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3. Kapitel

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Die Ereignisse der vergangenen Tage überschlugen sich geradezu, als die Sanierungsmaßnahmen der Wohnungsbaugesellschaft einsetzten.

Notdürftig deckten wir alles Mobiliar in unsere Wohnung mit durchsichtigen Planen aus Cellophan ab. Der Baustaub kroch in sämtliche Poren und hinterließ einen bitteren Beigeschmack. Jetzt zweifelte ich keinen Moment mehr daran, dass die Entscheidung von Elke substantiell richtig war, Julian in die Obhut von Silka zu geben. Und überhaupt war ich der Meinung, dass man uns zumindest vorübergehend ein anderes Quartier zur Verfügung hätte stellen sollen. Die örtliche Wohnungsbaugesellschaft ließ uns so ziemlich im Unklaren, was den Ablauf und den Umfang der Sanierungsmaßnahmen betraf.

So begnügten wir uns mit einem zentralen Wasseranschluss im Hausflur, der allen Mietern im Haus zur Verfügung stand. Zeitweise wurde auch der Strom abgestellt, bis wir eines Abends völlig im Dunkeln saßen. Wir zündeten einige Kerzen an, machten es uns auf dem Sofa gemütlich und hörten mit einem batteriebetriebenen Radio die Nachrichten.

Noch am Abend überreichte mir Elke eine Einladung für ein Gespräch beim Katasteramt.

Ich las das Schreiben aufmerksam durch und war dabei völlig verblüfft.

>>Hast du bereits ein Grundstück gekauft?<<, fragte ich.

>>Was sollte ich denn machen, wenn mir Silka sagt, dass auf dem Dorf nur noch fünf Grundstücke zu haben sind. Außerdem Clemens, du hast dich ja nie dazu geäußert<<.

Jetzt war es also amtlich, dass es Elke ernst meinte mit dem Hausbau.

Elkes Ankündigungen lösten bei mir zuerst tiefe Resignation aus, aber dann dachte ich darüber nach, wie verlockend es doch sein mag, in einem Häuschen im Grünen zu wohnen.

Nach zweiundzwanzig Uhr kam endlich der Strom wieder und alle Lampen, die wir zuvor eingeschaltet hatten, leuchteten nun im hellen Schein.

Während Elke sich im Laufe des Abends mit den Unterlagen vom Katasteramt auseinandersetzte, zog ich es vor, Wasser von dem zentralen Anschluss im Treppenhaus zu holen. Zuerst kam eine rotbraune Rostbrühe aus dem Wasserhahn, die ich gleich danach in einen Ausguss schüttete, dann stellte ich erneut meinen Eimer darunter, um ihn mit frischem Wasser aufzufüllen, als plötzlich jemand aus der Nachbarschaft die Wohnungstüre öffnete.

>>Herr Wagner, der Wasseranschluss ist nur für die Handwerker im Haus bestimmt<<.

>>Entschuldigen Sie, aber wo kann man denn sonst noch Wasser holen, wenn nicht hier?<<.

>>Wissen Sie denn nicht, dass es uns lediglich gestattet ist, unten am Container Wasser zu holen<<.

>>Darüber bin ich nicht informiert<<, entgegnete ich zurückhaltend.

Ungeachtet dessen, konnte ich es mir nicht verkneifen, an jenem Anschluss im Haus Wasser zu holen. Es war mir auch völlig egal, von welchem Wasseranschluss die Wasserentnahme erlaubt war und von welchem nicht, solange wir auf den Anschluss in der Wohnung verzichten mussten. Elke war endlich froh, als ich mit dem Eimer Wasser zurückkam, hatte sie sich doch schon auf eine Erfrischung im Bad gefreut.

Nachdem Elke ins Bad ging, wagte ich einen Blick auf unseren Balkon.

Einige Pflanzen und Sträucher waren bereits verschwunden, die inzwischen ein neues zu Hause fanden. Die restlichen Pflanzen, hatte Elke bereits im Schlafzimmer am Fenster platziert, wo sie ihr Dasein fristeten. Und überhaupt war der Balkon jetzt so gut wie leergeräumt, bis auf einiges Krimskrams, das in einer Ecke stand.

Draußen vor der Balkonbrüstung stand jetzt ein Baugerüst, auf dem man tagsüber hin und wieder Bauarbeiter herumspringen sah, die an der Gestaltung der Fassade beteiligt waren.

Es dauerte nicht lange, bis Elke aus dem Bad kam und mir einen erleichterten Blick zuwarf. Ich fragte mich jedoch, ob das an dem Wasser lag, welches ich zuvor im Treppenhaus holte oder an der Tatsache, dass ein Vertragsabschluss beim Katasteramt jetzt kurz bevorstand.

