Читать книгу Der kleine Prinz von Lallepo - Matthias Hüsam - Страница 6
Zweite Geschichte - Das verschwundene Versteck 2.1 Der Morgen danach
ОглавлениеDer kleine Prinz von Lallepo und das verschwundene Versteck
Der Morgen danach
In der letzten Nacht hatte der kleine Prinz von Lallepo das Turmgespenst kennengelernt. Es hatte fürchterlich geheult, weil es traurig war und ihn damit aus dem Schlaf gerissen.
Jetzt fehlte ihm der Schlaf und er musste gähnen. Merkwürdig, dass Gespenster sich einsam fühlen konnten und nach Freunden zum Spielen suchten. Hatte er sich wirklich für heute mit einem Gespenst verabredet? Nun, da der kleine Prinz von Lallepo müde am Frühstückstisch saß, war er sich gar nicht mehr sicher, ob er die Geschichte mit dem Gespenst nicht nur geträumt hatte. Schließlich hatte er zuvor noch nie etwas von Gespenstern gesehen oder gehört. Eigentlich gab es doch gar keine Gespenster ..., oder?
»Hep, hep, hep! Auf geht's, los, los. Keine Müdigkeit vorschützen, wir haben eine Verabredung zum Spielen.« Erschrocken zuckte der kleine Prinz von Lallepo zusammen, als die aufgeregte Stimme des Turmgespensts hinter ihm ertönte. Na gut, es bestand kein Zweifel, es gab Gespenster. Und noch dazu sehr anstrengende.
Der kleine Prinz von Lallepo schluckte den Rest des Brotes herunter, das ihm vor Schreck fast im Halse stecken geblieben war. Dann drehte er sich auf seinem Stuhl um und blickte dem kaum sichtbaren, weiß schimmernden Geschöpf direkt ins breit grinsende Kugelgesicht.
»Guten Morgen, da bist du ja schon. Musst du dich so anschleichen? Ich habe mich ganz schön erschreckt. Wenn du das öfter machst, wachsen mir bald graue Haare.«
»Aber klar doch, wo bleibt denn sonst der Spaß? Schließlich bin ich ein Gespenst und Gespenster erschrecken nun mal für ihr Leben gern.« Das Turmgespenst schwebte an ihm vorbei und machte über dem Tisch halt. »Du musst zugeben, dass du jetzt richtig wach bist, nicht wahr?« In der Tat hatte der plötzliche Schreck, den kleinen Prinzen von Lallepo aus seiner Morgenmüdigkeit gerissen und nun fühlte er sich, als könnte er sofort losrennen.
»Ja, das stimmt, wach bin ich jetzt. Aber für die Zukunft sollten wir ein paar Abmachungen treffen. Und dazu gehört auf jeden Fall, dass du dich nicht mehr von hinten anschleichst und mich erschreckst. Sonst hätte ich gar keine ruhige Sekunde mehr, da du offenbar durch Wände gleiten kannst.« Der kleine Prinz von Lallepo hatte mit dem Rücken zur Wand gesessen und die Küchentür im Blick gehabt, dort konnte das Gespenst nicht hereingekommen sein, das hätte er gesehen. Also musste es durch die Wand gekommen sein.
Das Turmgespenst machte ein leicht enttäuschtes Gesicht. »Och schade, aber wenn du meinst, dann verzichte ich eben darauf.«
Ungeduldig zappelte das Gespenst über dem Tisch herum. »Na los, fertig werden, wir wollen anfangen. Ich bin schon ganz aufgeregt.«
»Ach, was du nicht sagst. Das ist kaum zu übersehen. So wie du rumzappelst, dachte ich schon, du musst dringend mal aufs Klo«, bemerkte der kleine Prinz von Lallepo scherzhaft. Dann fügte er beschwichtigend hinzu: »Es geht gleich los. Lass mich bitte noch kurz zu Ende frühstücken, ja?« Das Turmgespenst wiegte den Kopf hin und her. »Na schön, aber mach schnell, sonst muss ich am Ende doch noch vor Aufregung Pipi machen.« Irritiert blickte der kleine Prinz das Gespenst an, das angestrengt die Augen zusammenkniff. Konnten Gespenster wirklich pinkeln? Besorgt schaute er vom Gespenst nach unten zu seinem Essen auf dem Frühstückstisch.
