihrer Zunge über die Unterlippe.
„Ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke von der Essener Polizei. Wir müssten einmal mit Ihnen sprechen.“
„Oh, die Polizei, das ist ja mal was ganz Neues, habt ihr auch eure Handschellen dabei, mmh?“, fragte Maike Bachschneider.
„Frau Bachschneider, dies ist kein freundschaftlicher Besuch bei Ihnen“, sagte Lüppi und betonte das Wort ‚kein‘ besonders.
Sie sah Lüppi kurz erschrocken an, dann richtete sie sich wieder auf und Peter konnte nicht mehr in den Ausschnitt starren.
„Was hat dieser Mistkäfer denn jetzt schon wieder für eine Kacke über mich erzählt, mmh?“, fragte sie plötzlich in einem bösen Tonfall.
„Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten, Frau Bachschneider?“
„Das passt mir jetzt gar nicht“, kam als Antwort.
„Es muss jetzt aber sein“, sagte Lüppi in dem bestimmensten Tonfall, den er auf Lager hatte.
„Sie können wohl auch richtig energisch werden, mmh?“, fragte sie.
„Davon können Sie ausgehen“, erwiderte Lüppi kurz.
„Okay Ihr zwei, dann kommt mal mit nach hinten, bevor Ihr mich noch in Euren Handschellen abführt“, sagte sie inzwischen wieder in einem Ton mit Liebreiz.
Sie ging vor, beide folgten ihr durch die Tür, durch die sie vorher gekommen war. Als alle drei in dem Aufenthaltsraum ankamen, saß eine Kollegin an einem Tisch und lackierte sich die Fingernägel. Sie stellte sich neben sie und fragte, um was es denn gehen würde.
„Bitte setzten Sie sich, Frau Bachschneider“, sagte Lüppi. „Es wäre vielleicht gut, wenn wir alleine mit Ihnen sprechen könnten.“
Sie tat es und setzte sich.
„Jetzt machen Sie es aber spannend. Regina kann ruhig zuhören“, antwortete sie.
„Wie Sie möchten“, erwiderte Lüppi und gab Peter seinen karierten Block und den Bleistift.
„Soll ich mitschrieben?“, fragte Peter.
„Jo.“
Dann sagte Lüppi zu Frau Bachschneider: „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Ehemann, Dr. Justus Bachschneider, gestern im Hotel Amadeus zu Tode gekommen ist“, sagte Lüppi in einem ruhigen, fast leisen Ton.
Frau Bachschneider sah ihn an, dann sah sie zu Peter und wieder zu Lüppi.
„Das ist jetzt nur ein blöder Scherz?“
Lüppi machte ein trauriges Gesicht, sagte aber nichts.
„In echt jetzt?“, fragte Maike Bachschneider noch einmal nach.
„Ja, das ist leider so, es tut mir unendlich leid für Sie.“
Sie sah ihn mit großen Augen an, dann sah sie auf die Tischplatte und dann zu Regina.
„Ich glaube das jetzt nicht“, sagte Frau Bachschneider zu ihr.
„Können Sie uns trotzdem ein paar Fragen beantworten?“, fragte Lüppi vorsichtig nach.
„Na, klar kann ich. Was wollen Sie denn wissen?“, erkundigte sie sich und sah zu Lüppi.
„Was für ein Mann war Ihr Ehemann?“
„Ein Pingel und ein Pedant, nicht zu vergessen ein Geizkragen, der keinen mehr hochbekam und der meinte mich ständig kontrollieren zu müssen. Einfach ein Scheißtyp.“
„Frau Bachschneider, Ihre Trauer scheint sich in Grenzen zu halten“, stellte Lüppi fest.
„Trauer? Um so einen Schlappschwanz muss man nicht trauern“, sagte sie mit einem fast bösen Tonfall, sah Lüppi an und ergänzte noch. „Können Sie sich vorstellen, dass sich bei ihm in der Hose nichts tat und das bei denen hier?“, fragte sie und hob mit beiden Händen ihre großen Brüste mehrfach an.
