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Was für eine Liebe?
ОглавлениеAuf dem Weg der Liebe
In einem fernen kleinen Königreich, es ist schon lange her, lebte ein König mit seinen beiden heiratsfähigen Söhnen. Ihre Freizeit widmeten sie dem Studium der Kriegskunst, dem Benehmen am Hof, dem Reiten und vielem mehr, das ihrem gesellschaftlichen Stand entsprach, einfach allem, was man in ihren Kreisen mit Männlichkeit und Adel verband.
Beide hatten ein großes Wissen, doch zu leicht verfielen sie in Wut. Die Dienstboten, Mägde und Knechte waren in ihrem Reden und Tun meist sehr vorsichtig. Schnell waren die Prinzen mit etwas unzufrieden und warfen mit Gegen-ständen um sich. Nicht einmal im Nachhinein reute es die Prinzen, selbst wenn sie zu Unrecht andere schlecht behandelt hatten.
Sie, die Prinzen, waren fest davon überzeugt tausendfach besser zu sein als das einfache Volk und schauten lediglich auf sich und das prunkvolle Leben im Hause ihres Vaters.
Eines Tages erhielten sie eine Botschaft von einem überaus mächtigen König, der mit seinem mächtigen Reich seit langem von sich reden machte. In der Botschaft war zu lesen:
„Ein gigantisches Königreich ist mein eigen. Mein Palast ist an Pracht nicht zu übertreffen. Ich will ihn mit Freude erfüllen. Meine geliebte Tochter ist nun bereit, sich zu vermählen; und wen sie erwählt, der wird König meines Reiches sein und mich beerben. Doch wer dies anstrebt, ihr Mann und der König meines Reiches zu werden, der muss seine Fähigkeit beweisen, sie zu lieben, mehr als das eigene Wohl und Leben! Ein Jahr bleibt den Prinzen Zeit, dann kommt und lasst euch prüfen, ob euer Herz das rechte ist für meine Tochter und mein Königreich.“
Der König und seine Söhne waren sehr überrascht und verwundert. Was man hier von ihnen verlangte war neu. Warb jemand um die Hand einer Frau, zählte seit je her nur Besitz, Macht, Stärke und Männlichkeit. Es galt der Frau zu imponieren und alles vorzuweisen, was ihrem Rang, ihrer Ehre und Würde entsprach. Und nun dies: eine Prinzessin, die nur das ganze Herz, die ganze Liebe eines Mannes wolle!?
„Nichts leichter als das!“ rief spontan der Ältere der Prinzen freudig lächelnd. Die Hand erhob er dabei mit Grazie, als ob er diese Liebe schon in sich hätte. Der jüngere Bruder sah die Angelegenheit ein wenig nüchterner. Der Ausdruck seines Gesichtes war nachdenklich. Einfach und bedächtig richtete er an seinen Vater und Bruder die Frage:
„Habt ihr schon einmal jemanden mehr geliebt als euch selbst?“
Der ältere Bruder verlor schnell seine Unbekümmertheit. Ärger und eine leichte Erregung waren ihm anzusehen. Er bemerkte, dass die Sache nicht so einfach war, wie er dachte. Die Hand geballt, die Lippen zusammengepresst, stand er da und wusste nicht, wie er nun dieses besondere Gefühl in seinem Herzen finden sollte.
Der Vater der beiden saß auf seinem Thron. Die eine Hand, welche das Pergament mit der Botschaft hielt, lag in seinem Schoß. Drei Finger der anderen Hand stützten seinen Kopf so, als wollten sie ihm Führung geben. Er, von der Härte des Lebens gezeichnet und erfahren, fragte sich, ob eine solche Liebe nicht gefährlich sei:
„Jemanden ganz und gar zu lieben, heißt das nicht, ihm ganz und gar verfallen zu sein? Untertänig und willenlos folgend wie ein kleiner Schoßhund? Verlangt diese Liebe, sein eigenes „Ich“ auszuschalten, die Freiheit abzulegen, die Eigenständigkeit einzutauschen für einen goldenen Käfig, wo einen nur noch das Interesse zu gefallen beherrscht und man vor Eifersucht leidet, wenn man von der Geliebten nicht wie ein süßer Hase gekuschelt und verwöhnt wird? Doch auch ich weiß nicht, “ fügte er hinzu „ob diese Liebe so gefährlich sei.“
Diese Gedanken des Vaters erschraken die Prinzen sehr und verwirrten sie zutiefst. Nur der eigene Zweifel am Ende seiner Worte hob ihre Hoffnung wieder an.
Sie waren schon kurz davor aufzugeben, aber der Gedanke, eine liebende Frau und ein mächtiges Königreich zu „erobern“, spornte sie an, mehr über eine derartige Liebe zu erfahren.
