Читать книгу Laktatexpress - Im Tal der Ortsschildsprinter - Matt Gelpe - Страница 8
ОглавлениеPROLOG
Das Bergische Land. Unendliche Weiten und unerforschte Anstiege. Wir schreiben das Jahr 2011. Dies sind die Abenteuer des Teams Laktatexpress. Die Eskapaden einer Gruppe berufstätiger Menschen, die mit wachsender Begeisterung auf Rennrad, Zeitfahrrad, Mountainbike oder Cyclocrosser unterwegs sind, um die seltsame, nicht selten skurrile Welt des Hobbyradsports zu erforschen, fremde Wesen in neongelben Jacken aufzustöbern und ungeahnte Laktatwerte zu erreichen…
WIE ALLES BEGANN
Vor mehr als zehn Jahren gab es in Wuppertal eine kleine, lose Gemeinschaft von Radsportlern, die sich an den Wochenenden, wenn keine MTB-Marathons stattfanden, zu gemeinsamen Ausfahrten bei Radtouristiken trafen. Man startete spät, um ausschlafen und möglichst viele Leute überholen zu können. Und wenn sich ein paar Überholte hartnäckig im Windschatten festbissen, wurde auch schon mal an der Verpflegungsstelle attackiert. Kurzum, das Tempo war immer gnadenlos hoch, Trainingspläne nur Schall und Rauch, alle gingen durch die Führung, und wenn der Schnitt am Ende unter 32 km/h lag, war das fast schon eine herbe Enttäuschung. Dass in unserer Gruppe auch starke Frauen mitfuhren, machte das Überholen von älteren Herren auf teuren Rennvelos besonders pikant. Das muss man halt schon verkraften können, von einem »Doppelzopf« eingesackt zu werden.
In dieser Zeit, es muss bei einer wunderschönen RTF in Richtung Iserlohn gewesen sein, entstand auch der Name Laktatexpress. Wir knallten ein flaches Tal hoch, und einer der Überholten, der uns schon vom Vorwochenende kannte, meinte nur resignierend: »Aah, da kommt ja schon wieder der Laktatexpress…« Damit hatten wir unseren Namen weg. Und wir waren stolz darauf!
Im November 2001 hatte ich dann die fixe Idee, all die vielen bemerkenswerten Begebenheiten, die uns so im Laufe des Jahres passierten, in Wort und Bild festzuhalten. Und was wäre dafür besser geeignet als eine eigene Internetseite? Zumal wir doch alle begeisterte Leser der Web-Auftritte diverser Profis waren (von denen an dieser Stelle besonders die Seite von Ralph Berner hervorgehoben sei).
Aber immer nur Spitzengruppe, Siege, Siege…? Wer kann das auf Dauer hören? Viel interessanter ist doch, was hinten im Peloton passiert: die Ausreden nach verpatzten Rennen, die gemeinen Attacken im Kampf um Platz 859 oder einfach die packenden Erzählungen von epischen Hungermacken… Das ist es, was Radfahrer, wenn sie montags mit laktatgeschwängerten Oberschenkeln am Arbeitsplatz vor ihrem Internetbrowser sitzen, lesen wollen. Dachte ich mir zumindest, und die Zugriffszahlen auf unsere Website gaben uns recht.
Schnell entwickelte sich Laktatexpress.de zu einer der meistbesuchten Internetseiten rund um den Hobbyradsport in deutschen Landen – insbesondere, wenn wir mal wieder Rennen gefahren waren und darüber berichteten. Daneben gab es auch noch ein Forum, das bald Kultstatus genoss, weil in ihm fragwürdige Ausreden, ungehaltene Kommentare zu unseren Berichten und allerlei anderer Schabernack wild durcheinander kommuniziert wurden. Leider hat uns ein Spam-Roboter dieses Kleinods der Meinungsfreiheit beraubt.
Im Jahr darauf beschwerte sich dann ein Rennfahrer: »Wenn ich gewusst hätte, dass du vom Laktatexpress bist, hätte ich dich vorm Ziel noch überholt.« Das war lustig, und wir ließen uns so was natürlich nicht zwei Mal sagen. Trikots und Hosen waren schnell entworfen, auf das uns weithin jeder erkennen möge. Die Farben des Trikots lagen auf der Hand: dottergelb wie das Ortsschild, schneeweiß, wie es nur Weltmeister tragen dürfen, rote Streifen wie die Blutkruste, die nach einem Sturz an deinem Bein klebt, und ein bisschen schwarz, so wie die Nacht, die dich bei einer Hungermacke umgibt. Derart optisch professionalisiert gingen wir fortan an den Start. Auch unser Fokus hatte sich inzwischen verlagert: weg von RTFs, hin zu Rennen.
Das Jedermann-Debüt bei Rund um Köln, die großen Etappenfahrten über die Alpen, die bekannten und neuen MTB-Marathons… nichts war mehr vor uns sicher. Und wenn im Rennen irgendwo jemand eine blöde Aktion geliefert hatte, dann konnte er sicher davon ausgehen, dass diese Episode am nächsten Montag genüsslich im Internet ausgebreitet und seziert wurde. Selbstredend unter Nennung des vollständigen Namens. So lernten wir quer durch Europa eine Menge netter Leute kennen. Kontakte, die bis heute Bestand haben. Gleichzeitig gibt es aber auch Menschen, die bis heute wünschen, sie hätten uns nie kennengelernt…
Neben den aktuellen Wochenendberichten etablierte sich auf Laktatexpress.de eine weitere Rubrik: die Monatsberichte. Eine etwas freiere Textform, die sich ein wenig vom aktuellen Tagesgeschehen löst. Geschrieben just for fun zur Unterhaltung der Leser. Hier durfte die Fantasie seit jeher auch mal einen Zwischensprint einlegen. Schon seit Beginn der Aufzeichnung hüpfen wir in dieser Reihe also regelmäßig auch mal in die Zukunft des Radsports (oder in das nächstbeste Kettenfettnäpfchen, das uns die Radsportmagazine bereitstellen). Und doch sei bei der Sattelstütze meines Opas versprochen, dass all diese Berichte immer auch einen gewissen Funken Wahrheit enthalten.
Vielleicht mag es erschreckend sein, dass viele dieser haarsträubenden Stories, die nun erstmals in gedruckter Form vorliegen, auf einer wahren Begebenheit beruhen, aber so ist der Hobbyradsport nun mal. Und so dürften die Geschehnisse und Marotten, von denen in den folgenden Geschichten die Rede sein wird, den allermeisten begeisterten Hobbyradsportlern seltsam bekannt und verdächtig nah vorkommen – auch wenn die werte Leserschaft uns und das Bergische Land in den meisten Fällen vermutlich nicht persönlich kennen wird.
Hier ist es also: das Tagebuch einer Gruppe laktatsüchtiger Radfahrer. Das ganz große Blatt. Ausgewählte Geschichten aus dem Logbuch des Laktatexpress. Nur echt mit 53 Zähnen.