»Hey, dann sieh zu, dass du von meinem Esstisch runterkommst«, rief der kleine Prinz von Lallepo empört.
»Pfff, ha, ha, ha! Reingelegt«, prustete das Gespenst fröhlich drauflos, »natürlich können Gespenster nicht Pipi machen, keine Sorge. Aber du hättest eben dein Gesicht sehen sollen, ha, ha, ha.« Ohne weiter auf den Spaßvogel einzugehen, trank der kleine Prinz von Lallepo seinen Orangensaft aus und räumte den Frühstückstisch ab.
»So, ich bin fertig, wir können loslegen. Was möchtest du denn spielen?«
»Verstecken, auf jeden Fall Verstecken«, rief das Turmgespenst lauthals, »ich will schon seit Ewigkeiten endlich mal wieder Verstecken spielen.«
»Na schön, ganz wie du willst, ich bin einverstanden.« Der kleine Prinz von Lallepo rechnete sich zwar nicht allzu große Chancen aus, das Turmgespenst jemals finden zu können, da es recht klein und fast durchsichtig war, aber er ließ es auf einen Versuch ankommen. Und wenn er es wirklich nicht fand? Nun ja, dann musste er eben nach dem Gespenst rufen. Moment mal, wie sollte er es denn überhaupt rufen? Hatten Gespenster Namen?
»Hast du einen Namen, mit dem ich dich rufen kann, falls ich dich nicht finde?«, fragte der kleine Prinz von Lallepo.
»Natürlich habe ich einen Namen«, antwortete das Gespenst und zögernd fügte es hinzu: »Nenn mich Poldi. Aber ich möchte zuerst suchen, ja?«
»Wenn du möchtest, meinetwegen. Dann verstecke ich mich zuerst. Am besten zählst du bis dreißig und dann kannst du mich suchen«, schlug der kleine Prinz vor.
»Gut, dann verschwinde schon. Versteck dich!« Das Gespenst scheuchte den kleinen Prinzen von Lallepo, wild mit den Armen wedelnd, vor sich her aus der Küche.
»Wetten, dass ich dich in Nullkommanix gefunden habe«, prahlte Poldi voller Vorfreude. Dann schwebte das Gespenst zum Kühlschrank und begann zu zählen.
»Das wollen wir doch mal sehen«, rief der kleine Prinz von Lallepo und rannte den Flur entlang. »So schnell findest du mich bestimmt nicht.«
Ein Versteck, er brauchte ein gutes Versteck. Ein Versteck, das selbst ein Gespenst nicht so schnell finden würde.
»Sieben, acht ...«, hörte er das Gespenst in der Küche zählen. Er musste sich beeilen. Die Stube? Die Bibliothek? Nein, erst mal die Treppe hoch.
»Fünfzehn, sechszehn ...«
Er rannte an der Tür zum Turm vorbei und weiter in Richtung Schlafzimmer. Er riss die Tür auf und schaute sich hektisch um, dabei murmelte er vor sich hin: »Ich brauche ein gutes Versteck.«
»Dreiundzwanzig, vierundzwanzig ...«
Unter dem Bett? Quatsch. Die Zeit war gleich um, gleich würde Poldi kommen. Na, dann eben der Kleiderschrank. Schnell schlüpfte der kleine Prinz von Lallepo zwischen seine Hemden und Jacken, die auf Bügeln an der Stange hingen. Lautlos zog er die Tür vom Kleiderschrank zu. Geschafft, er hockte in seinem Versteck.
»Dreißig, ich komme«, rief das Turmgespenst und sofort huschte es los, um den kleinen Prinzen von Lallepo in seinem Versteck aufzustöbern.