Peter bekam plötzlich schlecht Luft und er wurde etwas unruhig. Lüppi bemerkte das zwar, was ihn aber nicht störte.
„Was war denn der Grund für Ihre Trennung?“
„Ach, Kinderkram; Er hat es nicht ertragen, dass ich mich an anderer Stelle befriedigt habe.“
„Was genau meinen Sie damit?“, fragte Lüppi.
„Ist das jetzt eine ernste Frage?“
Die Tischglocke vom Tresen war zu hören. Kollegin Regina stand mit den Worten „Hier kann man noch nicht einmal seine Finger in Ruhe machen“ auf und verließ den Aufenthaltsraum.
„Wir sind ja jetzt alleine, was meinten Sie mit ‚an anderer Stelle befriedigt‘?“
„Das wollen Sie jetzt aber ganz genau wissen, was? Was sind sie denn für ein Voyeur?“, fragte sie.
„Ganz vorsichtig, Frau Bachschneider, sonst kommen Sie wegen Beamtenbeleidigung dran. Ja, ist das bei Ihnen angekommen?“
„Ja, mein Gott, war doch nur ein Spaß.“
„Und? Antwort.“
„Er hat es mir ja nicht besorgen können und da habe ich mir meine Befriedigung halt bei anderen Männern geholt. War doch keine große Sache.“
„Männer? Mehrzahl? Wer denn alles?“
„Ja, sagen Sie mal, soll ich Ihnen jetzt sagen mit wem ich wann in der Kiste war?“
„Jo, genauso.“
Diese Antwort war selbst für Frau Bachschneider eine, die sie für kurze Zeit sprachlos machte.
„Und? Wer alles?“
„Das ist jetzt Ihr Ernst?“
„Wir können Sie auch vorladen lassen, wenn Ihnen das lieber ist.“
„Es sind zwei. Ein Architekt und ein Arzt.“
„Schön und wer?“
„Siegfried Stewen und Moritz Hedemann, das darf aber niemand erfahren.“
„Warum?“
„Weil die dann mit mir Schluss machen.“
„Oh, das wäre aber nicht schön für Sie.“
„Genau. Hinterher will der Moritz mich nicht mehr und das, wo ich doch jetzt verwitwet bin.“
„Auch nicht schlecht“, kommentierte Lüppi die Aussage und fragte weiter. „Mit Moritz Hedemann meinen Sie Dr. Moritz Hedemann aus Herne?“
„Ja, aber woher wissen Sie das denn?“
„Siegfried Stewen ist der Ehemann von Frau Dr. Irmgard Stewen aus Castrop-Rauxel?“ fragte Lüppi mal so ins Blaue hinein.
„Das wissen Sie auch?“
„Wir sind die Kriminalpolizei“, erwiderte Lüppi, dann wollte er wissen seit wann und wie häufig sie mit den beiden intim war. Auch wenn sie es eigentlich nicht sagen wollte, rückte sie mit der Sprache schlussendlich heraus. Auf die Frage, woher sie die beiden kennen würde, sagte sie vom Golfclub und vom Tennisspielen. Dort würde man die meisten Ärzte treffen können. Nach noch weiteren Fragen ergänzte Lüppi noch.
„Sie bleiben bitte im Ruhrgebiet und verlassen es bis auf weiteres nicht. Wir werden noch weitere Fragen haben. Peter, gib Frau Bachschneider bitte deine Rufnummer für Rückfragen, danke.“
Peter tat was Lüppi gesagt hatte und dachte dabei an Frau Becker.
Wenige Augenblicke später verabschiedeten sich die beiden von ihr und verließen das Fitnessstudio. Auf der Rückfahrt zum Polizeipräsidium fragte Peter, ob er doch ab und zu mal mit nach draußen dürfte. Lüppi sagte ihm, er wäre eine große Hilfe gewesen und er freute sich darüber. Peter ging die große Oberweite von Frau Bachschneider nicht mehr aus dem Kopf, bis Lüppi seinen Kollegen zu Frau Becker und Gördi befragte. Er wollte alles wissen, was Peter mitbekommen hatte. Er sagte, was er wusste.
