Читать книгу POLIZEIT-Detective - Martin Cordemann - Страница 3

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„Der Mörder“, sagte der Inspektor und sah in die Runde, „ist der Mönch mit der Augenklappe!“

„Ethan? Hey, Ethan!“ schallte eine weibliche Stimme durch die große Halle des Präsidiums.

Ethan verlangsamte seinen Schritt und sah sich um.

„Hast du es eilig?“ fragte die Stimme, nun ein wenig außer Puste.

„Hat man das bei der Zeitreisepolizei denn nötig?“ Er blieb stehen und wartete, bis die Person mit der angenehmen Stimme ihn eingeholt hatte. Es war Elisabeth Fect, seine Vorgesetzte – und sie hatte noch jemanden im Schlepptau.

„Was kann ich für dich tun, Lizzy?“ fragte Ethan und lächelte.

„Das“, sie deutete auf ihre Begleitung.

„Soll ich ihn für dich umlegen?“ Er sah sie lächelnd an – um so was hatte sie ihn nur einmal gebeten und sie waren beide mit dem Endergebnis ein wenig unzufrieden gewesen.

„Nein“, sie winkte ab und sah dann ihren Begleiter an. „Das hier ist Detective Inspektor Ethan Cause – Ethan, das hier ist Lou Tenant.“

„Na, dann hoffe ich, dass Sie bald befördert werden.“

„Warum?“ fragte Tenant überrascht.

„Dann wären Sie Lieutenant Lou Tenant.“

„Ethan, wirklich?“ Seine Chefin legte den Kopf schief.

„Bot sich so an. Wissen Sie, Lou, Ihre Chefin und ich waren mal ein Team. Wir waren ‚Cause & E. Fect’“, er seufzte, „ist eigentlich ein schöner Scherz, wenn man beruflich mit Zeitreise zu tun hat. Und ein bisschen ironisch, weil das bei Zeitreise eigentlich nie nach diesem Prinzip funktioniert.“ Er zuckte die Schultern. „Naja, egal, was führt Sie in die Abteilung für Zeitreisekriminalistik?“

„Du sollst ihn in die Materie einführen“, sprang Captain Fect ein.

„In die Theorie?“

„In die Praxis.“

„Oh.“

„Problem damit?“

„Nein, eigentlich nicht.“ Ethan sah den jungen Mann an. „Na, dann kommen Sie mal. Wir haben einen Fall, nicht zu kompliziert für den Anfang.“ Er nickte seiner Chefin zu. „Lizzy!“ Dann setzte er seinen Weg fort und gewann schnell an Fahrt.

Tenant sah Captain Fect fragend an.

„Na hinterher“ rief die, machte auf dem Satz kehrt und begab sich zurück in ihr Büro.

„Muss ich alles noch mal erzählen?“ fragte Ethan, als der junge Mann japsend neben ihm ankam.

„Äh…“

„War nur Spaß, ich hab noch nicht angefangen. Die Frage ist, wie weit muss ich ausholen?“

„Wobei?“

„Zeitreise. Polizei. Polizeit. All das?“

„Oh“, sie bogen um eine Ecke und Tenant schaffte es gerade noch, einem Wagen mit altmodischen Akten auszuweichen. Das Präsidium für Zeitreisekriminalistik war ziemlich groß und man konnte sich leicht darin verlaufen. „Warum?“ war das einzige, was er hervorbrachte, bevor er nur mit letzter Not eine Katastrophe, die ein Teetablett und mehrere heiße Flüssigkeiten beinhaltet hätte, umschiffte.

„Warum die Zeitreise nutzen, um Kriminalfälle aufzuklären?“ half Cause nach.

„Ja“, brachte Tenant hervor, „genau.“

„Nun, das ist… das ist übrigens der H.G. Wells Flügel, Sie können sich ja denken, nach wem der benannt ist. Hier finden wir unsere Zeitmaschinen, also die, die wir für die Arbeit brauchen.“ Ethan blieb stehen und sah hinüber zu einer Tür aus schwerem Metall. „Das da ist der Heinlein Flügel. Da sind die… eher speziellen Dinge!“ Cause nickte und setzte dann seinen Weg fort. „Also warum nutzen wir die Zeitreise, um Verbrechen aufzuklären? Das ist nur die halbe Frage, oder?“

„Ja“, stimmte der junge Polizist zu, „warum nutzen wir sie nicht, um die Verbrechen zu verhindern.“

„Und da haben wir sie, die Frage, die jeder stellt.“ Ethan blieb stehen. „Sehen Sie, wir haben es versucht. Auf verschiedene Arten. Nehmen wir an, wir wissen, ein Mord geschieht in einem Zimmer. Weil er bereits geschehen ist. Also sorgen wir dafür, dass ein Sensorgerät dort platziert wird, so dass wir den Mord damit aufzeichnen können und direkt wissen, wer der Täter ist, oder?“

„Äh, ja.“

„Gut, das bringt zwei Probleme mit sich: Erstmal besteht die Gefahr, dass der Täter, nachdem er verhaftet wurde, dafür sorgt, dass sein mordendes Ich etwas über dieses Gerät weiß und es unschädlich macht.“

„Wie das? Wir haben ihn doch verhaftet!“

„Zeitreise. Er muss nur eine Nachricht in der Zeit zurückschicken, mit der er sich selbst warnt.“

