Читать книгу Berufsbezug in südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula vor und nach der Krise von 2008 - Matthias Prikoszovits - Страница 18

(1) Curricula

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Mit Bezug auf den Begriff „Curriculum“ führt Funk (2016) aus:

Er bezeichnete den Übergang von einer Planung, die auf Stoffplänen, d.h. einer präskriptiven Auflistung von Unterrichtsinhalten basierte, bzw. auf Lehrplänen, die Listen übergeordneter und detaillierter Zielvorgaben mit der Auflistung von Lehrstoff verbanden, zu einer umfassenderen Planungsform, die unterschiedliche Ebenen des pädagogischen Planungsprozesses einbezog. (S. 151)

Bereits hieran zeigt sich, dass der Terminus Curriculum für die Dokumente des Korpus der Hauptstudie nicht geeignet ist, da diese Dokumente konkrete Planungen für einzelne Hochschulkurse und keine „[…] umfassendere[.] Planungsform […]“, von welcher Funk mit Bezug auf Curricula spricht, darstellen.

Bei Curricula unterscheidet Neuner (2001, S. 799) zwischen „[…] enger und weiter gefasste[n] Begriffsbestimmungen“. Bei den enger gefassten Bestimmungen beruft er sich auf Westphalen (1985, S. 13), der festhält: „Das Curriculum als Planungsinstrument begegnet dem Lehrer in der Praxis nicht so sehr als Bauplan, sondern als konkretes Produkt, als Baustein also, insbesondere in Form von Planungsbeispielen, Reihen- und Stundenkonzepten, didaktisch aufbereiteten Unterrichtsmaterialien […]“. Als mögliche Erstellende führt Westphalen (ebd., S. 14) unter anderem „[…] staatlicherseits einberufene Kommissionen […]“ oder „[…] Lehrerteams […]“ an. Als Voraussetzung für eine „Allgemein- und Rechtsverbindlichkeit […]“ nennt Westphalen (ebd., S. 14) die Verordnung durch die „[…] staatliche Schulaufsicht […]“ oder die Genehmigung zum unterrichtlichen Gebrauch.

Diese enger gefasste Bestimmung trifft auf die in dieser Arbeit untersuchten Dokumente nicht zu. Es finden sich darin keine konkreten Entwürfe von Unterrichtsstunden, auf die Lehrende zurückgreifen könnten. Ebenso wenig sind Erstellende staatliche Beiräte, eher schon „Lehrerteams“, wie sie in den soeben dargestellten enger gefassten Bestimmungen bezeichnet werden.

Die weiter gefassten Begriffsbestimmungen unterteilt Neuner (2001, S. 799–800), abermals unter Berufung auf Westphalens Abhandlung (1985), in zwei Beispiele. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in beiden Beispielen Curricula als „System[e]“ zum Zwecke der Unterrichtsplanung und vor allem auch der Realisierung von Leistungskontrollen betrachtet werden. Konkret soll durch Curricula ermöglicht und sichergestellt werden, dass vorab festgelegte Lernziele erreicht werden können. So kann auch der Unterricht selbst einer Erfolgskontrolle unterzogen werden. Diese weiter gefasste Begriffsbestimmung lässt sich mit Blick auf die in der vorliegenden Studie untersuchten Dokumente eher anwenden, da in dieser Bestimmung vor allem Erfolgskontrollen Bedeutung beigemessen wird, die im universitären FSU wesentlich sind und zu denen auch bereits in der Unterrichtsplanung Aussagen zu treffen sind. Weniger konkret und konsequent werden jedoch Aussagen zu den Lehr- und Lernzielen in den relevanten Dokumenten gemacht, was jedoch konstituierend für Curricula wäre und generell schriftlich verankert sein sollte. In den Dokumenten sind es vor allem die konkreten Begründungen der Ziele, die fehlen. In einigen Fällen wird als Bildungsziel lediglich das Training der vier Fertigkeiten genannt, wie etwa im Unterpunkt „Objetivos de las asignatura/competencias“ eines Lehrplans für den Kurs Deutsch 1 2006/07 (S. 2) der spanischen Universitat d’Alacant:

