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Fünf Sisyphusse und ein Stein

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Die Welt der Diplomatie ist manchmal sehr pubertär. Mal verlassen empörte Botschafter demonstrativ die Generalversammlung der Vereinten Nationen, weil irgendein obskurer Diktator dubiose Thesen verbreitet, mal werden hinter den Kulissen verbissene Grabenkämpfe darüber ausgefochten, welcher europäische Regierungschef beim Phototermin mit dem amerikanischen Präsidenten neben ihm stehen darf. Nicht jeder Staatschef zeichnet sich durch die Kulanz eines Roman Herzogs aus, der beim Staatsbesuch in einer brasilianischen Provinzstadt der ehemaligen DDR-Hymne lauschte, ohne eine Miene zu verziehen.

In Peking steht ein ganz besonderes Exemplar diplomatischer Symbolik. Es handelt sich dabei um einen regelmäßigen hexagonalen Tisch, der bis zur äußersten Perfektion ausgerichtet ist. Der Gastgeber China sitzt mit dem Rücken zum Eingang, was erstaunlich ist, denn normalerweise sitzt der Gastgeber dem Eingang gegenüber. Im Uhrzeigersinn sind Nordkorea, Russland, die USA, Südkorea und Japan platziert. China sitzt damit den USA gegenüber, was auf eine Gleichberechtigung beider Parteien hinweist, jedoch räumt es den USA den traditionell ehrenreichsten Platz ein. Beide Koreas sitzen sich an der Seite ihres Hauptverbündeten gegenüber.

An diesem heiligen Ort wird diplomatische Symbolik bis zum Äußersten ausgereizt und genauestens einstudierte „spontane“ Eklats bilden keine Ausnahme sondern die Regel. Ja, hier finden die sogenannten Sechsergespräche zur atomaren Abrüstung der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik statt.

Als die chinesische Regierung im August 2003 das erste Mal zu dieser Runde lud, war ihr Verhältnis zu ihrem Bündnispartner noch nicht annähernd so zerrüttet wie heute. Vieles spricht dafür, dass man in China tatsächlich hoffte, Nordkorea zum Einlenken zu bringen und die Lage auf der koreanischen Halbinsel nachhaltig zu entspannen. Gleichzeitig war das Zerwürfnis zwischen Peking und Pjöngjang schon so weit fortgeschritten, dass die restlichen Teilnehmer der Runde Peking die Rolle eines ehrlichen Maklers abnahmen.

Die Gespräche begannen als großer Erfolg für die Chinesen. Sie hatten es tatsächlich geschafft, in einer globalen Frage von höchster Wichtigkeit eine verantwortungsvolle Führungsrolle zu übernehmen. Gegenüber Japan, Südkorea und den USA signa lisierte Peking damit, dass es beileibe nicht mehr der bedingungslose Unterstützer des Nordens war und durchaus ähn liche Interessen wie diese hatte. In der Weltpolitik generell stieg Chinas Ansehen und die Fachwelt zollte der perfekten chinesischen Vorbereitung alle Achtung.

Im Prinzip ging es bei Verhandlungsbeginn um eine überschaubare Angelegenheit. Nordkorea betreibt ein Atomprogramm, um seine Energieversorgung sicherzustellen. Südkorea, Japan und die USA bezweifeln diesen friedlichen Zweck und vermuten ein Rüstungsprogramm dahinter. Die von den Chinesen in die Wege geleitete mögliche Lösung beinhaltet die Aufgabe von rüstungsrelevanten Teilen des Atomprogramms als Gegenleistung für andere Energiequellen und eine Sicherheitsgarantie. Konkret ging es in der ersten Runde der Gespräche um die Aufgabe des Reaktors Yongbyon, in dem waffenfähiges Spaltmaterial produziert werden kann, bei gleichzeitiger Lieferung eines Leichtwasser reaktors, in welchem kein waffenfähiges Material hergestellt werden kann.


Sechsergespräch über Nordkoreas Atomprogramm.

2003 schien es noch so, als ob der Norden tatsächlich zu einem Kompromiss bereit sei. Die Verhandlungen zogen sich jedoch endlos in die Länge. Meist war es die nordkoreanische Seite, die durch irgendeinen Grund oder eine gezielte Provokation die Gespräche platzen ließ, manchmal war aber auch die Gegenseite schuld am Scheitern. Seit dem Verhandlungsbeginn hat Nordkorea zwei Atombombentests durchgeführt und eine dreistufige Rakete getestet, die auch als ballistische Interkontinentalrakete eingesetzt werden könnte. Mittlerweile ist es offensichtlich, dass man in Pjöngjang nicht im Traum daran denkt, auf die eigene Atommacht zu verzichten.

Doch weshalb wird überhaupt weiterverhandelt?

Für Pjöngjang stellen diese Verhandlungen eine ideale Plattform für seine Erpressungsdiplomatie dar. Die Botschaft ist einfach: Wenn Nordkorea nicht die geforderten Rohstoffe und Nahrungsmittel bekommt, dann bricht es zusammen und zieht alle anderen in den Abgrund mit. Wollt Ihr das wirklich?

Natürlich drückt man sich diplomatischer aus. Die Sechsergespräche sind ein endloses Wettrennen zwischen Hase und Igel. Nordkorea macht ein paar Zugeständnisse, erhält dafür die gewünschten Leistungen und verspricht weitere Verhandlungen. Dann findet es einen Grund, sich beleidigt zurückzuziehen, oder inszeniert wahlweise selber eine militärische Provokation, sodass die Gegenseite sich gezwungen sieht, die Verhandlungen abzubrechen. Damit können alle Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO, des Landes verwiesen, stillgelegte Anlagen wieder in Betrieb genommen und Material für die nächsten Bomben produziert werden. Ein paar Monate später sind Öl und Getreide wieder knapp und man kehrt erneut an den Verhandlungstisch zurück, so lange, bis man die nächsten Hilfslieferungen erpresst hat.

Aus der Sicht des nordkoreanischen Regimes ist an diesem Zustand nichts auszusetzen. Die Hilfslieferungen fließen ausreichend weiter und halten das Regime an der Macht. Gleichzeitig kann man das eigene Atomarsenal ohne wirkliche Behinderung vergrößern.

Aus welchem Grund jedoch lassen sich die anderen fünf Verhandlungspartner auf dieses Spiel ein? Auch hier ist die Antwort relativ einfach: Die einzige Alternative wäre die direkte Konfrontation. Und im Fall Nordkoreas bedeutet Konfrontation unter Umständen totaler Krieg.

Die nordkoreanische Strategie funktioniert jedoch nur, wenn der Gegner davon überzeugt ist, dass Nordkorea das Risiko eines Krieges wagen würde. Bei einer nach geläufigen Maßstäben rational handelnden Regierung würde diese Rechnung nicht aufgehen. Aus diesem Grund muss das Regime in Pjöngjang regelmäßig den Eindruck erwecken, dass es tatsächlich wahnsinnig genug wäre, einen neuen Krieg zu beginnen. Der Wahnsinn hat nicht nur Methode, sondern ist Voraussetzung für den Erfolg.

Der neue Herrscher in Pjöngjang hat sich gesprächsbereit gezeigt und eine Wiederaufnahme der Sechsergespräche in Peking ist wahrscheinlich. Völlig unwahrscheinlich jedoch ist, dass diese siebte Runde zu wirklichen Ergebnissen kommt.

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