„Geht das denn?“

„Natürlich. Und wenn es dann ist, wenn man ihn nach 25 Jahren aus dem Gefängnis entlässt. Zeit spielt bei Zeitreisen keine Rolle… gewissermaßen. Jedenfalls könnte er als alter Mann in die Vergangenheit zurückreisen, sich selbst warnen und damit alles verändern. Das ist eben Zeitreise; weil wir etwas verändern können, kann es der Mörder natürlich auch. Er stellt also ein Störgerät auf, das unser Aufzeichnungsgerät stört. Also reisen wir zurück und stellen ein Gerät auf, das sein Störgerät stört, dann stellt er eins auf, dass unser Störgerät stört und so weiter bis in alle Ewigkeit. Dadurch wird nichts gewonnen sondern nur nach und nach das Zeitgefüge aufgeribbelt, weil…“ Ethan winkte ab. „Das erklär ich Ihnen später. Es funktioniert jedenfalls nicht auf diese Weise, weil Reiz und Reaktion sich immer gegenseitig ausschalten lassen. Sie sehen also, uns unseren eigenen Zeugen zu schaffen würde nicht funktionieren.“

„Was ist das zweite Problem?“

„Ethik. Es wäre nicht sehr ethisch, ein Verbrechen, von dem man weiß, dass es stattfinden wird, zu beobachten und aufzuzeichnen, aber es nicht zu verhindern, oder?“

„Nein, wohl nicht.“

„Sehen Sie. Man hat am Anfang mit all dem experimentiert, aber die Ergebnisse waren… sagen wir mal unbefriedigend. Einige Begriffe sind durch die Zeitreise überhaupt erst entstanden. Paradox zum Beispiel. Und ‚verschlimmbessern’. Der Begriff liegt darin begründet, ein geschichtliches Ereignis so oft von mehreren Seiten hin und her zu korrigieren, bis… na ja, nicht mehr viel davon übrig bleibt.“

„Also können wir es nicht verhindern?“

„Nein, tut mir leid.“ Cause schüttelte den Kopf. „Wäre auch allen Beteiligten gegenüber unfair, oder?“

„Inwiefern?“

„Wenn der Mörder seinen Mord nicht begehen kann, können wir ihn wohl kaum dafür zur Rechenschaft ziehen. Kein Mord, kein Täter. Und für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, können wir ihn wohl kaum verhaften. Auch das wäre irgendwie unethisch. Insofern lassen wir da meist den Verbrechern ihren Lauf und versuchen, die Zeitlinie so wenig wie möglich selbst zu beschädigen.“

„Das bedeutet, es gibt Regeln“, meinte Tenant erfreut.

„Ja“, nickte Cause, „aber die verändern sich. Man muss flexibel sein, immer mit dem Fall – und mit der Zeit gehen, wie es so schön heißt. Jeder Fall ist anders, also muss man an jeden Fall anders herangehen.“ Er öffnete eine Tür und sie betraten einen Vorbereitungsraum. Im Nebenzimmer konnte man die Zeitmaschinen sehen, kleine Geräte, die es einem erlaubten, wannhin zu reisen wannhin man auch wollte.

„Und dieser Fall…?“

„Oh, der.“ Ethan lächelte und nahm ein paar Geräte von einem Polizisten in Uniform entgegen. „Mord!“

Sie befanden sich im Besprechungszimmer, während nebenan die Zeitmaschine „vollgetankt“ wurde, wie Ethan meinte, ein Begriff, den Lou Tenant nachschlagen musste – und auch dann nicht richtig zu würdigen wusste.

„Es geht um Mord“, wiederholte Cause und deutete auf den Holoschirm, auf dem die Leiche eines Mannes zu sehen war.

„Warum kümmert sich nicht die normale Polizei darum?“

„Weil eine Zeitmaschine darin verwickelt war“, erklärte Ethan. „Der ermittelnde Detective hat Zeitreiserückstände gefunden. Manchmal macht uns das die Sache unheimlich einfach.“

„Warum?“

„Weil nicht so irrsinnig viele Leute Zeitmaschinen haben“, lächelte Cause und schob sich seine Waffe ins Halfter.

„Warum dürfen überhaupt Leute Zeitmaschinen besitzen?“ fragte der junge Beamte.

„Das ist eine hervorragende Frage. Dem Militär wär es lieber, wenn niemand außer ihm welche benutzen dürfte. Aber, na ja, der Verkauf von Handfeuerwaffen ist doch auch erlaubt, und nur weil sich eine Zeitmaschine als Waffe einsetzen lässt, hat man argumentiert, wäre es ja noch keine. Kurz gesagt: Reiche Leute, Lobbyarbeit, kein Gesetz gegen Zeitmaschinen. Der einzige Vorteil ist, dass die Dinger so teuer sind, dass sich kaum jemand eine leisten kann. Und wenigstens sind fast alle Zeitmaschinen registriert, das hilft auch ein bisschen.“

„Was ist jetzt mit diesem Mord?“

„Nun, in diesem bestimmten Fall haben wir drei Verdächtige. Drei Herren mit Zeitmaschinen, die alle mit ihren Zeitmaschinen um den Tatzeitpunkt herum aufgetaucht und wieder verschwunden sind, wie es scheint. Also wie ist unsere Vorgehensweise?“

Tenant dachte darüber nach. „Wir… verhören alle drei?“

„Ja“, nickte Ethan, „aber vorher sehen wir uns den Tatort an und sprechen mit dem ermittelnden Beamten.“ Er warf dem jungen Mann eine Waffe zu. „Vorsichtig damit umgehen.“

„Okay.“ Tenant lächelte, als sie sich auf den Weg zu ihrer Zeitmaschine machten. Plötzlich blieb er stehen.

