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Die Heimkehr

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Der Morgen des nächsten Tages dämmerte herauf. Da erscholl vom Wartturme das Horn des Wächters. Es verkündete das Nahen eines Heerhaufens. Aber es waren nicht anrückende Feinde, sondern der junge Ritter Malcolm kehrte an der Spitze seines Trosses aus dem Heerlager heim. Die Dänen waren also mit ihrem letzten Schiffe vor gutem Winde davongesegelt.

Die Knechte stiessen das grosse Tor des Gehöfts auf. Alsbald zog ein Haufe Gewappneter hindurch – Fussvolk und Reiter.

Drüben auf den Wegen des Waldes und wo sich die grosse Heerstrasse teilt, sah man andere Trupps, die zu einer entfernten Burg marschierten. So fegte der Winter nicht nur die Felder, sondern er fegte auch die Strassen rein von kriegerischem Volk.

Zuletzt rollte nur noch dann und wann ein Wagen mit grauer Blache überspannt die steinichte Strasse daher.

Während auf dem Burghofe die Rosse abgeschirrt und die Waffen in die Rüstkammern gebracht wurden, rollte ein solches Gefährt mit hochgewölbter Plane auch gegen Malcolm. Beim Antritt der Heerfahrt war es mit Proviant gefüllt gewesen. Nun aber lagen Verwundete darin. Sie lagen auf weichem Stroh, das die harten Stösse des Gefährtes milderte.

Beim Anblicke des Wagens mit den Kranken mässigten sich die rohen Knechte ein wenig. Ihre harten Rufe klangen gedämpfter, und die Pferdejungen, die die bestaubten Rosse in ihre Stände führten, richteten ihre Augen nach dem herankommenden Wagen.

Noch war das Tor nicht lange geöffnet, so sprengte auch schon der Marschalk Glenalvon über den Anger vor der Burg. Er kam von seinem Lehnshof, sprang aus dem Sattel seines roten, schweren Dänenrosses und trat grüssend zu John Malcolm.

„Ich hatte Euch nicht vor Abend erwartet, junger Herr,“ sagte er, „aber es ist dennoch alles für die Heimkehr bereitet. Die Pferde finden die Krippen voll Futter, und die Waffenkammer ist in guter Ordnung, das wiedereingebrachte oder erbeutete Rüstzeug aufzunehmen.“

Während sie miteinander sprachen, schleppten die Trossknechte die schweren Armbrüste, Spiesse und kurzen Schwerter über den Hof.

„Es ist gut, Marschalk!“ nickte der junge Ritter und schlug den Bug seines grauen Rosses.

Dann deutete er nach dem Tore: „Da kommt der Wagen, Glenalvon! Ich habe dem Knechte geboten, langsam zu fahren.“

„Führt Ihr den unbekannten Krieger in unsere Burg?“ fragte der Dienstmann.

„Ja, Marschalk. Er liegt auf dem Stroh wie ein Toter und hat die Augen noch immer nicht aufgeschlagen. Im Heerlager wär’ er gestorben. Aber ich denke, wenn er die harte Fahrt übersteht und in gute Pflege kommt, werden wir ihn wieder lebendig machen. Dann kann er in wenigen Wochen gesund heimreiten.“

Der Wagen war inzwischen zur Mitte des Hofes gerollt und abgeschirrt worden. Der junge Ritter und Glenalvon winkten einigen Knechten und näherten sich dem Gefährt. Ob der fremde Kriegsmann noch am Leben war?

In dem schlanken Eckturme öffnete sich um diese Zeit die Türe zu ebener Erde. Jungfrau Harriet trat auf den Hof, um ihrem Bruder entgegenzueilen.

Der junge Lord, der seine ganze Aufmerksamkeit auf den Wagen richtete, um den sich die Knechte mühten, bemerkte die Schwester jedoch nicht. Glenalvons Falkenaugen aber hatten sie erspäht.