Abbildung 4:

Auszug aus dem Lehrplan Deutsch 1 (2006/07, S. 2) der Universität Alicante1

Hofer (2010, S. 40) begreift das Curriculum als „[…] bildungstheoretisch begründete […] Darstellung dessen, was und wie unter welchen Bedingungen gelehrt und gelernt werden soll“. Eine solche Darstellung müsse zudem wissenschaftlich hergeleitet und auch laufend überarbeitet werden, damit gesellschaftlichen Ansprüchen entsprochen werden könne. Schließlich beziehe man sich mit „[…] Spirale […]“ in curricularen Kontexten darauf, dass mit fortschreitender Progression Unterrichtsinhalte wiederholt, dann jedoch nuancierter und kulturell adäquater thematisiert werden könnten.

Auch an diesen zusammenfassenden Merkmalen von Curricula laut Neuner bzw. an Hofers Erläuterungen wird deutlich, dass die Bezeichnung „Curriculum“ für die untersuchten Dokumente in dieser Arbeit nicht geeignet ist. Der Begriff „Curriculum“ setzt hohe Komplexität und fächerübergreifende Zusammenhänge voraus, die in den in der Hauptstudie relevanten Dokumenten nicht gegeben sind. Was Hofer als „Spirale“ bezeichnet, verdeutlicht zudem, dass sich in Curricula kursstufenübergreifende Progression abzeichnet, dass die Progression also unter Wiederholung und Vertiefung von Themen und Inhalten in Curricula festgeschrieben und somit auch gesteuert wird. Ein solch stringenter, chronologischer Aufbau von Curricula setzt eine groß angelegte, zentral geregelte Unterrichtsplanung voraus, woraus resultiert, dass die Curriculumerstellenden in weiterer Folge nicht zu den Lehrenden werden, die sich auf ebendieses Curriculum stützen. Wahrscheinlicher erscheint, dass solche Curriculumerstellende auch als sich dem Curriculum verpflichtet fühlende Lehrwerk- bzw. generell Materialautoren tätig werden. Zudem ist universitäre Sprachunterrichtsplanung weniger durch groß angelegte und zentrale Regelung gekennzeichnet, sondern viel eher durch punktuelle, individualisierte Kursgestaltung.

Was unter Curriculum verstanden wird, kann jedoch auch von Universität zu Universität variieren. Zum Teil definieren Autoren von Fachartikeln einleitend, was sie allgemein und was sie somit in ihren Abhandlungen unter Curriculum verstehen. So schreibt Chen (2009, S. 85): „Curriculum wird hier als der ganze Lehrgang einschließlich aller Faktoren definiert: Curriculumentwicklung und -durchführung, Didaktik, Evaluation, Lehrpersonal, Lehrbücher usw.“. Nach Chen fallen also auch Lehrbücher unter Curriculum, das hier sogar stellvertretend für einen gesamten Lehrgang steht. Auch Christ (2007, S. 73) spricht mit Bezug auf Curricula von „[…] didaktisch begründete[n] Lehrgänge[n] […]“.

Hier erscheint eine Ausführung zu Lehrwerken und Curricula beachtenswert, die andernorts zu finden ist (Chan, 2000):

Anders als bei Lehrwerken, deren Verleger stets bemüht sind, Lernern „neue“ und „effektivere“ lehr- und lernmethodische Ansätze anzubieten, um so den Absatz ihrer Produkte anzukurbeln, verhält man sich in der Regel bei der Curriculumplanung – insbesondere auf der nationalen Ebene – neueren theoretischen Ansätzen gegenüber eher zurückhaltend. (S. 81)