Schnell machten sie sich auf, die Berater seiner Majestät einzuberufen. Sie wurden vertraut gemacht mit diesem nun königlichen Problem.
Was auch für sie eine schwierige Aufgabe darstellte. Erst nach einigen Tagen waren sie gerüstet, dem König und seinen Söhnen Rede und Antwort zu stehen.
Unter den Beratern befand sich ein Mann, der häufig eine andere Meinung vertrat. Er sprach aus was das Volk dachte und setzte sich unermüdlich, ohne Eigennutz für die Belange der kleinen Leute ein. Seinen Kollegen war er ein Dorn im Auge. Nicht selten stellte er sie bloß und entlarvte sie als machthungrige gierige Schwätzer und Dummköpfe.
Der König schätzte ihn sehr, wenngleich dieser nicht immer seine Meinung voll teilte. Die anderen Berater aber hätten sich seiner schon längst entledigt, wenn sie den König nicht so sehr gefürchtet hätten. Sie konnten es nicht ertragen, dass einer ihren Geist in den Schatten stellte und ihren Einfluss am Hofe schmälerte.
Der König wusste, dass dieser geachtete Mentor immer länger brauchte, seine Erkenntnisse zu formulieren, so dass er den anderen Beratern zuerst das Wort erteilte. Der erste, der das Wort ergriff, sprach:
„Mein König, verehrte Herrschaften, niemand kann von jemandem verlangen, einen anderen mehr zu lieben als sich selbst. Der Mensch ist von Natur aus selbstsüchtig, der immer zuerst auf sich schaut, auf sein eigenes Wohl, im körperlichen wie geistigen Sinne. Wenn ein Edelmann oder ein Soldat sein Leben opfert, tut er dies aus Pflicht-bewusstsein, aus Furcht um seine Ehre und Ansehen oder aus Angst vor der Strafe, die ihn wegen Feigheit erwarten würde.
Da eine solche Liebe nicht möglich ist, brauchen sich die Prinzen keine Sorgen machen, so in Liebe zu verfallen, dass sie nur noch schmachtend am Saum der Prinzessin knien würden. Eine derartige Forderung nach einer Zuneigung, die erst im Tode zerbricht, die sich selbst opfern würde, kann aus besagten Gründen nicht wortwörtlich verstanden werden!
Es kann dabei lediglich ein ziemlich hoher Grad an Achtung, Aufmerksamkeit, Treue und Respekt gemeint sein. Diese Prinzessin will höchst wahrscheinlich nicht, dass sie wie so viele Frauen nach ihrer Vermählung als lästiges Übel oder schlechte Zugabe mitgenommen wird, weil für den Herrn Gemahl allein das erworbene Königreich, dessen Größe und Pracht von Bedeutung ist.“
Ein weiterer Minister brachte sich ein:
„Die Liebe, man findet sie oder man findet sie nicht. Man hat sie oder man hat sie nicht. Man kann den Anfängen einer Liebe, dem Verliebt-sein, diesem 'Ineinander-sich-verlieben' nachhelfen. Durch gutes Aussehen, vor allem jedoch durch Charme, Eleganz, Freundlichkeit und Taktgefühl. Die Prinzen können sich nur darin üben, mit der Hoffnung, dass beim Werben um die Prinzessin die Sterne gut stehen, das Glück ihnen hold ist und es zwischen ihr und einem der beiden Prinzen richtig funkt. Wie tief die Liebe geht und wie man sich versteht, kann allein das Schicksal zeigen. Die Liebe zu einen Menschen lässt sich nicht erzwingen, sie stellt sich nicht ein, indem man es will.“
Sofort widersprach ihm die Mehrheit der Berater mit Nonono - Rufen.
“Gewiss“, erwiderte einer von ihnen, „alles, was das Verliebt-Sein fördert, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für ein festes Band der Liebe. Doch diese innige Zuneigung, die sie darstellt, ist nicht wie ein Glücksstein, der uns wie ein Geschenk in den Schoß fällt, der weder der Pflege bedarf noch vor Verlust gehütet werden muss.
Vielmehr ähnelt diese Liebe einer Rose, die nach ihrem Keimen behutsamen, geduldigen, fürsorglichen Schutz benötigt, mit dem Wissen um deren Gedeihen. Sie lebt aus dem Herzen und dies bedarf der Herzensbildung. Jemanden lieben zu lernen ist möglich, selbst wenn man ihn oder sie nicht kennt.
