Zorn und Vergebung
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Martha Nussbaum. Zorn und Vergebung
Zorn und. Vergebung
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Inhalt
Danksagung
1 Einführung: Aus Furien werden Eumeniden
2 Zorn: Schwäche, Vergeltung und Herabsetzung
I Zorn: Das fehlende Bindeglied
II Zorn: Gedanken, Empfindungen, Eudämonismus
III Die Elemente des Zorns
IV Zorn und Vergeltung
V Die drei Wege: Der Übergang
VI Der Zorn des Übergangs und die instrumentellen Funktionen des Zorns
VII Der Zorn Gottes
VIII Zorn und Geschlecht
IX Zorn und andere „reaktive Haltungen“: Dankbarkeit, Trauer, Ekel, Hass, Verachtung, Neid
X Der Hüter des Zorns: Das sanfte Gemüt
3 Vergebung: Eine Genealogie
I Vergebung und Genealogie
II Die jüdische Teschuwa: Buchführung über Taten und Unterlassungen
III Die christlich-transaktionale Vergebung: Buchführung im inneren Bereich
IV Bedingungslose Vergebung
V Ein Gegenstrang: Der verlorene Sohn und Mahlers Religion der Liebe
VI Abweichende Stimmen in der jüdischen Tradition
VII Die menschliche Verletzlichkeit anerkennen?
Anhang: Dies Irae76
4 Vertraute Beziehungen: Die Falle des Zorns
I Verwundbarkeit und tiefe Empfindungen
II Vertrautheit und Vertrauen
III Falsche gesellschaftliche Wertvorstellungen: Beschämen und Kontrolle
IV Elterlicher Zorn auf Kinder: Die verlorene Tochter
V Zorn von Kindern auf die Eltern
VI Dankbarkeit und Gegenseitigkeit
VII Liebende und Ehepartner: Belastungen
VIII Liebende und Ehegatten: Treuebruch, Zerbruch der Beziehung
IX Zorn auf sich selbst
X Recht in Familienbeziehungen
5 Der mittlere Bereich: Eingeschränkter Stoizismus
I Alltäglicher Zorn
II Der mittlere Bereich bei den Stoikern
III Zwanglose Interaktionen: Falsche Zuschreibungen und verdrehte Bewertungen
IV Die Mitte der Mitte: Kollegen und Gelegenheitskontakte
V Dankbarkeit aus Gefälligkeit
VI Die Schädigung des Wohlergehens: Eine Aufgabe für die Rechtsprechung
VII Das sanfte Gemüt
6 Der politische Bereich: Alltagsgerechtigkeit
I Die Eumeniden
II Noch einmal falsche soziale Werte
III Unrechtshandlungen und die Herrschaft des Rechts: Herausforderungen bei Vergeltung und Besserung
IV Zornlosigkeit und das Strafrecht
IV.1 Die Rolle der Betroffenen in Strafprozessen: victim impact statements
IV.2 Würde und Scham
IV.3 Konfrontation und Wiedereingliederung
V Gnade: Verknüpfung des nachträglichen Handelns mit vorausschauendem Denken und Handeln
7 Der politische Bereich: Revolutionäre Gerechtigkeit
I Edler Zorn?
II Eine Geschichte vom Übergang: Patons Denn sie sollen getröstet sein
III Revolutionäre Zornlosigkeit: Theorie und Praxis
IV Mandelas außergewöhnliche Großzügigkeit
IV.1 Kobie Coetsee: Vertrauen und Sicherheit
IV.2 Die zweiteilige Hymne
IV.3 Die Rugbymannschaft
V Keine Zukunft ohne Vergebung?
8 Fazit: Die Augen der Welt
Anhang A: Emotionen und Upheavals of Thought
Anhang B: Zorn und Schuldzuweisung
Anhang C: Die unterschiedlichen Arten des Zorns
Anmerkungen
Literatur
Register
Zum Buch
Informationen zur Autorin
Отрывок из книги
Martha Nussbaum
Plädoyer für eine
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Eine weitere Sache ist festzustellen: Wenn der Übergang erst einmal begonnen hat, ist kein Raum mehr für die Vergebung eines Typs, den wir in Kapitel 3 untersuchen werden. Die Vergeltungsmentalität geht häufig mit einem Wunsch einher, die Gegenseite kriechen zu sehen. Die von mir so genannte „transaktionale Vergebung“ fordert eine Aufführung von Reue und Erniedrigung, die selbst Abrechnungsfunktion hat und so einen Typus der Vergeltung darstellen kann. (Häufig ist die Vergeltungsmentalität auch mit einer Fokussierung auf den Status in Form von Erniedrigung und Niedrigkeit verbunden.) Die Mentalität des Übergangs geht hingegen häufig mit einem Wunsch nach Gerechtigkeit und Brüderlichkeit einher. Ihn lamentieren und kriechen zu lassen würde in Bezug auf Gouverneur George Wallace genauso wenig weiterhelfen, als wenn er in der Hölle schmorte: Dergleichen sorgt nicht für Gerechtigkeit, und die gewünschte wiederherstellende Wirkung würde nur im magischen Denken entstehen, das für die erste Phase des Zorns vor dem Übergang kennzeichnend ist. Im Übergang gelangt man zu der Einsicht, dass es eigentlich um Gerechtigkeit und Zusammenarbeit geht. Vergebungsrituale könnten in diesem Zusammenhang als hilfreich angesehen werden, und in Kapitel 7 werden wir entsprechenden Argumentationen begegnen. Doch King hat keine Verwendung für sie: Er will Versöhnung und gemeinsame Anstrengungen. Wir werden auf diese politischen Themen zurückkommen.
Falls die Idee des Übergangs allzu erhaben oder fern scheinen sollte, allzu sehr verbunden mit dem gewissermaßen heiligen King, lassen Sie mich ein schlichteres Beispiel anfügen, das zeigt, wie der Übergang Teil der US-amerikanischen Popkultur geworden und – vielleicht überraschenderweise – in dem Verhalten einer Ikone von „männlichem Mann“ verkörpert ist. In Branded, einer Fernsehproduktion der 1960er-Jahre, spielt Chuck Connors eine klassische Westernfigur namens Jason McCord – mutig, loyal, doch auf Distanz bedacht und allein. In der ersten Folge trifft er in der Wüste auf einen im Sterben liegenden Mann und rettet ihm das Leben, indem er ihm zu trinken gibt und ihn sogar auf seinem eigenen Pferd mitschleppt – nur um von demselben Mann in einer Oase mit der Waffe bedroht und überfallen zu werden. Der betrügerische Colbee nimmt sich McCords Pferd, dem nun nichts anderes bleibt, als zu Fuß durch die Wüste zu laufen, was er sehr wahrscheinlich nicht überleben wird. Colbee erklärt, er sei so zu handeln gezwungen, weil er Frau und zwei Töchter habe, und darum müsse er am Leben bleiben – und rechtzeitig zum Geburtstag seiner Tochter in die Stadt kommen! McCord überlebt und passt, zurück in der Stadt, die Colbee-Familie ab. Ein Freund versucht, ihn zum Zorn aufzustacheln und drängt ihn zur Konfrontation. McCord ist auch wirklich zornig und geht resolut auf Colbee zu, während dessen kleine Töchter mit ihren Reifen um ihn herumtollen. McCord betrachtet die Familie und dann überlegt er sich die Sache; er dreht sich um und geht. Im Laufen sagt er mit schiefem Lächeln über seine Schulter hinweg: „Alles Gute zum Geburtstag, Janie“.
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