Chan schreibt hier Lehrwerken und kontrastiv dazu Curricula eine gänzlich unterschiedliche Dynamik zu. Lehrwerken wird hier eine gewisse Zügigkeit, Curricula eine gewisse Trägheit attestiert (s. auch Bausch, 2007, S. 113). Dies widerspricht zwar nicht Chens Verständnis von Curricula, denn ein modernes Lehrwerk kann durchaus in einem älteren Curriculum (Lehrgang) Einsatz finden, doch hat Chans Ausführung für die begriffliche Bestimmung der Dokumente des Korpus der Hauptstudie vorliegender Arbeit Konsequenzen, die, wie zu zeigen sein wird (Abschnitte 2.3 und 2.4), nicht in dem Maße als träge gelten können, da sie rasch aufnahmefähig sind. Ein weiteres beachtenswertes Verhältnis von Lehrbüchern zu Curricula skizziert mit Blick auf Hochschulen Vogel (2016, S. 196). Lehrbücher, die ein passgenaues Curriculum nicht zu stark einengen würden, gebe es fast ausschließlich nur für Englisch und Deutsch. Die an Universitäten eingesetzten Lehrbücher würden kaum den Linien einer „[…] hochschulspezifischen Kursstruktur […]“ (ebd., S. 196) folgen, was z. B. zu einer raschen Veralterung der Lehrbuchtexte führe. Mit „[…] hochschulspezifische[r] Kursstruktur […]“ wird hier erstmals der Spielraum angedeutet, den Universitäten im Bereich der Curriculumausgestaltung haben und der besonders in Abschnitt 2.3 relevant wird. Beachtenswert ist an Vogels Ausführung auch, dass er die meisten hochschulspezifischen Sprachlehrbücher als starr und rasch veraltend, ein hochschulisches Curriculum hingegen als „[…] maßgeschneidert[.] […]“ (ebd., S. 196) und folglich flexibel begreift. Dies steht in starkem Kontrast zu Chans (2000, S. 81) Ansichten.

Es lässt sich feststellen, dass selbst unter DaF-Experten kein Konsens über die Charakteristika von Curricula für den FSU herrscht. Während etwa Bausch (2007, S. 111) ein Curriculum als „[…] fächerunabhängig[.] […]“ begreift, sieht Neuner (2001, S. 800) es als „[…] fächerübergreifend[.] […]“ und „[…] fachspezifisch[.] […]“ an. Chen (2009, S. 85) betrachtet ein Curriculum als „[…] ganze[n] Lehrgang […]“, während Kusolrod (2003, S. 59) es mit Bezug auf ein DaF-Fernstudienangebot zusammenfassend schlicht als „[…] Anweisungsform […]“ bezeichnet. Krumm (2002, S. 9) sieht in Curricula das Potenzial, „[…] neue[.] Zielsetzungen des Deutschunterrichts [zu] reflektieren […]“, was auf einen innovativen Charakter von Curricula schließen lässt, den in gewisser Weise auch Vogel (2016, S. 196) erkennt, wohingegen Chan (2000, S. 81) Curricula als „[…] neueren theoretischen Ansätzen gegenüber eher zurückhaltend“ beschreibt, was Curricula eine gewisse Trägheit attestiert.

Diese markanten Diskrepanzen erschweren es, den Terminus „Curriculum“ als Basis für die in vorliegender Arbeit untersuchten Dokumente heranzuziehen. Schließlich wird vor allem auch aufgrund der angeführten rechtlich bindenden Aspekte deutlich, dass der Begriff des Curriculums nicht als Bezeichnung für die im Zuge dieser Arbeit untersuchten, weniger umfangreichen, weniger aufwändig erstellten und ferner teils weniger verbindlichen (Abschnitt 2.4) Dokumente dienen kann. In vorliegender Arbeit wird also der Terminus Curriculum nicht eigens definiert bzw. an die Dokumente des Korpus der Hauptstudie angepasst, sondern es soll ein anderer Begriff gewählt werden, für den in den nachfolgenden Ausführungen weiter argumentiert wird.

Berufsbezug in südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula vor und nach der Krise von 2008

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