Читать книгу Der Rennfahrer Mark Kirchheim - Band 2 - Motorsport-Roman - Markus Schmitz - Страница 3

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Lanzarote gehört zu den Kanarischen Inseln und der Ort Playa Blanca befindet sich im Süden der Insel. Im Jahre 1993 war am Rand des Ortes, Richtung Westen blickend, die vorletzte Hotelanlage Playa Flamingo. Heute ist das nicht mehr der Fall. Der Ort hat sich inzwischen wesentlich vergrößert.

Aber davon will ich ja gar nicht berichten. Kommen wir zu dem Punkt, wo der zweite Teil der Geschichte weitergeht.

7. Februar 1993, Sonntag, 10.30 Uhr Lanzarote Playa Blanca

Im Oktober hatten Mark und Michaela einen Urlaub in dieser Bungalow-Anlage gebucht. Der erste gemeinsame Urlaub der beiden. Da die Ferienanlage eine eigene Bucht hat, lagen sie an diesem Sonntag das erste Mal zusammen am Strand. Am Vortag waren sie frühmorgens mit einer LTU-Maschine am Flughafen von Arrecife angekommen. Während Michaela ruhig den Flughafentransfer von der Ferienanlage genutzt hätte, wollte Mark schon im Reisebüro einen Leihwagen am Flughafen bereitstehen haben. Und so hatten sie einen Seat Marbella gebucht. Mit diesem Kleinwagen und ihren beiden Koffern waren die beiden knapp eine dreiviertel Stunde über kleine alte Landstraßen nach Playa Blanca gefahren. Dort angekommen hatten sie die Koffer als erstes ausgepackt, um anschließend eine halbe Stunde zum Ortskern über die Promenade an weiteren Hotelanlagen und dem Hafen vorbeizugehen. Im Ort gab es einen kleinen Supermarkt, in dem sie eingekauft hatten. Natürlich war Mark Gentleman alter Schule und trug die beiden Tüten mit Getränken und Knabbereien zu ihrem Bungalow zurück. Das er sich während des Weges immer wieder fragte, warum er jetzt nicht mit dem Seat gefahren sei, muss wohl nicht erwähnt werden. Mark hatte das aber inzwischen längst wieder vergessen als er neben seiner Michaela im Sand lag. Für Kälte gewöhnte Deutsche waren 18 bis 20 Grad schon warm im Februar. Natürlich war es für Bikini und Badehose noch zu frisch. Aber in kurzer Hose und T-Shirt ging es. Nachdem beide knapp eine Stunde so da lagen und die Sonne genossen, wollte Mark von ihr erfahren.

„Sag mal, du hast doch einen Reiseführer gekauft?“

„Ja, habe ich“, antwortete sie.

„Hast du da schon mal reingeschaut?“

„Habe ich, warum?“, fragte sie und lächelte dabei.

„Was können wir uns denn morgen mal ansehen?“

„Das kann ich dir sagen, ich habe den Reiseführer sogar dabei. Einen Augenblick.“

Michaela holte ihn aus einer Strandtasche heraus. Mark sah, dass seine Freundin kleine Schnipsel in dem Reiseführer verteilt hatte.

„Also“, fing sie an. „Da ist zum ersten der Nationalpark Timanfaya. Oben im Norden gibt es Jameos del Agua. Das ist ein Lavatunnel, in dem es einen See gibt, in dem weiße Krebse leben. Die sollen einmalig auf der Welt sein. Oder La Geria, ein Weinanbaugebiet im schwarzen Lavagestein. Mmh ... das hier ist auch sehr interessant. Es gibt ein Haus von einem spanischen Maler, Architekten und Bildhauer. Der heißt ... warte, ich finde es gleich ... César Manrique. Der ist übrigens letztes Jahr im September verstorben. Das Haus ist zum Teil unter der Erde in Lavablasen gebaut.“

„Klasse, hört sich toll an. Womit fangen wir morgen an?“, wollte Mark wissen.

„Wie du willst.“

„Dann machen wir es der Reihe nach, wie du es vorgelesen hast.“

Sie blieben noch zweieinhalb Stunden am Strand bis sie sich in das Hotel-Restaurant begaben. Die Dame im Reisebüro hatte ihnen Vollpension vorgeschlagen, da der Preisunterschied zu dieser Jahreszeit nur ein paar D-Mark pro Woche war. Das Angebot hatten sie gebucht. Am Nachmittag gingen sie die Promenade Richtung Ortskern entlang bis der Weg hinter den letzten Hotels zu Ende war. An den folgenden sechs Tagen fuhren beide mit dem Seat Marbella zu den von Michaela vorgeschlagenen Orten und weiteren Sehenswürdigkeiten. Auch besuchten beide den jeden Sonntag stattfindenden Trödelmarkt in der alten Inselnhauptstadt Teguise. Beiden tat der Urlaub gut. Nicht nur wegen der zurückliegenden Monate, sondern auch, dass beide nur für sich waren. Michaela merkte, dass Mark ihr sehr wichtig geworden war. Aber auch Mark wusste, dass er die Frau nicht mehr hergeben wollte. Sie war ‚die Frau‘ in seinem Leben. Ganz verliebt schlenderten beide über den Markt und blieben an einem Stand für Strickwaren stehen. „Mark... Mark Kirchheim“, hörten beide hinter sich rufen. Mark und Michaela drehten sich um. Und da standen die Mercedes-Piloten Bernhard Schneiber und Rudolf Basch. Sie strahlten die beiden an.

„Was macht ihr denn hier?“, wollte Bernhard wissen.

„Urlaub, so wie ihr zwei anscheinend auch“, antwortete Mark strahlend zurück.

„Das ist kein Urlaub, sondern wir sind im Trainingslager“, antwortete Rudolf.

„Trainingslager, hier auf dem Markt?“, fragte Mark und lächelte dabei.

Bernhard und Rudolf verzogen die Gesichter.

„Einen Tag in der Woche haben wir frei.“

„Ihr zwei macht also hier Urlaub?“, fragte Bernhard.

„Ja, unser erster gemeinsamer“, sagte Michaela.

„Wo wohnt ihr denn?“, wollte Rudolf wissen.

„In Playa Blanca“, antwortete Mark. „Und ihr?“

„Oben im Norden in einem Sporthotel. Da, wo nix los ist“, sagte Bernhard und verzog das Gesicht erneut.

„Habt ihr Zeit? Wir könnten uns zusammen dort drüben in die Bodega setzen“, schlug Bernhard vor.

„Ja, Klasse, das machen wir“, freute sich Mark und sah dabei Michaela an.

Die nickte zustimmend. Also gingen die vier in die nahegelegene Bodega. Dort kam man sofort ins Gespräch. Rudolf wollte wissen: „Wie geht es denn jetzt eigentlich bei euch weiter? Wir haben in den Nachrichten von dem BMW-Ausstieg gehört. Das kam ja ziemlich unerwartet, oder?“

„Ja, das kann man wohl sagen. Damit hat keiner gerechnet. Zumal wir ja ein paar Tage vorher noch in München bei BMW waren und die Zusicherung für dieses Jahr bekommen haben.“

„Was macht ihr jetzt?“, wollte Bernhard wissen.

„Wir nehmen wie geplant teil.“

„Klar, mit eurem bisherigen M3 also“, beantwortete Bernhard sich seine Frage selbst.

„Den haben wir natürlich noch. Könnten wir auch nehmen“, erwiderte Mark.

„Könnten?“, fragten Bernhard und Rudolf gleichzeitig.

„Wir haben einen anderen Wagen“, sagte Michaela.

„Jetzt sag nicht auch einen Alfa Romeo 155 V6?“

„Nein, keinen Alfa“, erwiderte Mark.

„Einen Ford Mustang 5 Liter etwa?“, fragte Bernhard.

„Ich sag es euch. Einen 190E 2,5 16V EVO 2.“

„Nein. Das gibt es doch nicht“, sagte Bernhard schaute Rudolf an und meinte. „Der da wird einer von uns.“

„Ja, da legst dich nieder“, sagte Rudolf. „Wie ist es denn dazu gekommen?“

Mark erzählte daraufhin kurz von Wolfgang, dem Freund seines Chefs, der auch der Vater von Michaela sei. Das der eine Bank in Hamburg hätte. Das das Team von Wolfgangs Bank und Michaelas Familie unterstützt werde. Mark erzählte weiter von der Lackierung des 190er. Das der Wagen weiß sei und mit ´Hanseaten Bank Hamburg´ in dunkelblau beschriftet wäre. Dies würde fast über beide Fahrzeugseiten gehen. In etwas kleinerer Schrift, in grün, würde ´Fenster und Türen Müller´ noch draufstehen. Kofferdeckel, Motorhaube und Dach wären noch frei. Die Start Nummer 25 hätten sie aber weiterhin. Die beiden Mercedes Piloten waren ganz erstaunt. Michaela und Mark wollten von den beiden einiges über deren Team wissen. Ohne Geheimnisse zu verraten, erzählten sie von dem Mercedes Soneix Team bei dem sie jetzt wären. Die beiden waren zwar im Jahr ´92 190er gefahren, aber in unterschiedlichen Teams. Das eine gab es nicht mehr, das andere war umbenannt worden. Somit waren Bernhard Schneiber und Rudolf Basch jetzt zusammen in einem Team. Alle vier unterhielten sich danach noch lange über die Veränderungen im Reglement. Auch über den Verband Deutsche-Tourenwagen-Rennen. Unter anderem zum Beispiel darüber, dass der Verband einige Zeit nach dem Zurücktreten von BMW und Audi die Änderungen der Motorregelung wieder zurückgenommen hatte. Was aber die Entscheidung der beiden Firmen danach nicht mehr änderte. Alle vier fanden es sehr schade, dass die Firmen BMW und Audi nicht mehr dabei seien. Michaela und Mark erfuhren von den beiden, dass auch die Firma Mercedes eine Zeitlang über den weiteren Einsatz in der Deutsche-Tourenwagen-Rennen nachgedacht hatte. Zum Glück waren aber Alfa Romeo und Mercedes noch dabei. Bei Opel waren sich alle vier noch nicht sicher, ob die Firma wirklich an der Saison 1993 teilnehmen würde. Auch sprachen sie noch lange über die Eigenschaften und Besonderheiten des 190er. Michaela bemerkte, dass sich die Bodega langsam leerte und sie Vier fast die letzten Gäste waren. Auch die Besucher des Marktes waren fast alle verschwunden. Die Stände wurden allmählich abgebaut. Die Vier hatten sich einfach verquatscht. Bevor sie aus der Bodega geworfen wurden, bezahlten sie ihre Rechnungen. Vor der Tür verabschiedeten sich Mark und Michaela von ihnen. In den nächsten 2 Tagen unternahmen sie noch zwei Ausflüge, die sie in dem Reiseführer gesehen hatten. Es war Mittwochmittag als beide an der Promenade in Playa Blanca im Lokal Brisa Marina saßen. Eines der schönsten Lokale im Ort und das nicht nur wegen der Aussicht. Mark sah sie ganz verliebt an. Sie sah es und wusste, ihr geht es genauso. Er wollte gerade etwas sagen als auch Michaela einen Satz anfing. Beide bemerkten es.

„Bitte du zuerst, Liebling“, sagte der Gentleman.

„Nein Schatz, du zuerst“, antwortete sie.

Beide lächelten einander an. Dann fing Mark mit leisem Ton an.

„Mm... ich wollte dich fragen...“, er wurde rot im Gesicht.

„Ja, was wolltest du mich fragen“, sagte sie nach ein paar Augenblicken.

„Mm... also ich wollte dich fragen... du hast mich doch lieb?“

„Natürlich.“

„Und wir bleiben doch zusammen, oder?“

„Was ist das denn für eine Frage? Natürlich bleiben wir zusammen“, erwiderte sie und lächelte ihn weiter an.

Sie hielt den Kopf dabei leicht schief.

„Könntest du dir vorstellen... äh... also ich meine... du und ich.“

Er machte eine erneute Pause.

„Ja?“, fragte sie ihn und nickte dabei. Und fast rausrufend sagte Mark: „Kannst du dir vorstellen, dass wir zwei uns verloben?“

Dabei konnte man ihm ansehen, dass er doch arge Zweifel hatte, ob sie wirklich JA sagen würde. Sie lächelte ihn weiter an und warf ihm einen Luftkuss zu.

„Ja, mein Schatz. Nichts lieber als das.“

Eine längere Pause trat ein. Beide sahen einander verliebt an. Die Lokalbesucher an den umliegenden Tischen schauten zu den beiden. Ein Deutscher am Nachbartisch sagte plötzlich „Jetzt küss sie doch endlich.“ Erst jetzt bemerkten sie, dass alle Gäste in ihrer Nähe alles mitbekommen hatten. Mark stand daraufhin auf und ging um den Tisch. Sie stand auch auf. Beide nahmen einander in den Arm und küssten sich länger. Was zu spontanem Applaus bei den anderen Gästen führte. Die restliche Zeit bis zur Abreise am Samstagmorgen verbrachten die beiden am Strand, am Pool und sehr häufig im Bett.

19. Februar 1993, Freitag, 10.00 Uhr Köln

Wie jeden Morgen befand sich auch an diesem Michele Alessandro Mascali um diese Uhrzeit im Wintergarten. Nicola und Janni waren dabei zu frühstücken. Signore Mascali hatte schon eine Stunde vorher gefrühstückt und war sehr neugierig auf die jüngsten Berichte der Männer. Da seit Ende Oktober das Anwesen von der Polizei nicht aus dem Auge gelassen wurde, hatte Nicola die Mitarbeiter in einem kleinen Gasthof im Westerwald getroffen. Da Janni nicht direkt über die Aktionen der beiden und der Männer informiert werden sollte, musste er warten bis Janni sich später mit seinen beiden Freunden traf. Solange konnten Signore Mascali und Nicola nicht über die jüngsten Ereignisse sprechen. Zu seiner Überraschung traf sich Janni nicht mit seinen beiden Freunden sondern eine halbe Stunde später kamen Giuseppe Lombardi mit seinem Porsche 911 Turbo S und Emanuele De Rosa mit dem Ferrari F40 auf das Anwesen gefahren, was Jannis Vater jetzt eher positiv fand als noch einige Monate zuvor. Da hatte er Josef, dem alten Hausangestellten, noch die Anweisung erteilt, die beiden nicht mit ihren auffälligen Fahrzeugen auf das Gelände zu lassen. Seit sie aber von der Straße aus immer noch von einem Observierungs-Team in einem älteren Ford Sierra überwacht wurden, war jetzt jede auffällige Abwechslung gut. Bei der Ankunft von Giuseppe und Emanuele wurden die Insassen im Observierungs-Wagen sehr unruhig, hektisch und rutschten auf ihren Sitzen herum. Am liebsten hätten sie jetzt eines der neuen Mobiletelefone gehabt. Hatten sie aber nicht, das war zu teuer für die Polizei. Es gab zwar den Funk im Wagen, der funktionierte aber nicht überall gleich gut und das wussten die beiden im Auto und genau an einer solcher Stelle befanden sie sich nun seit fast drei Monaten im regelmäßigen Wechsel. Sie notierten sich die Kennzeichen. Beide überlegten, was nun zu tun sei. Die Ablösung würde erst in ein paar Stunden kommen. Könnten sie die Stelle verlassen und einen Kilometer die Straße runterfahren, wo eine bessere Funkverbindung war? Nein, konnten sie nicht oder richtiger gesagt, konnten sie schon. Es wäre aber nicht gut gewesen, den Posten zu verlassen. Beide entschieden sich vor Ort zu bleiben und weiter aufzuschreiben, wer und wann das Grundstück befuhr und verließ. Josef brachte für Giuseppe und Emanuele zwei Kaffee in den Wintergarten. Signore Mascali wollte von den dreien wissen, was sie an diesem Tag vorhatten. Nicht das ihn das interessiert hätte. Tat es nur bedingt, um nicht zu sagen, fast gar nicht. Eigentlich wollte er nur wissen, wie lange die drei bleiben würden. Denn schließlich brannte er darauf, zu erfahren, was es Neues in dem Geschäftsbereich Motorsport gab. Zu seinem Leidwesen musste er hören, dass die drei gar keine Pläne hatten. Wer Signore Mascali genau kannte, konnte sehen, dass ihm das nicht gefiel. Kurzer Hand machte er den jungen Männern einige Vorschläge, was sie tun könnten. Wie zum Beispiel neue Anzüge kaufen, nach Schuhen schauen oder vielleicht mal nach den neusten Automobil-Modellen. Janni merkte sofort, dass sein Vater ihn eigentlich nur aus dem Haus haben wollte, ließ sich aber nichts anmerken. Dafür nutzte er die Gelegenheit und nahm den Vorschlag von ihm wörtlich. Noch nie war er von seinem Vater aufgefordert worden nach neuen Autos zu schauen. Deshalb hakte er nach: „Und wenn wir für mich einen schönen Wagen gefunden haben, sagst du nur wieder ‚der ist zu auffällig‘ und ‚dein Alfa reicht doch noch‘.“