Dienstag, 15.50 Uhr Polizeipräsidium Essen
Peter und Lüppi betraten wieder das Büro von den dreien. Während Lüppi sich an seinen Schreibtisch setzte, machte Peter den Vorschlag.
„Soll ich schon mal die Notizen in die Akte aufnehmen?“
„Jo, mach das“, antwortete Lüppi und sein Telefon klingelte.
Es war Staatsanwalt Marcel Pohlmeier, der wissen wollte, was der Fall Dr. Justus Bachschneider machte. Als Lüppi ihm dann sagte, dass es jetzt der Fall ‚Tote Ärzte im Hotel Amadeus‘ wäre, fiel Marcel fast um. Nach einigen Minuten der Unterhaltung über alles Mögliche sagte Marcel, er würde am nächsten Tag zu ihnen kommen. Kaum hatte Lüppi eingehangen, betrat Eckerhard das Büro und wollte wissen.
„Und wie war der Kollege Kordes?“
„Ich glaube, es hat ihm gefallen und er möchte jetzt doch öfter mit.“
„Wie das denn? Er hat sich doch bis jetzt immer gesträubt“, sagte Eckerhard leise.
„Na, vielleicht ist ihm Frau Bachschneider mit ihrer traurigen Art etwas nahe gegangen.“
„Ja, das ist wirklich der schlimmste Teil unseres Berufes.“
Beide hörten Schritte auf dem Gang. Heike und Gördi kamen zurück. Lüppi und Eckerhard wollten nicht glauben, was sie sahen und hörten.
„Hallo zusammen“, sagte Gördi gut gelaunt und auch Heike hatte ein „Hallöchen“ für die beiden.
Sie gingen zu ihren Schreibtischen und Gördi fragte: „Möchte meine Heike einen Kaffee?“
„Au ja, wenn mein Gerhard einen macht.“
„Aber sehr gerne, für dich ab jetzt doch immer“, antwortete Gördi und beide strahlten einander an.
Eckerhard und Lüppi sahen sich gegenseitig an und Eckerhard verdrehte die Augen.
„Na, wie war es bei Frau Finnenthal?“, fragte Lüppi in Richtung der beiden.
„Das ist Frau Dr. Finnenthal. Sie ist auch Ärztin und hat mit ihrem Mann eine Augenarztpraxis“, antwortete Heike, während Gördi Kaffee kochte.
„Wie hat sie die Nachricht aufgenommen?“
„Eine Vollkatastrophe war das. So sehr getroffen hat das eine Frau noch nie. Die ist am Boden zerstört. Sie ist uns buchstäblich von Stuhl gefallen und wäre mit dem Kopf aufgeschlagen wäre unser Gerhard nicht so schnell gewesen sie aufzufangen“, sagte Heike und strahlte Gördi erneut an.
„Ach, du meine Güte. Klasse, Gerhard“, sagte Eckerhard und machte ein stolzes Gesicht dabei.
„Habt ihr sie nach den 10.000 DM fragen können?“, wollte Lüppi wissen.
„Nein, kein Stück. Frau Doktor ist von den Arzthelferinnen betreut worden und alle Patienten wurden nach Hause geschickt“, sagte Heike.
„Die haben also Patienten und machen nicht in Gutachten“, stellte Lüppi fest und rief nach Peter, der sofort danach kam.
„Schreib bitte einmal mit, Peter“, sagte Lüppi zu ihm und fragte weiter. „Konntet ihr denn mit den Sprechstundengehilfinnen sprechen?“
„Nein, gar nicht. Die waren alle fix und fertig. Da müssen wir noch einmal hin.“
„Wie war es denn bei euch mit Jutta Bachschneider?“, fragte Gördi.
„Gördi, du kannst dich noch an die Aussage der beiden Sprechstundengehilfinnen erinnern, die über ihre ehemalige Kollegin berichtet haben?“
„Na, klar doch. Die haben erzählt, ihre Kollegin hätte sich extra ihren Busen vergrößern lassen, um sich den Dr. Bachschneider angeln zu können“, antwortete Gördi.
