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I

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Die Turmuhr schlägt sechsmal.

Der Breslauer Abendzug muß grad gekommen sein.

»Wenn er nicht wieder Verspätung hat«, meint der Stadtrat Vollert und nimmt eine neue Zigarre.

Der Zigarrenkaufmann Schmidt reicht ihm den Abschneider.

»Danke! Ich sammle selber! Für die Kriegerwaisen.«

Der Rentier Koch hat sich den Stuhl näher an die Glastür gerückt.

»Gestern kam mit demselben Zuge die neue Perle fürs ›Weiße Roß‹. Ein tolles Mädel!«

»Wieso?«

»Ich hab’ sie gleich als sowas erkannt . . .«

»Wieso?«

»Ich dacht’ mir doch, das müßte sie sein. Mutter Schürmänneken hat sie doch schon erwartet.«

»Warum ging denn die vorige eigentlich fort? War doch ganz brauchbares Mädel, die Bertha!«

»Gott, sie hatte sich überlebt. War ja auch schon allzu lange da. Abwechslung . . .«

»Ich war an sie gewöhnt! Weiß man doch, was man hat . . .«

»Ist sie jung?«

»Wer?«

»Die neue?«

»Danke! Es geht. Kommen Sie heute doch selber sehn! Ich dachte Sie gestern schon dort zu treffen.«

»Wir hatten Vorstandssitzung im ›Löwen‹.«

»Concordia?«

»Nee, vom Kriegerverein.«

»Wie heißt sie?«

»Sie wird wieder Bertha gerufen – im ›Weißen Roß‹ heißen alle Bertha – wer weiß, wie ihr richtiger Name ist . . .«

»Gestern war auch der Poppe gleich da!«

»Vom Bankverein?«

»Wie steht’s mit der Scheidung?«

»Hat er nichts mehr mit der Gaswerksinspektern?«

»Daß sich der Mann das so ruhig mit ansieht!«

»Der wird wohl auch wissen, wo er bleibt! Ich traf ihn gestern erst mit der Tochter vom Tanzmeister Albrecht . . .«

»Dann schickt man sie einfach einmal ein paar Monat in Sommerfrische.«

»Sommerfrische ist gut!«

»Da sehn Sie die Hackaufs! Schon wieder im Gange. Daß die so immer rumflackern dürfen . . .«

»Die Alte denkt halt, es bleibt mal was hängen.«

»Und er, er säuft doch!«

»Ja, aber warum? Die Alte, die soll vor zwanzig Jahren auch nicht ganz koscher gewesen sein.«

»Pst! Koscher! Keine Anzüglichkeiten! Es kommt was Koschres!«

Die Vier verstummen, mit einem Schlage, wie abgehackt. Der Zigarrenkaufmann stützt beide Hände auf den Ladentisch, biegt sich devot vor und verzerrt sein Gesicht zu willigem Grinsen.

Die zwei Neuen grüßen nach allen Seiten.

Der Gegengruß fliegt mehr zur Weiblichkeit.

»Haben Sie Damenzigaretten?«

»Bitte sehr, hier . . . sehr leicht . . . parfümiert; wieviel darf ich geben?«

»Fünf Stück . . .«

Sie lächelt.

Die Männer schnuppern. Vollert wagt ein Züngeln sanft anzudeuten.

Der Schwarze tritt vor. »Du legst wohl aus?«

Der Stadtrat klimpert.

Sie wühlt im Täschchen, »Turf« verdunstet, ein Schlüssel fällt, drei Schmerbäuche knicken. Vollert fischt mit dem Stock, überreicht den Schlüssel und kriegt ein gepudertes Lächeln zurück.

Der Dunkle mit Schmalz: »Vielen Dank, meine Herren!« Und zaubert mit seinem Blicke schon die günstige Antwort ins Antlitz des andern. »Darf ich Sie mit einer Bitte belästigen: die Dame hat nächsten Freitag, am Achten, ihr Benefiz, »Husarenfieber«. Würden Sie die Freundlichkeit haben, ein Plakat hier auszuhängen, mit ein paar Photographien vielleicht?«

Sie entschält verschämt ein Papierpaket.

Die Männer rücken näher zusammen.

»Dürfen wir sehen?«

»Bitte sehr!«

»Reizend, als Preziosa das hier!«

Die Dame mit feuchtem Augenaufschlag zum Stadtrat Vollert: »Ich weiß nicht recht, ob man das hier wird ausstellen dürfen. Vielleicht ein bißchen zu frei für hiesige Verhältnisse . . . Damals war ich in Wien . . .«

Man reckt die Hälse. Die Lippen speicheln.

»Das ist was für Kenner!«

»Man trug damals dort dies Dekolleté!«

Dem Rentier Koch platzt es hemmungslos heraus: »Wie wir hier gewachsen sind . . . wir, unter uns Pastorentöchtern . . . wir können schon einen Puff vertragen!« Und in einer Gedankenverbindung hinströmend mit ergebenem Seufzer: »Das liebe Wien! . . .«

Der Stadtrat tritt ihm auf den Fuß, versucht mit vorwurfsvollem Zwinkern zur Ordnung zu rufen.

»Fräulein sind Wienerin?«

»Gewissermaßen . . .«

»Wir sind ja auch sozusagen halbe Österreicher hier. Man fährt oft übern Sonntag hinüber . . . nach Troppau, nach Olmütz, nach Jägerndorf . . .«

»Sie kleiner Schäker!«

Ein Rippenstoß, dem Rentier Koch verschlägt es den Atem.

