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LIEBESERKLÄRUNG #1
AN PERFEKT UNPERFEKTE MÜTTER

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von Andrea Fischer Schulthess, Geschichtenerzählerin und Autorin, Mutter von zwei Kindern (2001 und 2003)

Während der ersten Schwangerschaft hatte ich Panik und dachte, ich würde das alles nie hinkriegen. Und was dann?! Klar will man als Mutter perfekt sein. Mittlerweile ist mir allerdings bewusst, dass man Abstriche machen muss, um eine gute Mutter zu sein. Kein Kind braucht einen makellosen Haushalt und auch keine fehlerfreie Mutter, aber dafür eine, die liebend und authentisch ist.

Trotzdem: Der Verzicht auf übersteigerte Ansprüche an sich selbst ist ja gut und recht. Bloß ist das leichter gesagt als getan. Offen gestanden bin ich darin noch immer nicht sonderlich gut. Ich wünschte, ich könnte die Haltung einnehmen, «in meinem Haushalt muss nicht alles tipptopp sein». So ist es jedoch leider nicht. Zwar ist mein Haushalt in der Tat nicht perfekt, eher etwas chaotisch, dennoch tappe ich immer noch in die Perfektionismus-Falle. Manchmal hilft es, wenn ich mir vorstelle, die eigenen Kinder wären schon erwachsen und würden sich an die eigene Kindheit zurückerinnern. Vor allem als sie kleiner waren, stellte ich mir dann ab und zu die Frage: Was wäre schlimmer? Wenn sie sich an die Unordnung im Wohnzimmer zurückerinnern oder daran, wie ich sie bitte, nicht herumzutoben, damit ich aufräumen kann, und sie sich dafür einsam, vernachlässigt fühlen? Das half.

Ich vermute, hinter dem Perfektionismus-Anspruch vieler moderner Mütter steckt vor allem Angst. Im Elternsein insgesamt stecken ja sehr viele Ängste. Angst davor, was die anderen denken könnten; Angst, dass die Kinder sich in der Welt nicht zurechtfinden werden; Angst, dass die eigenen Kinder einen nicht mehr lieben könnten; Angst, dass sie deine Schwächen erkennen und benennen – was ich übrigens mittlerweile sehr erfrischend finde. Deshalb störe ich mich auch an den meisten Erziehungsratgebern. Sie schüren oft ungewollt solche Unsicherheiten und Ängste. Wie zum Beispiel Bücher mit Titeln wie: «Jedes Kind kann schlafen» etc. Wie es einem wohl ergeht, wenn man ein solches Buch gelesen hat und das eigene Kind trotzdem nicht schläft? – Das lässt doch viele denken: «Wie schrecklich! Jedes Kind kann dank diesem Buch schlafen, nur meines nicht!» Das macht alles noch schlimmer. Manchmal staune ich ob des ganzen Drucks, dass nicht mehr Mütter Alkoholikerinnen sind, kiffen oder sich sonst wohin flüchten.

Ängste und Unsicherheiten dieser Art rühren wohl zu weiten Teilen daher, dass wir nicht mehr in Familienverbänden aufwachsen. Eigentlich ist es ja geradezu bescheuert, als Frau einsam mit einem Baby daheim zu hocken und für alles verantwortlich zu sein. Es fehlt die Unterstützung und das Lernen in Großfamilien, die alle Generationen und Altersklassen vereinen und zusammenhalten. Klar kann man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, und die Vergangenheit zu beschönigen, bringt auch nichts, aber wir können uns heute einen Ersatz für die Großfamilien suchen. Mütter können sich zusammentun und sich dadurch gegenseitig genau diesen Austausch und diese Unterstützung ermöglichen, welche in der modernen Kleinfamilie fehlen. Zum Beispiel in Form von Mittagstischen oder häufigen Treffen etc.

Dabei empfehle ich von Herzen, sich soweit möglich mit solchen Müttern oder Eltern zusammenzutun, an denen man sich gern orientieren möchte, bei denen man sich aufgehoben und verstanden fühlt, so wie man eben ist. Denn eigentlich kann man gemeinsam über so vieles lachen, statt sich gegenseitig das Leben schwer zu machen und sich auf die Finger zu schauen oder sich zu konkurrieren. Davon hat keine was. Worüber ich jeweils mit anderen Müttern – auch heute noch – alles gescherzt oder auch geweint habe! Über so viele Dinge, durch die man als Mutter eben durch muss. Das half und hilft immer wieder, das Schöne und Wunderbare an dieser Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren und sich nicht allein zu fühlen, wenn mal wieder alles schiefgeht oder die Kraft fehlt.

Ein Beispiel: Kürzlich war ich bei einer Freundin – da kommt ihr Nesthäkchen zum Gefrierfach und schnappt sich, ohne mit der Wimper zu zucken, ein drittes Eis. Meine Freundin sieht mich an und sagt: «Sorry, bei den ersten beiden Kindern habe ich mich so sehr ins Zeug gelegt, ich mag nicht mehr perfekt sein. Der Kleine wird auch so gut rauskommen.» Ich fand ihre Aussage großartig entspannt.