Sein Vater bemerkte seinen Fauxpas. Wollte aber nicht vor Jannis Freunden zurückrudern. Zumal die Familie Lombardi zu der süditalienischen Kalabrien Zentrale gehörte. Zähneknirschend stimmte Signore Mascali zu, dass Janni nach einem neuen Wagen schauen konnte. Sagte aber seinem jüngsten Sohn, dass er zuerst mit ihm sprechen müsste, bevor er einen Kaufvertrag unterschrieb. Wenige Minuten später verließen die drei das Anwesen. Alle drei fuhren mit ihren eigenen Wagen. Janni nahm seinen Alfa Spider und Giuseppe und Emanuele ihre Wagen. Signore Mascali konnte nun endlich den neusten Stand von dem neuen Geschäftsmodell, dem Motorsport, erfahren. Auf Grund der Überwachung durch die Polizei war Nicola die letzten sieben Wochen, seit Neujahr, nicht mehr Zuhause gewesen. Beide hatten zwar immer mal wieder kurz telefoniert, aber nie länger als zwei Minuten. Sie nahmen an, dass das Telefon abgehört wurde. Nicola begann seinen Bericht damit, dass Dr. Ulrich Feldmann von der Frankfurter Bank hinter dem Rücken der Mascali´s mit dem Verband Deutsche-Tourenwagen-Rennen gesprochen hatte. Nach der Information von ihm und nachdem der Verband erfahren hatte, dass BMW und Audi aus der DTR aussteigen, veranlasste der Vorstand, dass die neue Motorenregelung wieder zurückgezogen wurde. Die Kontaktperson im Verband war aber auch nicht in der Lage gewesen, dieses zu verhindern. Eine Zurücknahme der Regeländerungen konnte die beiden Firmen aber nicht mehr umstimmen. Was ganz im Sinne der Mascali´s war. Ihrer Ansicht nach würde es ausreichend sein, dass Mercedes und einige private Rennteams mit Alfa in der Saison ´93 fahren würden. Beide Mascali´s waren der Meinung, dass man auf Dr. Feldmann in Zukunft ein wachsames Auge haben musste. Die Männer hatten weiter berichtet, dass BMW nun mit Schreiber Motorsport aus Freilassing an der Englischen Tourenwagen-Meisterschaft teilnehmen würde. Die beiden Mitarbeiter von der Niederlassung aus London würden sich darum kümmern, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Wenn genaue Informationen vorliegen würden, müsste entschieden werden, ob sich die Niederlassung London oder Köln um Schreiber Motorsport kümmern würde. Nicola berichtete weiter, dass Detlef Neuberg, alias Dieter Neumann, sich von Mercedes bei BMW hatte abwerben lassen und ab Anfang März dort seinen neuen Posten antreten würde. Dort hatte er die gleiche Tätigkeit wie bei BMW. Signore Mascali war begeistert über diese Neuigkeit. Das ergab nun weitere neue Möglichkeiten der Einflussnahme. Detlef hatte dies eigenständig entschieden, da er zu dem damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit hatte, mit Italiano oder Nicola, Rücksprache zu halten. Das zukünftige einschleusen von Männern an entscheidenden Stellen in Firmen und vor allen Dingen im Verband Deutsche-Tourenwagen-Rennen wurde von beiden Mascali´s als eine der wichtigsten Maßnahme in den nächsten Wochen angesehen. Deshalb hatte Nicola bei der Zentrale auf Sizilien nach weiteren Männern, am besten aus dem deutsprachigen Teil Südtirols, nachgefragt. Eine entsprechende Antwort würde in den nächsten Stunden erwartet. Über den neusten Stand des Rennteams, bei dem Janni fuhr, hatte Signore Mascali schon alles von Janni selbst erfahren. Das Alfa-Scorcese-Team war nun bei dem größten Fiat- und Alfa Romeo Händler in Frankfurt am Main untergebracht. Genauso wie es Bernardo Carbone, der Oberboss auf Sizilien, arrangiert hatte. Signore Mascali machte sich mit Nicola darüber Gedanken, ob es nicht sinnvoll wäre, doch noch an den Firmensitz von Schneider Racing zu kommen. Dieses Mal müssten sie es aber besser machen. Der alte Herr erzählte von einem Vorfall aus einer Zeit als er noch Mitte Zwanzig war und auf Sizilien lebte. Die Zentrale wollte seiner Zeit auch eine Fabrik übernehmen, was hinterher durch unglückliche Umstände nicht klappte. Signore Carbone hatte seiner Zeit noch nicht die Leitung der Zentrale unter sich, aber schon einigen Einfluss und durch seine skrupellose Art viel Erfolg. Er war es dann auch, der nach ein paar Monaten, durch einfallsreiche Aktionen, doch noch das Schiff wenden konnte und alles für die Zentrale gut aus ging. Er wusste auch noch, was Bernardo alles getan hatte. Vielleicht, so meinte er, wäre es jetzt an der Zeit, genauso bei Schneider Racing vorzugehen. Nicola machte sich kurze Notizen, während sein Vater erzählte. Als dieser fertig war, wollte er von seinem Sohn wissen.

„Wie sieht es jetzt mit dem Jannson-Team aus? Haben die jetzt die neuen Alfas bekommen?“

„Ja, haben sie, aber mit Verspätung. Die sind erst Mitte Januar bei denen eingetroffen.“

„Was ist jetzt mit den beiden Fahrern?“

„Ich will hoffen, dass das klappt und wenn nicht, tauschen wir die beiden Fahrer aus.“

„Bene (in Ordnung), wie willst du das machen?“

„Wir sorgen dafür, dass die beiden durch einen Verkehrsunfall für ein paar Monate ausfallen. Dem Team präsentieren wir dann zwei von uns ausgesuchte Fahrer.“

„Grande (Großartig), was habt ihr mit dem Bogandi-Team unternommen?“

„Wie du es wolltest, erstmal nichts. Müssen wir wahrscheinlich auch nicht, seit BMW aus der DTR ausgestiegen ist, mache ich mir keine Sorgen mehr.“

„Grande. Was ist mit diesen beiden Reportern?“

„Du meinst diesen Bishelm und den Heims?“

„Ja, so heißen die beiden, glaube ich.“

„Italiano und Filippo sind beiden auf der Spur. Ich will wissen, seit wann die bei den Redaktionen arbeiten, wo sie wohnen, haben sie Familie, wer sind ihre Freunde und so weiter.“

„Dann bin ich gespannt, was die beiden herausfinden.“

Signore Mascali machte eine kurze Pause, sah runter und sprach leise weiter als wenn Nicola es nicht hören sollte.

„Ich habe mir schon länger Gedanken gemacht, wie wir die Polizia da draußen los werden.“ Dann sah er seinen Sohn an und sagte weiter. „Ich habe dir übrigens auch noch was Neues zu erzählen. Die beiden Polizia-Leute, die schon mal da waren, haben uns letzten Donnerstag noch mal besucht.“

„Am Donnerstag, das war doch der 11. Februar?“

„Ja, kann sein, dass das der 11. war.“

„Ist das wichtig?“

„Das war der Tag als ich mit den Männern im Westerwald war.“

„Mmh, bene. Also, die beiden wollten wissen, woher wir den Radan und den Russen kennen würden.“

„Und, was hast du gesagt?“

„Die wären uns von Bekannten vorgestellt worden. Nach einiger Zeit hätten sie sich den Mercedes von Josef ein paar Mal ausgeliehen. Die sagten, dass der Wagen in Frankfurt gefunden worden ist. Da waren wir natürlich sehr überrascht.“

„Kann ich mir vorstellen.“

Beide lachten.

„Und weiter?“

„Die schienen erstmal damit zufrieden zu sein. Dann haben wir gefragt, wann Josef seinen Mercedes wiederbekommt. Das wussten sie noch nicht und sind danach gegangen. Das war es.“

„Bene.“

„Ach, was ich auch noch nicht erzählt habe, Roberto hat das ´Casa Sicilia´ geschlossen und an Landsleute verkauft. Die haben es jetzt in ´Il Mulino´ umbenannt.“

„Kennen wir die?“

„Nein, sind Fremde. Haben mit keiner Zentrale zutun., sind einfach nur Landsleute.“

„Wo ist Roberto jetzt?“

„Mit Giulia wieder auf Sizilien. Bernardo ist das Restaurant zu gefährlich geworden.“

Josef kam zwischendurch rein und brachte zweimal Kaffee, während beide Mascali´s sich über das weitere Vorgehen abstimmten.

20. Februar 1993, Samstag, 9.40 Uhr Köln

Wie schon bekannt, befand sich auch an diesem Morgen Signore Mascali um diese Uhrzeit im Wintergarten und frühstückte mit Nicola zusammen. Janni war am Vortag erst sehr spät nach Hause gekommen, so das es keiner mehr mitbekommen hatte, da alle schon geschlafen hatten. Er war mit seinen beiden Freunden zu dem größten Fiat- und Alfa Romeo Händler in Frankfurt am Main gefahren. Bei einem Besuch bei seinem Alfa-Scorcese-Team, ein paar Tage zuvor, hatte er einen wunderschönen Lancia bei dem Händler gesehen. Einen solchen Lancia Delta Integrale Evo I mit 16V-Motor ohne Katalysator hatte er nun bestellt. Dieser musste aber erst aus Italien geholt und dort angemeldet werden, da es für Deutschland den Wagen nur als 8-Ventiler mit Katalysator gab. Den wollte Janni natürlich nicht. Er war sich sicher, dass sein Vater nichts gegen ein relativ kleines Auto aus Italien sagen würde. War ja kein Ferrari. Als er in den Wintergarten kam begrüßte er die beiden. Sein Vater hatte den Kauf eines neuen Wagens schon längst wieder vergessen. Somit musste er sich auch nicht wundern, dass er ihn gar nicht fragte, ob er ein schönes neues Auto gefunden hätte. Janni fiel die Möglichkeit, dass sein Vater nicht mehr dran denken würde, überhaupt nicht ein. Er setzte sich dazu und Josef brachte ihm ein paar Minuten später auch sein Frühstück, wie immer einen Cappuccino und ein Croissant. Vater und Bruder unterhielten sich währenddessen weiter. Nach einer ganzen Weile, Janni hatte sein Croissant schon längst aufgegessen, nutzte er eine Unterbrechung der Unterhaltung.

„Ich habe gestern was Tolles gefunden.“

Beide schauten ihn etwas fragend an, denn auch Nicola wusste in dem Augenblick nicht, wovon sein Bruder sprach. Janni sah zwar die Fragenzeichen, erzählte aber einfach mal weiter.

„Wir sind gestern nach Frankfurt gefahren.“

„Prima.“ „Aha.“ Sagten beide.

„Wir sind bei dem Händler von meinem Team gewesen.“

Janni strahlte. Seinem Vater fiel immer noch nichts dazu ein. Nicolas Stirn hingegen legte sich in Falten.

„Er ist rot“, sagte er voller Begeisterung.

Nicola machte daraufhin einen abfälligen Gesichtsausdruck. Nur Signore Mascali wusste auch jetzt noch nicht, worum es ging.

„Wer ist rot?“

„Mein Auto“, antwortete er und strahlte dabei.

„Warum sagst du uns das? Ich weiß doch, dass der rot ist“, erwiderte sein Vater leicht genervt.

„Ja, woher weißt du das denn?“

„Oh mio dio (Oh mein Gott). Der steht doch seit drei Jahren vor dem Haus. Was soll das jetzt?”, wunderte sich Michele etwas angefressen.

„Ich spreche doch nicht von dem Spider.“

„Sondern?“

„Von dem Wagen, den ich gestern bestellt habe.“

„Was hast du?“

„Ich habe einen Lancia Delta Integrale gekauft.“

„Wie bitte! Ich habe doch gestern gesagt, du sollst zuerst mit mir sprechen, bevor du einen Kaufvertrag unterschreibst. Mama mia!“, schrie er und haute mal wieder mit der Faust auf den Tisch, so dass die Kaffeetassen einen Satz machten. Josef hörte das Schreien, den Schlag auf den Tisch und kam in den Wintergarten gelaufen. Er blieb am Eingang stehen und sah sich um. Signore Mascali hielt lautstark seinem Sohn eine Standpauke. Janni sah seinen Vater an, stand auf und unterbrach ihn.

„Es reicht, Padre. Ich bin kein Kleinkind, was du zurechtweisen musst.“

„Anscheinend ja doch und unterbreche mich nicht noch einmal, wenn ich dir etwas zu sagen habe.“

„Es reicht, Padre, es reicht“, schrie Janni zurück und ging Richtung Wohnzimmer.

„Bleibst du wohl hier“, rief er hinterher.

Janni hingegen ließ sich nicht aufhalten. Während er weiterging schleuderte er seinen rechten Arm hoch. Signore Mascali schäumte vor Wut. Nicola versuchte ihn zwar zu beruhigen, was aber in dem Augenblick nicht gelang. Wenige Minuten später verließ Janni mit einer Reisetasche das Haus. Die Eingangstür knallte ins Schloss. Was bis hinten im Wintergarten zu hören war. Das Tor zum Anwesen ging auf und Janni fuhr mit durchdrehenden Rädern im leichten Drift vom Grundstück. Das Observierungsteam war ihm in dem Augenblick scheißegal.

Samstag, 13.30 Uhr Düsseldorfer Flughafen

Dorothea und Uwe Müller standen in der Ankunftshalle, um die beiden abzuholen. Michaela kam vor Mark aus dem Zollbereich und sah ihre Eltern als erstes. Sie freuten sich, die beiden gesund und munter wiederzusehen. Auch Mark und besonders Michaela waren über das Wiedersehen glücklich. Auf dem Weg nach Hause erzählte sie von der Verlobung. Dorothea und Uwe waren nicht überrascht, sie hatten schon damit gerechnet. Mark war sichtlich erleichtert über die positive Reaktion und strahlte. Zuhause bei Müllers angekommen, berichteten sie, bei Kaffee und Kuchen, ausführlich von ihrem Urlaub. Michaelas Eltern hatten vor fast 27 Jahren ihre Hochzeitsreise nach Lanzarote gemacht. Daher wollten sie wissen, wie es jetzt dort aussah. Michaela versprach, sofort am Montag die Fotos entwickeln zu lassen. Die vier unterhielten sich auch über die Zukunftspläne der beiden jungen Leute. Einen Hochzeitstermin hatten sie zwar noch nicht, dafür wussten beide aber, wie die nächsten Wochen aussehen sollten. Als erstes würde Michaela zu Mark ziehen. An den Rennwochenenden, an denen sie im PZ arbeiten müsste, könnte sie ja bei ihren Eltern schlafen. Das freute Dorothea und Uwe natürlich. Beide erzählten, dass sie sich nach einer neuen Wohnung umsehen wollten, da die von Mark nur eine kleine Zwei-Raum-Wohnung in einem Reihenhaus war. Die Eigentümer wohnten in einer Vier-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Die Erdgeschosswohnung, auch aus vier Zimmern bestehend, war genauso vermietet, wie die Dachgeschosswohnung, wo Mark wohnte. Im Sommer war es unter dem Dach viel zu warm und im Winter zu kalt, was daran lag, dass die Isolierung nicht die beste war. Auch störte Mark die ständige Kontrolle und Kommentare durch seine Vermieter. Sie machten ihre Tür auf, wenn er an deren Wohnungstür vorbeiging und sagten ihm so Dinge wie:

‚Da bist du aber gestern spät nach Hause gekommen‘,

‚Denke bitte dran, dass du den Flur putzt‘ oder

‚Du muss noch deine Wäsche unten im Keller von der Leine nehmen.‘

Auch das häufige Übernachten von Michaela war den Vermietern nicht verborgen geblieben. Michaelas Eltern versprachen ab diesem Zeitpunkt aufmerksam die Wohnungs-Annoncen in der Westdeutsche Allgemeine Zeitung zu lesen. Da es bereits spät am Nachmittag geworden war gingen Mark und Michaela hoch in ihr bisheriges Zimmer. Dort packten sie die Hälfte ihrer Garderobe in zwei Wäschekörbe, um diese mit in die Wohnung von Mark zu nehmen. Einige Zeit später verabschiedenden sich die sich von Michaelas Eltern. Marks Vermieter waren zu diesem Zeitpunkt auf einer Karnevalssitzung in der Grugahalle. So konnten die beiden mit ihren Koffern und den beiden Waschkörben ungehindert in Marks und `Michaelas´ Wohnung.

Samstag, 15.00 Uhr Duisburg

Janni war längere Zeit ziellos durch die Gegend gefahren, ohne zu wissen, was er nun machen sollte. Denn schließlich war seine überstürzte Abreise von Zuhause nicht geplant gewesen. Gegen Spätmittag war er nach Düsseldorf zu seinem Freund Emanuele gefahren. Von dessen Mutter hatte er erfahren, dass Emanuele mit seinem Vater nach Italien zu mehreren italienischen Winzern gefahren sei. Davon hatte Emanuele am Vortag gar nichts gesagt. Gut, sagte er sich ‚Dann versuche ich es bei Giuseppe, vielleicht kann ich dort ein paar Tage verbringen‘. Eine Stunde später stand er bei Familie Lombardi vor der Tür. Das Haus war auch groß, nicht so schön gelegen wie das von seinem Vater, aber auch Klasse. Mit sehr geringen Erwartungen war er dort hingefahren, umso mehr war er überrascht, dass Signore Lombardi keine Einwände hatte, dass Janni ein paar Tage bei Giuseppe blieb. Seine Eltern wollten gar nicht wissen, warum er bei Giuseppe übernachten wollte. Zumindest fragten sie nicht. Dieser freute sich über den spontanen Mitbewohner. Janni bekam eines der drei Gästezimmer mit eigenem Bad, das hatte er noch nicht mal Zuhause in Köln. Er war gerade dabei seine Reisetasche auszupacken als es an der offenstehenden Tür klopfte.

„Un buon giorno, Signore Mascali (Guten Tag, Herr Mascali), ich bin Emilia“, sagte eine ältere Frau. Janni stutzte kurz.

„Buon giorno Emilia, sie können ruhig Janni zu mir sagen”, grüßte er zurück.

„Ich habe gehört, du bleibst einige Tage bei uns?“

„Ja, Signore Lombardi war so freundlich.“

„Ich möchte dich fragen, was du heute Abend zu essen wünscht?“

Janni stutzte.

„Das weiß ich nicht. Was essen die anderen denn?“

„Das ist unterschiedlich. Signore und Donna Lombardi wünschen als Antipasti (Vorspeise) Parmigiana di melanzane (Gemüseauflauf; der besonders in Süditalien weit verbreitet ist) und als Hauptspeise Arrosticini (Grillspezialität aus den Abruzzen). Giuseppe möchte wie häufig als Antipasti Spaghetti alla puttanesca (Spaghetti mit einer scharf-würzigen Tomatensauce, ein aus Süditalien stammendes Nudelgericht) und als Hauptspeise Bistecca alla fiorentina (T-Bone-Steak nach Florentiner Art).“ Janni musste schlucken. Er konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Jeder konnte sich etwas anderes wünschen und sogar Spaghetti alla puttanesca gab es. Das war Zuhause unmöglich. Sein Vater hatte immer gesagt, dass dies das Essen der Huren sei und das ein ‚Mascali‘ so etwas nie im Leben essen würde. Nach Überlieferung handelte es sich dabei um ein schnelles Gericht, was die Prostituierten schnell und einfach zwischen den Besuchen ihrer Freier zubereiten konnten. Jetzt zum ersten Mal konnte er auch diese Spaghetti haben.