„Alles klar?“

„Ich habe eine Idee.“

„Lassen Sie hören.“

„Sie haben all das erzählt, warum wir die Vergangenheit nicht überwachen können und so. Aber es gäbe noch eine andere Möglichkeit, glaube ich.“

„Und die wäre?“

„Wir könnten in die Zukunft reisen. Wir besuchen Sie, in 10, 15 Jahren, und fragen Sie, wie Sie all diese Fälle gelöst haben und wer die Täter sind!“

„Das können wir nicht machen“, widersprach Ethan.

„Warum? Würde das… ein Zeitparadoxon auslösen, weil Sie und Ihr zukünftiges Ich sich nicht begegnen dürfen, würde das Ihre Zukunft, die gesamte Zukunft auslöschen?“

„Nein“, meinte Cause, „man kann sich selbst treffen, sich mit sich unterhalten oder einen trinken gehen, das ist alles kein Problem. Aber in die Zukunft zu reisen und mich nach den Auflösungen all meiner Fälle zu fragen… das würde diesen Job so verdammt langweilig machen!“

Sie stiegen aus der Maschine.

„Das ist der Tatort“, sagte Ethan und schritt durch eine Tür in einen angrenzenden Raum. Tenant folgte ihm mit offenem Mund.

„Das sieht alles so frisch aus. Wann ist die Tat denn geschehen?“

„Vor einer Stunde“, meinte Cause und sah sich um.

„Aber… wie ist denn das möglich?“ stotterte der junge Beamte völlig verwirrt.

„Muss ich Ihnen alles, was mit Zeitreise zu tun hat, wirklich erklären? Nun, genau genommen ist die Tat vorgestern geschehen… aber wir hatten ein bisschen viel zu tun.“

„Wir?“

„Gut, wir kannten uns da noch nicht, also ich hatte da ein bisschen was zu tun. Constabler Jones hier“, der Detective deutete auf einen großen Mann in Uniform, „hat unser Büro in Kenntnis gesetzt… wann, Jones?“

„Vor drei Minuten, Sir.“

„Die Verzögerung tut mir leid, Constabler.“

„Kein Problem, Sir.“

„Sehen Sie, Mr. Tenant, egal, ob uns die Nachricht jetzt erreicht, morgen oder in drei Jahren – es macht für uns keinen Unterschied. Wir haben eine Zeitmaschine, also kommen wir hier an, wann wir wollen. Und da wir die Kollegen ungern warten lassen, kommen wir meist kurz nach ihrem Anruf. Schon was gefunden, Jones?“

„Hat Sie das Büro denn nicht informiert?“

„Doch. Wir haben eine Leiche, oder?“

„Ja, Sir, das stimmt.“ Constabler Jones deutete auf den blutverschmierten Körper, der auf dem Fußboden lag. „Wurde brutal umgebracht. Tatwaffe ist die Stehlampe da drüben, Sir. Wir haben daran temporale Fingerabdrücke gefunden.“

„Was, mein lieber Tenant, natürlich keine richtigen Fingerabdrücke sind, sondern nur der Hinweis darauf, dass der Mörder kurz vor der Tat mit einer Zeitmaschine gereist ist. Was, wie ich hörte, den Täterkreis ein wenig eingeschränkt hat.“

„Das hat es in der Tat, Sir.“

„Das… das…“ Lou Tenant sah sich noch immer mit offenem Mund um. Er schien mit den Eindrücken, die auf ihn einstürzten, überfordert zu sein. „Wo sind wir hier überhaupt?“

„Nicht die Frage, die man als erste erwartet.“

„Wieso, welches ist die erste Frage?“

Wann sind wir?“

„Das sagten Sie eben, vorgestern?!“

„Gut aufgepasst.“

„Aber das hier ist… nicht New York.“

„Nein… aber es ist dicht dran.“

Jones lachte.

„New… Jersey?“

„Sieht Constabler Jones nach New Jersey aus?“

„Nein…“ Tenant zuckte die Schultern, „er sieht eher… nach England aus.“

„York, um genau zu sein. Eine Grafschaft. Mit einem Constabler. Wie aus einem alten Krimi.“

„Aber… England…“

„Wenn wir nicht an Zeit gebunden sind, werter Kollege, warum sollten wir dann an Orte gebunden sein? Wir kümmern uns um Zeitreiseverbrechen… ich meine, wissen Sie, warum man unsere Organisation nicht ‚Crime Travel’ genannt hat?“

„Äh… nein.“

„Weil eine britische Sendung schon diesen Namen hatte. Gut, wir hätten natürlich in der Zeit zurückreisen, diesen Namen schützen lassen und sie dann verklagen können, aber wie gesagt, wir wollen mit unserer Arbeit nicht zu viele Löcher ins Kontinuum schlagen.“ Cause grinste. „Also, wer ist der Tote?“

„Lord Horst von Debenham.“

„Horst von…“

„Klingt für Sie nicht britisch genug?“

„Nein.“

„Wir leben in anderen Zeiten. In… mehreren anderen Zeiten, um genau zu sein. Wissen Sie, ab irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit wird sich alles so sehr vermischt haben, dass weder Rassen noch Namen mehr wirklich eine Rolle spielen.“

„Und Geschlechter?“

„Na, das will ich doch schwer hoffen, dass die eine Rolle spielen. Wo wäre sonst der Spaß?“ Ethan zwinkerte ihm zu, dann wandte er sich wieder an den Constabler. „Also, ein toter Lord und drei Verdächtige.“

„Ganz recht, Sir.“ Jones sah auf seinen Elektroblock. „Lord Horatio von Peebles, Lord William Chang und Lord Francois de Honc.”