- : -

Zwei Tage später war es dann endlich soweit, als wir unseren Termin beim zuständigen Katasteramt wahrnahmen.

Ein älterer Herr von Amts wegen mit graumelierten Haaren und einem Schnauzer unterstrich im Wesentlichen die Fakten in dem Vertrag, der uns dazu ermächtigen sollte, ein Haus auf unserem Grundstück zu errichten. Die Eintragung in das Grundbuchamt besiegelte dann offiziell, dass wir jetzt stolze Besitzer jenes Grundstücks waren, welches Elke ausgesucht hatte. Vom Glück berauscht, fuhren wir mit dem Auto zu einer Besichtigung, des von Elke in Augenschein genommenen Grundeigentums. Als wir endlich jenes Grundstück auf dem Dorf erreichten, war mir von Anfang an klar, dass hier jede Menge Arbeit nötig ist. Es war nicht ersichtlich wie lange es dauern würde, bevor die ersten Veränderungen greifen.

In der Tat war es so, wie es Elke schon immer erzählt hatte, dass auf den anderen Grundstücken bereits Einfamilienhäuser standen, so dass insgesamt nur noch vier Grundstücke freiblieben. Mutigen Schrittes liefen wir auf unser neuerworbenes Grundstück zu und warteten eine Weile an der Straßenecke.

Von der gegenüberliegenden Straßenseite grüßte uns jemand mit einem freundlichen Hallo.

Wir erwiderten den Gruß und deuteten eine Geste mit der Hand an. Elke betrat das Grundstück zuerst und überlegte, an welcher Stelle das Fundament seine Verankerung finden sollte. Dabei markierten wir mit selbstgebastelten Holzstöckchen das Grundstücksgelände, wo später einmal das Haus stehen sollte.

>>Was meinst du Clemens, sollte das Haus von der Straßenecke leicht versetzt positioniert sein oder parallel zur Straßenkante verlaufen?<<, fragte Elke unschlüssig.

Ich schaute mir die Markierungen des Grundstücks eingehend an, kam aber zu keinem nennenswerten Resultat. Vielleicht lag es aber nur daran, weil die Nachbarsgrundstücke noch nicht bebaut waren. Es dauerte nicht lang und ich sah aus der Ferne Julian und Elkes Schwester Silka auf uns zukommen. Als Julian uns von weitem erblickte, rannte er unaufhörlich auf Elke und mich zu.

>>Mama, was machst du denn da?<<, fragte Julian neugierig.

>>Dein Papa und ich sehen uns gerade das Grundstück an, auf dem wir ein Haus bauen wollen<<.

Julian feixte herum als ich ihm eine Frage stellte.

>>Na Sportsfreund, wie gefällt es dir jetzt bei Silka?<<.

>>Super gut!, wir waren heute am Teich spazieren und morgen gehe ich mit Silka ins Kino<<.

Silka war sichtlich gerührt, von den imposanten Erzählungen, die Julian hervorbrachte.

>>Ist das jetzt Euer neues Grundstück?<<, wollte Silka jetzt wissen.

>>Sozusagen<<, erwiderte Elke.

>>Da wächst ja nur Unkraut!<<, entgegnete Silka.

Ganz plötzlich musste Julian lachen und bekam dabei einen Schluckanfall, so dass ich ihm mit der Hand vorsichtig auf den Rücken klopfte.

Plötzlich stocherte Elke akribisch mit einem Holzstöckchen in der Erde herum.

>>Du suchst wohl nach Bodenschätzen?<<, fragte ich zum Spaß.

>>Hahaha!, es wäre schön, wenn du mal das Maßband halten würdest<<, erklärte mir Elke.

Ich konzentrierte mich auf meine zugewiesene Aufgabe und blinzelte Julian zu, der neben Silka am Straßenrand stand und faxen machte, weshalb sich Silka das Lachen verkneifen musste.

>>Wenn Ihr wollt, könnt Ihr noch zu uns kommen und mit uns gemeinsam Kaffee trinken<<, entgegnete Silka spontan.

>>Das ist gar keine schlechte Idee<<, gab ich zur Antwort.

>>Clemens, du kannst mit Julian schon vorgehen, ich komme dann mit Silka nach<<, erklärte mir Elke, die mit Ihrer Schwester tuschelte.

Wir liefen die Hauptstraße im Dorf entlang und bogen dann in einer Seitenstraße ab.

Das Haus in dem Silka mit ihrem Lebensgefährten Bernd wohnte, stammte noch aus dem vorigen Jahrhundert und hatte schon eine Teilsanierung erlebt.