„Ich nehme das gleiche wie Giuseppe“, sagte er schnell.

„Oh, das musst du nicht. Ich koche dir auch gerne etwas besseres.“

„Nein, ich möchte auch gerne die Spagetti haben.“

Emilia, die Hausangestellte, schüttelte nur ihren Kopf und ging wieder. Janni schaute ihr hinterher und wusste nun, dass er schon viel eher hätte herkommen sollen. Abends um acht wurde an einem langen Tisch im Speiseraum zu Abend gegessen. Der Tisch war für 18 Personen. Vor Kopf saß Signore Lombardi, links davon die Mutter von Giuseppe, Janni hatte den Platz rechts vom Hausherrn bekommen. Direkt neben ihm befand sich Giuseppe. Emilia brachte die vorher ausgesuchten Vorspeisen. Beim Essen wurde nur sehr wenig gesprochen, das war bei den Mascali´s sonst anders. Als der erste Gang abgeräumt war, wollte Signore Lombardi wissen, was man tun müsse, um in der Deutsche-Tourenwagen-Rennen zu fahren. Janni erklärte alles so weit er selbst es wusste. Das er nicht bis ins letzte Detail Bescheid wusste, wunderte Signore Lombardi. Nachdem er ihm erklärt hatte, dass er sich um solche Details nicht kümmern musste, sondern nur fahren brauchte, akzeptierte er die Antwort. Janni war erstaunt über das Interesse an dem Rennsport. Signore Lombardi sah seinen Sohn an und sagte: „Giuseppe, erzähle Janni davon.“

Janni schaute etwas verdutzt und erwartungsvoll.

„Ich habe dir doch in Magny Cours gesagt, wie toll ich den Tourenwagensport finde?“

„Ja, hast du.“

„Als wir dann am Hockenheimring bei Mark und seinen Freunden waren, habe ich gesehen, mit wie wenigen Mitteln man diesen Sport betreiben kann.“

„Na ja, wenige Mittel sind das nicht. Für Mark ist das ein Riesenbatzen Geld.“

„Janni, was glaubst du, kostet ein Jahr in dem Sport?“, fragte Signore Lombardi.

„Oh, das ist eine schwere Frage.“ Er machte eine Pause und überlegte. „Also, da ist zum ersten der Wagen. Gebraucht muss man da mindestens wohl so mit 95.000 DM rechnen. Die Ausrüstung, die Halle, ein geeignetes Transportfahrzeug und alle laufenden Kosten, wie Reifen, Benzin, Ersatzteile, Anmeldegebühr und weiteres... mmh... schwer zu sagen, so mindestens noch mal 75.000 DM aufwärts. Das sind dann aber nur die Kosten von Mark und seinen Freunden und die machen alles selber.“

„Weißt du denn was dein Team pro Jahr für Kosten hat?“

„Ja, alles zusammen waren es letztes Jahr etwas über eine Millionen DM.“

Signore Lombardi schaute ungläubig, Frau Lombardi verschluckte sich an dem gerade getrunkenen Rotwein und Giuseppe bekam den Mund nicht mehr zu.

„Aber warum fragt ihr? Wollt ihr mitfahren?“, fragte Janni.

„Ich habe mit dem Gedanken gespielt und mit meinen Eltern darüber gesprochen“, antwortete Giuseppe.

„Und ist das jetzt konkret?“, wollte Janni wissen.

„Es kommt natürlich auf die Kosten an“, sagte Signore Lombardi.

„Ich war vor Weihnachten bei Mark in der Halle in Gelsenkirchen Feldmark. Der hat noch seinen alten BMW M3 dastehen, vielleicht fragst du mal, ob du dir den Wagen leihen kannst.“

„Ja aber, den braucht Mark doch selber, oder nicht?“

„Nein, der hat jetzt einen Mercedes 190E 2,5-16 EVO 2 von einem Freund von Michaelas Vater.“

„Wer ist Michaela?“, fragte Signore Lombardi.

„Das ist die Freundin von Mark.“

„Giuseppe, dann frag diesen Mark doch mal und vielleicht können wir den M3 auch kaufen.“

„Den wird er nicht verkaufen, denn den 190er hat er nur zur Verfügung gestellt bekommen und fährt Werbung für die Bank von diesem Freund. Wenn der das Sponsoring einstellt, hätte er keinen Wagen mehr. Das wird er nie tun. Den M3 hat er von der Erbschaft seine Opas gekauft.“

„Dann fragt ihn doch mal, ob er den verleiht und was er dafür haben will“, meinte Giuseppes Vater.

„Das beste wird sein, wenn Mark das machen sollte, dass du als Teammitglied im zweiten Wagen vom Kirchheim-Team fährst.“

„Wieso das denn?“

„Weil du dich sonst als eigenes Team anmelden muss und registriert wirst. Wenn du dann feststellst, dass du nicht schnell genug bist, bleiben die Kosten für die laufende Saison. Mark aber kann ohne Probleme einen zweiten Wagen melden und es kostet auch weniger als die Hälfte.“

„Dann ruft doch zusammen den Mark morgen mal an und sprecht mit ihm.“

„Der ist mit Michaela im Urlaub. Ich glaube, der kommt dieses Wochenende wieder. Er hat mir gesagt, wenn ich ihn anrufen wolle, könnte ich ihn am besten auf seiner Arbeit erreichen.“

„Auf seiner Arbeit? Was arbeitet der denn?“, wollte Signore Lombardi wissen.

„Der ist bei einer Fenster- und Türen-Firma beschäftigt.“

„Und wann kümmert er sich um den Rennwagen und alles andere?“

„Nach Feierabend und an den Wochenenden.“

Emilia kam in den Speiseraum und brachte den Hauptgang. Während des Essens und auch später nach dem Nachtisch wurde noch lange über den eventuellen Renneinsatz von Giuseppe im Tourenwagensport gesprochen.

22. Februar 1993, Rosenmontag, 9.10 Uhr Polizeipräsidium Köln

Die Kripo-Beamte Hans-Dieter Reichel und Lothar Knapp befanden sich selbst an einer der wichtigsten Tage in Köln an ihren Schreibtischen und lasen den Observierungsbericht der letzten Woche.

„Ist das jetzt eine Woche her, dass der Thomas vom BKA angerufen und gesagt hat, dass der Fall Mascali von denen erstmal eingestellt wird?“, fragte Lothar.

„Ja.“

„Da ist letzte Woche nichts weiter passiert. Außer, dass am Freitag super teure Sportwagen auf das Grundstück gefahren sind. Hinterher ist einer der Mascali-Söhne mit den anderen wieder weggefahren. Jeder in seinem eigenen Sportwagen.“

„Sonst nix?“

„Nein, nichts.“

„Dann sollten wir die Observierung wohl mal einstellen.“

„Stimmt, kommt wirklich nichts bei raus. Die Kostenstelle hat auch schon nachgefragt, ob das denn noch sein müsste.“

„Und?“

„Jo, muss, habe ich gesagt. Sonst würden die ja nicht immer noch dastehen.“

„Kam aber nicht gut an, oder?“

„Nö, aber du kennst die doch.“

„Okay, dann rufe ich mal in der Observierungs-Stelle an“, sagte Hans-Dieter, nahm den Hörer seines Telefons ab und wählte die interne Rufnummer. „Geht keiner dran.“

„Ja, ist heute auch kein Wunder.“

„Stimmt, die sind bestimmt alle auf dem Karnevalszug.“

„Dann lass uns zu den Kollegen fahren und wir sagen es ihnen selbst.“

„Gut, so machen wir es.“

Wenig später trafen die beiden beim Observierungsteam ein. Die freuten sich, dass diese Dauerbeobachtung endlich zu Ende war.

Rosenmontag, 10.40 Uhr Köln

Signore Mascali betrat die Küche und schaute Josef an. Dieser war sehr erstaunt, dass sein Capo zu ihm kam. Das war nicht normal. Er konnte noch nicht mal sagen, wann er das letzte Mal höchstpersönlich dort gewesen war. Trotzdem wusste er sofort, was jetzt kommen würde.

„Josef“, sagte er.

„Ja, Signore Mascali.“

„Wo ist Janni? Wir haben jetzt Montag und er ist noch nicht wieder da.“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen, Signore Mascali, ich weiß es nicht.“

„Er hat sich auch nicht bei dir gemeldet?“

„Hätte er das tun sollen?“, fragte Josef etwas scheinheilig, was sein Boss sofort bemerkte.

„Josef, jetzt fang du nicht auch noch so an. Also?“

„Nein, er hat sich seit Samstag nicht bei mir gemeldet.“

Signore Mascali schaute ihn an und wusste, dass er sich auf die Aussage verlassen konnte. Er hätte nachgefragt, wenn Josef nicht ‚seit Samstag‘ gesagt hätte. Über die vielen Jahre, die er nun bei den Mascali´s war, konnte er seinem Boss ansehen, dass er sich doch langsam Gedanken machte. Er schaute ihm hinterher als Signore Mascali die Küche verließ. Drei Augenblicke später kam er zurück.

„Josef, hat Janni auch so ein mobiles Telefon?“

„Nein, hat er nicht.“

„Warum nicht?“

Josef stutzte und antwortetet: „Möchten Sie, dass ich auf die Frage antworte?“

Signore Mascali schaute etwas verdutzt.

„Ja, bitte.“

„Sie haben doch immer zu ihm gesagt, dass man so einen modernen Mist nicht braucht, oder?“

Das war nicht die Antwort, die er hören wollte.

„Bin ich zu streng mit ihm?“

„Ehrlich?“

„Ja natürlich.“

„Mmh... Sie übertreiben es mit Ihren Vorschriften bei ihm. Sie behandeln ihn wie ein Kleinkind.“

Signore Mascali musste schlucken als Josef eine Pause machte, um dann fortzufahren, „Wie lange hätten Sie sich das von Ihrem Vater gefallen lassen?“

„Als ich erwachsen war, gar nicht. Als ich so alt war wie Janni, gehörte ich schon zur Zentrale.“

„Aha... dann wundern Sie sich jetzt noch? Sie können froh sein, dass er auf seine Mutter herauskommt.“

„Was soll das denn heißen?“

„Wäre er wie sein Bruder, würden Sie mit ihm überhaupt nicht so umspringen und das wissen Sie auch.“

„Josef, ich muss dich doch sehr bitten“, sagte Signore Mascali etwas erbost. Dann sah man, das er nachdachte und sagte nach einigen Augenblicken: „Nein, du hast ja Recht. Hättest du mir auch etwas netter sagen können.“

„Hätte ich...“, sagte Josef und lächelte, dann sagte er weiter. „Sie sagen doch immer ‚das muss man deutlich sagen, damit es auch ankommt‘, nicht wahr Capo?“

„Wir kennen uns schon zu lange. Aber, das ist auch gut so.“

Nicola war aus dem Arbeitszimmer gekommen, weil er die Stimmen von Josef und seinem Vater gehört hatte. Gerade als er die Küche betrat, sah er, wie sein Vater Josef auf die Schulter klopfte und zu ihm sagte.

„Ich bin sehr froh, dass du bei mir bist.“

Nicola wunderte sich sehr. Er hatte noch nie gesehen, dass sein Padre jemanden auf die Schulter klopfte oder zu jemanden sagte, dass er froh sei, dass derjenige da sei. Signore Mascali hatte nicht mitbekommen, dass sein Sohn in die Küche gekommen war und erschrak als er sich umdrehte, um wieder zu gehen.

„Warum bist du froh, dass Josef da ist?“, fragte Nicola.

„Weil er immer so lecker kocht und sich um unser Wohl kümmert.“

Nicola schaute etwas ungläubig, was sein Vater sah.

„Mach du auch mal was richtig, dann wirst du auch mal in ein paar Jahren gelobt.“

Josef schüttelte leicht seinen Kopf, was aber von den beiden Mascali´s keiner sah.

Rosenmontag, 11.27 Uhr Essen

Mark war an diesem Tag wieder pünktlich an seinem Arbeitsplatz erschienen. Sehr zur Freude von seinem Arbeitskollegen Thomas Mayer, der Mark vertrat, wenn dieser nicht da war. In der Qualitätssicherung hatte es am Morgen genauso ausgesehen wie zwei Wochen zuvor. Kollege Mayer hatte unauffällig Marks Arbeit erledigt. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt vor seinem Büro als das Telefon klingelte. Er ging hinein und nahm den Hörer ab.

„Fenster und Türen Müller, Kirchheim, guten Tag.“

„Hallo Mark, ich bin es Janni.“

„Hallo Janni.“

„Du kennst doch Giuseppe?“

„Ja, dass ist doch der, der den 911 Turbo S fährt, oder?“

„Ja genau. Giuseppe möchte gerne auch in der DTR fahren und möchte wissen, ob du ihm den M3 für diese Saison leihst?“

„Den M3 leihen? Öh... “

„Können wir heute Abend zu euch in die Halle kommen?“

„Ja, könnt ihr. Aber darüber, ob ich den M3 verleihe, muss ich erst mal nachdenken.“

„Na klar. Kommt ja auch ein bisschen überraschend. Ab wann bist du in der Halle?“

„So gegen 16:30 Uhr.“

„Okay, dann bis nachher“, sagte Janni.

„Okay, Janni.“

Mark war leicht geschockt. Er wusste in dem Augenblick nicht, was er denken sollte. Eineinhalb Stunden später stand Uwe im Büro von Mark.

„Na, wie sieht es aus, sollen wir was essen gehen?“, fragte er.

Mark sah Uwe an und nickte zustimmend.

„Ja, können wir machen. Wohin fahren wir denn?“

„In das neue ´Il Mulino´? Das ´Casa Sicilia´ ist geschlossen und unter anderem Namen wiedereröffnet worden.”

„Aber Roberto ist nicht mehr da?“

„Nein, das sind neue Eigentümer.“

Mark legte noch die Papiere, an denen er gearbeitet hatte, zusammen und beide fuhren mit dem 300D von Uwe in das neue alte Restaurant. Dort angekommen wurden sie freundlich begrüßt. Beim Essen erzählte Mark von Jannis Anruf und seinem Anliegen.

„Tja, schwer zu sagen, ob du das machen sollst. Wenn er den M3 ganz lässt, wäre es ja wohl in Ordnung, denke ich. Aber wenn nicht...“ sagte Uwe und machte eine Pause. „Eigentlich müsstest du mit dem Giuseppe einen Vertrag machen, dass, wenn er den Wagen unreparierbar zerstört, er den jetzigen Wert bezahlen muss.“

„Klingt vernünftig und was meinst du, was soll ich nehmen?“

„Mmh, auch eine sehr gute Frage? Du sagst, die sind nicht ganz arm.“

„Könnte man bei einem 11er Turbo S wohl sagen.“

„Wie viele Rennen sind das noch mal?“

„Zwanzig Rennen, also 10 Wochenenden, immer zwei Rennen hintereinander am Sonntag, plus die beiden wertungslosen im englischen Donington.“

„Also zweiundzwanzig“, fasste Uwe zusammen, dachte nach und sagte: „Was meinst du zu 65.000 DM für die ganze Saison?“

„Ui, das sind dann... äh ... über den Daumen ca. 6000 pro Wochenende, mmh.“

„Zu wenig?“

„Nein, nicht zu wenig, ist das nicht viel zu viel?“

„Was ist er denn jetzt noch wert?“

„60.000 DM habe ich bezahlt.“

„Ja, aber vor ein paar Jahren und was würde er denn heute kosten, wenn du einen solchen kaufen wolltest?“

„Jetzt, wo BMW ausgestiegen ist, würde ich mal schätzen, nicht unter 85.000 DM.“

„Okay, 85.000 DM und dann weiß man noch nicht mal, ob der Wagen richtig läuft.“

„Ist richtig. Also müsste in dem Vertag 100.000 DM stehen, wenn er ihn zu Schrott verarbeitet.“

„Ja, genau und er muss für alle Reparaturen aufkommen.“

„Fragt sich, wo er ein Team hernimmt?“

„Och, das kann ich mir schon vorstellen.“

„Echt und wo?“

„Er wird dich fragen, ob ihr das nicht machen könnt.“

„Nee, nee, ist klar. Dann schrauben wir an zwei Wagen oder was?“

„Da gehe ich mal von aus. Ihr kennt den M3 in und auswendig. Natürlich muss er auch dafür aufkommen.“

„Ach, du Schreck. Das wird dann aber richtig teuer für ihn.“

„Tja, so ist das nun mal, wenn man keine entsprechenden Leute hat und nichts selbst machen kann.“

„Du meinst das jetzt alles ernst, oder?“

„Natürlich meine ich das Ernst. Rufe nachher Michael und Frank an und spreche das mit den beiden durch.“

„Und mit Michaela, denn schließlich verbringe ich dann noch mehr Zeit in der Halle, wenn sein Talent nicht so groß ist.“ Beide mussten schmunzeln.

„Also, wenn wir das machen und nur wenn, dann muss ich mal schauen, wie ich den Vertrag schreibe. Na, vielleicht kann Michaela da helfen.“

„Lass mal, ich habe heute nicht viel zu tun. Ich setze mit Frau Engel einen Vertrags-Entwurf auf.“

„Wau, Klasse Uwe, danke schön.“

Beide besprachen noch das eine oder andere bis auf einmal Mark einfiel, was er Uwe schon die ganzen Tage zuvor erzählen wollte.

„Was ich dir noch nicht gesagt habe ist, die internationalen Rennen wird es dieses Jahr nicht geben.“

„Oh, warum das denn nicht?“

„Die Verantwortlichen haben keine vernünftigen Termine gefunden. Irgendwer konnte von den einzelnen Rennserien nie.“

„Schade, na dann ist das halt so.“, antwortete Uwe.