„Ja, genau. Es kam eine Frau in dem Fitnessstudio, wo sie arbeitet, auf uns zu und ich habe sie sofort erkannt“, sagte Lüppi.
„Oh, war das so eindeutig?“, fragte Gördi.
„Ja, wirklich absolut eindeutig“, antwortete Lüppi und erzählte, was sie beide erlebt hatten.
Eckerhard war anschließend klar, warum Peter Kordes gerne wieder mit nach draußen wollen würde. Das Telefon von Gördi klingelte. Er nahm den Hörer ab.
„Kriminalkommissar Gerhard Schwarz, guten Tag.“
Alle sahen wie Gördi zuhörte und etwas blass wurde. Sie hörten ihn sagen. „Nein, das geht nicht.“ Der Gesprächsteilnehmer sagte anscheinend etwas, worauf er sagte. „Verdammt, ja, aber nicht heute.“ Wieder sagte der Gesprächsteilnehmer etwas. „Au Mann, nee. Lass das.“ Dann sagte der Gesprächsteilnehmer wieder etwas. „Scheiße, ja, bis gleich“, sagte Gördi, warf den Hörer auf den Apparat, sah seine Kollegen und dann Heike an. Er atmete tief durch.
„Fragt bitte nicht“, sagte Gördi, stand auf und ergänzte noch. „Ich muss heute etwas eher weg. Bis morgen.“
Dann ging er, ohne dass jemand etwas sagte. Alle schauten nur zu, wie er ging. Als er weg war sah Heike, dass er seinen Kaffee noch gar nicht getrunken hatte. Eine Viertelstunde später war es siebzehn Uhr und Heike, Peter und Lüppi machten für den Tag Feierabend.
Dienstag, 17.27 Uhr Essen Frohnhausen
Lüppi schloss Zuhause die Wohnungstür auf. Es kam ihm keine Torti entgegen, wie sonst. Sie saß auf dem Sofa und schaute ihn an als er hineinkam.
„Alles klar bei dir?“, fragte er sie.
„Weiß ich nicht. Du liebst mich doch, nicht wahr?“, fragte sie ihn.
Er ahnte, dass es wieder um Heike gehen könnte. Sie sah von ihm zum Couchtisch, sagte aber nichts weiter. Er setzte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Ich liebe dich, mein Schatz und nur dich.“
„Danke, mein Liebling“, antwortete Torti und hielt ihm einen Brief hin.
Er nahm den Brief und las diesen. Er schüttelte den Kopf als er fertig war und sah sie an.
„Warum?“, fragte er.
„Weiß ich auch nicht, es macht mich aber sehr traurig“, antwortete sie.
„Das denke ich mir, hat er denn etwas Derartiges schon mal angedeutet?“
„Nein, nie und obwohl ich mit ihm offen darüber gesprochen habe. Er hat nie etwas Derartiges gesagt.“
„Vielleicht hat er nicht damit gerechnet, dass wir heiraten werden und ist jetzt überrascht. Tja, auf jeden Fall eine schöne Scheiße, was machen wir denn jetzt?“
„Wie, was machen wir denn jetzt?“, fragte sie und sah ihn erstaunt an.
„Willst du mich noch heiraten oder lieber erst noch warten?“, fragte Lüppi.
„Warten? ... Kommt ja überhaupt nicht in Frage! ... Ich warte seit mehr als zwei Jahrzehnten auf dich. Ich glaube, es hakt“, sagte Torti völlig entrüstet und sah ihn verständnislos an.
„Schon gut, schon gut. Nicht aufregen, so kenne ich dich ja gar nicht.“
„Wenn er meint“, sagte sie und tippte dabei auf den Brief. „Er muss das machen, dann soll er, aber wir heiraten, ich will dich jetzt, komme was da wolle.“
„In Ordnung, war ja nur eine Frage.“
„Das war eine ganz doofe Frage“, antwortete sie.
Beide sah einander an und küssten sich zärtlich.
