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1 Auf dem Grossmarkt

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Es war frühmorgens auf dem Früchte- und Gemüsegrossmarkt, als einem lauten Schrei des Entsetzens eine Hasstirade an italienischen Flüchen folgte.

Der Lärm kam aus der Ecke der Früchtehändler. Die Hände ringend und laut schimpfend deutete ein anklagender Finger, gefolgt von wütenden Blicken, auf einen in sich zusammengestürzten Melonenturm.

Überall lagen geplatzte Wassermelonen aus Italien herum und Gino, der Händler, stampfte mit seinen Gummistiefeln im Fruchtfleischmatsch herum. Dies tat er zehn Minuten lang, bis genug Publikum herumstand, und dann, als alles gebannt auf ihn hin starrte, hob er ein Brett an und ein blutverschmierter Arm kam zum Vorschein, sowie noch fliessendes Blut, das sich mit dem roten Saft der Wassermelonen vermischte.

“Da müssen wir nicht lange graben, um zu wissen, wieso so viel Blut fliesst!“ sagte Commissario Sondrino DiPietro vom Morddezenat. “Ich sage Ihnen“, sprach er weiter und meinte damit seinen Untergebenen Fabio Sevieri zu informieren: “Viel Blut bedeutet Schnitte in den Bauch und Schnitte im Halsbereich, so, dass das Opfer auch wirklich schön ausblutet!

Ich tippe auf Vendetta - schon wieder - das zweite Mal seit meinen letzten Ferien in Süditalien dieses Jahr. Aber völlig langweilig und zum Kotzen!“ „Ja, Chef,“ antwortete ihm Sevieri. “Wieder die gleiche Handschrift. Man könnte meinen, sie machten mit den Leuten Harakiri.“ „Para? Was?“ antwortete ihm DiPietro gedankenverloren. „Harakiri oder Sepuku! Zuerst tiefe Bauchschnitte, damit alles heraushängt, und dann noch die zwei Halsschnitte, ganz klassisch, so, wie sie vorhin andeuteten.“

„Aha!“ meinte DiPietro. „Denken Sie etwa an die japanische Mafia? Hier bei uns? Ich sehe nirgendwo einen Japaner. Ich frage mich nur, wieso immer bei Gino - also doch die italienische Mafia?“

Er brummte leise etwas vor sich hin und wandte sich dann ab.

„Ob nun Mafia aus dem Land des Sonnenaufganges, oder Mafia aus dem Land der untergehenden Sonne, ich habe jetzt Durst und brauche einen Cappuccino bei „Da Mario“, sagte DiPietro dann. „Wir müssen ohnehin den Gerichtsmediziner und die Spurensicherung abwarten.“ „Gut, gehen wir!“ antwortete Sevieri. „Bis später“ rief er in die Zuschauermenge, worauf sich diese langsam auflöste.

In der Bar “Da Mario” sassen sich DiPietro und Sevieri vorerst stumm gegenüber.“ Verflucht!“ brach es aus DiPietro nach einer längeren Pause heraus. “Ja, verflucht!“, echote Sevieri. „Der zweite Fall und noch immer keine sachdienlichen Hinweise. “Jedes mal jedoch die gleichen Schnitte. Scheint mir immer dieselbe Person zu sein. Möglicherweise aber auch nicht, vielleicht wird sie kopiert.“

DiPietro schlürfte laut seinen zweiten Cappuccino. Er konnte Espresso nicht leiden. Zur Zeit ebenso wenig Sevieri. Diesen übereifrigen Partner, welcher wohl nur so aktiv war, um möglichst rasch an seinen Posten zu kommen.

„Ja, doch!“, dachte DiPietro. „Ich weiss. Ich bin bald 65 Jahre alt, was soll's. Dann wird eben Sevieri die Melonengeschichte lösen und ich könnte mich dann ganz gemütlich in mein Häuschen in Süditalien zurückziehen. In das Dorf in dem meine Mutter und mein Vater begraben liegen. Die „Gazzetta dello Sport“ lesen und nur noch guten Wein trinken und wunderbar essen.“ Ah, da lief ihm das Wasser im Munde zusammen.