Da beide von dem Essen im neuen alten Lokal sehr angetan waren, beschlossen sie, ab diesem Zeitpunkt wieder mittags dort hinzufahren.

Rosenmontag, 16.30 Uhr Gelsenkirchen Feldmark

Mark saß in seinem kleinen Büro und schrieb auf, was alles für Kosten in einer laufenden Saison mindestens anfallen würden, ohne das zusätzliche, was noch kaputt gehen könnte. Zwischendurch schaute er immer wieder auf die Uhr über den Halleneingang. Er fragte sich, wo die beiden denn bleiben würden, da sie ja schließlich um halb fünf da sein wollten. Er sagte zu sich – das fängt ja schon gut an, bevor es überhaupt begonnen hat – und überlegte, was er danach noch tun könnte. Ein paar Minuten später hörte er den Escort von Frank kommen. Ehe er sich versah stand dieser auch schon im Eingang.

„Was schreibst denn da?“, war die Frage von ihm.

„Hallo Frank, ich freue mich auch, dich wiederzusehen.“

„Stimmt ja. Du warst ja zwei Wochen im Urlaub, ist so gar nicht aufgefallen. Soll heißen, wir haben dich überhaupt nicht vermisst“, antwortete er und grinste dabei.

„Ja, das ist ja eine tolle Begrüßung hier. Ich glaube, ich sollte wieder gehen.“

„Ach, wenne schon mal hier bist, dann kannste ja auch bleiben.“

„Nee, ist das Klasse.“

Mit diesen Worten stand Mark auf und ging um den Schreibtisch.

„Mensch, komm her, lass dich drücken. Aber jetzt mal im Ernst. Michael und ich haben schon gesagt, das war jetzt das erste Mal, dass du weg warst, seit wir das hier zusammen machen.“

„Ja, stimmt. Haben Michaela und ich auch schon gesagt.“ Beide nahmen sich in den Arm und drückten sich fest.

„Hey, ich will auch gedrückt werden“, klang es vom Eingangstor her.

Mark und Frank drehten sich um.

„Ach, da ist ja unser Michael“, sagte Mark.

Als er bei seinen beiden Freunden stand wurde Mark auch von ihm in den Arm genommen.

„Schön, dass ihr zwei wieder da seid. Mensch, was haben wir dich vermisst“, gestand Michael und seine Augen strahlten dabei.

„Ganz ehrlich, ich freue mich auch, euch zu sehen.“

„Erzähl, wie war euer erster Urlaub?“

„Super, Klasse. Mensch, gehen vierzehn Tage vielleicht schnell rum. Die Bungalow-Anlage war toll. Morgens, mittags und abends gab es Buffet. Wir haben die ersten neun Tage einige Ausflüge gemacht. Die letzten sind wir dann am Ort geblieben und... wir haben...“

Mark machte eine Pause.

„Ihr habt was?“, fragte Michael.

„Also, Michaela und ich... wir haben uns verlobt.“

„Ja, super.“ „Das freut mich für euch“, sagten beide.

Alle drei setzten sich, wie so häufig, ins Büro und schenkten sich jeder einen Pott Kaffee ein. Es war inzwischen kurz nach fünf als die drei auf der Straße den Sound von einem 911 Turbo S hörten.

„Ach, da sind sie ja endlich“, sagte Mark.

„Wer ist da endlich?“, wollte Michael wissen.

„Janni und Giuseppe, die wollten uns wegen des M3 sprechen. Dazu wollte ich euch eigentlich heute Nachmittag vom Büro aus angerufen haben. Scheiße, habe ich hinterher vergessen.“

Zwei Autotüren wurden zugeworfen und die beiden Italiener standen im Torbogen der Halle. Alle fünf begrüßten sich auf italienerische Art.

„Da ist der BMW ja“, sagte Giuseppe.

Frank und Michael schauten etwas verdutzt. Beiden konnte man ansehen, dass sie sich fragten, will Mark jetzt doch den M3 verkaufen.

„Ja, seht ihn euch an“, sagte Mark.

Janni machte die Motorhaube auf und sah sich den Motor an, während Giuseppe sich mehr für den Innenraum interessierte. Marks Freunde sahen ihn fragend an, was er auch bemerkte.

„Janni hat mich heute Vormittag angerufen und mir erzählt, dass Giuseppe den Wagen mieten möchte, um auch in der DTR fahren zu können.“

„Mieten?“, fragte Frank ganz erstaunt.

„Ja“, sagte Janni „Denn verkaufen möchtet ihr ihn ja nicht.“

„Wir schon, Mark aber nicht“, berichtigte Michael die Äußerung von Janni.

„Was hat ihr euch denn so vorgestellt?“, wollte Mark wissen.

Janni und Giuseppe kamen auf die drei zu.

„Lasst uns ins Büro setzen“, sagte Mark.

„Passen wir denn da alle fünf rein?“, wollte Giuseppe wissen.

„Da passen sogar sechs Leute rein“, erwiderte Frank etwas konsterniert über die Frage.

Als alle saßen und auch die anderen beiden einen Pott Kaffee hatten, konnte es losgehen.

„Nachdem wir heute morgen telefoniert haben habe ich bei der Organisation, sprich dem Verband angerufen,“ sagte Janni und sah dabei Mark an. „Denen habe ich erzählt, was wir vorhaben. Da hat man uns den Vorschlag gemacht, wir sollten doch mit euch reden, ob wir den Wagen nicht als zweites Fahrzeug vom Kirchheim-Team anmelden könnten.“

„Das wollte ich euch auch vorschlagen.“

„Ja?“

„Natürlich, weil das weniger als die Hälfte kosten würde.“

„Woher weißt du das?“

„Na, weil ich die Anmeldungen mit allem drum und dran seit Jahren mache.“

Janni bemerkte, dass seine Frage doof gewesen war.

„Na, klar doch. Ich habe die gefragt, ob das denn ginge, dass in einem Team ein BMW und ein Mercedes fahren würden.“

„Oh, daran habe ich jetzt gar nicht gedacht, und?“

„Ja, geht. Hätte es zwar noch nie gegeben, wäre aber okay.“

„Gut, dann müssen wir uns nur noch über den Preis einigen.“

„Und wie sieht es mit Vorbereitung, Reparaturen, Wartung und so weiter aus?“

„Die Frage habe ich schon erwartet. Das können wir...“

„Halt, stopp mal“, rief Frank dazwischen. „Ihr glaubt doch wohl nicht, dass wir für euch die Karre nach jedem Rennen zerlegen und dann auch noch unseren Daimler machen, oder was?“

Es musste keiner der beiden etwas sagen, man sah auch so, dass sie genau das gedacht hatten. Aber Frank wäre nicht Frank gewesen, hätte er nicht sofort darauf reagiert.

„Nee... dat könnt ihr knicken, aber komplett. Dat wird nix, nicht mit mir. Dann kann ich ja direkt hier in die Halle ziehen.“

„Das ist überhaupt eine gute Idee, die hättest du auch eher haben können“, meinte Michael.

„Ja, sagt mal, haben sie euch heute schon in den Arsch getreten?“, fragte Frank in die Runde.

Alle vier schauten etwas sparsam.

„Aber ich habe einen Vorschlag für euch“, sagte Frank, die vier schauten neugierig.

„Giuseppe, du hast doch bestimmt noch ein oder zwei andere Freunde, die dir hier helfen würden?“

„Freunde? Nein, nicht welche so wir ihr es seid, die Mark unterstützen“, sagte er verlegen und wurde auch etwas rot dabei.

„Aber ich hatte mir so was schon gedacht, daher habe ich meinen Cousin Giovanni und meine Cousine Francesca gefragt. Er würde auf jeden Fall helfen, bei Francesca weiß ich es noch nicht.“

Bei dem Namen Francesca verzog Frank sein Gesicht. Das sahen Janni und Giuseppe natürlich. Um der Frage vorzugreifen, sagte Mark: „Der Name Francesca löst bei unserem Frank eine Art Schockstarre aus. Es gab da mal ein besonderes Erlebnis in jüngster Zeit. Können wir euch ja irgendwann einmal erzählen.“

„Also, ich wäre bereit, euch zu unterstützten, wenn ihr unter meiner Anleitung nicht mehr weiterkommt. Du Giuseppe, solltest auf jeden Fall noch einen weiteren Helfer haben. Kann auch deine Cousine sein, wenn sie sich nicht wie ein typisches Mädchen verhält, okay?“, sagte Frank.

„Ja, okay“, antwortete Giuseppe.

„Besser wäre es, wenn du einen Mechaniker hättest, der Ahnung von der Materie hat.“

„Mmh?“

„Spreche doch mal mit deiner Familie, vielleicht weiß die ja jemanden.“

„Okay, was hast du dir vorgestellt, wie hoch soll die Miete sein?“, fragte Giuseppe und sah dabei wieder Mark an.

„Ich habe heute Mittag mit Uwe darüber gesprochen. Was sagst du zu 65.000 DM für die ganze Saison. Das sind inklusive Donington dann zweiundzwanzig Rennen. Wir würden einen Vertrag machen, dass wenn du den M3 zu Schrott verarbeitest, ich dann 100.000 DM von dir bekomme. Was sagst du?“

Alle vier sahen, dass Giuseppe überlegte und schaute dann zu seinem Freund rüber.

„Das klinkt fair, Giuseppe“, sagte Janni.

„Es kommen natürlich noch die laufenden Kosten plus entstandene Schäden und alle Reparaturen hinzu“, sagte Mark weiter.

„Ist klar.“

„Ich habe mich vorhin mal hingesetzt und alle laufenden Kosten der letzten Saison aufgeschrieben, die mindestens anfallen werden, ohne das was zusätzlich noch kaputtgehen wird.“

Mit diesen Worten schob er Giuseppe den handgeschriebenen Zettel rüber. Auch Michael und Frank waren an der Aufstellung interessiert. Janni und Giuseppe lasen jeden Punkt einen nach dem anderen durch. Da es einige Punkte waren, dauerte es einige Minuten. Frank und Michael waren sich, nachdem sie die lange Liste gesehen hatten, nicht mehr sicher, ob sie auch den Zettel durchlesen wollten.

„Hui, das ist ja noch einiges“, sagte Giuseppe als er fertig war.

„Und?“, fragte Mark.

„Du möchtest bestimmt wissen, ob ich immer noch möchte?“

„Jo, sowas in der Art. Ach und wo wir noch gar nicht drüber gesprochen haben, du musst noch eine entsprechende Rennlizenz machen.“

„Gibt es verschiedene?“

„Ja, die nationalen und internationalen Rennlizenzen. Da die DTR auch im nahen Ausland fährt brauchst du eine internationale. Vorher brauchst du auch noch ein ärztliches Attest.“

„Wo mache ich die Lizenz?“

„Am besten bei DMSB, steht für Deutschen Motor Sport Bund. Zuerst die nationale Lizenz und danach die internationale Rennlizenz. Ich gebe dir gleich ein paar Unterlagen. Du solltest dich aber schnell dort melden. Denn schließlich haben wir schon Ende Februar und die letzten Termine für Rennlizenzen sind meistens im März.“

Giuseppe sah wieder zu Janni rüber, der sagte daraufhin: „Das kannst nur du entscheiden und deine Eltern. Bedenke, dass du nicht mehr so viel Freizeit haben wirst wie jetzt.“

„Ja und es geht sehr viel Zeit dabei drauf, vor allen Dingen, da du und dein Cousin nicht viel Ahnung habt“, sagte Mark.

„Und je mehr am Rennwochenende kaputt geht, desto mehr bist du hier in der Halle“, gab auch Michael zu bedenken.

„Jetzt mal was ganz anderes, wie machen wir das denn, wo wir nur eine Hebebühne haben. Stellt euch vor, beide Wagen müssen repariert werden. Was machen wir dann?“, fragte Frank.

„Dann müssen wir noch eine kaufen. Die könnten wir dann hier hinter dem Büro leicht schräg hinstellen“, meinte Mark.

„Und die Regale?“, wollte Frank wissen.

„Links vom Tor, wo jetzt der BMW steht.“

„Das wird dann aber schön eng, denn an den Transporter denkt ihr noch?“, fragte Frank nach.

„Apropos Transporter, den brauchst du auch oder hast du einen?“

„Nein, habe ich nicht.“

„Wir könnten aber einen Hänger hinter den alten Transporter packen“, sagte Mark.

„Ja, wir wären ja dann sowieso ein Team“, sagte Michael schon freudig.

„Dir gefällt der Gedanke schon, was?“, wollte Frank von Michael wissen.

„Ja, fände ich Klasse. Wir müssten dann aber noch mit einem dritten Fahrzeug fahren.“

„Oh, stimmt. In die beiden Transporter passen eigentlich nur jeweils drei von uns. Macht also sechs“, sagte Mark und fing an aufzuzählen.

„Wir sind dann Frank, Michael, Peter, Moni, Michaela, wenn sie frei bekommt, du Giuseppe, dann Giovanni und Francesca oder jemand anderes und ich. Also neun.“

„Bei uns ist Freitag ein alter Trani reingekommen, den sollte ich mir ansehen, hat mein Chef gesagt, ob wir den in Zahlung nehmen können. Der ist noch richtig gut. Ist von der Feuerwehr, hat fast nix gelaufen.“

„Wo arbeitest du denn Frank?“, wollte Giuseppe wissen.

„Bei Ford Fischer in Essen.“

„Und was bitte ist ein Trani?“

„Das ist ein Ford Transit, kurz Trani. Ungefähr so wie VW Bus und Bulli.“

Giuseppe nickte zustimmend.

„Das nimmt ja schon richtige Formen an“, sagte Janni ganz erstaunt, fast mit einem etwas neidischen Ton.

„Das beste wird sein, du schläfst mal ein, zwei Nächte drüber und sagst uns dann Bescheid, ob du das machen willst“, meinte Mark.

„Das ist ein guter Vorschlag.“

„Du solltest dir das gut überlegen, dass ist nichts, was man mal so einfach machen kann.“ sagten Michael und Frank.

Auch Janni meinte: „Lass dir das durch den Kopf gehen, du musst dich ja nicht jetzt entscheiden.“

Es wurde noch lange über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen, überlegt wie das mit dem schlafen vor Ort aussehen würde, welche Rennanzüge er kaufen sollte, welcher Helm zu empfehlen ist, was für feuerfeste Unterwäsche benötigt würde und mit welchen Kosten auch noch zu rechen wäre, wenn er einen Unfall bauen würde. Die Uhr über dem Eingang zeigte kurz nach halb sieben als Michaela mit ihrem roten Polo angefahren kam. Als sie sich dem kleinen Büro näherte sagte sie: „Na, das ist ja mal richtig voll hier.“

Janni und Giuseppe standen auf, um Michaela zu begrüßen. Was auch die anderen drei natürlich taten. Da sie jetzt gerade wieder mal in der Halle standen, schauten sich die vier zusammen den M3 noch einmal an. Mark und Michaela sprachen über das Vermieten des Wagens. Ihr Vater hatte sie im Laufe des Nachmittags über das Vorhaben von Giuseppe unterrichtet. Mark wollte wissen, was seine Verlobte dazu meinte.

„Das musst du oder besser ihr drei entscheiden“, antwortete sie.

„Nö, das ist nicht nur unsere Entscheidung, sondern auch deine. Wir zwei sind jetzt verlobt.“

Das freute sie und erwiderte: „Ich habe nichts dagegen, denn mehr Hände sind immer besser. Der Giuseppe scheint doch auch ein prima Kerl zu sein.“

„Okay, dann ist es nur noch seine Entscheidung, ob wir das machen.“

Während die beiden noch mal Marks Kostenaufstellung durchgingen, informierten Michael und Frank Giuseppe über die letzten Reparaturen, die in den letzten Monaten angefallen waren.

23. Februar 1993, Dienstag, 8.45 Uhr Duisburg

Die Familie Lombardi und ihr Gast Janni Mascali saßen zusammen am Tisch im Speiseraum und frühstückten. Emilia brachte noch vier Eier, was Janni eigentlich viel zu viel war. Er wusste nicht, dass die Familie möglichst immer zusammen aß. Also nicht wie bei ihm Zuhause. So einen reichhaltigen Frühstückstisch hatte er noch nie gesehen. Zumindest konnte er sich an keinen erinnern. Eigentlich war das auch gar nicht typisch für Italiener. Vielleicht lag das daran, dass Signore und Donna Lombardi schon sehr lange im Ruhrgebiet lebten und Giuseppe auch in Duisburg geboren war. Er war weiter in Gedanken vertieft als der Vater fragte: „Wie war es denn jetzt bei diesem Mark? Ist das was für dich, Giuseppe?“

„Auf jeden Fall. Ich habe noch mal drüber geschlafen und ich möchte das machen.“

Dann erzählte er seinen Eltern sehr ausführlich, was alles besprochen worden war, was wieviel kosten würde, dass er eine nationale und internationale Rennlizenz brauchte und so weiter. Janni sagte währenddessen nichts. Als Giuseppe fertig war wollte Signore Lombardi von ihm wissen, was er davon hält.

„Das ist jetzt kein Auto, womit man gewinnen wird. Aber für gute Platzierungen unter den ersten zehn müsste es gehen. Kommt natürlich auch auf das fahrerische Können von Giuseppe an.“

„Ist mein Sohn bei den Leuten gut aufgehoben?“

„Auf jeden Fall. Die fünf sind sehr in Ordnung. Sind ab und zu etwas direkt und grob im Umgangston, aber man kann sich auf sie verlassen.“

„Das direkte und geradeaus liegt am Ruhrgebiet. Die sind hier fast alle so. Finde ich aber besser als anders herum.“

„Was ist mit den Kosten, Vater?“, fragte Giuseppe.

Janni fiel erst jetzt auf, dass sich die Familie Lombardi gar nicht auf italienisch unterhielt, sondern immer auf deutsch. Er sagte auch Vater und nicht Padre.

„Das finanzielle ist okay. Da musst du dir keine Gedanken machen und wenn, dann müssen wir die Preise für unsere Kunden erhöhen“, antwortete er lächelnd.