„Ich glaube, du liebst mich wohl wirklich“, sagte er und machte ein schelmisches Gesicht dabei.
„Ja, tue ich“, bestätigte sie.
„Soll ich mal mit ihm reden?“
Sie schüttelte ihren Kopf. Beide tranken danach Kaffee und sie kochte anschließend. Nach dem Abendessen schauten beide noch etwas Fernsehen und machten sich anschließend für das Bett fertig. Torti hatte schon Zähne geputzt und ihr Nachthemd an. Lüppi putzte noch, da schellte das Telefon. Sie fragte sich, wer das denn nun wäre. Auf dem Weg zum Telefonapparat schaute sie auf die Wanduhr. Es war 22.28 Uhr.
„Marianne Beise.“
„Eckerhard Schuster. Hallo, Marianne. Entschuldige bitte die Störung, aber ich muss ganz dringend Lüppi sprechen.“
„Ja, einen Augenblick, ich hole ihn.“
Musste sie aber nicht, da Lüppi bereits neugierig ins Wohnzimmer sah und sie ihm sagte, wer am Telefon war.
„Hallo, Eckerhard, was gibt es?“, fragte Lüppi.
„Wir haben noch einen dritten Toten im Amadeus. Du musst kommen. Der Polizeipräsident ist von dem Herrn Harrison angerufen worden und der hat mich angerufen. Ich fahre jetzt auch gleich los, vorher rufe ich noch Heike an und du bitte den Gerhard, ja?“
„In Ordnung, dann bis gleich, Eckerhard“, sagte Lüppi und hing ein.
Er sah Torti an und sagte ihr, worum es ging. Dann wählte er die Rufnummer von Gördi´s Zuhause. Es schellte länger.
„Schwarz“, sagte eine Frauenstimme.
„Martin Lüpke, guten Abend, Frau Schwarz. Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber ich muss ganz dringend Gerhard sprechen.“
„Der ist noch immer nicht da.“
„Wie der ist noch nicht da?“
„Ja, der ist noch nicht da. Der macht nicht so früh Feierabend wie Sie.“
„Noch nicht?“
„Sie machen mir ja Spaß. Er kommt immer später nach Hause, weil er für Sie mitarbeiten muss und Sie fragen, warum er noch nicht da ist“, regte sich Frau Schwarz auf.
„Entschuldigung, bitte was?“, fragte Lüppi.
„Tut, tut, tut“, war nur noch zu hören. Gördi´s Frau hatte eingehangen.
Lüppi glaubte nicht, was er gerade gehört hatte. Er erzählte Torti davon und machte sich zehn Minuten später auf den Weg zum Hotel Amadeus.
Dienstag, 23.15 Uhr Essen, Hotel Amadeus
Der blaue Mercedes von Lüppi hielt mit quietschenden Reifen vor dem Hoteleingang. Die Wagen von Heike und Eckerhard waren schon da, sowie fünf Streifenwagen. Als Lüppi das Foyer betrat, standen Heike und Eckerhard schon mit Edward Harrison und FOM Miller zusammen. Lüppi trat zu den vieren.
„Es ist Dr. Moritz Hedemann aus Zimmer 228. Wir haben es schon kontrolliert, es stimmt dieses Mal“, erfuhr Lüppi vom Hoteldirektor.
„Bitte, wie kann das sein? Es ist doch alles abgeriegelt?“, fragte Lüppi.
„Das hätten wir auch gerne gewusst“, antwortete Herr Harrison.
„Das ist eine Riesenkatastrophe“, sagte FOM Miller.
„Dann muss der Täter noch im Hause sein“, sagte Eckerhard.
„Wer hat den Toten gefunden?“, fragte Lüppi.
„Der Nachtportier. Es hat bei ihm an der Rezeption geschellt, es war niemand am Telefon. Er ist dann hoch zum Zimmer 228. Dort war die Tür auf und na ja... das sehen Sie gleich selbst“, sagte Herr Harrison.
„Was machen wir denn jetzt?“, fragte FOM Miller.
„Wir gehen jetzt systematisch von unten nach oben vor“, antwortete Lüppi.