„Danke, Jones, gute Arbeit.“

„Danke, Sir.“ Er reichte Ethan den Block. „Hier finden Sie auch eine Auflistung der Dinge, die man am Tatort gefunden hat.“

Cause warf einen flüchtigen Blick darauf, dann reichte er den Block an seinen jungen Lehrling weiter. „Prima. Unsere nächsten Schritte?“

„Die… Verdächtigen verhören?“

„Sehr gut.“

„Aber…“

„Eine weitere gute Idee?“

„Wir… könnten… Nun, wir müssen ja nicht Sie in der Zukunft fragen, wer der Täter war, aber könnten wir uns es denn nicht auf eine andere Weise leichter machen?“

„Und die wäre?“

„Wir könnten in die Zukunft reisen und schauen, welcher von den dreien im Gefängnis sitzt.“

Cause lächelte. „Versuchen wir’s!“

„Das… ist…“

„…wenig hilfreich?“ beendete Ethan den Satz seines Schützlings. Sie befanden sich in der Zukunft, ein paar Jahre in der Zukunft, um die Gefängnisdaten anzufordern. Wie sich herausstellte, befanden sich alle drei Verdächtigen in Haft – wenn aus den Akten auch nicht hervorging, aus welchen Gründen.

„Ja“, nickte Tenant enttäuscht.

„Ach, der Grundgedanke war ja nicht verkehrt“, meinte Cause und klopfte seinem Kollegen aufmunternd auf die Schulter, „aber für gewöhnlich ist es nicht so einfach. Und, stellen Sie sich vor, es wäre nur einer von denen hinter Gittern gewesen. Und wir wären in die Vergangenheit gereist und hätten ihn verhaftet, weil wir dachten, er wäre schuldig. Er war es aber nicht, sondern er war nur im Gefängnis, weil wir ihn dort gesehen und ihn deswegen dorthin gesteckt hatten…“ Tenant sah ihn überfordert an. „Zeitreisen kann verwirrend sein!“

„Ja!“

„Also“, Ethan klatschte in die Hände, „auf zum Verhör!“

Der Raum war teuer eingerichtet. Es gab jede Menge Vasen und gerahmte Bilder und einen Kamin. Ein Butler hatte sie hereingeführt und nun warteten sie darauf, dass sich der ehrenwerte Lord Horatio von Peebles die Ehre gab. Ethan hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und betrachtete ein paar bräunliche Fotografien, die auf dem Kaminsims standen. Das Foto an sich war schon seit Jahrzehnten ausgestorben, oder waren es Jahrhunderte? Natürlich machte man noch immer Fotos, aber die wenigsten ließen sie ausdrucken und noch weniger bemühten sich, sie in einen Rahmen zu stecken. Diese Bilder waren bewusst so platziert worden, um einen Eindruck des Alters zu erwecken. Jemand legte Wert darauf, dass es gediegen aussah – und er hatte Erfolg damit. Cause überlegte, ob er einen Fuß vor die Tür setzen und sich die Grafschaft ansehen sollte – für so was nahm er sich nie die Zeit. Meistens hockte er in irgendwelchen Räumen, sah sich irgendwelche Leichen an oder sprach mit irgendwelchen Verdächtigen. Er genoss nie die Landschaft – die Zeit hätte er gehabt. Er hatte soviel Zeit, wie er wollte. Und doch hatte er sie sich nie genommen. Er hetzte von einem Fall zum anderen und da… kam auch schon der Lord herein.

„Bitte bleiben Sie sitzen, meine Herren“, meinte Lord von Peebles jovial, „Sie kommen wegen des Tafelsilbers?“

„Wegen des Mordes, Sir“, korrigierte Ethan höflich.

„Ah, wegen des Mordes, natürlich.“ Seine Lordschaft nickte mitfühlend. „Wer wurde ermordet?“

„Ein Bekannter von Ihnen, wie ich annehme. Lord Horst von Debenham.“

„Eine Tragödie“, seufzte Lord von Peebles, „er war ein begnadeter Bridgespieler.“

„Ich bedaure Ihren Verlust.“ Cause näherte sich dem Adeligen, der es sich nun auf einem Ledersessel bequem gemacht hatte. „Und ich fürchte, ich bin aus einem weiteren, unangenehmen Grund hier.“

„Welcher Grund kann das sein, Detective Inspektor?“

„Sie besitzen eine Zeitmaschine, Lord von Peebles?“

„Ja“, gestand der Adelige. „Warum fragen Sie?“

„Weil ich fürchte, dass in diesen Fall auch eine Zeitmaschine verwickelt ist.“

„Und ich nehme an, das macht mich verdächtig.“

„Das... und Ihre Vergangenheit mit dem Ermordeten.“

„Sie wissen also davon?“

„Ist es denn ein Geheimnis?“

„Dass ich eine Menge Geld beim Bridgespielen an ihn verloren habe? Wohl kaum? Und dass ich ihn des Falschspielens bezichtigt habe? Wohl ebenfalls kaum. Habe ich damit einen Grund, ihn zu ermorden?“

„Sie haben ein Motiv – ob das für Sie ein Grund war, zur Tat zu schreiten, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Benutzt jemand außer Ihnen Ihre Zeitmaschine?“

Der Lord sah den Inspektor empört an. „Natürlich nicht. Wissen Sie, wie viel Unheil man mit einem solchen Gerät anrichten kann?“

„Besser als die meisten, fürchte ich“, lächelte Ethan. „Haben Sie Feinde? Also, außer dem Verstorbenen?“

„Ich bin eine bekannte Person des britischen Landadels, natürlich habe ich Feinde!“ Seine Lordschaft lächelte. „Möchten Sie jetzt den Test durchführen?“

„Warum nicht? Mein Assistent wird das erledigen.“

Tenant sah Ethan überrascht an.

