Verbrannte Wörter
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Matthias Heine. Verbrannte Wörter
Отрывок из книги
Gab es eine NS-Sprache? Gibt es Naziwörter? Diese Fragen beantworten diejenigen sehr schnell mit Ja, die ihre politischen Gegner abqualifizieren, indem sie ihnen den Gebrauch echter oder nur vermeintlicher Begriffe der NS-Terminologie vorwerfen. Als das AfD-Bundesvorstandsmitglied Hans-Olaf Henkel beispielsweise 2015 forderte, man müsse die Partei von Rechtsradikalen »säubern«, erregten sich sowohl innerparteiliche als auch außerparteiliche Kritiker reflexartig über die Verwendung eines NS-Begriffs und waren damit der Notwendigkeit enthoben, sich inhaltlich mit Henkels Position auseinanderzusetzen. Von einigen wird bei solchen Auseinandersetzungen gleich die ganze deutsche Sprache unter Naziverdacht gestellt. Ebenso erregt und voreilig wird – wie ich bei Diskussionen mit Lesern meiner Bücher und meiner Zeitungstexte feststellen konnte – allerdings auch die Existenz eines nationalsozialistisch geprägten Vokabulars von Leuten bestritten, die fürchten, eine »Sprachpolizei« wolle ihnen vorschreiben, wie sie zu reden hätten.
Diesem Ziel unterwarfen die Sprachlenker des NS-Regimes auch die etablierten Wörterbücher. Bereits die 11. Auflage des Dudens wurde 1934 um etliche Ausdrücke aus der nazistischen Terminologie wie Zinsknechtschaft vermehrt. In der 12. Auflage von 1941 ist der nationalsozialistisch geprägte Wortschatz noch weit stärker vertreten – nicht nur mit Bezeichnungen der vielen neu geschaffenen Institutionen und Titel wie → Blockwart, Obersturmbannführer, Ehestandsdarlehen oder Kraft-durch-Freude-Fahrt, sondern auch mit Begriffen, die die Ideologie transportierten, etwa Großdeutsches Reich. Hinzu kamen zahlreiche Zusammensetzungen aus der NS-Rassenkunde wie Rassenhygiene oder Neubildungen wie Erbpflege. Ähnlich bearbeitet im Sinne des von Goebbels geforderten einheitlichen Denkens wurden auch der Sprach-Brockhaus sowie die von 1939 an erscheinenden Bände des großen sprachhistorischen Nachschlagewerks »Trübners Deutsches Wörterbuch« und ganz besonders der in jeder Hinsicht »braune Meyer«. Das Lexikon erschien zwischen 1936 und 1942 in der 8. Auflage und war vollständig gleichgeschaltet. Nach dem Krieg wurde es von den Alliierten wie Hitlers »Mein Kampf« oder anderes Nazischriftgut behandelt: Man entfernte es aus Bibliotheken und vernichtete es. Folgerichtig machte man sich auch nicht mehr die Mühe, die geplanten Bände 10 (Soy–Zz) und 11 (ein Register) nachzuliefern.
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Bei aller Unterschiedlichkeit haben Technik-Metaphern und biologische Sprachbilder ein wesentliches Element gemein: Sie dienen der Entmenschlichung. Sie verschleiern, dass hier Menschen Menschen etwas antun oder über sie verfügen.
Hitler selbst – da sind sich die Wissenschaftler einig, die sich mit seinen religiösen Vorstellungen befassten – glaubte nicht an Gott. Das hielt ihn nicht davon ab, sich in Reden auf den Allmächtigen und besonders auf die Vorsehung zu berufen. Auch der ehemalige katholische Musterschüler Joseph Goebbels bediente sich gerne eines religiösen Vokabulars. Das vielleicht berühmteste Beispiel ist die Bezeichnung → Drittes Reich, die Goebbels als Erster auf die NS-Herrschaft und den angestrebten NS-Staat bezog.
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