Читать книгу Jockele und seine Frau - Max Geissler - Страница 6

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Die Gletscherspitzen leuchteten nun in einem wundervollen Rot. Und auch die Worte Gwendolins waren voll von Verheißung gewesen für einen neuen Tag. Sie waren gewesen wie nie zuvor. Dennoch sah Henrik Tofte aus, als schrumpften seine mächtigen Glieder vor der Helligkeit ihrer Rede zusammen.

So hockte er im Schilfrohr und war ohne Hoffnung. Gwendolin hatte just das Werk für den neuen Herkules ausgesucht, das er unmöglich bewältigen konnte. Sie hatte seinen Gott, das Schicksal, gelästert und vom Sockel geworfen; sie hatte allen fröhlichen Glauben in ihm vernichtet; sie hatte seinen herrlichen Freibrief fürs Leben in tausend Stücke gerissen und in das Röhricht verstreut. »So dienen Sie um Rahel!«

Es brach ein Lachen gewaltigen Schmerzes aus seiner Brust. Dann hob er den gestürzten Gott wieder an seine Stelle. – O diese Narren! Warum mochten sie nicht an das einige Schicksal glauben, das die Welt regiert? War es denn nicht Schicksal, daß die drei Menschen, die Henrik Tofte am meisten liebte von allen, ihm den Weg zum Glück verwehrten? Gleich am ersten Mittag, an dem sie den Fjord entlang gerudert waren, waren seine Augen finster geworden über dem Blick in die Sonne Dos und Jockeles. »Nun,« tröstete er sich damals, »sie sind Hochzeiter!« Aber seither war alles Flittergold von ihrer Ehe abgefallen, und ein schönes klares Leuchten war geblieben, das sah aus, als wär' es für Zeit und Ewigkeit. Vor diese beiden Menschen führte ihn Gwendolin und sagte: »Sieh hin – getraust du dir das auch? Was wäre es, wenn wir einen Bund schlössen, und er könnte nicht sein wie dieser? Was wäre es, wenn wir zueinanderliefen in einem kindsköpfigen Rausche, wie zwei aus der Herde? Und flickten an unserer Gemeinsamkeit herum, stächen die Löcher mühselig zusammen und schafften damit doch nichts weiter, als daß das Ding ganz morsch würde? Und zuletzt ließen wir's gehen und kümmerten uns nicht mehr um die getrennten Nähte, weil sie ja doch nicht halten! Henrik Tofte, was wäre das?«

Jawohl, es war eine ungeheuer freventliche Weltanschauung, die die Gwendolin da zum besten gegeben hatte! Bildete sie sich denn nicht ein, sie wäre der liebe Gott selber und könnte sich mit ihrer eigenen Kunstfertigkeit das Leben zimmern?

Darüber nahm er Stück für Stück der umherliegenden Fetzen auf und paßte sie mit Sorgfalt aneinander. So baute er den richtigen Henrik Tofte wieder zusammen. Zwar, die Risse konnte er nicht ungesehen machen. Aber er war froh, daß es ihm leidlich gelungen war, und kroch aus dem Rohre; denn er hörte das Fischerboot mit den Kindern inselwärts plätschern, die die Kränze und Ranken brachten.

Als die Fahrzeuge bunt und fröhlich geschmückt waren, trat er in den Saal, wo ihn die Sturmschwalben mit Jubel empfingen. Da jubelte er sich zwischen sie hin. Aber er dachte, seit dieser Nacht wäre er hier nicht mehr daheim. Es war ein wunderlicher Zustand. So, als wäre er nun von dem Schicksal an eine Wegscheide gesetzt.

Indessen bereiteten sich die anderen schon zur Fahrt. Gwendolin und Do blühten wie der junge Tag: Hanna von Fellner hatte geschrieben, sie wäre auf dem Wege nach dem Hardanger Fjord und hätte sich Do und ihrem Mann in Sehnsucht schon dreimal an die Herzen gestürzt; nachmittags käme sie mit dem Dampfer fjordaufwärts, und sie erwarte, daß an der Haltestelle alle Flaggen gehißt wären.

Deshalb war die Insel in so funkelndem Betriebe. Sogar Rolf Krake, der zu noch seltsameren Göttern betete als Gwendolin, schnalzte schon drunten auf dem Ufersande herum.

Daher kam es, daß Henrik Tofte bald allein am runden Tische saß und merkwürdige Gedanken in den Morgenkaffee hineinrührte. Es war ihm ums Herz, als geschähe alles zum letzten Male, was er in den vertrauten Räumen tat. Aber endlich stand er mit feuchten Augen vom Tisch auf, um hinabzugehen zu den anderen.

An der Schwelle traf er Nane Thord. Die hatte zur Feier des Tages eine blinksaubere Haube angetan. Sie wollte hinübersegeln an den Strand, einkaufen. Da bekam Toftes Herz die Dankbarkeit: er nahm Nane Thord auf den Arm wie ein dreijähriges Mägdlein und trug sie hinab in sein Boot und sagte, sie müßte mit nach Elde in den Zirkus. Als sie merkte, daß es ihm ernst damit war, trieben die Boote schon mit gefüllten Segeln vor dem Winde – bunt wie fünf Sommerblumen, die dem Himmel aus den Händen gefallen waren. Und Henrik Tofte sang ein Scheidelied. Es klang, als würde er nie mehr einen Fuß auf das Eiland setzen.

Jockele und seine Frau

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