„Was für ein Test?“

„Lügendetektor. Reiner Standard.“ Cause deutete auf die Tasche, die sein junger Kollege mit sich trug. Nach kurzem Suchen hatte der dann das kleine Gerät gefunden und hielt es Lord Horatio unter die Nase. Ethan nickte ihm aufmunternd zu und Tenant sah den Landadeligen an: „Haben Sie Lord Horst Debenham ermordet?“

„Nein“, sagte Lord Horatio von Peebles klar und das Gerät gab ihm recht.

„Das war es dann auch schon“, lächelte Ethan.

„Freut mich sehr, wenn ich Ihnen helfen konnte.“

„Ja. Oh, eine Sache ist da noch. Am Tatort wurde etwas gefunden, was nicht dorthin gehörte.“ Cause deutete auf eine kleine, goldene Brosche, die der Lord am Revers trug. „Man hat diese Brosche dort hinterlassen – wahrscheinlich, um den Tatverdacht auf Sie zu lenken. Sie war völlig blutverschmiert, als man sie gefunden hat. Ich fürchte, in nächster Zeit wird der Täter seine Zeitmaschine benutzen, um Sie zu bestehlen. Informieren Sie bitte umgehend Constabler Jones, wenn dies geschehen ist.“

„Sehr gern, Detective Inspektor.“

Lord von Peebles erhob sich, Inspektor Cause deutete eine Verbeugung an und die beiden Beamten verließen das Zimmer.

„Lord Chang lässt bitten“, säuselte der Butler und führte die beiden Zeitpolizisten in das Zimmer. Es ähnelte dem des letzten Verdächtigen ungemein. Alles war auf alt getrimmt, wenn auch schlechter. Hatte Lord Horatio noch über einen echten Kamin verfügt, so war dieser hier ein reines Hologramm, eins, das noch nichtmal Wärme abstrahlte. Die Bilder auf dem Kamin waren genauso falsch wie das Feuer. Ein rotgesichtiger Mann sprang auf, als die beiden hereinkamen. Der Wein, ebenso wie die Fahne, die ihnen entgegenschlug, war dagegen echt.

„Detective Inspektor Cause“, rief Lord William Chang erfreut, „ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen.“

„Leider nicht, Lord Chang.“ Ethan schüttelte die kräftige Hand und wies dann auf seinen Begleiter. „Mein Assistent, Lou Tenant.“

„Name? Oder Dienstgrad?“

„Vorerst Name.“

„Freut mich.“ Der Lord lachte und schlug Tenant auf die Schulter. „Wobei Sie damit bei uns in England nicht viel Erfolg hätten. Hier wäre es Leftenant Lou Tenant – da geht das ganze Wortspiel verloren.“

„Es ist... kein Wortspiel.“

„Doch, doch, das ist es.“ Der Adelige sah Ethan an. „Darf ich Ihnen einen Wein anbieten?“

„Später vielleicht.“

„Sherry? Wir haben exzellenten Sherry.“

„Später.“

„Wie Sie meinen.“ Lord Chang grapschte nach seinem Glas. „Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus, wenn ich...?“

„Auf keinen Fall.“

„Sehr zuvorkommend.“ Seine Lordschaft nahm einen zaghaften Schluck, aus dem schnell ein zughafter wurde. Er leerte das Glas in einem Zug, gab der Flasche den Rest und klingelte dann nach dem Butler.

Ethan hatte es sich derweil in einem Sessel, der bequemer aussah als er war, gemütlich gemacht. Offenbar ebenfalls ein Hologramm, das einen klobigen Holzstuhl als gemütlichen Sessel tarnte. Verarmter Adel – aber Ethan hatte eine Idee, wohin das Geld floss.

Als Lord William eine neue Flasche hatte, schien er wieder glücklich zu sein und sah seine Gäste mit leuchtenden Wangen an. „Also“, fragte er, „wie kann ich Ihnen helfen?“

„Wir kommen mit einer unangenehmen Nachricht zu Ihnen“, eröffnete Ethan.

„Geht es um die Scheidung? Von meiner Frau? Heißt das... sie kommt nicht durch?“

Cause hob die Schultern. „Ich fürchte, das fällt nicht ganz in unseren Bereich.“

„Sehen Sie, ich habe Lady Chang nur des Geldes wegen geheiratet. Ich war adelig und sie war reich. Nu is das Geld futsch – aber ich bin immer noch adelig. Also hat unsere Beziehung ihren Zweck überschritten, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Lord William leerte sein Glas halb. „Ich würd gern wieder meinen alten Namen annehmen. Aber sie hat einen gerissenen Anwalt. Einen aus der Grafschaft. Bluthund. Verklagt mich auf jeden Buchstaben in meinem ‚Lord’, macht mir das Leben richtig zur Hölle. Sein Name ist Lord Horst von Debenham, falls Sie von ihm gehört haben?“

„Haben wir.“

„Würd ich Ihnen empfehlen. Also, wenn Sie einen Anwalt brauchen. Besser, als wenn er auf der anderen Seite ist.“ Er leerte das Glas und füllte sich umgehend nach.

