Читать книгу Deutschland, einig Schlaraffenland - Martin Mehner - Страница 3

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Rollenplan

Hauptrollen:

Rudolf Bahreiner, Uckermärkischer Milchviehbauer

Nadine Wiltrup, erfolgreiche Inhaberin einer Apothekenkette

Achmed, 21-jähriger Arbeitsloser aus Berlin-Neukölln mit türkischem Migrationshintergrund

Liliana, eine junge Frau aus Berlin ohne Ausbildung

Nebenrollen:

Sense, ein Maler

Brit, uckermärkische Abiturientin

Ein Unternehmensberater

Außerdem:

- Polnischer Marktschreier

- 2 Apothekerinnen, 2 Apotheker

- Chor

(Hinweis zu den Chören: Die Chöre sind als Vorschläge zu verstehen, welche in Abhängigkeit von entsprechenden Regieeinfällen abgewandelt werden können...)

1.Akt, 1.Szene .

Berlin, Innenstadt.

Straßenzeile, nebeneinander Sparkasse, Wohnhaus, Apotheke.

Rudolf, ein kräftiger Mann mittleren Alters, schlicht, aber gewählt gekleidet, kommt aus der Sparkasse und schaut auf die Papiere in seiner Hand. Plötzlich öffnet sich die Tür des nächsten Hauseingangs und er wird brutal in den Hausflur gezogen. Ein vermummter junger Mann (Achmed) mit Großstadt-Migrations-Akzent brüllt ihn an:

Achmed: Rück dein Geld raus, Alda, sonst mach isch disch alle.

Rudolf, der noch benommen ist, wühlt in seinen Taschen.

Rudolf: Hab nix mehr, Achmed.

Achmed: Woher...

Rudolf: Mehmet...?

Achmed: Hör auf zu spinnen, isch knall disch ab.

Rudolf wühlt immer noch, riskiert aber einen Blick nach oben.

Achmed: Sieh zu, Alda!

Rudolf: Dann schieß doch! Muss ich wenigstens nicht selber...

Rudolf stutzt.

Rudolf: Sag mal, das ist doch 'ne Attrappe. Lass mich vorbei!

Achmed stellt sich in den Weg.

Achmed: Isch hab noch'n Messer, Mann.

Rudolf: Ist ja gut. Ich hab nichts.

Achmed: Nervös. Verstehst Du schwer?

Rudolf: ...lass mich durch!

Achmed fuchtelt mit einem Messer herum, es gibt ein Handgemenge. Rudolf blutet an der Stirn.

Rudolf: Keucht. Ich hab wirklich kein Geld. Du hast ja keine Ahnung, wie wenig die Molkereien zahlen. Ich bin pleite, blank. Insolvent, verstehst du?

Achmed: Leck misch! Du warst in der Bank, Mann.

Achmed sieht ein, dass er jetzt ernst machen müsste. Deshalb lässt er das Messer sinken.

Rudolf: Deprimiert. Ich wollte nachsehen, ob mein Grundeinkommen schon drauf ist. Meine letzte Rettung.

Achmed: Verscheißer misch nischt. Du und Grundsicherung! Er mustert Rudolf.Vergiss es!

Rudolf: Nicht Grundsicherung, Grundeinkommen. Bürgergeld. Jeden Monat 800 Euro. Noch nichts davon gehört?

Achmed: Ey Alda, du sp... blutest. Hier is 'ne Apotheke, gleisch nebenan. Du brauchst irgendwas, Mann!

Achmed zerrt Rudolf aus dem Hausflur in Richtung Apotheke. Großer Schriftzug: Wiltrup-Apotheken: Wir helfen von Herzen bei allen Schmerzen.

Rudolf: Ist nicht so schlimm.

Achmed hat schon die Klinke in der Hand, aber Rudolf will nicht hinein. Die Apothekerin, Nadine Wiltrup, sieht durch die Scheibe und stürzt heraus.

Nadine: Das sieht ja furchtbar aus. Kommen Sie, ich verbinde das.

Rudolf geht widerstrebend mit. Achmed folgt händeringend.

Achmed: Alda, zeig misch bloß nisch an. Bitte, Mann.

Rudolf: trocken Was du schon für Wörter kennst! Ich heiße Rudolf. Milchviehbauer.

Achmed: Isch Achmed. Du hattest leider Rescht mit meinem Namen.

Rudolf: Du könntest Schauspieler werden. Erst der brutale Räuber, und jetzt Kumpel von nebenan. Bei uns suchen sie noch welche. Prenzlauer Spektakel heißt die Nummer. Geld hätteste ja dann, so als uckermärkischer Laiendarsteller. 800 Euro.