Bis vor einigen Jahren wurde hier noch Wasser aus einem Brunnen geholt, der Jahre später durch einen Wasseranschluss ersetzt wurde. Die Örtliche Kommune hatte diesen notwendigen Schritt ermöglicht. An der Eingangspforte des Hauses befand sich ein großes Holztor, welches mächtig knarrte. Julian zog mit aller Kraft daran, doch die Tür gab keinen Millimeter nach.

>>Da hält wohl jemand von innen die Tür zu<<, gab ich Julian zu verstehen.

>>Papa, du musst mir helfen…<<.

Jetzt zogen wir zu zweit an dem Holztor, bis endlich von innen jemand öffnete.

>>Das ist ja eine Überraschung. Seit ihr wegen dem Grundstück heute hier?<<, fragte Bernd, der sich mit der Hand an einem Türpfosten festhielt.

>>Ja, es ist alles so, wie Elke es beschrieben hat, aber ich denke mal, dass da noch eine Menge Arbeit auf uns zukommt<<.

>>Ist denn Eure Finanzierung schon geregelt?<<, wollte Bernd im selben Augenblick wissen.

>>Elke hat sich in den letzten Tagen intensiv darum gekümmert, sonst hätte sie wohl kein Grundstück gekauft<<, gab ich zu verstehen.

Gemeinsam liefen wir in das Wohnzimmer, während Julian sich gleich auf einen der freien Plätze an den Wohnzimmertisch setzte. Der Kaffeetisch war bereits liebevoll gedeckt und es roch nach frischen Rhabarberkuchen. Wir warteten noch einen Moment auf Elke und Silka, ehe wir gemeinsam in froher Runde am Kaffeetisch plauderten. Das neuerworbene Grundstück war das Gesprächsthema bei Kaffee und Kuchen. Es wurde ausgelassen diskutiert und herzlich gelacht.

In einer Ecke im Wohnzimmer standen die Pflanzen und Ziersträucher, die bis vor wenigen Wochen unseren Balkon schmückten, aber irgendwie sahen sie jetzt mickrig aus.

Hinter einer der Türen zum Wohnzimmer befanden sich auch Julians Spielsachen, die in einer Holzkiste lagen. Dabei dachte ich jetzt über ein Spiel mit Julian nach, der schon ungeduldig auf seinem Stuhl zappelte. Nachdem Kaffee ging ich mit Julian in den Garten, der sich gleich hinter dem Haus befand. Zuerst spielten wir Fußball, bevor wir uns dann in eine Hollywoodschaukel fläzten und die Füße baumeln ließen. Später kam dann noch Bernd in den Garten.

>>Möchtest du ein Bier?<<, fragte mich Bernd.

Ich nickte bedächtig und öffnete die gereichte Flasche, die ein zischen von sich gab.

Die Atmosphäre entspannte sich zusehends, nachdem auch Elke und Silka in den Garten kamen. Bernd erzählte mir von dem notwendigen Ausbau des Dachgeschosses in seinem Haus, welches viel Zeit und Mühe mit sich brachte. An Hand von Modellzeichnungen, die mir Bernd im Anschluss darangab, wurde ersichtlich, welcher Aufwand nötig ist, bezüglich der Eigenleistungen, die zur Verwirklichung des Traumhauses unerlässlich sind. Während sich Elke Ratschläge von ihrer Schwester Silka holte, spielte Julian fortlaufend mit einem Ball im Garten. Nach geraumer Zeit holte Bernd einen Bratrost aus der Garage, den er mit Holzkohle befüllte. Das weckte jetzt auch die Neugierde von Julian, der akribisch genau die Arbeiten am Grill beobachtete. Noch immer saß Elke mit Silka auf einer Bank im Garten, die anscheinend endlose Diskussionen führte.

Immer wieder musste ich daran denken, wie wir gemeinsam den Hausbau vorantreiben und finanzieren wollten, wenn uns gleichzeitig noch anderen Aufgaben des Alltags bevorstanden.

Später reichte Bernd das Essen vom Grill und wir ließen uns die Steaks schmecken, dabei merkten wir kaum, wie die Zeit verstrich.

Die Glocken der Dorfkirche läuteten jetzt neunmal und es war Zeit, uns voneinander zu verabschieden.

Julian machte derweil einen Riesenaufstand, weil auch er unbedingt zurück in die Stadt wollte. Es kostete Elke und mir unendlich viele Nerven, um ein überzeugendes Argument zu finden, was Julian ohne Wenn und Aber akzeptieren musste. Letztendlich siegte die Vernunft, so dass Julian sich den Anweisungen von Elke beugen musste.

Bei unserer Rückkehr in die Stadt stellte Elke fest, dass sie die Unterlagen vom Katasteramt vergessen hatte. Ein Anruf bei Silka stellte jedoch klar, dass diese bei ihr auf dem Küchentisch lagen.

Zeitreise auf Abwegen

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