„Und wenn Lord Debenham von dem Fall... zurücktreten würde?“ fragte Cause vorsichtig.

„Das wäre natürlich großartig. Sehen Sie, wenn der am Ball bleibt, dann verlier ich wahrscheinlich alles, was ich habe“, er deutete müde auf die Hologramme, „nicht, dass noch viel davon übrig wäre.“

„Nun, in dem Fall habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.“

„Na, da bin ich aber mal gespannt.“

„Die gute Nachricht ist, dass sich Lord Debenham wohl nicht mehr mit Ihrem Fall befassen wird.“

„Phantastisch. Und was ist die schlechte?“

„Er wurde ermordet.“

Lord William sah Ethan mit leerem Blick an. „Und?“

„Oh, und Sie sind verdächtig.“

„Ah“, der Adelige lachte, „so wird n Schuh draus. Okay, der alte Deby ist tot und ich bin verdächtig. Okay, damit kann ich leben.“

„Das freut uns sehr.“

„Wollen Sie... soll ich... den Test?“

„Oh, klar, mein Assistent wird sich gleich darum kümmern.“ Cause deutete auf die Tasche und schon viel routinierter holte Lou Tenant den Lügendetektor daraus hervor. „Sie besitzen doch eine Zeitmaschine, Lord Chang, bin ich da richtig unterrichtet?“

„Sind Sie, Inspektor, sind Sie. Das wertvollste Stück, das ich noch habe, weit wertvoller als das Haus. Ich hatte mir schon überlegt, ich verpiss mich mit dem Ding, bevor das mit der Scheidung den Bach runtergeht.“ Er zuckte die Schultern. „Aber ich wüßt nicht, wannhin. Da hat man schon son teures Ding“, seufzte er, „und dann weiß man nix vernünftiges damit anzufangen.“ Er sah auf. „Kommt jetzt der Test?“

„Ja. Haben Sie Lord Horst Debenham ermordet?“

„Nein!“ Lord Chang schüttelte den Kopf. Und auch in diesem Fall bestätigte das Gerät den Wahrheitsgehalt.

„Vielen Dank“, Ethan erhob sich. „Wir finden allein hinaus“, lächelte er, schüttelte dem Adeligen die Hand und machte sich dann auf dem Weg zur Tür. Unterwegs hielt er noch einmal inne. „Ach ja, eine Sache noch. Wir haben am Tatort etwas gefunden, was nicht dorthin gehörte.“ Er deutete auf eine kleine, goldene Nadel, die der Lord am Revers trug. „Man hat diese Nadel dort hinterlassen – wahrscheinlich, um den Tatverdacht auf Sie zu lenken. Sie war völlig blutverschmiert, als man sie gefunden hat. Ich fürchte, in nächster Zeit wird der Täter seine Zeitmaschine benutzen, um Sie zu bestehlen. Informieren Sie bitte umgehend Constabler Jones, wenn dies geschehen ist.“

Diesmal bekam er die Landschaft zu sehen. Und zu riechen. Denn Lord Francois de Honc hatte sich aus dem Landsitz zurückgezogen und pflegte in den Stallungen zu leben. Was zum Teil damit zusammenhing, dass das Haus einem Feuer zum Opfer gefallen war.

„Sie wissen, wer das Feuer gelegt hat?“ schrie Lord de Honc, als sich die beiden Polizisten ihm und seinem Lieblingspferd Hürdonator näherten.

„Ähm“, gab Ethan zur Antwort und sollte nicht enttäuscht werden.

„Lord Horst von Debenham!“ war die rhetorische Antwort, „er hat das Haus angezündet. Weil ich angeblich was mit seiner Frau hatte. Vor deren Tod, versteht sich. Und mit seiner Haushälterin. Vor deren Abschiebung, versteht sich. Und mit seiner Magd. Vor deren Geschlechtsumwandlung, versteht sich.“

„Versteht sich“, bestätigte Ethan.

„Da kann oder kann nicht etwas wahres dran sein“, gestand seine Lordschaft ein, „aber das rechtfertigt doch noch lange nicht, mein Haus niederzubrennen.“

„Ist dabei jemand zu Schaden gekommen?“

„Na ich“ rief der Lord aufgebracht.

„Ich meinte, ist dabei jemand verletzt worden?“

„Meine Ehre, falls das zählt?“

„Ich fürchte, das tut es in diesem Zusammenhang nicht“, meinte Ethan mit Bedauern. „Also ist nur Sachschaden entstanden.“

„Für den keine Versicherung aufkommt… die ich nicht habe!“ nickte Lord de Honc. „Alles, was mir geblieben ist, ist mein Pferd. Und meine Erinnerungen. Und ein paar…“ Er rieb sich im Schritt. „Für deren Behandlung ich mir jetzt keinen Arzt leisten kann.“

„Das tut mir aufrichtig leid.“

„Das sollte es auch. Ich bin ein gefallener Mann. Alles, was mir geblieben ist, ist mein Pferd… und meine Zeitmaschine, aber die hat, wie Sie ja wissen, keinen praktischen Wert.“