„Gut, dann rufe ich gleich beim Deutschen Motor Sport Bund an, danach bei Mark auf seiner Arbeit und sage Giovanni und Francesca Bescheid.“

„Mach das.“

Nachdem das Frühstück eine halbe Stunde später beendet war, rief Giuseppe Mark auf der Arbeit an. Die Telefonnummer hatte er von Janni.

Dienstag, 9.55 Uhr Essen

Mark kontrollierte wieder eine Lieferung, die zur Abholung bereitstand. Das Telefon in seinem Büro klingelte. Am Klingelton hörte er, dass es auswärts war. Beim reingehen in das Büro überlegte er, wer das wohl sein könnte.

„Fenster und Türen Müller, Kirchheim, guten Tag.“

„Italienischer Großhandel Lombardi aus Duisburg, auch guten Tag, Herr Kirchheim.“

Mark stutze.

– Italienischer Großhandel? Was wollten die denn? – fragte er sich.

„Hallo Mark, ich bin es Giuseppe.“

„Ach hallo Giuseppe, ich habe mich gerade gefragt, warum ein italienischer Großhandel hier anruft.“

„Wie du mir geraten hast, habe ich eine Nacht drüber geschlafen. Vorhin habe ich auch noch mal mit meinen Eltern gesprochen. Wir machen das, so wie wir gestern schon besprochen haben. Was sagst du dazu.“

„Michaela und ich haben gestern Abend auch noch lange drüber geredet und wir waren uns schon sicher, dass du dich heute melden würdest und zusagst. Wir zwei freuen uns. Das wird bestimmt Klasse.“

„Spitze, dass freut mich, dass es euch auch gefällt. Ich wollte heute Nachmittag wieder zur Halle kommen. Seid ihr wieder da?“

„Ja, sind wir, wie fast immer. Frank hat auch vorhin angerufen, er bringt heute Nachmittag den Trani mit. Den können wir uns dann ansehen.“

„Ja, super. Ich bringe dann auch Giovanni und Francesca mit. Sie hat zugesagt, feste mitmachen zu wollen.“

„Gut, sagen wir so um vier vor der Halle?“

„Ja, dann bis nachher.“

Dienstag, 16.00 Uhr Gelsenkirchen Feldmark

Mark kam mit seinem 944er die Straße ´Am Bischhofsturm´ heruntergefahren als er sah, dass der gelbe Turbo S von Giuseppe schon vor der Halle stand. Daneben stand ein BMW M3 mit Mülheimer Kennzeichen. Das ist bestimmt Giovanni, dachte er. Als er auch vor der Halle geparkt hatte und ausstieg, stiegen auch Giuseppe, Janni, Giovanni und eine junge Frau aus. Das konnte nur Francesca sein. Er sah sich die Frau an und dachte – hoppla ist das eine Frau, Scheiße, sieht die gut aus, die wird Frank aber gefallen mit ihren langen schwarzen Haaren. Mensch, wird der aber Augen machen –. Alle vier begrüßten Mark auf italienische Art, auch Francesca. Mark schloss das Tor auf und alle fünf betraten die Halle. Giuseppe zeigte Giovanni und Francesca den M3. Den kannte Giovanni ja schon recht gut, da er ja selbst einen fuhr. Zwar nur eine Straßenversion, aber immerhin. Er wäre auch gerne Automechaniker geworden, durfte er aber nicht. Sein Vater war der jüngere Bruder von Giuseppes Vater und der hatte etwas dagegen. Denn schließlich sollten Giuseppe und Giovanni mal den ‚Italienischer Großhandel Lombardi‘ übernehmen. Das hatte zwar noch einige Jahre Zeit und so durften die zwei Cousins meistens machen, was sie wollten. Arbeiten mussten sie nicht. Mark und Janni unterhielten sich währenddessen. Am Straßenrand hielt ein Polizeiwagen. Zwei Streifenpolizisten stiegen aus. Mark sah die beiden. Auch die anderen vier hatten die beiden Polizeibeamte bemerkt. Sie schauten ziemlich überrascht, da diese auch noch die Halle betraten. Als Mark dann noch die beiden Streifenpolizisten mit „Hallo Dieter, hallo Günther“, ansprach und sie mit Handschlag begrüßte, wie man es nur bei sehr guten Bekannten tut, waren die vier noch erstaunter.

„Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Günther, dabei sah er zu den vieren hinüber.

„Ja, alles bestens. Lieb, dass ihr vorbeischaut“, sagte Mark und sich zu den Vieren wendend sagte er weiter.

„Das sind Dieter und Günther, inzwischen gute Bekannte. Die fahren immer hier vorbei und sehen nach dem Rechten. Unser ganz privater Wachschutz.“

„Ja, seit hier letztes Jahr eingebrochen wurde, machen wir das mindestens einmal am Tag.“ bestätigte Dieter. „Oder auch öfter, wenn es nichts zu tun gibt“, ergänzte Günther. Mark erzählte, wer die Vier seien und berichtete darüber, dass sie ab jetzt mit beiden Wagen an der DTR teilnehmen würden. Günther freute sich, das zu hören. „Das ist ja Klasse und mit dem Daimler habt ihr bestimmt auch gute Chancen vorne mitzufahren.“

„Das will ich mal nicht hoffen“, meinte Janni und lächelte dabei.

„Der Scherzkeks ist Janni Mascali, er fährt für das Alfa-Scorcese-Team“, klärte Mark die beiden auf.

„Da können wir für Sie leider nicht die Daumen drücken“, sagte Dieter und schüttelte etwas übertrieben seinen Kopf.

Nach einer Weile verabschiedeten sich die beiden Polizeibeamte wieder. Fünf Minuten später waren auch Michael und Moni da. Michael stellte den anderen seine Freundin vor. Die beiden jungen Frauen kamen schnell ins Gespräch, während sich die Männer zusammen den Mietvertrag von Uwe durchlasen. Eine Viertelstunde später fuhr ein Feuerwehr-Transit vor die Halle. Frank stieg aus und sah Francesca in der Halle stehen. Die Reaktion von ihm kannten Mark, Michael und Moni schon von ihrem Freund. Immer wenn er eine sehr gut aussehende Frau traf, die ihm dann auch noch wahnsinnig gut gefiel, wurde er rot im Gesicht, bekam keinen Ton mehr heraus und war mit der Situation völlig überfordert. Da alle ihn nun ansahen und die anderen drei über die Reaktion, oder besser gesagt, über die nicht Reaktion erstaunt waren, raunte Moni Francesca leise ins Ohr: „Das ist beim ersten Mal normal bei ihm. Das ist immer so, wenn ihm jemand gut gefällt. Frank ist aber ein ganz Lieber. “

„Der sieht aber auch gut aus“, flüsterte sie zurück und schaute ganz entzückt.

Da keiner weiter reagierte, ging Francesca einfach auf Frank zu und nahm den armen Kerl in den Arm. Er bekam rechts und links einen dicken Kuss auf die Wange und sie sagte zu ihm: „Du musst Frank sein, ich bin Francesca“, und lächelte ihn an.

Er stotterte: „Hal... lo... Fran... cesca.“

Mehr bekam er nicht heraus.

„Mein Bruder hat mir schon erzählt, dass du einen Trani mitbringen willst.“

Sie sah dabei auf den roten Ex-Feuerwehr-Transporter.

„Der sieht aber noch richtig gut aus.“

Das gefiel ihm, wollte etwas sagen und merkte aber, dass er zu diesem Zeitpunkt es nicht hinbekam und nickte daher nur. Da Janni leicht zu lachen anfing sah Mark ihn an und schüttelte den Kopf, dass er aufhören solle, was er auch tat. Francesca nahm Frank an die Hand und ging mit ihm zum Transit. Er zeigte ihr den Wagen recht wortlos. Als beide um ihn herumgegangen waren, schauten sie sich hinten die Ladefläche an. Sie lächelte ihn weiter an als er mit flatternder Stimme versuchte ihr mitzuteilen, dass die Holzeinbauten noch herausmüssten. Da Giovanni natürlich seine Schwester gut kannte, sagte er zu den anderen: „Das Verhalten habe ich bei ihr erst einmal erlebt.“

„Welches Verhalten?“, wollte Giuseppe wissen.

„Normalerweise ignoriert sie Männer, die sie wortlos anstarren, aber bei Frank ist es jetzt ganz anders.“

„Und was heißt das?“

„Frank gefällt ihr. So lieb kenne ich meine Schwester gar nicht.“

„Ja, da hast du recht. Eigentlich ist sie eher zurückhaltend und wirkt abweisend“, ergänzte Giuseppe.

Da die anderen sich auch den Trani ansehen wollten hielt Giovanni diese mit den Worten „lasst die beiden alleine“ zurück.

Frank und Francesca sahen sich beide an und sie legte einen Arm um ihn. Frank wurde es heiß und kalt.

„Du bist süß“, sagte sie zu ihm.

„Danke... du aber... auch.“

Ganz langsam bekam er wieder Kontrolle über sich, was sie bemerkte. Er sagte ihr, dass sie toll aussehen würde. Sie gab das Kompliment gerne zurück. Er erzählte ihr, was er zu dem Wagen sagen konnte. Sie hörte zu, sah ihn nur an und dachte – oh mein Gott, ist der süß –. Als Frank mit seinen Schilderungen fertig war, sahen sich beide nur lächelnd an. Ihre Augen strahlten. Am liebsten hätte er sie sofort geküsst, traute sich aber nicht. Sie empfand dasselbe, auch sie dachte darüber nach, ihn jetzt zu küssen. Traute sich aber auch nicht. Sie hielt noch immer seine Hand. Beide lächelten einander an. Nach einigen wortlosen Minuten und nach einer gefühlten Ewigkeit kamen beide wieder hinter dem Transporter vor. Nun inspizierten auch die anderen den Wagen. Frank ging mit Francesca zusammen in die Halle und er zeigte ihr alles. Er war begeistert, dass sie sich so dafür interessierte. Von ihr aus hätte er ihr alles erklären können. Seine Gedanken kreisten um sie und sie war sich sicher, dass sie so etwas noch nie erlebt hatte. War das Liebe auf den ersten Blick? Wenn ja, dann musste sie so aussehen und immer wieder dachte sie – ist das ein süßer Kerl, verdammt sieht der gut aus –.

Dienstag, 18.00 Uhr Köln

Signore Mascali erkundigte sich bei Josef und seinem Sohn, ob sie etwas von Janni gehört hatten. Was aber nicht der Fall war. Josef sah seinem Chef an, dass er sich Gedanken machte. Da er beide Söhne mit großgezogen hatte, wusste er, dass Janni sich noch nie so gegen seinen Vater aufgelehnt hatte. Diesen Janni hatte noch niemand kennengelernt. Es war, wie man so sagt „das Fass übergelaufen“. Er selbst hatte sich auch schon so seine Gedanken gemacht. Wie lange würde er wohl wegbleiben. Wo er wohl wäre. Vielleicht bei einem seiner Freunde, Emanuele oder Giuseppe. Er könnte ja mal anrufen. Die Telefonnummern hatte Janni ihm mal vor längerer Zeit gegeben. Eine Stunde später, die drei waren mit dem Abendessen fertig, ging Josef hoch auf sein Zimmer. Zuvor hatte er sich von Signore Mascali verabschiedet und ihm mitgeteilt, dass er sich zurückziehen würde. In seinem Zimmer hatte er noch nach dem Zettel gesucht, auf dem die Rufnummern standen. Nachdem er diesen fand, wählte er die erste Nummer. „De Rosa“ war am anderen Ende zu hören.

„Josef hier, guten Abend Frau De Rosa. Ich möchte mich erkundigen, ob Janni Mascali bei ihnen ist.“

„Hallo, Herr Josef. Janni? Nein, der ist nicht hier. Aber warten Sie mal, der war, ich glaube Samstag war es, hier. Er wollte zu Emanuele. Der ist aber mit meinem Mann auf Winzertour.“

„Gut, dann weiß ich Bescheid. Danke für die Auskunft, Frau De Rosa. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.“

„Das wünsche ich Ihnen auch, Herr Josef.“

Als nächstes wählte er die Rufnummer von Familie Lombardi.

„Familie Lombardi, Sie sprechen mit Emilia.“

„Familie Mascali, Josef hier. Guten Abend, Emilia.“

„Guten Abend, Josef. Sie möchten wissen, ob Janni hier bei Familie Lombardi ist oder was kann ich für Sie tun?“

„Ja, stimmt. Das wollte ich wissen.“

„Wer möchte das denn wissen, Sie oder sein Vater?“

„Nein Emilia, ich möchte das wissen.“

„Janni hat schon vermutet, dass Sie anrufen würden. Ich kann Ihnen sagen, dass er nicht hier ist, jetzt.“

„Wenn er bei Ihnen sein würde, ging es ihm dann gut?“

„Ja, es würde ihm sehr gut gehen, wenn er hier sein würde. Ohne seinen unangenehmen Vater.“

„Darf ich Sie wieder anrufen, um nachzufragen, wie es ihm gehen würde, wenn er bei Ihnen wäre?“

„Aber natürlich dürfen Sie, Josef.“

„Dann möchte ich Ihnen einen schönen Abend wünschen.“

„Danke, den werde ich haben, ich habe jetzt Feierabend.“

„Oh, dass habe ich jetzt auch. Ich schaue gleich den Krimi im Fernsehen.“

„Ja, den wollte ich mir auch ansehen. Vielleicht sprechen wir uns ja morgen Abend wieder?“

„Das würde mich sehr freuen, Frau Emilia.“

„Ach, sagen Sie doch du.“

„Gerne, du dann aber auch.“

„Sehr gerne, Josef. Dann also bis morgen Abend?“

„Ja, so um dieselbe Zeit?“

„Ja, gerne. Dann können wir uns ja über den Krimi unterhalten.“

„Ja, das machen wir.“

„Dann bis morgen“, sagte Emilia und dachte, der ist aber sympathisch.

„Dann bis morgen“, erwiderte Josef und empfand ähnliches.

Dienstag, 18.50 Uhr Gelsenkirchen Feldmark

Michaela war die letzte, die zur Halle kam. Da das Tor geschlossen war, öffnete sie es und ging durch. Einen sehr ungewohnten Anblick nahm sie wahr. Im Büro saß ihr Liebling mit Giuseppe und Giovanni. Michael, Moni und Janni saßen zusammen an dem Klapptisch, der vor dem 190er stand. Aber was war das denn? Frank saß mit einer ihr unbekannten Frau hinten in der Halle, weit abseits von den anderen. Moni bemerkte Michaela als erstes. Michaela ging auf die drei zu und begrüßte diese. Sie bückte sich zu Moni herunter und fragte: „Ist das Giovannis Schwester da neben Frank?“

„Ja, das ist Francesca.“

„Und warum sitzen die da hinten?“

„Das hättest du vorhin miterleben müssen. Die beiden haben sich gesehen und es ist bei beiden der Blitz eingeschlagen.“

„Und was sagt ihr Bruder dazu?“

„Giovanni hat nichts gesagt, außer, dass wir die beiden doch nicht stören sollen. Er sagte, so hätte er seine Schwester noch nie erlebt.“

Moni und Michaela sahen zu den beiden herüber.

„Jetzt wo du es sagst, die sehen ja wirklich total verliebt aus. Ist das süß.“

„Ja, nee. Ich gönne das unserem Frank von ganzen Herzen.“

„Das tun wir doch alle Vier. Und was ist mit den Dreien im Büro?“

„Ach, da kannst du ruhig stören, die machen den Vertag zusammen, den dein Vater aufgesetzt hat.“

„Alles klar, dann gehe ich mal rüber.“ Nach ein paar Schritten war das Büro erreicht. „Hallo, darf ich euch denn mal stören?“, fragte Michaela.

„Natürlich, mein Engel. Wen darfst du denn nicht stören?“

„Na, unser neues Liebespaar da hinten.“ Und strahlte dabei.

„Also mich stört es nicht, eher ganz im Gegenteil“, sagte Mark.

„Ich finde es toll, wenn mein Schwesterherz glücklich ist. Außerdem kommt sie jetzt auch garantiert immer mit. Das ist doch auch gut. Mark hat uns von der Enttäuschung mit der Giulia erzählt.“

„Das ist ein Hammer, oder?“

„Das gibt es doch eigentlich gar nicht. Im Kino würdest du das als völlig übertrieben empfinden“, antwortete Giovanni.

Giuseppe sagt nichts dazu, dachte aber – ich kann mir vorstellen, wer da hinter steckt, das dürfte meinen Vater interessieren –. Michaela setzte sich zu den Dreien. Mit dem Vertrag waren sie inzwischen fertig. Die vier besprachen, was sie jetzt noch alles organisieren müssten. Michaela nahm sich ein DIN-A4-Blatt und schrieb die Punkte auf. Nach einer Weile kam Moni ins Büro und wollte wissen, ob sie nicht alle mal was essen wollten. Nachdem sie herumgegangen war, um zu fragen, wer was wollte, gingen Michaela und sie die Straße herunter zur Frittenbude. Nach zwanzig Minuten waren sie zurück und alle setzten sich an den Campingtisch und aßen, außer Frank und Francesca, die für sich blieben. So blieb das auch den restlichen Abend. Bis um kurz nach zehn als Mark laut in die Halle sagte: „Wie sieht es bei euch aus? Sollen wir mal Schluss machen?“

Giuseppe sah auf die Uhr über dem Eingang.

„Du musst bestimmt früh raus?“, fragte Giovanni.

„So ist es.“

Alle machten sich langsam auf die Halle zu verlassen, auch das frisch verliebte Paar. Während Mark das Tor abschloss, nahmen sich die beiden draußen fest in den Arm. Es folgte wo alle anderen schon den halben Abend drauf gewartete hatten. Zart berührten sich ihre beiden Lippen. Janni, Giuseppe und Giovanni schauten. Michaela und Moni waren auf die Reaktion der drei Italiener gespannt. Es gab aber keine, außer von ihrem Bruder. Ihm konnte man ansehen, dass er sich für seine Schwester freute. Nun folgte ein viel intensiverer längerer Kuss. Frank und Francesca sahen sich an und alle anderen wussten es. Diese beiden hatten sich gefunden. Alle fingen an zu applaudieren, was die beiden bei ihrem Küssen unterbrach.

