Читать книгу Im Herzen ein Loch - Massimo E. Rufini - Страница 3
1 Molinari, vermisst oder tot ?
ОглавлениеEs schien wieder einer dieser typischen drückenden Sommertage zu werden, welche Sondrino DiPietro, Commissario des ersten Mordkommissariates, mit sei-nem Kopf kaum aushielt.
Auf seiner Stirne zeigten sich Spuren von Schweiss-tropfen, als er für ihn ungewohnt etwas erschöpft den Telefonhörer niederlegte, nachdem er einen äusserst aufgeregten Gesprächspartner davon überzeugt hatte, dass sie sofort aufbrechen würden, um in der Via Gallizzi dreizehn nachzusehen, ob etwas vorgefallen sei.
Kaum aufgelegt klingelte es erneut. „DiPietro!“, brummte er. Im Verlaufe des Gespräches nahm er unwillkürlich eine respektvolle Haltung ein, so dass sein Assistent Salvatore Sevieri nun immer angespannter vor Neugier unruhig im Amtszimmer umherlief und keinen Blick von seinem Vorgesetzten liess.
Betont langsam legte DiPietro den Telefonhörer nieder. Er schien bereits tief in Gedanken versunken das Gehörte zu ordnen. Er blickte nachdenklich zur Decke und wischte sich abwesend etwas Staub von seiner linken Schulter.
Zuletzt, unerträglich lange für Sevieri, blickte er diesen mit einem verschmitzten Lächeln an. „Olà! Habe ich Sie schön weichkochen lassen in ihrer zunehmenden Neu-gier?“, fragte er schmunzelnd.
„Dies war alles ein Scherz? Ganz abscheulich!“ grollte Sevieri. „Mich vorsätzlich so lange warten zu lassen!“
DiPietro lachte nun herzlich aus vollem Halse: „Nella calma si trova la forza! - In der Ruhe liegt die Kraft!“, besänftigte DiPietro. Er wusste, dass dieser kleine Jux ihr gutes Einvernehmen nicht belasten würde.
„Soll ich vor oder nach dem Kaffee berichten?“, doppelte DiPietro nach und erntete prompt vernichtende Blicke Sevieris.
„Beim ersten Anrufer handelte es sich um einen Herrn, welcher völlig ungewohnt seinen Wohnungsnachbarn seit drei Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen hat.
Den zweiten Anruf erhielt ich, denselben Herrn betreffend, vom Generalkonsul des hiesigen Italienischen Konsulates, in vollendetem Italienisch. Bereits eine schöne Sprache wenn wir uns unterhalten, wird sie zur Preziose wenn ein so gebildeter Mann wie der Generalkonsul sie spricht!“
„Und nun folgern Sie wahrscheinlich daraus, dass Italien so viel Kunstvolles hervorgebracht hat, da die Sprache gleichsam der Keim dazu gewesen ist?“, entgegnete Sevieri, der seinen Chef in dieser Beziehung gut kannte.
„Ohne Zweifel!“, versetzte DiPietro. Vermengt mit politischer Unordnung und verstärkt durch individuellen Egoismus, verdankt das Land der Kunst sein Lebenselixier. Man könnte jedoch auch sagen: „Im Chaos entspringt die Schönheit!“
„Weshalb sind bei uns keine derartigen Kunstwerke entstanden, obwohl wir doch dieselbe Sprache sprechen?“, fragte Sevieri, der sich zwischenzeitlich auf seinem Platz niedergelassen hatte.
„Das liegt ganz einfach daran, dass wir in einem Alpenland leben und unser Geist von Bergen eingeengt wird. Uns fehlt schlicht die Weite der Meere, welche den Geist fliegen lassen kann. Jetzt aber fertig philosophiert! Wo war ich stehen geblieben?
Nun, denn: Es handelt sich um den Konsulatsbeamten Giovanni Molinari, welcher seit drei Tagen vermisst wird und ausnahmslos auf besorgniserregende Weise eine grosse Lücke hinterlassen hat!“
„Bei seiner Familie in Rom ist er nicht und im Konsulat sind ohne ihn wichtige diplomatische Beziehungen abrupt unterbrochen worden. Er hat sich auffallend nicht wie üblich korrekt abgemeldet.
Unverkennbar finden mancherlei Leute, dass bei einer so untadeligen und wichtigen Persönlichkeit das Schlimmste in Erwägung zu ziehen sei. Es wird uns sehr nahe gelegt, dies auszuschliessen. Andernfalls müssten wir den Fall übernehmen!“, referierte DiPietro.
Sevieri sprang augenblicklich eilfertig auf und zog schon das Jackett an, während ihn DiPietro erstaunt anblickte.
„Und wo bleibt mein Startcappuccino?“, fragte er ent-täuscht.
„Keine Cappuccinos vorerst!“, rezitierte Sevieri leicht spöttisch: „Der Cappuccino sei zum Nachdenken da erläutern Sie immer. Es gibt ihn somit erst nach der Begutachtung der Sachlage!“
DiPietro blickte Sevieri ernst in die Augen. „Ich sehe es Ihnen an! Dies ist die Rache für das Trödeln mit den Informationen nach den Telefonaten!“, brummte er. Sevieri nickte beim Hinausgehen nur kurz mit dem Kopf und war sodann bereits unterwegs, den Wagen vor-zufahren.