„Hat sie nicht?“

„Nicht für mich! Sie war ein Erbstück, hab sie nie benutzt, hätte lieber nen Rolls Royce gehabt. Schönes Pferd, das Rolls Royce, eins der schönsten auf der ganzen Welt.“ Lord de Honc schien ein Gedanke zu ereilen. „Ich könnte natürlich… wer waren Sie noch mal?“

„Cause und Tenant, von der Polizeit.“

„Ja, dann sollte ich Ihnen das vermutlich gar nicht sagen, aber mein Onkel Herbert hat immer gesagt, dass man die Zeitmaschine auch profitbringend einsetzen kann. Ich könnte zum Beispiel zum Rennen in Ascott reisen und alles auf Sieg setzen. Davon hat er immer gesprochen, alles auf Sieg setzen. Mich hat nur immer eins irritiert: Warum braucht er eine Zeitmaschine, um nach Ascott zu reisen? Er hatte einen Chauffeur. Mir ist das nie aufgegangen.“

Lou Tenant wollte etwas sagen, aber Cause schüttelte nur leise den Kopf.

„Das Pferderennen. In Ascott. Und eine Zeitmaschine.“ Man hörte regelrecht, wie es im Kopf des Adeligen zu arbeiten schien. „Ich habe ein Pferd. Ich könnte…“ Das Gesicht erstrahlte. „Ich habe es! Ich könnte mit meinem Pferd aus der Zukunft, einem schnellen Pferd, einem Zukunftspferd, in die Vergangenheit reisen und es in Ascott an den Start bringen. Und da es aus der Zukunft ist, ist es schneller als alle anderen Pferde – und ich gewinne!“

„Ein interessanter Plan.“

„In der Tat, das ist er“, lachte der Lord. „Aber vorher werde ich noch diesen miesen, kleinen…“ Er sah auf. „Wer, sagten Sie noch mal, sind Sie?“

„Wir sind von der Polizeit und wir haben ein paar Fragen an Sie.“

„Polizeit?“

„Ganz recht.“

„Und was für Fragen haben Sie?“

„Nun, Sie sind, wie Sie gerade sagten, der Ansicht, Lord Debenham habe Ihr Haus niedergebrannt?“

„Ja.“

„Und Sie wären durchaus nicht abgeneigt, sich an ihm zu rächen?“

„Äh, nein. Warum?“

„Er ist tot.“

„Oh.“

„Ermordet.“

„Oh oh!“

„Unter Zuhilfenahme einer Zeitmaschine!“

„Oh oh oh!“

„Ist das alles, was Sie dazu beisteuern möchten?“

„Ich… ich… ich…“

„Auch nicht viel besser. Lord de Honc, Sie besitzen also eine Zeitmaschine?“

„Ja.“

Er deutete auf ein Gerät, das hinter ihm im Stall stand.

„Wer hat Zugang dazu?“

„Nur ich und mein Pferd.“

„Wie bewandert ist Ihr Pferd in der Benutzung der Maschine?“

„Äh, gar nicht.“

„Und sonst kann niemand das Gerät benutzen?“

„Nein.“

„Dann hätte ich noch eine Frage für Sie, wenn Sie gestatten.“ Ethan gab Tenant ein Zeichen. „Nur fürs Protokoll.“

„Klar.“

Tenant baute den Lügendetektor vor dem Adeligen auf.

„Sind Sie bereit?“

„Ja.“

„Haben Sie Lord Horst Debenham ermordet?“

„Nein!“ Auch wenn Lord Francois de Honc selbst ein wenig unsicher zu wirken schien, der Lügendetektor war es nicht – und er bestätigte die Aussage seiner Lordschaft.

„Das war’s dann auch schon“, nickte Ethan. „Mit Ausnahme von einem Detail. Man hat am Tatort etwas gefunden, was nicht dorthin gehörte.“ Er deutete auf einen kleinen, goldenen Ring, den der Lord an der Hand trug. „Man hat diesen Ring dort hinterlassen – wahrscheinlich, um den Tatverdacht auf Sie zu lenken. Er war völlig blutverschmiert, als man ihn gefunden hat. Ich fürchte, in nächster Zeit wird der Täter seine Zeitmaschine benutzen, um Sie zu bestehlen. Informieren Sie bitte umgehend Constabler Jones, wenn dies geschehen ist.“

„Selbstverständlich.“ Lord de Honc nickte.

„Dann dürfen wir uns verabschieden“, meinte Ethan, ließ noch einmal seinen Blick über die malerische Landschaft schweifen, dann machten sie sich auf den Weg zu ihrer Zeitmaschine.

„Und…“

„…jetzt?“ beendete Cause die Frage seines jungen Mitreisenden.

„Woher wussten Sie, dass ich das fragen würde?“

„Es ist die nahe liegende Frage. Jetzt“, lächelte Ethan, „haben wir ein ganz besonderes Ziel.“

Die Tür der Zeitmaschine öffnete sich und sie standen vor…

„Die Asservatenkammer?“

„Ja“, lächelte der Detective. Er sprang voller Energie auf den Fußboden und lief zum Schalter. Innerhalb weniger Sekunden hatte er das gefunden, was er haben wollte. Tenant trottete ihm hinterher. Als er den Schalter ebenfalls erreichte, kam dort bereits das an, worauf sein Vorgesetzter gehofft hatte.

„Und was wollen wir hier?“

„Ich dachte, das wäre offensichtlich.“

„Aber Sie haben doch die Liste der Dinge, die am Tatort gefunden wurden, bereits gesehen.“ Tenant deutete auf den Block, den ihnen Constabler Jones gegeben hatte.