„Ihr seid so doof“, sagte Frank.

„Ach, lass die doch“, sagte Francesca, drehte Franks Kopf zurück und küsste ihn wieder.

Es dauerte noch viele Minuten bis sich die beiden für diesen Tag trennten.

24. Februar 1993, Mittwoch, 8.45 Uhr Mainz

Jochen Heims war in der Redaktion von Touren-Racing angekommen. Als erstes hatte er sich an seinen Schreibtisch gesetzt. Er nahm die Bilder wieder aus der Schublade und sah sich diese erneut an, die er am 26. Oktober 1992 vor dem Gebäude des Verbandes der Deutsche-Tourenwagen-Rennen gemacht hatte. Immer wieder hatte er sich diese angesehen. Der unbekannte Mann auf den Bildern kam ihm bekannt vor. Es wollte ihm aber nicht einfallen, wo er das Gesicht schon gesehen hatte. Auch seinen Chefredakteur hatte er schon gefragt. Er schaute auf seinen Tischkalender, dort sah er, dass Maik Bishelm, der Berufskollege von der Zeitschrift Motorwelt Aktuell, in einer Stunde vorbeikommen wollte. Bis dieser kommen würde, konnte er die Tagespresse studieren. Dort las er einen Bericht über die Deutsche-Tourenwagen-Rennen. Aus diesem ging hervor, was Jochen schon wusste. Es las sich wie eine Zusammenfassung von den zehn letzten Ausgaben von Touren-Racing. Etwas über eine Stunde später ging die Tür von dem Großraumbüro auf. Maik trat in die Redaktion mit den Worten: „Einen schönen guten Morgen zusammen, wünsche ich.“

„Guten Morgen, Maik“, antwortete Jochen, als er an seinem Schreibtisch angekommen war.

Er schaute auf die besagten Fotos, die noch auf dem Schreibtisch lagen.

„Ach, sind das die Aufnahmen, von denen du erzählt hast?“

„Ja, schau mal. Kennst du den Herrn? Ich habe den schon mal irgendwo gesehen.“

Maik nahm die Bilder in die Hand. Nach drei Augenblicken verzogen sich leicht seine Mundwinkel.

„Was ist? Kennst du den?“ Maik atmete etwas tiefer durch, schaute Jochen an und meinte: „Können wir mal zu deinem Chefredakteur gehen?“

„Ja, warum?“

„Komm mit“, sagte er und begab sich in die Richtung dessen Büros.

Jochen folgte ihm mit Unverständnis. Als beide in das Büro von Jochens Chef eingetreten waren, die Tür geschlossen war, die eigentlich immer offenstand, sagte Maik: „Jochen hat mir die Aufnahmen von dem zweiten Besuch vor dem Verband gezeigt.“

„Ja und das ist jetzt so wichtig, dass Sie meine Tür schließen?“, fragte der Chefredakteur.

„Ja, genau. Ich kenne den Herrn.“

Er machte eine Pause als er seine Lippen zusammenpresste.

„Jetzt machen Sie es nicht zu spannend.“

„Das ist der Bereichsleiter der Abteilung SO vom BKA.“

Er atmete erneut tief durch.

„Abteilung SO, wofür steht das?“

„Für schwere und organisierte Kriminalität.“

„Woher wissen Sie das denn?“

„Was ich ihnen jetzt sage, darf diesen Raum nicht verlassen“, sagte Maik und sah beide an.

„Ja, ist okay.“ „Mach dir keine Sorgen, wir können Geheimnisse für uns behalten“, waren die Reaktionen.

„Ich bin kein Reporter. Ich habe zwar die Ausbildung angefangen, habe mich dann aber beim BKA beworben.“

Maik machte wieder eine Pause.

Seine beiden Zuhörer sahen sich ungläubig an.

„Ich gehöre zur der Unterabteilung OK, steht für Organisierte Kriminalität.“

„Und wieso sind Sie jetzt bei der Zeitschrift Motorwelt Aktuell?“

„Weil wir vor einem halben Jahr einen Hinweis auf Mafia-Aktivitäten im Motorsport bekommen haben.“ Jochen und sein Chef waren sehr erstaunt. „Was habe ich dir letztens noch gesagt, Jochen?“, fragte der Chefredakteur.

„Die Berichte von dir sind nicht schlecht, aber eigentlich nicht gut genug für diesen Job. Du schreibst wie ein Anfänger.“

Maik schmunzelte und antwortete: „Es gibt Dinge, die ich besser kann. Das war auch der Grund, warum ich die Ausbildung abgebrochen habe.“

„Setzt euch und lasst uns besprechen, wie es weitergehen soll und wie wir euch helfen können“, sagte Jochens Chef.

Was die drei dann auch taten. Es wurde fast 12 Uhr bis sich die Bürotür wieder öffnete.

Mittwoch, 16.15 Uhr Ford Fischer Essen

Auf dem Parkplatz des Autohauses stand ein rotes BMW 3er Cabrio. Der Wagen fiel bei einem Ford-Händler auf, zumal er schon eine halbe Stunde dort stand. Franks Kollegen hatten schon überlegt, auf wen die gutaussehende dunkelhaarige Frau wohl wartete, da sie nicht ausstieg. Als alle Mechaniker Feierabend hatten, wollte keiner so richtig gehen. Alle warteten, wer denn nun zu dem Auto gehen würde. Frank kam als letzter aus der Umkleidekabine, wünschte seinen elf Kollegen noch einen schönen Abend und ging zu dem 3er. Er war nur wenige Meter entfernt als sie ausstieg. Er ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Nach einigen längeren Küssen fragte sie: „Haben deine Arbeitskollegen noch nie eine Frau gesehen?“

Beide sahen zu den elf herüber.

„Doch schon, aber vielleicht noch nie eine so hübsche Italienerin“, antwortete Frank.

„Tja, da haben sie jetzt Pech gehabt. Ich bin jetzt vergeben.“ Frank stutzte, fing dann an zu lächeln und küsste sie erneut. Beide sahen einander an. „Mir schlottern die Knie“, sagte er zu ihr.

„Das merke ich, dass hört in ein paar Wochen wieder auf hat mein Vater heute morgen gesagt.“

„Was... wieso, erschießt er mich vorher?“

„Erschießt, ach quatsch. Giovanni hat heute morgen meinen Eltern von uns erzählt.“

„Mmh, warum das denn?“

„Wieso, warum?“, sie machte eine kurze Pause.

„Ach, jetzt verstehe ich. Nein, da machst du dir die falschen Gedanken. Meine Eltern sind zwar Italiener, aber aus Kalabrien, Süd-Italien. Da haben die Frauen das sagen.“

„Oho, dann kann ich mich ja auf einiges einstellen, oder?“

„Mein Bruder und ich sind hier in Deutschland geboren. Wir sind mehr Deutsche als Italiener.“

„Was hat denn jetzt dein Vater damit gemeint als er sagte, das gibt sich nach ein paar Wochen.“

„Ach so, also Giovanni hat erzählt wie du total perplex gewesen bist als wir uns gestern gesehen haben.“

„Ja?“

„Und da hat meine Mama von ihrem ersten Treffen erzählt. Beide waren so um die zwanzig Jahre alt. Mein Vater hat auch keinen Ton rausbekommen und hat sich auch nicht getraut. Er hat heute morgen noch gefragt, ob sie das jetzt erzählen muss. Da hat meine Mama gesagt, warum denn nicht. Ist doch kein Geheimnis. Sie sagte, er habe Tage gebraucht bis er sich traute ihre Hand zu nehmen. Du musst wissen, dass Aussehen habe ich von ihr. Giovanni sieht aus wie mein Vater.“

„Tage hat er gebraucht?“

„Ja und irgendwann, als er merkte, dass sie es ernst mit ihm meint, hat er sich mehr getraut. Ist das nicht süß? Wie bei uns, meinte auch Giovanni.“

„Mmh, könnte man so sagen.“

„Und mein Vater sagte, dass er zu Anfang auch noch lange Knieschlottern hatte, wenn sie ihm Komplimente machte oder etwas Liebes sagte, so wie du jetzt. Dass das aber viele Wochen später einfach aufgehörte hat. Meine Eltern finden es ganz toll, wenn ich glücklich bin. Und mit einem blonden Deutschen haben sie überhaupt kein Problem. Hauptsache kein Sizilianer.“

„Aber Sizilianer sind doch auch Italiener.“

„Ja, das ist schon richtig. Seit 1861 gehört es zu Italien. Aber eigentlich sind sie Sizilianer und wollen keine Italiener sein.“

„1861, so etwas weißt du? Alle Achtung.“

„Ja, du hast eine kluge Freundin“, sagte sie.

Frank musste schlucken, hatte sie wirklich Freundin gesagt, fragte er sich. Meine Güte, wie geil ist das denn, sagte er zu sich selbst. Sie merkte, wie er wieder unruhig wurde.

„Du bist süß. Ich liebe dich, Frank.“

Frank musst wieder schlucken.

„Ich... dich... auch“, kam es ganz langsam aus ihm heraus.

Dann drückte sie ihn fest. Beide hatten gar nicht mitbekommen, dass die elf Kollegen bereits weg waren.

„Was machen wir jetzt?“, fragte sie.

„Ich wollte eigentlich zur Halle fahren“, sagte er etwas vorsichtig und bemerkte, dass er sich unsicher war, ob das die richtige Antwort war.

„Gibt es dort etwas Wichtiges zu tun für dich?“

„Nein, eigentlich nicht. Ich fahre immer nach Feierabend zur Halle.“

„Könnten wir auch zu dir fahren? Ich möchte gerne heute mit dir alleine sein. Morgen fahren wir dann wieder zur Halle, ist das okay?“

Franks Gedanken überschlugen sich in dem Augenblick.

– Hatte sie gerade gesagt, zu mir fahren, mit mir alleine sein, morgen zusammen wieder in die Halle fahren – dachte er.

„Geht dir das zu schnell?“, fragte sie zaghaft nach.

„Nein, nein, überhaupt... nicht...“

Dann machte er eine Pause, musste sichtbar schlucken und sagte weiter: „Ich kann das alles noch gar nicht glauben. Du meinst das wirklich ernst mit uns?“

„Ja natürlich, ich möchte mit dir zusammen sein.“

Für Frank öffnete sich der blaue Himmel, die Sonne ging für ihn auf und ihm wurde warm ums Herz.

„Okay, dann fahren wir jetzt zu mir nach Hause?“, fragte er.

„Ja, ich fahre dir hinterher.“

Beide stiegen in ihre Wagen und fuhren. Fünfzehn Minuten brauchten beide, um zu Franks Wohnung zu kommen. Er wohnte in einem Mehrfamilienhaus. Dieses befand sich im Ortsteil Freisenbruch, in der Freisenbruchstraße. Die Häuser standen quer zur Straße. Geparkt wurde auf Parkplatzflächen zwischen den Häusern. Diese waren von einer Genossenschaft und etwas günstiger, aber gut ausgestattet. Die Leute hatten am wenigsten Ärger mit dem Vermieter. Frank war ausgestiegen und ging zu Francescas Wagen, die noch drinsaß. Er machte ihre Fahrertür auf und sie stieg auch aus. Nachdem er ihr gezeigt hatte, in welchem der Häuser er wohnte, betraten sie dieses. In der Wohnung angekommen, zeigte er ihr seine dreieinhalb Raumwohnung. Zuerst Diele, Wohnzimmer und die Küche, die nicht aufgeräumt war. Das kleine Zimmer nutzte er als Ablageraum für die unterschiedlichsten Dinge, die man auch in den Keller hätte bringen können. Zuletzt das Schlafzimmer, dort blieb er im Türrahmen stehen. Sie sah an ihm vorbei und schob ihn in den Raum. Das Bett war für normale männliche Verhältnisse ordentlich. Sie drehte sich zu ihm um, er verspürte den Wunsch sie küssen zu wollen, was er dann auch ganz zaghaft tat. Sie freute sich über seine Zuneigung, drückte ihn an sich und presste ihre Lippen stärker an die seinen. Ihm wurde wieder warm und kalt. So vergingen etliche Minuten, wo sich beide ansahen und dann wieder küssten.

„Ich habe mich in dich verliebt“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie sah ihn an und erwiderte.

„Ich mich auch in dich.“

Als zum ixten Mal beide das Küssen unterbrachen und einander ansahen, sagte sie zu ihm: „Ist das okay für dich?“, und nahm das Gürtelende seiner Hose in die Hand.

Er schaute an sich hinunter. „Ja“ erwiderte er recht leise als er wieder aufsah. Sie öffnete seinen Gürtel, den Hosenknopf, den Reisverschluss und seine Hose rutsche an seinen Beinen herab. Sein Herz fing an zu rasen.

Gefühlter Puls, 110.

Sie hatte einen Pulli an, den sie sich auszog. Er traute sich, einen Blick auf ihren BH zu werfen. Da war keiner. Sie stand mit nackten Busen vor ihm.

Puls auf 150.

Seine Beine schlotterten wie Äste im Wind.

Sie sagte: „Ist gut, wir sind zusammen“, und nahm seine rechte Hand und legte diese auf ihre linke Brust.

Puls 180.

Beide küssten sich wieder. Sie zog sich auch ihre Hose aus, dann sein Sweatshirt. Nach seiner Unterhose und ihrem Slip, waren beide nackt. Puls gefühlt auf Maximum. Beide verbrachten die nächsten drei Stunden im Bett. Den restlichen Abend in Unterwäsche auf der Couch.

Mittwoch, 16.30 Uhr Gelsenkirchen Feldmark

Mark hatte Giuseppe und Giovanni, wie am Vortag, vor der Halle wartend angetroffen. Als alle drei ausgestiegen waren, fragte Mark „Wo habt ihr denn Janni und Francesca gelassen?“

„Janni musste zu seinem Team nach Frankfurt und Francesca holt Frank von der Arbeit ab.“

„Ach, dann kommen die beiden ja gleich zusammen.“

„So wie ich meine Schwester verstanden habe, wollte sie Frank vorschlagen, dass sie zu ihm fahren.“

„Aha.“

„Die beiden haben sich wahrscheinlich viel zu erzählen“, meinte Giuseppe.

„Apropos erzählen, Frank hat heute Vormittag angerufen, dass wir den Trani für 1200 DM haben können. Das hat auch Franks Chef bezahlt als er diesen in Zahlung genommen hat.“

„Hört sich doch nicht schlecht an. Dann schaue ich mal, wo wir noch einen entsprechenden Anhänger herbekommen“, sagte Giuseppe.

Als die drei sich ins Büro gesetzt hatten, las sich zuerst Giovanni, anschließend auch noch einmal Giuseppe den Vertrag durch, den er dann im Anschluss auch unterschrieb. Mark hatte die letzte Ausgabe der Zeitung für gebrauchte Gegenstände, den ´Revier Markt´, mitgebracht. In der schauten die drei nach Autotrailer mit Kippfunktion, Hebebühne und zusätzlichem Werkzeug, welches wahrscheinlich benötigt wurde, da ja nun zwei Fahrzeuge gewartet und repariert werden mussten. Eine in Frage kommende Hebebühne hatten sie gefunden. Auch zwei Kipp-Autotrailer standen drin. Mark nahm das Telefon und rief beide Verkäufer nacheinander an. Der erste war weg, der zweite noch da. Für den nächsten Tag verabredete er sich mit dem Verkäufer. Eine dreiviertel Stunde später kam auch Michael, der sich dazu setzte. Er wurde von Mark und Giuseppe auf den neusten Stand gebracht, auch was das junge Liebespaar anging.

„Ich gehe mal eben zum Auto“, sagte Giuseppe.

Als er wieder hereinkam, telefonierte er mit einem Mobiltelefon. Nachdem er fertig war, sagte Mark: „Du hättest auch das hier nehmen können.“

Und zeigte auf das alte grüne Telefon mit Wählscheibe.

„Okay, mache ich dann beim nächsten Mal.“

„Ist bestimmt günstiger“, sagte Mark.

„Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Giovanni und ich fahren morgen zu Franks Arbeit und kaufen den Transit. Dann können wir nachmittags gemeinsam zu dem Autotrailer fahren. Wenn der dann etwas ist, könnten wir den mit dem Transit direkt mitnehmen.“

Mark gab aber zu bedenken, dass Frank nur die roten Nummerschilder von Ford Fischer dabeigehabt hatte.

„Dann fahren wir um 9 Uhr zu Frank und melden den Transit dann auch sofort an.“

„Eine gute Idee“, fanden die anderen drei.

Nachdem noch ein paar Details besprochen waren, machten die vier recht früh um 18 Uhr Schluss. Mark nahm das Telefon und rief im PZ Essen an.

„Porsche Zentrum Essen, Müller am Apparat“, hörte er seine Verlobte sagen.

„Hallo, mein Engel, ich bin es.“

„Ach, hallo Liebling. Warum rufst du an?“

„Wir machen jetzt Schluss für heute. Wir sehen uns dann Zuhause?“, fragte Mark.

„Ja, gerne. Dann könnte ich uns ja was kochen. Dann müssen wir heute nicht schon wieder was aus der Frittenbude holen.“

„Das hört sich super an. Dann bis gleich, mein Engel.“

Wenig später war die Halle abgeschlossen und die Vier weg.

Mittwoch, 18.30 Uhr Duisburg

Bei Familie Lombardi klingelte das Telefon. Emilia ging flotten Schrittes zum Apparat.

„Familie Lombardi, sie sprechen mit Emilia.“

„Guten Abend, Emilia, ich bin es, Josef.“

„Hallo Josef, deinen Namen hättest du nicht sagen brauchen. Ich habe dich doch schon an der Stimme erkannt.“

„Das freut mich aber.“

„Wie fandest du den Krimi gestern?“

„Zu Anfang war er ja spannend, aber nach einer halben Stunde wusste ich schon, wer der Mörder war.“

„Das ging mir auch so. Ich hätte ja am liebsten umgeschaltet.“

„Und warum hast du das nicht?“

„Ich wollte doch heute mit dir darüber reden und hinterher wäre noch etwas passiert, was ich dann nicht gewusst hätte, das ging doch nicht.“

„Was schauen wir denn heute?“

„Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI, ist jetzt neu, was meinst du?“

„Ja, gut.“

„Morgen können wir dann ‚Wolffs Revier‘ schauen.“

„Ja, das sehe ich mir auch immer an.“ Es trat eine Pause ein.