Währenddessen betritt eine junge, stark geschminkte, ansonsten weiß gekleidete Frau (Liliana) die Apotheke. Sie geht zielstrebig zur Kosmetikauslage und nutzt die Gelegenheit, einiges in ihre Handtasche zu stecken.

Im Hintergrund geht das Gespräch weiter.

Achmed: Jetzt sag doch mal, das ist kein Quatsch mit dem Grundsich..., Grunddingens?

Rudolf stöhnt bei der Wunddesinfektion.

Rudolf: Grundeinkommen. Kein Quatsch. Jeder kriegt es, sei er Bauer oder Arbeitsloser. Jeder, der in der Uckermark wohnt.

Achmed: Isch hör dauernd Uckermark? Wo ist das denn? Polen?

Rudolf: Gar nicht weit von hier, noch vor Polen. Du musst da nur gemeldet sein. Und hier halt nicht mehr. Auch keine Nebenwohnung. Ich hatte nämlich bis gestern noch eine.

Achmed: Scheiße, Alda. Nix für mich. Da draußen ist bloß Pampa.

Rudolf: Denkst du!

Rudolf, Achmed und Nadine kommen wieder zurück in die Offizin. Liliana schließt hörbar ihre Handtasche.

Nadine: Ich gebe Ihnen noch ein Schmerzmittel. Und zwei Kompressen. Hier ist ein Kühlakku, den müssen Sie in den Gefrierschrank legen, und wenn er richtig kalt ist, auf die Wunde halten. Wie viel Mullbinden brauchen Sie? Am besten nehmen Sie zwei, damit eine immer in die Waschmaschine kann. Das macht dann fünfunddreißig Euro achtzig.

Rudolf: Hab ich nicht.

Nadine: Wie viel haben Sie denn?

Rudolf: Wenn alles gut geht, 800 im Monat. Der Rest ist meine Sache. Ich will keine Medikamente. Ich trau euch Bande nicht.

Nadine: Sie können auch überweisen, ich schreib Ihnen eine Rechnung. Vielleicht was Homöopathisches?

Achmed: Isch kann doch nisch einfach so umziehen, Alda.

Rudolf: Das reicht auch nicht. Du brauchst zusätzlich 'ne Abmeldebescheinigung, dass Du in Berlin keinen Wohnsitz mehr hast. Die hole ich mir jetzt nämlich.

Achmed: Wie? Du kriegst die Kohle noch gar nischt?

Rudolf: Leider nein. Ich dachte, die zahlen schon mal. Verdammte Bürokraten. Erst, wenn der Wisch da ist.

Zu Nadine:

Rudolf: Was kostet das, was ich gerade bekommen habe?

Nadine: Was denken Sie von mir? Ich helfe natürlich gerne. Ich bin schließlich Apothekerin. Hier, ich geb Ihnen meine Karte: Nadine Wiltrup, Wiltrup-Apotheken.

Achmed: Isch komme mit in die Uckermark. Isch melde misch auch hier ab. In die Pampa. 800 Glocken, Alda!

Liliana: Wie, du willst weg von hier, Süßer? Gerade jetzt, wo wir uns kennenlernen?

Achmed: Haste nischt gehört, Baby? In der Uckermark musst Du wohnen, dann gibt’s 800 im Monat für nüscht. Grundeinkommen. Jeden Tag Party. Glück muss man haben, sag isch dir. Wie heißt du überhaupt?

Liliana: verführerisch Liliana.

Sie tänzelt um Achmed herum.

Ist ja irre! Und die Kerle haben endlich Zeit für die Liebe.

Achmed: Klar doch, Baby.

Liliana: Nichts mehr mit: Ich muss gehen, die Arbeit ruft. Oder: Bis morgen muss der Bericht fertig sein. Oder: Ich wollte noch schnell den Vergaser einbauen.

Achmed: Was meinst'n du?

Liliana: Erst wenn ich fertig bin, wird wieder an Arbeit gedacht.

Achmed: Grinst. Ach sooo...

Dann, zu Rudolf. Aber isch hab ja gar keine Wohnung, wie soll isch misch da draußen anmelden?

Rudolf: Wenn du dich nützlich machst, kannst du erst mal bei mir wohnen, ich kann wirklich Hilfe gebrauchen. Und ich hab ein ganzes Haus.

Achmed: Für disch alleine?

Rudolf: Seit ein paar Jahren, ja. Leider. Meine Frau ist weg, zusammen mit den Kindern.

Achmed: Du Glückspilz! Mir würde ein Zimmer reischen. Ein ganzes Zimmer für misch alleine!