Selbst dann, wenn man sich Hals über Kopf in jemanden verliebt, so kennt man sich doch nicht. Lediglich das äußere Bild entfesselt über die Augen in uns eine fantastische Begeisterung. Es ist ein Trick der Natur, der uns hilft, den ersten Schritt zu wagen, um das Fremde im Andern zu lieben. Dieses Verliebt-Sein befähigt uns, diesen schlummernden Keim in unserem Herzen zu wecken und ihn mit uneingeschränkter Zuwendung und größter Sorgfalt in uns zum Wachsen zu bringen!“
„Lieben zu lernen, sein Herz darin zu üben, ist es schwer oder problematisch? Können wir diese Fähigkeit in nur einem Jahr erlernen?“ fragt der ältere der Prinzen die Berater.
Schweigen, keiner sagte ein Wort, dann aber trat einer vor.
„Es wird nicht einfach aber machbar sein, wenn ihr den Willen aufbringt, euch zu verändern. Wenn ihr bereit seid, empfindsam zu werden, besonders für die Gefühle der anderen; wenn ihr willens seid, euren Panzer abzulegen, mit dem ihr eure sensible Seele schützt, der euch jedoch zugleich hindert, von ganzem Herzen zu geben sowie zu empfangen, um tiefere Gefühle zum Nächsten zu beleben. Seid ihr interessiert, das Wesentliche und Wichtige des Menschseins zu suchen und zu erkennen? Phantasie müsst ihr entwickeln, damit dieses Wissen in euch lebendig wird und eure Taten lenkt. An Begabung fehlt es keinem, aber,....aber ist euer Hunger groß genug, dass ihr in dieses Abenteuer der Gefühle hinein springt, so wie Kinder in kaltes Wasser?
Werden euch die Geduld, Ausdauer und Kraft nicht verlassen? Seid ihr bereit, euch selbst zu entdecken, und entschlossen, euch zu verwandeln?“
Laut denkend sprach der Ältere aus, was ihn bewegte:
“Ein hoher Preis, den man von uns verlangt. An sich selbst zu arbeiten, um zu werden wie das Ideal der Schöpfung. Für welchen Preis? Für eine Frau und ein unendlich großes Königreich? Warum sollte ich mir die Mühe machen mich zu verändern? Eigentlich fühle ich mich sehr wohl in meiner Haut. Mir genügt unser kleines Königreich mit allem, was mich vergnügt. Warum sollte ich für ein fremdes Königtum erneut die harte Schulbank drücken und mich belehren lassen, während mein Thron hier bequem ist und mich erhebt? Können die Macht, das Regieren und das Befehlen noch schöner und berauschender sein, wie ich es jetzt schon in meinem kleinen Reich genieße, das mein Vater mir zuteilt? Und was kann diese Prinzessin mir mehr bieten, für mich und mein Reich, als die verführerischsten Damen unserer noblen Gesellschaft?
Gewiss, ein jeder arme Knecht, der nichts besitzt, was ihn hält, würde hoch motiviert für dieses Angebot einstehen. Will er doch aus seinem Leben etwas machen und hat dabei nichts zu verlieren. Im Gegensatz dazu ich, der ich alles Erdenkliche besitze, welchen Vorteil oder Gewinn würde es mir bringen, damit sich die Mühe lohnt?“
Ein junger, unscheinbarer Berater, den man zu einem derartigen Thema keine Kompetenz zutraute, schob sich dezent nach vorne und bat mit leicht erhobener Hand um das Wort. Der König gewährte es ihm mit einem leichten Nicken. Er sprach mit einer sanften wohltuenden Stimme:
„Seine Majestät, verehrte Prinzen und Kollegen“ und lenkte dabei seinen Blick auf die Menge, „Sie werden zu einem neuen Menschen, zu einem neuen König.
Die Liebe, von der wir sprechen, verwandelt in ein besseres Sein. Es beflügelt und befreit uns von der Ängstlichkeit um das jetzige Dasein, um sich und die Welt mit neuen klaren Augen zu sehen. Wie ein Schmetterling, der seinem Raupenstadium entschlüpfte, einer Phase, in der er nur in sich hineinfraß, erfährt er die Dinge des Lebens aus einer gigantisch höheren und freieren Perspektive. Die Welt, sie liegt dem Verwandelten zu Füßen, trotz seines Dienstes an den bezaubernden Blüten der Blumen.
Er wusste bereits, dass er ein Teil des Ganzen ist, jetzt aber erst fühlt er sich darin einbezogen, erfüllt, erhaben und frei. Der Schmetterling erlebt die Wärme und die Farben der Sonne, die die Raupe am Boden nur erahnte. Verwandelt zu diesem edleren Wesen, kreist der Mensch nicht mehr um sich selbst.