„Willst du fragen, wo Janni ist?“

„Ja, wollte ich.“

„Der ist heute zu seinem Rennteam nach Frankfurt am Main gefahren. Wann er wieder herkommt weiß ich nicht.“

„Aber, er kommt zu euch zurück?“

„Ja, er kommt wieder her.“

„Aha?“

„Warum so erstaunt, was will er denn bei seinem Ekel von Vater?“

„Aber ich wohne doch auch hier.“

„Das habe ich mich heute sowieso gefragt, was machst du da eigentlich?“

„Na, das gleiche wie du bei Familie Lombardi.“

„Du Döskopp, dass meinte ich doch nicht.“

„Sag mal, wo kommst du eigentlich her? Ich meine, woher aus Italien.“

„Aus Kalabrien. Von dir weiß ich ja schon alles.“

„Woher das denn?“

„Mit mir spricht man hier. Ist das bei dir anders?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Janni hat mir alles erzählt. Ein sehr lieber junger Mann. Von mir aus kann der immer hierbleiben.“

Noch lange sprachen die beiden miteinander. Beide wollten etwas über die Vergangenheit des anderen wissen. Kurz vor der Tagesschau beendeten sie das Gespräch.

25. Februar 1993, Donnerstag, 8.55 Uhr Ford Fischer Essen

Giovanni und Giuseppe fuhren mit dem M3 von Giovanni bei Ford Fischer auf den Firmenparkplatz des Autohauses. Der 911 Turbo S wäre zu auffällig gewesen, hatte Giovanni gemeint. Im Verkaufsraum sprachen sie einen Verkäufer an.

„Wir möchten gerne mit Ihrem Kollegen, Herrn Lönz, sprechen.“

„Der ist aber kein Meister hier“, kam eine Antwort mit Unterton.

„Das macht nichts. Könnten Sie uns sagen, wo wir ihn finden?“

„Der ist in der Werkstatt, da können Sie aber nicht hinein. Hinterher verletzten Sie sich noch.“

„Sagen Sie mal, was sind Sie denn für...“

Giuseppe brach seinen Satz ab, da er einen seitlichen Fußtritt von Giovanni bekam.

„Gehen Sie mal da drüben hin, da ist der Meister. Sprechen Sie mit dem.“

Dann wendete er sich ab. Beim Meisterbüro angekommen, fragte Giuseppe: „Wir möchten gerne zu Herrn Lönz. Können Sie uns da weiterhelfen?“

„Zum Frank möchten Sie? Ja, einen Augenblick, ich ruf ihn mal.“

Der Meister ging zu der Tür, die in die Werkstatt führte und rief: „Frank, mein Bester, komm doch mal bitte. Hier sind zwei Herren, die dich sprechen wollen.“

Kurze Zeit später sahen die beiden Frank auf die Tür zum Meisterbüro zukommen. Frank sah auch Giuseppe und Giovanni und dachte – oh, oh, was wollen die beiden denn jetzt? Sind die jetzt wegen Francesca sauer –.

Im Meisterbüro angekommen blieb er mit zwei Metern Abstand von den beiden entfernt stehen.

„Hallo, Frank“, sagte Giovanni.

„Hallo, ihr zwei. Was ist los?“

„Wir haben gestern mit Mark und Michael besprochen, dass wir heute hier zu dir kommen und den Transit kaufen. Wir wollen ihn auch gleich sofort zulassen und heute Nachmittag mit den beiden einen Klapptrailer ansehen.“

„Ihr seid nicht wegen Francesca hier?“

„Nein, wegen dem Transit. Wieso, was ist mit Francesca?“

„Nichts, alles in Ordnung.“

„Wieso fragst du dann so komisch?“

„Weil sie die Nacht bei mir verbracht hat, dachte ich.“

„Ach und du meinst, da kommen jetzt zwei Italiener und räumen dich auf saubere Mafia-Art beiseite?“

„Mmh, ja so etwas in der Art. Ihr seid nicht sauer?“

„Nein! Erstens ist Francesca erwachsen, zweitens, wenn etwas gewesen wäre, hätte sie uns angerufen. Alles okay.“

Frank atmete etwas tiefer durch und man sah, dass er erleichtert war. Das sah nicht nur sein Meister, sondern auch die Beiden, die daraufhin auf ihn zugingen und in auf italienische Art jetzt erstmal richtig begrüßten.

„Alles in Ordnung. Das ihr die letzte Nacht nicht ‚Mensch Ärger dich nicht‘ gespielt habt, können wir uns schon denken“, sagte Giovanni.

„Francesca hat mich heute Morgen hergefahren und holt mich heute Nachmittag wieder ab.“

„Ist was mit deinem Auto?“

„Nein, das war ihre Idee.“

„Das hört sich ganz nach ihr an. Also mache dir keine Gedanken, wir sind glücklich, wenn Francesca es auch ist.“ Und sich zu dem Meister wendend „Frank hat uns allen ja den Feuerwehr-Transit gezeigt, wir würden den gerne für unser Team kaufen.“

„Das hat mir Frank schon erzählt“, sagte der Meister.

„Ich bin davon ausgegangen, dass ihr das mit dem M3 machen werdet und habe schon alles klar gemacht“, sagte Frank.

„Frank, denk bitte dran, dass ihr noch das Horn und die beiden Blaulichter abbauen müsst“, sagte Franks Chef.

„Mache ich, Chef.“ Und sich zu den beiden wendend. „Braucht ihr dann Francesca und mich heute überhaupt?“, fragte er.

„Möchtest du mit meiner Schwerster wieder alleine sein?“, war die Gegenfrage. Frank presste die Lippen aufeinander und nickte.

Giovanni schmunzelte und ging erneut auf Frank zu, nahm ihn fest in den Arm und flüsterte ihm ins Ohr.

„Verspreche mir bitte, dass du immer lieb zu ihr bist, ich hoffe, ich bekomme auch mal so ein Mädel wie sie.“

Beide sahen sich darauf hin an, während Frank Giovanni seine Hand mit den Worten hinhielt.

„Versprochen.“

Giovanni nahm die seine mit den Worten.

„Alles gut“, und gab anschließend Frank einen freundschaftlichen Schlag gegen seine linke Schulter.

„Wir sehen uns, Schwager“, sagte er noch und zwinkerte Frank zu.

„Alles klar, Schwager“, war die Antwort.

Zwanzig Minuten später war der Transit bezahlt und Giuseppe und Giovanni fuhren mit dem Fahrzeugbrief zum Straßenverkehrsamt zum anmelden. Später holten beide den Transporter mit neuen Kennzeichen ab.

Donnerstag, 16.15 Uhr Ford Fischer Essen

Das rote 3er Cabrio stand wieder auf dem Parkplatz. An diesem Tag wartete kein Arbeitskollege, um zu sehen, wer zu der hübschen Frau ging. Der eine und andere hob die Hand und grüßte sie sogar. Wie am Vortag kam Frank als letzter aus der Werkstatt. Als sie ihn sah stieg sie aus und beide nahmen sich küssend in den Arm. Sie sagte zu ihm „Hallo, mein angelo biondo”, und strahlte dabei.

„Was hast du gesagt?“

„Mein angelo biondo.”

„Was heißt das?”

„Blonder Engel, heißt das.”

„Okay, mein Goldstück.“

„Wieso Goldstück, ich bin doch nicht blond.“

„Nein, aber du bist das wertvollste, was ich habe“, antwortete er, schloss seine Augen und machte einen Kussmund. Den sie dann gerne küsste.

„Komm, dann lass uns zur Halle fahren“, sagte sie anschließend.

„Das brauchen wir nicht. Dein Bruder und Giuseppe waren heute da und haben den Trani gekauft. Den haben sie sofort zugelassen und mit Mark und Michael wollen sie sich einen Klapptrailer ansehen. Wir könnten also zu mir oder soll ich sagen zu uns fahren?“

Sie lächelte über das ganze Gesicht, ihre Augen strahlten.

„Unsere Wohnung finde ich gut.“

Zwei Minuten später verließen sie den Parkplatz. Unterwegs hielten beide noch bei einem Lebensmittelladen, wo sie etwas zum Kochen kauften. Sie hatte diesen Vorschlag gemacht, was ihm natürlich sehr gefiel. Als beide Zuhause ankamen, trafen sie die Tochter einer älteren Mitbewohnerin, die auf der gleichen Etage neben Frank, wohnte. Sie erzählte, dass ihre Mutter im Krankenhaus verstorben sei. Was beiden leid tat, auch wenn Frank die alte Dame kaum getroffen hatte. Francesca rief von Frank aus ihre Eltern an und teilte mit, dass sie eine weitere Nacht bei ihm bleiben würde. Das wunderte ihre Eltern nicht.

Donnerstag, 16.45 Uhr Gelsenkirchen Feldmark

Mark und Michael hatten sich mit Giuseppe und Giovanni vor der Halle verabredet. Mark war als erster da, hatte die Halle aber gar nicht aufgeschlossen. Er saß in seinem 944er. Michael kam mit seinem Golf und stellte den Wagen neben den von Mark. Beide unterhielten sich, bei offenem Fenster, in ihren Autos sitzend. Zehn Minuten später trafen Giuseppe mit dem Trani und Giovanni mit seinem M3 ein. Kurzer Hand stieg Michael bei Giuseppe in den Transit ein. Mark fuhr bei Giovanni im M3 mit. Er wollte von Mark wissen, ob der Unterschied zum Rennwagen sehr groß war. Nach einer Weile fragte Giovanni: „Darf ich dich was anderes fragen?“

„Na klar, was denn?“

„Wie lange kennst du Michael und Frank jetzt?“

„Puh... also mit Michael bin ich zusammen in den Kindergarten gegangen. Frank habe ich über Michael kennengelernt. Die beiden haben sich beim Bund getroffen und Michael hat Frank mal zu einer Party mitgebracht. Das ist bestimmt auch schon sechs Jahre her.“

„Vertraust du den beiden?“

„Auf jeden Fall. Die beiden schrauben am meisten an meinem Rennwagen, alleine deshalb muss ich Vertrauen haben.“

„Wie gut kennst du Frank privat?“

„Hey, sag mal, du machst dir Sorgen um Francesca. Richtig?“

„Na klar. Ich habe sie schließlich überredet bei Giuseppes Rennfahrerei mitzumachen.“

„Bei Frank musst du dir überhaupt keine Gedanken machen. Der wird sie auf Händen tragen.“

„Das freut mich zu hören.“

„Aber sag mal, ist das für dich nicht komisch, dass deine Schwester jetzt mit einem Deutschen zusammen ist?“

„Nein, überhaupt nicht. Ich bin, wie Giuseppe und Francesca, hier auch im Ruhrgebiet geboren. Dann bin ich fast nur mit Deutschen aufgewachsen und zur Schule gegangen. Als Kind hatte ich nur deutsche Freunde. Giuseppe wohnte schon immer in Duisburg. Mit ihm bin ich erst so richtig zusammengekommen als wir beide einen Führerschein hatten.“

„Okay, also erst seit zwei Wochen.“

„Was? Willst du etwas gegen meinen Fahrstil sagen?“

Mark grinste und erwiderte „Das war ein Scherz.“

„Scheiße! Das kann ja lustig werden mit euch.“

„Da kannst du mal von ausgehen. Denn Spaß haben wir eigentlich immer. Am allerliebsten untereinander.“

Wenige Minuten später waren die vier bei dem Anbieter des gebrauchten Klapptrailers angekommen. Michael und Mark sahen sich das Teil genau an. Auch eine Probefahrt hinter dem Trani machten die beiden. Die Feilscherei über den Preis übernahmen Giuseppe und Giovanni. Es war kurz vor 18 Uhr und die vier mit dem Trailer auf dem Rückweg. Mark fuhr diesmal mit Giuseppe zurück als er Mark fragte: „Willst du Michaela anrufen, dann braucht sie nicht zur Halle zu kommen?“, und hielt Mark sein Mobiltelefon hin. Mark war erstaunt über die Gedanken, die Giuseppe sich machte, wie es sonst nur gute Freunde tun. Er fand alle drei sehr sympathisch. Michaela und er waren überzeugt, dass das Klasse werden würde.

Donnerstag, 18.45 Uhr Duisburg

Bei Familie Lombardi klingelte wieder das Telefon. Emilia ging auch an diesem Abend flotten Schrittes zum Apparat.

„Familie Lombardi, sie sprechen mit Emilia.“

„Guten Abend Emilia, ich bin es.“

„Du rufst ja immer später an“, beschwerte sie sich bei ihm. „Du lässt mich hier warten.“

„Entschuldige, ich konnte nicht früher.“

„Das mir das morgen nicht noch später wird. Sonst können wir uns ja bis zur Tagesschau gar nicht mehr richtig unterhalten.“

„Ja, ich versuche es morgen früher.“

„Nein, nicht versuchen, machen!“

„Aber wenn Signore Mascali noch etwas wünscht, kann ich doch nicht sagen, ich habe jetzt keine Zeit, ich muss jetzt telefonieren.“

„Das Ekel kann auch seinen Wein mal selbst holen.“

„Woher weißt du das denn?“

„Habe ich doch gestern schon gesagt, mit mir wird hier gesprochen.“

„Das kann dir ja nur Janni erzählt haben.“

„Ich hätte Sonntag eigentlich einen freien Tag. Willst du mich nicht mal abholen und mich ausführen.“

„Öh...?“ Josef machte eine Pause.

„Was ist, musst du jetzt erst überlegen? Hast du ein Auto?“

„Ja, eigentlich schon, aber das ist noch nicht wieder hier.“

„Was heißt das denn?“

„Das ist eine längere Geschichte.“

„Also, pass auf. Du kommst mich hier am Sonntag um 11 Uhr abholen und dann fahren wir nach Düsseldorf, da war ich schon...“

„Halt, halt mal. Ich weiß noch gar nicht, ob ich frei bekomme.“

„Was heißt denn, frei bekomme? Wann hast du denn deinen freien Tag?“

„Eigentlich habe ich... äh... keinen freien Tag.“

Die letzten Worte sagte Josef so leise, dass Emilia Schwierigkeiten hatte diese zu verstehen.

„Was wirst du denn jetzt so leise? Hast du gerade gesagt, du hast keinen freien Tag?“

„Ja.“

„Ja? Dann hast du mehr Urlaub?“

„Äh... nein, ich hatte gar keinen Urlaub, seit 35 Jahren.“

„Bitte! Sag mal, trägst du Fußfesseln mit einer Stahlkugel dran?“

„Nein.“

„Was sind das denn für Verhältnisse bei dir?“

„Meinst du, ich sollte mal was sagen?“

Es kam keine Antwort.

„Hallo Emilia, bist noch da?“

„Ja, bin ich. Du möchtest jetzt keine Antwort auf die Frage! Also morgen rufst du spätestens um halb sieben an und am Sonntag kommst du mich um 11 Uhr abholen.“

„Ich mache, was ich kann.“

„Bitte?“

„Ja, ja schon gut. Du behandelst mich, als wären wir verheiratet.“

„Fürs heiraten muss ich dich erstmal sehen.“

Die nächste Stunde bis zur Tagesschau bekam Josef Verhaltensmaßregeln zu hören. Als beide das Gespräch beendet hatten, überlegte er noch lange über das nach, was Emilia zu ihm gesagt hatte. Eigentlich hatte sie ja Recht. Nie Urlaub, nie frei, immer parat. Und was war mit heiraten? Nie Zeit gehabt. Je länger er überlegte, desto richtiger kamen ihm die Einwände von ihr vor. Kurz vor dem Einschlafen wusste er, Emilia will ich kennenlernen. Am Sonntag fahre ich zu ihr und wenn es mit dem Taxi ist. Gute Nacht.

26. Februar 1993, Freitag, 8.30 Uhr Köln

Michele Alessandro Mascali und sein ältester Sohn Nicola befanden sich schon im Wohnzimmer. Josef kam rein und fragte: „Soll ich das Frühstück bringen?“

„Nein, wir frühstücken später. Die Männer kommen gleich.“

„Signore Mascali, ich muss Ihnen noch was sagen.“

Michele stutzte.

„Ja, was denn?“

„Ich... nehme... mir, äh... am Sonntag den ganzen Tag frei.“

„Du nimmst dir was?“

„Ja und ich arbeite jetzt auch nur noch bis 18 Uhr. Und Urlaub möchte ich jetzt auch endlich haben“, sagte Josef und wurde etwas blass dabei.

Signore Mascali und Nicola staunten nicht schlecht, was sie da gerade gehört hatten. Keiner der beiden sagte etwas dazu. Sie waren einfach sprachlos. Das kam sehr überraschend.

„Ich lasse mich auch nicht umstimmen“, ergänzte er noch.

– Emilia wird stolz auf mich sein, sagte er zu sich selbst –.