„Heißt das, Sie wollen jetzt alle Gäste aus dem Bett schmeißen?“, fragte FOM Miller.
„Genau das tun wir jetzt“, sagte Lüppi.
„Aber, das gibt einen Heidenärger.“
„Herr Lüpke hat vollkommen recht, das ist jetzt das Sinnvollste“, sagte Eckerhard.
„Dafür brauchen Sie doch einen Durchsuchungsbeschluss, oder nicht?“, fragte Herr Harrison.
„Da Gefahr im Verzug ist, nicht. Das nehme ich auf meine Kappe“, antwortete Eckerhard und ging zur Rezeption. Dort ließ er sich mit der Leitstelle im Polizeipräsidium verbinden.
Er forderte alle zur Verfügung stehenden Streifenwagen, Horst und dessen Kollegen aus der KTU und die Rechtsmedizinerin, Frau Dr. Schneider, an. Anschließend rief er bei Peter Kordes Zuhause an und bat ihn auch zum Hotel Amadeus zu kommen. Lüppi und Heike besprachen mit den zehn anwesenden Streifenpolizisten die anstehende Aktion. Eckerhard kam nach den zwei Telefonaten dazu. Als Lüppi und Heike im Foyer fertig waren mit der Besprechung, fragte Eckerhard.
„Lüppi, sag mal, wo ist der Gerhard denn eigentlich?
„Genau, wo ist mein Gerhard?“, fragte Heike und lächelte.
„Ich habe ihn nicht erreicht, er war nicht Zuhause, hat seine Frau gesagt“, antwortete Lüppi.
„Wie nicht Zuhause, wo ist der denn?“, fragte Eckerhard.
„Das fragst du ihn mal schön selbst, wenn wir ihn sehen“ erwiderte Lüppi.
Dann machten sich Kriminalrat Eckerhard Schuster und die zehn Streifenkollegen auf die Suche. Zuerst wurden die zwei Fahrstühle ausgeschaltet und im Erdgeschoss alles durchsucht. Dabei sicherten zwei Streifenpolizisten das Treppenhaus im Erdgeschoss ab und die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma übernahmen weiterhin alle Zugänge. Währenddessen befragten Heike und Lüppi den Nachtportier, Helmut Peters. Da der Nachtportier versucht hatte Ersthilfe bei Dr. Hedemann zu leisten, war seine Dienstkleidung sichergestellt worden. Er hatte sich hinterher seine private Kleidung angezogen. Er schilderte den Anruf bei sich am Empfang und wie er dann zu dem Zimmer gegangen war.
Als nach zwanzig Minuten das Erdgeschoss durchsucht war, gingen Heike, Lüppi, Eckerhard, die acht Beamte und FOM Miller mit einer Übersicht der Zimmerbelegung in die erste Etage. Auch dort blieben zwei Kollegen am Eingang zum Treppenhaus im ersten Stock stehen um sicherzustellen, dass niemand nach oben oder unten ging. Die sechs restlichen Streifenpolizisten klopften an alle Zimmertüren, die FOM Miller als belegt angab. Es dauerte jedes Mal eine ganze Weile bis geöffnet wurde. Von Erstaunen über Verständnislos bis hin zu Verständnisvoll waren alles Reaktionen dabei. Jedes Mal wurde das Zimmer durchsucht. Nach einer Viertelstunde war auch die nicht so gut belegte erste Etage kontrolliert. Dann wechselten die zwölf Personen die Etage und gingen in den zweiten Stock. Die ersten zwei Zimmer verliefen ohne Probleme. Anders mit dem Zimmer 217, dort öffnete niemand. Nach einigen Minuten gab Herr Miller den beiden Streifenpolizisten seinen Generalschlüssel. Ein Polizist schloss auf und schaltete das Licht ein. Das Zimmer von Günther Heidenreich war leer und das Bett unbenutzt. Bei Zimmer 222 wurde nur sehr widerwillig von Frau Dr. Irmgard Stewen die Tür geöffnet. Sie protestierte als auch das Zimmer noch kontrolliert werden sollte. Dabei wurde