Der Marschalk zog sich das hirschlederne Gewand ein wenig zurecht, rückte sich die Kappe, und dann klirrten die Sporen seiner Reiterstiefel über die Fliesen des Grundes. Er lief ihr geschäftig entgegen.

„Ich grüss’ Euch, edle Jungfrau!“ rief er ihr zu, hob aber seine Hände wie zur Abwehr. „Vielleicht gefällt es Euch, ein wenig zu verziehen. Die Männer sind dabei, einen Sterbenden zu bergen. Der Anblick eines Verwundeten, der auf dem Sande des Schlachtfeldes aufgefunden wurde, ist hässlich.“

Harriet Malcolms Augen wurden weit: „Von wem redet Ihr, Herr Marschalk? Verbergt Ihr mir den Namen des sterbenden Kriegers mit Absicht?“

„Ich verschweige der Tochter meines gnädigen Herrn nur das, was ich selbst nicht weiss,“ entgegnete Glenalvon mit gleisnerischem Lächeln. „Es kennt keiner seinen Namen; denn der Feind hatte ihm Waffen und Rüstzeug geraubt und ihn für tot in einem Haufen Gefallener liegen lassen.“

Da wurden Harriets Augen voll heller Freude: „Und Ihr seid es gewesen, Herr Marschalk, der ihn geborgen hat?“

Der Marschalk neigte sein Haupt und hob zu bescheidener Abwehr die Hand: „Nicht ich, Herrin – das ist vielmehr die Tat des Herrn John.“

„Daran erkenn’ ich meinen Bruder!“ sprach Harriet mit freudigem Stolz.

Glenalvon aber war plötzlich ernst geworden. Er hob die Lider und zog die Achseln: „Ich wäre froh, dürfte ich selbst solche Worte des Dankes von Eueren Lippen empfangen, edle Jungfrau. Aber –“

„Nun – aber?“

„Es ist eine wilde Zeit, und die Edlen von Malcolm haben Feinde; denn sie sind mächtig und reich!“ sagte er bedächtig. Er sprach nicht offen.

„Was wollt Ihr damit sagen, Herr Marschalk?“ drang Harriet in den Kriegsmann.

„Der Vogel Kuckuck schmuggelt sein Ei in ein fremdes Nest. Und der Jungvogel vergilt dann die Pflegschaft, indem er die Brut verdirbt.“

„Ihr sprecht in Rätseln. Wollt Ihr nicht deutlicher sein?“

Der Marschalk antwortete ganz langsam: „Wenn der unbekannte Ritter nun ein Feind wäre ...“

„Haha, fürchtet Ihr einen Sterbenden, tapferer Marschalk?“

Glenalvon hatte etwas Lauriges in seinen Augen. Er sah aus den Winkeln dieser Augen auf die Tochter seines Herrn. Fast schien es, als wäre sein Antlitz in diesem Augenblicke noch hässlicher als sonst. Seine Worte klangen verärgert:

„Ihr höhnt mich, edle Jungfrau! Glaubt Euer Herz wirklich, was Euer Mund redet? Man sagt nicht umsonst, dass Marschalk Glenalvon der klügste Mann in Lord Malcolms Reiche sei ...“ sprach er selbstbewusst.

„Und der eigensüchtigste!“ fiel ihm Harriet in die Rede.

Glenalvon zuckte zusammen. Aber die Jungfrau gewahrte das nicht; denn ihre Blicke weilten bei dem Wagen.

Die Knechte hoben den verwundeten Mann unter der grauen Blache hervor und trugen ihn in die Burg. Harriet aber sagte:

„Oh, wenn er einst wieder stark und kühn gegen den fremden Feind anreiten könnte! Ja, gegen den fremden, gegen jenen, bessen Art und Sprache und Sitten uns fremd sind. Der überfällt uns, der trachtet uns zu vernichten, der möchte in unserem Lande und in unseren Schlössern sich’s wohl sein lassen! Solchen Krieg veracht’ ich nicht, wenn ich ihn gleich fürchte. Aber die ewige Fehde ist hassenswert, die Geschlecht gegen Geschlecht zu führen hat. Auch wir mit unseren Nachbarn! Seht, Herr Marschalk – nur die Breite eines Flusses trennt die schwesterlichen Königreiche. Auf jeder Seite wohnt ein Volk – eins ist dem andern ähnlich, wie Zwillinge sich ähnlich sind. Beide sind Krieger. Aber sie wollen ihre verwandten Waffen nicht zu ewigem Frieden vereinigen. Wenn kein fremdes Heerhorn schallt und sie in das gemeinsame Lager ruft und vor den gemeinsamen Feind, so ist ihnen die Fehde in den friedlichen Gründen unserer Wälder Bedürfnis. Sie ziehen in den Morgen des Kampftages wie zu einem Sommerspiele ...“ Jungfrau Harriet sprach langsam und mit zitternder Stimme ... „und wenn der Abend kommt, der für eins der Heere den Sieg bedeutet, dann liegt die Blüte der Männer kalt wie Wintererde.“

Mit einem Seufzer wandte sich das schöne Kind des Ritters und liess den kriegerisch gesinnten Marschalk stehen. Der vernahm mit lebhaftem Unwillen aus ihren Worten, dass sie auch ihn selber fürchte wie die blutige Fehde der wilden Zeit. Hatte die Jungfrau vielleicht gar eine Ahnung davon, dass der Marschalk den Wandel der Gesinnung hasste, den er an dem heranwachsenden Geschlechte wahrnahm?

Freilich: seine Hand ruhte am liebsten am Schwertknaufe. Nur im Kampfe konnte sein ehrgeiziges Herz sich genug tun. Den Frieden schalt er eine „träge Zeit“. Und am liebsten hätte er das glimmende Feuer des Hasses zwischen den Malcolm und den Douglas zum lodernden Brande geschürt.

Wenn die Feindschaft der Väter in den Nachfahren heimlich zur Versöhnung sich wandelte, so wäre die Zeit nicht fern gewesen, in der die Jugend der beiden Rittergeschlechter vor den Toren ihrer Burgen in fröhlichem Spiele die Speere gebrochen hätten. Und wenn die ritterlichen schwarzen Douglas erst in klingender Sommerfahrt über das Waldwasser herüberschritten und auf Malcolm als Freunde Einkehr hielten, dann –

Der Marschalk stampfte bei diesem Gedanken mit dem Fusse und biss sich die Lippe.

Er hoffte in der Tat heimlich: die Güte und Dankbarkeit des alten Malcolm werde die zarte Hand seiner Tochter noch einmal in die seine legen. Wenn es aber geschah, dass die Blüte der Ritterschaft um Schön-Harriet warb, dann waren die Aussichten für den ehrgeizigen Dienstmann sehr schlecht. Was vermochte dann seine weitgerühmte Klugheit, was vermochte seine Tapferkeit gegen Jugend und edles Blut und ritterliche Schönheit des Leibes?

Mit tückischen Gedanken sah Glenalvon der Jungfrau nach. Ihr goldenes Haar war wie der Sonnenschein, der im Frühling an dem alten Burggemäuer lehnte.

Harriet hatte an diesem Morgen ein Band von Perlen durch dies goldene Haar gezogen. Da war sie noch viel schöner geworden. Sie trug ein seegrünes Überkleid über dem dunkelroten Untergewande. Das war in der Mitte von einem köstlichen Gürtel gehalten. Den hatte einer ihrer Väter von der Fahrt zum heiligen Grabe heimgebracht. Die gestickten Sandalen ihrer Füsse schwebten leicht über die Fliesen des Burghofs. Ihr geschmeidiger Gang war von edler Anmut.

Vielleicht wäre der Marschalk hinter ihr dreingeschritten, um noch mit ihr reden zu können. Aber viel gaffendes Volk war Zeuge ihres Zwiegesprächs gewesen. Drum wandte er sich und gab den Knechten mit rauhen Worten seine Befehle.

Der Douglas

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