Читать книгу Ein Affenkäfig voll Scheisse - Martina Körber - Страница 4
Björn
ОглавлениеNach einer Weile hat sich Stefan gesammelt und steht auf. „Komm, Max, jetzt schauen wir erst einmal zum Obdachlosenheim.“ Sofort steht der kleine Hund lautbellend auf und läuft voran. Stefan hat sich schon einige Tage vorher die nächstmögliche Adresse aufgeschrieben. Immer noch völlig unschlüssig darüber, wie es jetzt nun weitergehen soll, erachtet er es erst einmal für eine gute Idee wenigstens irgendwo unterzukommen um sich die nächsten Schritte, vielleicht sogar mit Hilfe eines Obdachlosenberaters, genau zu überlegen. Denn schließlich ist diese Situation eine völlig neue Erfahrung für Stefan, er war ja noch nie obdachlos… Als er nach etlichen Wegen endlich dort ankommt, ist er jedoch enttäuscht. „Es tut uns wirklich sehr leid für Sie, aber wir sind überbelegt.“ wird er am Eingang abgewimmelt. Also auf ins nächste Obdachlosenheim, es sollte nicht weit sein, so die Aussage des Mannes. Aber auch im nächsten Heim kommt er nicht weit. „Der Hund bleibt aber draußen!“ Als Stefan versucht dem Mann zu erklären, dass der Hund noch alles ist, was er an Familie besitzt, zeigt dieser etwas Mitleid. „Ja haben Sie denn keine Freunde dem Sie diesen Hund anvertrauen können?“ Was für eine blöde Frage, denkt sich Stefan, hätte ich noch Kontakte, wäre ich dann hier? Ihm reicht es jetzt, völlig entmutigt und ohne weiterer Worte lässt er den Mann einfach stehen und geht. „Komm Max, hier sind wir nicht erwünscht!“ Völlig aufgelöst lässt er sich erst einmal auf der nächsten Bank nieder und starrt in den Himmel. Bald wird es regnen und ich habe keine Ahnung, wohin ich jetzt soll! Plötzlich setzt sich ein Typ, wahrscheinlich etwas älter als Stefan, neben ihn. Er schaut ziemlich verwahrlost aus und stinkt. Stefan hat eigentlich keine Lust auf so eine Gesellschaft und will wieder weitergehen, doch der Typ gibt ihm seine Hand. „Björn“, stellt er sich vor, „ich habe mitgekriegt, dass du vorher im Obdachlosenheim einchecken wolltest und das wegen deinem Köter nicht geht. Vielleicht kann ich dir ja helfen!“ Obwohl der Kerl alles andere als angenehm für Stefan ist, lässt er sich dann doch auf ein Gespräch ein. Was sollte er auch sonst tun? Außerdem scheint der Kerl ja ganz nett zu sein… Björn beugt sich nach vorne und holt zwei billige Biere aus seinem Rucksack heraus. „Du auch?“ bietet er Stefan eins an.
Dankend nimmt Stefan es an. Vielleicht tut es ja ganz gut erst einmal zur Beruhigung etwas zu trinken und irgendwie abzuschalten… Zeit hat er ja jetzt wohl genug. „Wie lange bist du schon obdachlos?“ will Björn wissen. Stefan erzählt ihm was passiert ist. Björn lacht. „So ist diese Gesellschaft eben heutzutage, nichts Neues! Also bist du noch Frischling auf der Straße, wa?“ Dann erzählt ihm Björn, dass er schon seit Jahren obdachlos ist. „Halt dich einfach an mich, ich kenn mich hier auf der Straße gut aus!“ So ganz recht ist es Stefan nicht gerade unbedingt von diesem Kerl abhängig zu sein, aber hat er denn eine Alternative? Schließlich kann er ja froh sein, dass er überhaupt jemanden gefunden hat, der ihm helfen will. Björn dreht sich nun aus Tabak ein paar Zigaretten und Stefan fällt auf, wie schmutzig und gelb seine Finger schon vom Tabak sind. „Auch eine?“ Dankend nimmt Stefan an, denn seit ein paar Stunden hat er auch keinen Tabak mehr und da es Monatsende ist auch kein Geld mehr von seinen Hartz 4-Leistungen übrig. „Es wird gleich regnen.“ stellt Björn fest, als er in den Himmel schaut. „Komm mit, wir stellen uns irgendwo unter.“ meint Björn und steht auf. Etwas lustlos begleitet Stefan ihn, sie gehen ins nächste Kaufhaus. „Dort halte ich mich oft auf, wenn es regnet.“ erzählt Björn. Stefan nickt. Die Leute schauen sie beide an und manche rümpfen die Nase, da Björn so stark riecht. Etwas peinlich ist es Stefan schon. Björn scheint es zu merken. „Sorry“, grinst er etwas schüchtern, „ich hatte schon lange keine Gelegenheit mehr gehabt mich zu duschen. Aber heute Abend krieg ich noch Kohle von Ralf, der schuldet mir noch was wegen der fetten Beute. Dann leiste ich mir endlich einmal wieder eine Dusche im Schwimmbad, falls die mich natürlich reinlassen!“ Stefan ist neugierig. „Fette Beute?“ Björn winkt ab. „Ja, Mann! Ich deale gelegentlich, woher soll ich sonst Kohle kriegen!“ Angenehm ist es Stefan nicht und er sorgt sich, ob Björn ihn nicht da in irgendwas reinziehen könnte… Er entschließt sich einfach vorsichtig zu sein, was Björn angeht. Draußen regnet es und Björn gibt ihm ein zweites Bier. Vielleicht kann ich das Ganze ja etwas ausblenden! denkt Stefan sich. Doch dann kommt ein großer, hagerer Mann auf sie zu. „Ich muss Sie nun bitten zu gehen, es ist verboten hier zu saufen! Sie belästigen unsere Kunden!“ Björn wird ausfällig. „Hey Mann, was tu ich denn schon!“ Stefan ist es peinlich und er entschuldigt sich bei dem Mann. „Komm Björn, gehen wir!“ ruft er dann und geht Richtung Ausgang, Björn folgt ihm zögernd, nicht ohne den Mann als Spießer zu beschimpfen. „Schämst du dich etwa? Schisser!“ schimpft Björn, als sie wieder draußen im Regen stehen. Eigentlich will Stefan lieber mit Max allein weitergehen, aber Björn hängt wie eine Klette an ihm. „Du bist noch viel zu weich, Kleiner! Glaub mir, je länger du auf der Straße lebst umso weniger juckt es dich was die ach so tolle Gesellschaft von dir denkt! Denn helfen tun sie dir ja sowieso nicht! Du bist ihnen doch scheissegal!“ Dann gibt er endlich Ruhe. „Wohin willst du jetzt?“ fragt Björn gelangweilt, als Stefan ziellos immer weiter läuft. „Keine Ahnung.“ gibt Stefan zu. Stefan ist müde. Der Tag heute ist ziemlich nervenaufreibend gewesen. Langsam wird es auch dunkel. „Komm mit, ich weiß wo du heute schlafen kannst!“ schlägt Björn vor. „Ich schwöre es dir: Wenn es dunkel wird siehst du das wahre Gesicht vieler Menschen. Ein Obdachloser allein auf der Straße ist ganz schön gefährlich…Erst letztens haben irgendwelche Jugendliche einen schlafenden Obdachlosen angezündet!“ überredet Björn weiter. Stefan zögert etwas. Da ihm aber nichts Besseres einfällt, lässt er sich auf Björn weiter ein.