Vor allem vor dem Hintergrund, dass der größte Stress, den sich heutige Eltern machen, das Essen betrifft. Zumindest scheint es mir so. Ich kann mich noch gut erinnern, als meine Tochter ein Säugling war, posaunte ich laut herum, dass ich sie im ersten Jahr nicht mit Bananen füttern würde, damit der Körper sich nicht zu früh auf Süßes einschieße. Ein Freund von uns, der bereits Kinder hatte, grinste nur und meinte lakonisch: «Jaja, warte mal ab.» Und ehe ich mich versah, hatte ich auf jedem Ausflug Bananen dabei – keine Frucht ist praktischer für unterwegs. Ich lache heute noch über meine hehren Pläne von damals.

So kochte ich zum Beispiel tonnenweise Bio-Rüebli und Bio-Kartoffeln ein, pürierte alles mit hochwertigem Öl, damit das Vitamin A aufgenommen werden kann. Dann wurde das Ganze auf Vorrat eingefroren – was ich schon nach wenigen Wochen nur noch nervig fand. Beim zweiten Kind habe ich dann ganz entspannt Gläschen gekauft. Nichts gegen den perfekten Bio-Brei. Wenn eine Mutter gerne stundenlang in der Küche steht, dann nur zu, klar! Das ist super. Aber wenn es einen stresst und Zeit raubt, die man zur Erholung vom mütterlichen Alltag oder für die Kinder nutzen könnte, dann kann man da auch getrost mal Abstriche machen.

Und zum Abschluss habe ich noch eine Bitte an alle Mütter: Hört auf damit, euch selbst und den anderen etwas vorzumachen, wenn mal etwas nicht klappt, ihr überfordert oder unglücklich seid. Zwar tut das kaum jemand vorsätzlich oder aus böswilligen Motiven, sondern aus der Sorge heraus, als Versagerin dazustehen. Mit diesem Anspruch, perfekt zu sein und den Schein zu wahren, schaden sich die Mütter jedoch letztlich nur sich selbst und auch gegenseitig, statt sich eine Stütze zu sein. Deshalb habe ich auch schon häufig darüber geschrieben (im Mamablog des «Tages-Anzeiger»). Mir ging’s dabei darum, dass eine Mutter sich hinstellt und den Mut hat zu sagen, dass sie nicht perfekt ist und nicht alles im Griff hat und dass deswegen die Welt nicht untergeht. Mein Ziel war es, auch die Schüchternen zu ermutigen, dies zu tun. Zu zeigen, dass man mit solchen Sorgen nicht allein ist. Denn der Druck nützt niemandem was.

Wir Mütter hoffen oft, durch unser Perfektsein die Kontrolle über alles zu behalten. Das ist verständlich, aber eine Illusion. Ein Kind zu haben ist per se ein Kontrollverlust. Man hat nur äußerst bedingt Einfluss darauf, ob es krank wird oder nicht, ob es im Tram rumschreit oder nicht, ob es ausgeglichen oder temperamentvoll auf stressige Situationen reagiert. Hinzu kommt: Man hat auch keine Kontrolle mehr über sich selbst, über seinen Körper, über seine Zeit. Muttersein hat sehr viel mit Fremdbestimmtsein zu tun, mit spontanem Reagieren und damit, vorgefasste Ideen über den Haufen zu werfen. Wenn man das hinnimmt, was ich übrigens keineswegs einfach finde, könnte man als Mutter so viel entspannter sein. Die Einstellung «Es kommt schon alles so, wie es soll» ist uns abhanden gekommen. Wir kennen diese Haltung nicht mehr, haben ständig das Gefühl, alles aktiv herbeiführen und bestimmen zu müssen. Ich habe mich unendlich schwer getan damit, einzusehen, wie wenig Einfluss ich tatsächlich habe. Das hat in mir manchmal regelrecht Panik ausgelöst – und tut es auch heute noch ab und zu, aber ich arbeite dran.

Dabei habe ich gelernt, dass Humor eine enorm hilfreiche Überlebensstrategie ist. Liebe und Lachen sind oft das beste Mittel, für Eltern wie auch für Kinder. Ich erinnere mich an einen Morgen, da waren wir alle, ich und die Kleinen, mit dem falschen Bein aufgestanden. Grässlich. Dann entschied ich mich: So, jetzt alles nochmals von vorne. Und wir gingen tatsächlich alle wieder zurück ins Bett und taten so, als wären wir eben erst erwacht. Die Kinder fanden das lustig und so konnten wir beim zweiten Versuch «mit dem richtigen Bein aufstehen». Ab und zu sagen wir noch heute: «Ich glaube, diesen Tag müsste ich nochmals von vorne beginnen, da ist was tüchtig schiefgelaufen.»

Mein Fazit: Ich wüsste keinen Erwachsenen, kein Kind und keine Familie, die von überhöhten Ansprüchen profitiert hätten – davon, sein Bestes zu geben: ja. Aber davon, Unrealistisches schaffen zu wollen: definitiv nein!

Andrea Fischer Schulthess (1969) hat an der Universität Zürich Zoologie studiert und anschließend die Ringier Journalistenschule absolviert und als freie Journalistin für diverse Medien geschrieben. 2009 gründete sie zusammen mit ihrem Mann Adrian Schulthess das Minitheater Hannibal. Ihr erster Roman «Motel Terminal» erschien 2016 im Salis Verlag, ein weiterer ist in Arbeit.

www.fischer-schulthess.ch

www.minitheater-hannibal.ch

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