Herr Heidenreich nackt auf dem Bett vorgefunden. Nach noch zwei weiteren Zimmern gingen die zwölf in den dritten Stock. Nach zehn Minuten war der vierte Stock dran. Dr. Rake im Zimmer 421 und Dr. Adel im Zimmer 422 hatten Verständnis für die Aktion und waren sehr freundlich. Ganz anders ein Ehepaar aus Asien. Nach zwanzig Minuten war auch die Etage geschafft. Im fünften Stock mussten fünf Zimmer mit dem Generalschlüssel geöffnet werden, da dort die Hotelgäste fehlten. Aus dem letzten belegten Zimmer auf der Etage war eine hohe Lautstärke zu hören, dort wurden fünf vermisste Gäste aus drei Zimmern nackt angetroffen. Alle sieben Hotelgäste waren leicht angetrunken und fanden die Durchsuchung eher lustig. Die drei Beamte allerdings weniger. Dann folgte nach fünfundzwanzig Minuten das sechste und letzte Stockwerk. Hier wurden alle Hotelgäste in ihren Zimmern angetroffen. Die Bewohner der beiden Suiten waren sehr Verständnisvoll und begrüßten die Aktion sogar. Eckerhard sah auf die Uhr. Es war inzwischen 1.48 Uhr. Die Aktion hatte etwas über zwei Stunden gedauert und noch kein Ergebnis erbracht. Horst Vollmer und Moris Veigel von der KTU waren zusammen mit der Rechtsmedizinerin Stefanie im Zimmer 228 bereits angekommen. Eckerhard, Heike und Lüppi gingen auf dem Weg nach unten ins Erdgeschoss dort vorbei. Eckerhard hatte die gleichen Probleme wie Gördi, auch er konnte sich nur sehr schlecht den Toten ansehen. Nach Ansicht von Frau Doktor und Horst war die Vermutung vom Nachtportier, dass Dr. Hedemann noch versucht hatte einen Hilfeanruf zu tätigen, im Bereich des Möglichen. Der Tod war auch durch einen Schnitt durch die Halsschlagader eingetreten, war sich Stefanie bei der ersten Leichenschau ziemlich sicher.
Draußen auf der Straße versammelte sich die Presse, die anscheinend den Polizeifunk abgehört hatte. Das zweistöckige Untergeschoss mit Tiefgarage wurde mit den noch hinzu gekommenen sechs Polizisten und Peter Kordes gründlich durchsucht, aber leider auch ohne Ergebnis.
Um 2.58 Uhr standen Eckerhard, Heike, Lüppi, Peter, Herr Harrison und Herr Miller zusammen im Foyer. Die sechzehn Streifenpolizisten sicherten das Treppenhaus, die Tiefgarage und das Erdgeschoss ab. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma übernahmen weiterhin alle Zugänge zum Hotel. Um 3.25 Uhr entschlossen sich Lüppi und Eckerhard noch einmal alles durchsuchen zu lassen, aber ohne die Hotelzimmer. Alle Räume wurden mit Hilfe von Horst und Moris auf Spuren untersucht. Die einzigen Spuren, die sichergestellt wurden, waren die Bluttropfen, die der Nachtportier nach Verlassen des Zimmer 228 im zweiten Stock hinterlassen hatte. Die zweite Durchsuchung dauerte weitere zwei Stunden. Eckerhard, Horst und Lüppi gingen um 5.35 Uhr noch einmal zum Zimmer 228, dort stellten sie fest, dass das Polizeisiegel abgerissen war. Alle drei staunten nicht schlecht und waren sich sicher, dass derjenige im Hotel sein musste. Bei der groben Durchsuchung konnte keine Veränderung im Zimmer und an dem Leichnam von Dr. Moritz Hedemann festgestellt werden. Zwei Streifenbeamte wurden anschließend zur Sicherung abgestellt. Gegen 6.45 Uhr wurde die Suchaktion im Hotel abgebrochen. Beim Verlassen des Hotels gab es das schon erlebte Blitzlichtgewitter.