Liliana: Ich würde an deiner Stelle zwei nehmen. Und später, wenn deine Kinder kommen...

Achmed: Kinder? Isch hab keine Kinder.

Rudolf: Zwei Zimmer gehen natürlich auch, wenn du ein bisschen Miete zahlst. Was soll ich mit dem großen Haus, so auf Dauer? Dreckt bloß alles ein.

Nadine: Tja, wenn die Frau weg ist…

Rudolf: Wir hatten eine Putzhilfe. Meine Frau hat den Papierkram gemacht und bei den Kühen geholfen. Bei fünfzig Tieren waren wir immer dicht an der Rentabilitätsgrenze.

Nadine: Was meinen Sie, warum ich fünf Apotheken habe? Dabei wollte ich eigentlich nur für kranke Menschen da sein.

Rudolf: Selbst wenn ich wollte – ich kann nicht fünf Ställe bauen. Dazu bräuchte ich Land, Maschinen, eine größere Melkanlage, alles. Und die Milchpreise sind im Keller, im Gegensatz zu den Medikamenten.

Liliana: zu Achmed Aber irgendwann willst du doch bestimmt Kinder haben.

Achmed: Mann, Baby! Bei uns zu Hause sind tausend Kinder, kapiert? Isch brauche so was nischt. Nur Stress, sag isch dir. Mein Alda is froh, wenn isch endlich weg bin und kein Geld mehr koste.

Und überhaupt: gibt’s nischt schon genug Achmeds in Deutschland?

Liliana: Schmeichelnd. Kannst deinen Sohn ja Johannes nennen.

Nadine: Arrogant. Besser Maikl.

Achmed: Warum nischt gleisch Kevin? Mit meinem ältesten Bruder hamse das so gemacht. Die Leute sind alle schon ausgerissen, wenn sie den Namen gehört haben.

Zu Liliana. Johannes ist gut. Klingt wie ein Präsident.

Liliana: Tippt ihm neckisch auf die Brust. Fehlt nur noch die Präsidentenmutter.

Achmed: Aaach, das findet sisch. Präsidentenmutter wollen alle werden.

Liliana: Dann eben nicht. Muss ich halt hier bleiben. Von einer Umschulung zur nächsten.

Achmed: Schimpft. Was geht misch das an? Isch musste mir das jahrelang anhören: Von dir hängt die ganze Familie ab, mach was aus deinem Leben! Du bist der einzige von uns, der je eine Arbeit kriegen kann. Irgendwann musst du uns ernähren.

Liliana posiert schmollend herum. Achmed schielt zu ihr hin und kämpft mit sich.

Achmed: Okay, du kannst ja nachkommen. Zu Rudolf: Also doch zwei Zimmer. Wieder zu Liliana: Aber isch sag dir, isch brauche meine Ruhe. Nisch immer „Achmed, mach mal hier, Achmed, mach mal da..“. Dann raste isch aus.

Aus dem Hintergrund hört man Demonstranten:

Chor: Wir wollen Bürgergeld! Bürgergeld für Jedermann!

Liliana: mehr zu Publikum Zeit für die Liebe! Zeit für die Kinder! Kein Geschimpfe wegen den Noten! Kein Stress wegen Hausaufgaben! Ich könnte alles anders machen als meine Mutter.

Wenn ich ihn erst herumgekriegt habe, werden wir die glücklichste Familie der Welt sein.

Achmed: Eher gleichzeitig oder versetzt. Endlisch mal abhängen, verdammt. Nie wieder die blöden Fragen: Hast du dir Arbeit gesucht? Hast du Geld nach Hause gebracht? Ah, du willst essen, hast du das verdient? Machs gut, Alda! Friss deine Börek alleine!

Rudolf: Achmed, los! Das Einwohnermeldeamt macht bald zu. Wir müssen uns beeilen.

Nadine: So können Sie doch nicht auf ein Amt gehen! Sie sehen aus wie ein Strauchdieb!

Liliana: Und was wird mit mir?

Rudolf: Hast du deinen Ausweis dabei?

Liliana: Weiß nicht, wo der ist...

Achmed: Erleichtert. Morgen ist auch noch ein Tag.

Liliana: Wir sehen uns nachher aber noch, oder? Ich warte hier auf dich.

Weiterhin Chor der Demonstranten, der plötzlich laut wird, als Achmed und Rudolf auf die Straße treten.

Chor: Wir wollen Bürgergeld. Bürgergeld für Alle!

Achmeds Antwort „vielleicht“ geht im Lärm unter.

Deutschland, einig Schlaraffenland

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