„Ja, aber ich habe sie nicht gelesen.“

„Bitte?“

„Sehen Sie, ich versuche, die Zeitlinie so wenig wie möglich zu verändern – auch, wenn’s mir eigentlich scheißegal sein könnte. Ich kann behaupten, es wurde etwas gefunden, wenn ich weiß, dass nichts gefunden wurde – und hinterher wird’s dann doch gefunden und ändert die Fakten ein wenig. Das ginge, muss aber nicht sein. Ich habe also einfach behauptet, es wäre etwas gefunden worden – und da ich es vorher nicht wusste, hat das so gesehen nichts verändert.“ Er deutete auf die Liste. „Und tatsächlich wurde etwas gefunden.“

„Ich weiß“, seufzte Tenant, der sich ein bisschen unterfordert fühlte, „und zwar ein Knopf, eine Nadel und eine Brosche. Ich hab aufgepasst, müssen Sie wissen.“

„Offensichtlich haben Sie das… nicht!“

„Bitte?“

„Schauen Sie nach, was gefunden wurde.“

„Ein… Knopf. Ja.“

„Und was sagt Ihnen das?“

„Der Knopf war von Lord Horatio von Peebles, also bedeutet das, dass wir eins wissen.“

„Und das wäre?“

„Dass er es nicht war!“

„Aha.“

„Denn Sie sagten ihm, dass einer der anderen ihm den Knopf klauen würde, um ihn blutverschmiert am Tatort zurück zu lassen und ihn damit in Verdacht zu bringen.“

„Das sagte ich ihm.“ Ethan lächelte milde. „Und wem habe ich das noch gesagt?“

„Mir und…“ Tenant dachte angestrengt nach.

„Schließen wir Sie also mal spaßeshalber als Verdächtigen aus.“

„Sie haben es… Sie haben es nur ihm gesagt.“

„Richtig.“

„Aber… also… aber die waren doch alle unschuldig.“ Der junge Beamte deutete auf den Lügendetektor. „Oder wollen Sie sagen, das Ding funktioniert nicht?“

„So la la“, gestand der Inspektor ein, „aber behalten Sie das besser für sich. Wir machen gerne einen Test und die Verdächtigen machen den auch, damit sie sich sicher fühlen. Und damit auch die Mörder die Wahrheit sagen können.“

„Was? Wie?“

„Oh, ich habe Ihnen gar nicht gesagt, wann wir die Verdächtigen verhört haben.“

„Wann? Spielt das eine Rolle?“

„Für gewöhnlich schon. Wenn die Zeit zwischen dem Verbrechen und dem Verhör lang genug auseinander liegt, haben sie die Tat bis dahin wahrscheinlich begangen – und das würde der Lügendetektor auch wahrscheinlich anzeigen.“

„Dann sollte man die Verdächtigen also am besten erst Jahre nach der Tat verhören?!“

„Nicht unbedingt, denn das wären dann ja Jahre, die sie in Freiheit verbracht haben und das möchte man bei einem Verbrecher doch eigentlich vermeiden.“

„Man könnte dann…“

„…in der Vergangenheit zurückreisen…“

„…und ihn da verhaften…“

„…und damit die Zeitlinie verändern, weil er zum Zeitpunkt des Verhörs auf freiem Fuß war?“ hakte Ethan nach.

„Verdammt, das ist aber auch kompliziert“, entfuhr es Tenant.

„Und das ist erst der Anfang. Jedenfalls werden die Leute gerne verhört, bevor sie den Mord begangen haben, denn dann können Sie noch überzeugend sagen, dass sie unschuldig waren.“

„Ah. Was? Und wann haben wir jetzt…“

„Etwa zum Tatzeitpunkt. Täter reisen, aus dem Grund, den ich gerade genannt habe, ungern in die Zukunft, um ihre Tat zu begehen, sondern lieber aus der Zukunft.“

„Das heißt, der Täter…“

„Hatte zu dem Zeitpunkt die Tat noch nicht begangen.“

„Das bedeutet…“ Tenant sah Cause ein wenig hilflos an. „Was bedeutet das?“

„Dass der Mörder weiß, dass er etwas tun muss, wenn er die Tat begeht.“

„Er weiß…“ Dem jungen Beamten ging ein Licht auf. „Er weiß, dass er etwas hinterlassen muss, von dem er annimmt, dass es darauf hindeutet, dass jemand anders es hinterlassen hat, um ihn zu belasten, aber da in Wirklichkeit niemand sonst davon weiß, belastet es nur ihn selbst!? Also konnte nur der Mörder selbst wissen, welches Beweismittel er am Tatort zurücklassen musste!“

„Perfekt.“ Ethan sprang in die Maschine.

„Und jetzt?“

„Jetzt…“

Die Maschine stand neben ihnen, ebenso Constabler Jones und ein kleines Einsatzkommando von örtlicher Polizei und Polizeiteinheiten. Eine Zeitmaschine materialisierte sich vor ihnen. Ein blutüberströmter Lord Horatio von Peebles stolperte heraus und sah sein Empfangskommitee überrascht an.

„…verhaften wir den Täter, zwar nicht auf frischer Tat, aber kurz danach – und mit allen Beweisen, die es dafür braucht. Bitte, die Ehre gebührt Ihnen.“ Cause deutete auf den verdutzten Adeligen und Lou Tenant ließ die Handschellen um dessen bluttriefende Handgelenke schnappen.

POLIZEIT-Detective

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