Aber daraus wurde vorerst nichts. „Sie haben noch zehn Monate bis zu ihrem 65. Geburtstag!“, hatte ihm damals sein Chef, CommissarioCapo Marcello Pedroli gesagt. „Und bis dahin ist der Melonenfall zu lösen. Basta! Keine weiteren Diskussionen. Sie sind unser bester Mann!“

„So hart war die Welt. – Wieso immer Melonen?“ dachte er noch und dann war er an der Bartheke eingeschlafen.

Sie waren nun schon über achtundvierzig Stunden auf den Beinen. Es war ein weiterer Mord dazwischen gekommen. Ein ganz gewöhnlich verlaufender Mord: -Laufenden Ventilator zur Ehefrau in die Badewanne geworfen - sie war sofort tot. Rache aus Eifersucht. Schon abgeschlossen der Fall.

„Aber weshalb immer Melonen und weshalb immer die gleichen Schwertschnitte?“, dachte er erneut, als er wieder aufwachte. Da mochte wohl jemand Melonen nicht. Oder deren Besitzer, oder deren Produzenten - oder deren Onkel. Sicherlich irgend so eine altertümliche Familienfehde von Familien aus Süditalien, wenn möglich noch aus dem gleichen Dorf!

Die Spurensicherung hatte alles genau abgesucht und dann hatte man die Fälle miteinander verglichen.

Am Tatort hatte man bis auf den Toten nichts Auffälliges gefunden. Das einzig Aussergewöhnliche war, dass die Morde immer dann erfolgten, wenn kernlose Melonen geliefert wurden. An anderen Tagen hatten die Melonen Kerne und es gab keinen Toten.

„Das könnte immerhin ein Hinweis sein,“ vermeinte DiPietro in ihrem Büro zu Sevieri, während er zumindest am sechsten, wenn nicht schon am siebten Cappuccino dieses Tages schlabberte. Am besten Nachdenken konnte er, wenn er dabei in kleinen, schlürfenden Schlückchen heissen Cappuccino trank.

Das Schlürfen brachte Sevieri an den Rand des Wahnsinnes. Es war fast nicht zum aushalten. Auch Popcornessen hasste er. Vor allem im Kino, während eines guten Filmes. „Das zerstöre doch die ganze Atmosphäre“, schimpfte er dann jedes Mal. Also ging er eben nicht mehr in die Kinos, sondern kaufte sich einen riesigen Fernsehapparat, der das halbe Wohnzimmer füllte.

Am nächsten Tag rief man Gino auf den Polizeiposten und befragte ihn nach den Produzenten und Lieferanten der zwei verschiedenen Melonensorten.

Tatsächlich stammten beide aus Süditalien, aus der gleichen Region, der gleichen Gemeinde, dem gleichen Dorf - „Montalbergo“.

„Aber - und dies ist wichtig!“ berichtete Gino. “Die kernlosen Melonen würden von der Familie Farnesarini gezüchtet, auf einem Gebiet mit viel Wasser, in einer wasserarmen Region. Die Melonen mit Kernen jedoch von der Familie Sempione, welche um jeden Liter Wasser von der Quelle auf dem Grundstück der Familie Farnesarini betteln musste. Dies, obwohl schon vor Generationen abgesprochen worden war, dass die Quelle hälftig beiden Familien Wasser liefern sollte. Die Familie Farnesarini jedoch, habgierig und schwer reich, wollte sich auf keinen Fall an die alten, überlieferten Abmachungen halten.

„Ein weiterer Grund!“ Befand Sevieri und schob die Espressomaschine von seinem Chef weg, damit dieser nicht auf die Idee käme, sich nochmals einen Cappuccino zuzubereiten.

Es war seiner Meinung nach genug geschlürft worden für diesen Tag. „Nun sollte die Nacht, der Schlaf, die Lösung bringen,“ befand er.

So verabschiedeten sie sich, fuhren nach Hause und versuchten möglichst nicht mehr an den Wassermelonenfall zu denken.

Melonenkrieg

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