Dann klingelte es vom Eingangstor. Josef wendete sich ab, um die Tür und das Tor zu öffnen. Als er das Wohnzimmer verlassen hatte, fragte Nicola seinen Vater: „Was war das denn?“

„Das frage ich mich auch. Woher hat er das denn jetzt?“

„Da kann doch nur mein Bruderherz hinter stecken.“

„Dann hätten die beiden ja doch Kontakt. Josef hätte mich also angelogen. Mmh, das gefällt mir aber nicht.“

Josef öffnete das Tor. Der Alfa Romeo 155 von Italiano und die beiden Fiat Croma kamen auf das Gelände gefahren. Wenig später traten die Mitarbeiter Italiano, Luca, Filippo, die Mancini Brüder und die beiden neuen Männer Mattia Prias und Andrea Donati in das Wohnzimmer. Die beiden Neuen waren auf Grund der Polizeiüberwachung noch nie zu dem Anwesen gekommen. Das war nun aber möglich, da seit Montagmittag das Observierungs-Team in dem älteren Ford Sierra nicht mehr das Anwesen überwachte. Josef begleitete die Männer nur bis zum Wohnzimmer, dann ging er wieder. Signore Mascali stutzte erneut, dann begrüßte er die Männer: „Schön, dass ihr gekommen seid.“

Er sah einen nach dem anderen an, machte bewusst eine Pause, um dann fortzufahren: „Italiano, Filippo, ihr hattet ja die Aufgabe euch über die Reporter Bishelm und Heims zu erkundigen, hat mir mein Sohn gesagt.“

„Das haben wir auch getan, Capo (Boss). Jochen Heims ist seit vielen Jahren bei Touren-Racing. Maik Bishelm ist erst seit einem halben Jahr bei Motorwelt Aktuell. Wir haben nicht direkt in Erfahrung bringen können, wo er vorher war. Mehrere Leute haben uns erzählt, dass er bei irgendeiner kleinen Zeitung im Schwarzwald gewesen sei. Beide wohnen alleine. Der Heims hat eine Freundin, die Stewardess ist, die fliegt sehr viel Langstrecke und sie sehen sich teilweise nur alle 14 Tage. Und der Bishelm hat anscheinend keine Freundin oder Geliebte. Kann daran liegen, dass er erst kurze Zeit in Wiesbaden ist.“

„Sonst habt ihr nichts herausgefunden?“

„Der Heims hat sechs Punkte in Flensburg, Bishelm keine. Heims interessiert sich nur für Motorsport und Bishelm schaut Fußball. Ach, die Schuhgröße wissen wir noch und was die so essen.“

„Woher wisst ihr, was die für Sport schauen?“, wollte Signore Mascali wissen.

„Wir waren in deren Wohnungen.“

„Ihr seid doch nicht eingebrochen?“

„Nein, natürlich nicht, wir sind doch keine Anfänger. Heims hat seinen Schlüssel bei der alten Nachbarin hinterlegt und der andere hat ein Schloss, das war ein Witz. Alles ohne Spuren. Versprochen.“

„Gut, Italiano, dann glaube ich dir das. Du bestimmst zwei, die die beiden jeweils weiter im Auge behalten. Dann möchte ich, dass ihr Zwei,“ er sah dabei Marco und Antonio Mancini an, „euch das Jannson-Team vorknöpft. Die beiden Fahrer, Egener und Niesel, werden bestimmt weiter Ärger machen. Ihr müsst dem Chef, Sauer heißt er, glaube ich und diesem Schäfer ein für alle Mal klar machen, dass wir keinen Spass machen.“

„Wie deutlich möchten Sie das, Capo?“, fragte Antonio.

„Schon sehr deutlich, wenn es sein muss schickt einen aus dem Team auf Reisen. Das gleiche gilt für diese scheiß Fahrer.“

„Bene.“

„Und ihr bleibt bei dem Team, bis ich etwas anderes sage.“

Dieser Befehl war nun für alle sehr deutlich geworden, auch für Nicola.

„Italiano, dann schickst du zwei zu Schneider Racing. Nein, halt, nicht direkt zu denen, sondern wie folgt.“

Er unterbrach seinen Satz und sah zu Nicola herüber.

„Gebe Italiano die Maßnahmen-Auflistung.“

Was Nicola auch sofort tat. Gabriel Gallo, alias Italiano, las sich die Liste durch. Nachdem er fertig war, machte er für einen Augenblick ein erstauntes Gesicht.

„Und du mein Bester“, sagte Signore Mascali weiter: „ich möchte, dass du dir alle anderen Teams noch einmal genau ansiehst, ob sich inzwischen etwas verändert hat und so weiter. In fünf Wochen fängt die Saison an.“

„Wird erledigt, Capo. Rückmeldung an Sie oder an Nicola?“

„Nein, an mich.“

Dieser Seitenhieb hatte gesessen. Man sah Nicola an, dass er in seiner Ehre gekränkt war. Fünf Minuten später gingen die Männer und verließen das Anwesen. Keiner hatte mitbekommen, dass das Telefon geklingelt hatte und das Josef nach dem Gespräch mit einem Taxi das Anwesen verlassen hatte.

Freitag, 9.30 Uhr Essen

Bei Mark klingelte schon zum zehnten Mal an diesem Morgen das Telefon. Er nahm den Hörer ab: „Fenster und Türen Müller, Kirchheim, guten Tag.“

„Guten Morgen Mark, ich bin es.“

„Hallo Frank, wie geht es dir?“

„Wenn du Francesca meinst. Traumhaft, einfach nur traumhaft. Scheiße ist das eine Frau.“

„Du hast dich also in sie verliebt?“

„Ja, aber völlig.“

„Und wie ist das bei ihr?“

„Sie genauso. Wir überlegen schon, ob wir nicht zusammenziehen.“

„Hoppla, das geht jetzt aber mal richtig schnell.“

„Wir sind uns sicher, dass es das Richtige ist mit uns beiden, meine ich.“

„Wenn ihr euch beide sicher seid, dann mach es.“

„Weshalb ich anrufe, du weißt doch wo ich wohne?“

„Ja, klar.“

„Neben mir wird die Wohnung frei. Meine Nachbarin ist plötzlich verstorben. Wollt ihr euch nicht mal bei der Genossenschaft in Essen-West melden?“

„Öh... ja klar. Auf jeden Fall besser als die jetzige Bruchbude. Ich rufe direkt Michaela an.“

„Das wäre doch Klasse, wenn wir Tür an Tür wohnen würden, oder?“

„Auf jeden Fall, das wäre es.“

„Okay, ich muss jetzt, sonst ist gleich meine Pause um, schau.“

„Wie schau?“

„Ja, das sagt man in Italien.“

„Okay, dann schau.“

Beide hingen ein. Mark musste schmunzeln, ein ganz anderer Frank, dachte er. Dann wählte er die Nummer vom Michaelas Arbeit.

„Porsche Zentrum Essen, sie sprechen mit Frau Müller.“

„Ja, noch.“

„Hallo Liebling, wieso sagst du noch?“

„Na, weil die Leute, die anrufen, demnächst mit Frau Kirchheim sprechen.“

„Ja, dass stimmt. Da freue ich mich auch schon drauf.“

„Das du dich dann so melden kannst?“, fragte Mark mit einem Unterton.

„Du hast mich schon richtig verstanden, aber warum rufst du an?“

„Die Wohnung neben Frank wird frei. Die Nachbarin ist plötzlich verstorben.“

„Oh, das tut mir leid.“

„Sollen wir uns auf die Wohnung bewerben?“

„Das ist doch eine Genossenschaftswohnung, oder?“

„Ja, die gehört zur der von Essen-West.“

„Ach, das ist gut, da hat meine Mutter immer noch Anteile. Ich rufe sie gleich an. Und ist die Wohnung genauso groß, wie die von Frank?“

„Glaube ja.“

Beide telefonierten noch zwei Minuten, dann hingen sie ein und sie rief ihre Mutter in deren Boutique an. Die fand die Idee auch gut und bewarb sich mit ihrem Anteil für ihre Tochter und Mark für die Wohnung.

Freitag, 17.05 Uhr Gelsenkirchen Feldmark

Als Mark die Straße zur Halle heruntergefahren kam, waren bis auf Michaela, die noch arbeiten musste, schon alle da. Michael und Moni, Frank und Francesca, Giuseppe und Giovanni. Das Tor war aufgeschlossen und alle standen im Kreis davor. Mark nahm den nächsten freien Parkplatz vor der Bender-Halle. Als er ausgestiegen war, schauten ihn alle an.

„Da ist ja unser Team-Chef“, rief Frank.

„Ja, komm in unsere Mitte, Boss“, ergänzte Giuseppe.

„Was ist denn mit euch los?“, fragte Mark.

„Na, hier ein Brief für dich“, sagte Michael und hielt ihm den besagten hin.

Mark nahm den Brief und schaute auf den Umschlag. Er las vor, was dort stand: „Motorsport Team Kirchheim, z. Hd. Team-Chef M. Kirchheim, Am Bischhofsturm 53, 4650 Gelsenkirchen.“

Er sah zu den anderen hoch und sagte: „Seit wann sind wir Motorsport Team Kirchheim? Davon weiß ich nichts.“

„Oh, das war ich dann wohl“, gab Giuseppe zu.

„Bei dem Anruf beim Verband hat mir die Dame am Telefon gesagt, dass du Mark, dann jetzt kein Privat-Fahrer mehr bist.“

Er machte eine Pause.

„Sondern?“

„Sie sagte, da jetzt ein zweites Fahrzeug gemeldet wurde, würde sich der Status in ein normales großes Renn-Team ändern. Sie hat mich gefragt, ob sie ‚Motorsport Team Kirchheim‘ schreiben soll oder etwas anderes.“

„Und da haste ja gesagt?“

„Ja, war das falsch?“

„Na, vielleicht hätten wir ja ‚das Ruhrgebiets-Team‘ oder ‚die, die sowieso nicht gewinnen‘ heißen wollen.“

Mark machte ein sehr ernstes Gesicht und sagte mit energischem Ton weiter: „Das war alles andere als in Ordnung. Das wäre eine Gemeinschaftsentscheidung gewesen.“

Alle sahen Mark erschrocken an, außer Frank. Der lächelte und erwiderte: „Nee, nee, ist klar. Lasst euch nicht ins Boxhorn jagen. Seht ihn euch doch an. Das meinst du doch sowieso nicht ernst.“

Mark versuchte weiter ein sehr ernstes Gesicht zu machen. Michael und Moni waren die nächsten, die anfingen, an der Aussage zu zweifeln.

„Komm Mark, du kannst dir doch kaum noch das Lachen verkneifen“, meinte Michael.

Und das konnte Mark auch nicht mehr. Er musste loslachen. Auch die anderen lachten nun. Ein sehr schönes Bild ergab sich dabei. Sieben Leute, die im Kreis standen und alle laut lachten. Mark gab mit seinem rechten Arm Giuseppe zwei leichte Schläge auf dessen Schulter und sagte: „Alles gut. War nur Spaß. Ist völlig in Ordnung. Der Name ist okay, wenn alle damit einverstanden sind.“

Die Zustimmung war ringsum durch nicken zu sehen.

„Boh, und ich dachte schon, du wärst richtig sauer auf mich.“

„Aber doch nicht wegen so etwas. Das ist mir doch egal, so lange da nicht ‚Scheiß-Team‘ steht.“

„Was steht im Brief?“, wollte Frank wissen.

Mark öffnete den Umschlag, nahm den Brief heraus und las.

„Und, was steht drin?“

„Ja, sag schon.“

„Erzähl doch.“

„Na los, Chef“, waren die neugierigen Äußerungen.

Mark reichte den Brief an Giuseppe weiter und sagte dazu: „Hier, da haste das Ergebnis von deinem Anruf.“

Giuseppe nahm den Brief, sah Mark mit einem zweifelnden Blick an und las.

„Tja, das ist ja ein Dingen. Wer hätte mit so etwas gerechnet“, sagte Giuseppe und reichte den Brief an Frank weiter. Auch er nahm ihn und las diesen durch.

„Ach, du Scheiße. Na, das haben wir jetzt davon.“ Und machte dazu noch ein betretenes Gesicht.

„Was ist? Was steht da?” fragte Francesca.

„Ja, was steht denn da nun?“, wollte auch Michael nun endlich wissen.

„Giuseppe, sag du es ihnen“, gab Mark weiter.

„Ja, hier steht, ‚Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, Sie ab jetzt als reguläres Team bei der DTR begrüßen zu dürfen. Ihr Status als Privatier entfällt hiermit‘. Ist das spitze?“

Und sah Mark an.

„Ja, das ist es. Komm her“, meinte Mark zu seinem neuen Rennkollegen.

Beide nahmen sich in den Arm und drückten sich.

„Chef, was machen wir jetzt zur Feier des Tages?“, fragte Moni.

„Das kann ich euch sagen“, antwortete Giuseppe.

Alle sahen ihn an.

„Giovanni und ich laden euch zum Essen ein.“

Damit waren alle einverstanden. Sie gingen in die Halle und warteten auf Michaela, die um kurz vor 18 Uhr schon kam. Ihr wurde die Neuigkeit auch mitgeteilt. Nachdem sie es wusste, fragten die anderen.

„Chef, wann fahren wir denn?“

„Teamchef, wohin geht es denn?“

„Boss, nun sag doch, wo wir heute Abendessen gehen?“

Michaela schaute Mark an und ergänzte: „Ja Chef, ich möchte auch wissen, wo es hingeht.“

„Was fragt ihr mich denn? Giuseppe und Giovanni laden uns doch ein.“

Wenige Minuten später fuhren alle zu dem neuen Italiener ´Il Mulino´. Dort betraten sie mit acht Personen das Lokal. Sie verbrachten dort bis nach Mitternacht den Abend. Als acht Freunde gingen sie wieder. Alle freuten sich auf die kommende Saison 1993 als sie sich für die nächsten zwei Tage verabschiedeten.

28. Februar 1993, Sonntag, 10.50 Uhr Duisburg

Josef hatte am Freitag einen Anruf von der Polizei-Hauptwache in der Kölner Innenstadt bekommen. Ihm war mitgeteilt worden, dass sein Wagen an der Verwahrstelle zur Abholung bereitstand. Mit einem Taxi war er auch sogleich dort hingefahren, da er ja seinen 190er für Sonntag zu Emilia brauchte. Am Freitag- und Samstagabend hatte er sie um kurz nach 18 Uhr angerufen. Nun stand er vor dem Haus der Familie Lombardi. Er war aufgeregt wie ein Teenager. Nach zwei Minuten des Überlegens stieg er aus dem Wagen und ging zur Tür. Nachdem er geklingelt hatte, machte wenig später eine ältere Dame die Tür auf.

„Hallo, Josef. du bist ja sogar pünktlich“, begrüßte sie ihn und sah ihn genau an.

Es stand ein älterer Mann mit fast weißen Haaren vor ihr. Ihr Gesicht machte einen zufriedenen Eindruck.

„Hallo, Emilia. Ich habe getan, was du mir sagtest“, antwortete er und sah auch sie genau an.

Sie war etwas kleiner als er. Eine schlanke Frau, die ein langes grün gestreiftes Kleid trug. Auch ihre Haare waren weiß.

„Ich bin fertig, wir können fahren“, sagte sie zu ihm.

„Das freut mich“, erwiderte er.

Sie legte noch einen Mantel über ihren Arm und wollte gerade gehen als von hinten ein Mann und eine Frau in die Eingangshalle kamen.

„Emilia, wir wollten euch doch wenigstens einen schönen Tag wünschen“, sagte Donna Lombardi.

„Das ist ganz lieb von Ihnen“, antwortete Emilia.

Da ihre beiden Herrschaften gerade einmal dort standen, stellte sie Josef den beiden vor. Ein paar Minuten später fuhren sie nach Düsseldorf. Nach einem ausgiebigen Spaziergang am Rhein lud Josef sie zum Essen in der Altstadt ein. Den Nachmittag verbrachten die beiden auf der Königsallee, auch Kö genannt. Auf dem Rückweg zum Ufer des Rheins, wo der 190er stand, gingen beide noch Kaffeetrinken. In dem Cafe blieben sie länger sitzen. Nach 19 Uhr brachte Josef sie zu den Lombardis zurück. Beide saßen im Auto und sprachen noch miteinander. Kurz bevor sie aussteigen wollte, sagte sie noch zu ihm: „Übrigens, das mit der Heirat würde für mich in Frage kommen. Du siehst für dein Alter noch recht gut aus und scheinst ja auch ein ganz Lieber zu sein.“

Josef schaute sie mit großen Augen an, schluckte und sagte: „Du gefällst mir auch gut. Meinst du das jetzt ernst mit der Heirat?“

„Ja, natürlich. Wahnsinnig viel Zeit haben wir ja nicht mehr. Schließlich sind wir beide ja nicht mehr die Jüngsten.“

„Aber wir kennen uns doch noch gar nicht richtig.“

„Das ist nicht so wichtig. Wir lernen uns dann kennen, wenn wir zusammen sind.“

Josef staunte nicht schlecht.

„Und wenn das mit uns nicht klappt.“

„Was soll da nicht klappen? Ich habe über uns beide nachgedacht. Du bist da seit Ewigkeiten bei diesen Mascali´s. Machst da alles, was die von dir wollen, ohne den Mund auf zu machen. Also bist du nicht widerspenstig, sondern anpassungsfähig. Das wird schon mit uns klappen, da bin ich mir sicher.“

„Ja, aber wir können uns dann nur an unseren freien Tagen sehen.“

„Wieso das denn?“

„Du bist hier und ich in Köln.“

„Wenn wir heiraten ziehst du natürlich zu mir.“

„Wie zu dir? Hier zu den Lombardis?“

„Ja und wenn die das nicht wollen, ist das auch kein Problem. Ich habe mein ganzes Leben nicht viel von meinem Verdienst ausgegeben. Das wird für uns reichen. Hast du kein Geld bekommen?“

„Doch natürlich habe ich Geld bekommen. Und eigentlich habe ich fast gar nichts ausgegeben.“

„Ja, dann musst du dir keine Gedanken drüber machen. Kannst du dir vorstellen, mich zu heiraten?“

Josef musste schlucken. Ganz langsam kam die Antwort: „Jaaa... kann ich.“

„Gut“, sagte sie und rutschte zu ihm rüber.

Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn. Das gefiel ihm sehr. Wie lange hatte er sich so etwas gewünscht. Sie sah ihn an und meinte: „Ich spreche morgen mit meinen Herrschaften, ist das in Ordnung?“

Er nickte nur.

„Und wegen dem hier, musst du dir keine Gedanken machen, dass bekommen wir schon hin.“ Und fasste dabei mit ihrer Hand in seinen Schritt. Beide sahen sich an. Die Gedanken waren die gleichen. – Warum warten, wieso eigentlich nicht –. Noch eine weitere halbe Stunde blieben sie zusammen im Wagen sitzen, bis sie dann doch ausstieg. Sie küssten sich noch einmal. Sie ging ins Haus und er fuhr auch nach Hause, fürs erste.

Der Rennfahrer Mark Kirchheim - Band 2 - Motorsport-Roman

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