Die Liebe entfesselt zu einem neuen Menschen und König, so dass weder die Arbeit eine Last, noch die Würde zu einer Bürde wird. Sie beschwingt, um tanzend zu triumphieren über das, was uns am Boden hielt. Meine Prinzen, kennt ihr nicht folgendes? Bei Festen, inmitten von Freunden und Gästen, beschenkt mit netten Gesten, bezaubert von Musik, Wein, Kerzenschein und dennoch nicht selten so unerträglich verlassen und allein? Jagen wir dann nicht nach überflüssigen Dingen, um über diese Leere in uns erhaben zu sein? Wir jagen nach Größe, betören die Sinne, weil wir festhalten wollen an diesem einfachen, täuschenden, oberflächlichen Schein.
Das Ziel und das Glück, dieser neue Bräutigam und König zu sein, liegen in der Fülle, sich selbst als wunderbar herrlichen Teil einer neuen Welt zu erfahren. In einer innigen harmonischen und lebendigen Gemeinschaft in der er seinen Nächsten als vertrauten Bruder oder Schwester begegnet.
Seinesgleichen näher zu kommen, ohne Vorbehalt und Abstufung, ihm zu seinem Wohle zu dienen. Darin liegt der Zauber, der befähigt, zu geben mit Wonne und Frohsinn. Bescheidenheit, Demut, alles hinnehmen und uneingeschränkt annehmen beschenken das Herz mit wohltuender Zufriedenheit.
Dankbar, bescheiden, fähig zu geben ohne etwas zu erwarten, beschenkt man uns wieder mit unendlichem Maß. Die, die wir zu tragen meinen, fangen ihrerseits an, uns über Berge zu tragen und beschenken uns damit, selbst in schwierigen Zeiten, geborgen und frei zu sein. Als neuer liebender König wird er das Leben mit Leichtigkeit lenken, er wird nicht vom Leben und seinen Zwängen beherrscht!
Fesseln, die versklaven, werden zerrissen. Umgürtet mit Gerechtigkeit und dem Schild von Ehrlichkeit und Solida-rität, erwächst die Kraft, über allen mit Güte und Hoffnung zu stehen. Selbst die Grenzen der Vergänglichkeit lösen sich in ihr auf.
Die Krone des Gewinners und seines zukünftigen Reiches wird seine Gemahlin sein. Von ihrer Liebe wird er sich getragen wissen wie auf den Flügeln des Adlers. Wie sein Reich wird er sie lieben, ehren und achten. Der eine wird des anderen Freude sein. Die Lippen werden sich hüten: kein schlechtes Wort geht aus ihnen hervor, einzig allein das, was das Herz des anderen ehrt.
Sie halten fest an Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Wahrheit und Güte. Sie werden nicht müde, sich selbst und das Volk darin zu bewahren. Stets wird sie Friede und Treue begleiten. Sie ernten, was sie säten. Alle Tage ein reich gedeckter Tisch und sonnige Wärme. Ihre Kinder vermehren zu allen Zeiten ihre Wonne, ihr ganzes Leben gleicht der Sonne. Im Gegensatz zu Ihrem Reich, mein König, wird dieses Reich und diese Liebe nie untergehen!“
Für die Zuhörer klang diese Beschreibung ein wenig verworren und doch erkannten sie die größere Dimension dieser Liebe.
Die Prinzen waren begeistert von dieser Darlegung, dieser Vision. Hoch motiviert wollten sie diesen Weg der Veränderung auf sich nehmen.
Doch schon standen sie vor einem neuen Problem und mit ihnen die Berater und Gelehrten.
Wie gelangten sie zu dieser Liebe? Wer von den Ministern sollte sie in dieser Kunst unterrichten?
Schwierig war es, da die unterschiedlichsten Überzeu-gungen vorherrschten, die zu einer heftigen Auseinander-setzung zwischen einem Dutzend der Minister führte. Nicht wenige waren von ihrem Wissen derart überzeugt, dass sie auf dieses Amt, die Söhne des Königs zu unterrichten, nicht verzichten wollten.
Sie machten ihren Anspruch lautstark geltend. Sie fühlten sich für diese Aufgabe begnadet und dazu berufen, eine derartige Stellung bei Hofe einzunehmen, um mit Ansehen und Einfluss über das Königshaus dem ganzen Land ihre Überzeugung einzupflanzen. Es beflügelte einige, ohne Selbstzweifel, ihre Ansicht als die einzig wahre zu verkaufen.
Der König aber war ein alter Fuchs, der nicht im Dunkeln tappen wollte. Er ließ wieder einen Minister nach dem anderen Bericht erstatten, um Einblick zu gewinnen, wer für die Einführung in diese Kunst am geeignetsten ist.
Weil der letzte Redner so begeisternd und erfrischend von dieser Liebe sprach, glaubte der König, er würde den Weg kennen und erteilte ihm erneut das Wort.