»Ja also, wir dürfen den Zettel hier lassen?«

»Mit dem größten Vergnügen!«

»Ich danke vielmals.«

»Kein Grund zu danken!«

»Es ist doch ein Lustspiel?«

»Versteht sich!«

»Die Herren beehren mich vielleicht auch . . .«

»Mit Vergnügen!«

»Servus!«

»Guten Abend!« Der Dunkle schlürft, halb tragisch, halb spöttisch.

Der Zigarrenhändler tänzelt hinterm Ladentisch hervor, bis zur Tür mit.

»Bitte, beehren Sie mich wieder!«

Der Rentier pfeift, als man an ihm vorbeikommt.

Die Tür fällt zu; sie prusten sich an.

»Du hast dich ja mächtig ins Zeug gelegt!«

»Der Adolf, der ging auch nicht schlecht ins Feuer!«

»Ist das die Soubrette?«

»Die erste Naive.«

»Was hat sie bloß mit dem Kerl zu schaffen?«

»Der machte in der ›Schlacht bei Mollwitz‹ den alten Fritzen vergangenen Mittwoch. Ich mußte mit meinem Filius hin.«

»Die leben alle in bunter Reihe und techteln ein bissel untereinander. Das hat bei denen nicht viel zu besagen.«

»Auf unserm Flur bei der Witwe Depta, da hat auch mal eine vom Schauspiel gewohnt. Ich glaube, die erste Heldin war’s. Ich kam mal nachmittags um viere vorbei, da stand die Tür zu der Stube offen, da waren noch nicht mal die Betten gemacht!«

»Wer ist denn jetzt Dezernent fürs Theater?«

»Der Stadtrat Knappe.«

»Da kann er lachen!«

Die Turmuhr schlägt sieben.

»Was? Wirklich schon sieben?«

»Ja, machen Sie schon die Bude zu und kommen Sie mit rüber! Ich bleib heut nicht lange, meine Frau hat Besuch, da muß ich bald da sein.«

»Aha, der zukünftige Schwiegersohn!«

»Woher wissen Sie?«

»Man hat doch Augen!«

»Der Sohn von meinem Geschäftsfreund aus Danzig. Sie wissen, er wurde zur Bahn her versetzt, und weil er doch niemanden kannte hier . . . so junge Leute haben gern Anschluß . . .«

»Eine gute Partie?«

»Meine Else muß noch kochen lernen . . . im Hotel zum ›Stern‹ . . . Sie ist auch erst sechzehn . . .«

Der Zigarrenkaufmann hat abgeschlossen.

»Gute Einnahme heut?«

»Soso . . . lala . . . Grad, daß man nicht übermütig wird . . .«

»Noch eine auf den Weg gefällig?«

»Meinetwegen. Und merken Sie sich die Kiste! Die ich’s letztemal bekam, waren anders.«

»Genau dieselben. Bloß länger gelagert.«

Sie pendeln über den Ring hinüber.

Aus dem Warenhaus tropfen die Mädchen. Ein paar Jünglinge stelzen unauffällig von Schaufenster zu Schaufenster, die vier bleiben stehen und stieren hinter einer Blondine.

»Seh’ einer, wie die sich rausgemaust hat!«

»Ich hatte mich auch mal verleiten lassen; gleich sollte ich’s dann gewesen sein. Da muß sie sich schon einen Dümmeren suchen!«

»Sie hat ja auch den Prozeß verloren.«

»Das war ich meiner Reputation doch schuldig, ich habe doch Frau und Sohn. Die Sache hat mir ohnehin genug Ärger gemacht!«

»Wo ist denn das Kind?«

»Ich glaube, gestorben.«

»Die haben stets Glück!«

Sie werden gegrüßt und grüßen wieder.

Dann schieben sie sich in den Torweg hinein und klettern die vierzehn Stufen.

Hallo! Rauch, Licht, Klaviermusik schlägt entgegen.

»Die drei Heiligen aus dem Morgenlande!«

»Und der Tabakfritze! Je später der Abend, desto schöner die Gäste!«

»Sie haben grad noch zum Dutzend gefehlt. Bertha, noch viere mehr!«

»Ihr knobelt gleich mit, es kommt sowieso jetzt ’ne neue Runde!«

»Hier das ist Bertha, die neue runde!«

»Die neue runde Bertha!«

Gequieke.

»Darf ich mir auch noch ’nen Glühpunsch bringen?«

»Freilich! Der neue Herr hier bezahlt’s. Zur Begrüßung! Er muß Sie doch willkommen heißen.«

»Den kenn’ ich noch nicht.«

»Sie werden mich schon noch kennen lernen, hoffe ich . . .«

»Der Zigarrenfritze ist es von vis-à-vis.«

»Ach, bringen Sie mir mal Zigaretten mit!«

»Sie will gleich was in die Fresse haben, daß es roocht, von Ihnen!«

Die Würfel kollern.

Die Schürmann-Wirtin kommt aus der Küche. »Hier ist der Gulasch! Ah, der Herr Stadtrat . . . und der Herr Koch . . . und der Herr Sekretär . . . Guten Abend, Herr Schmidt . . .«

»Ich bestimme! Semiramis!«

»Wie ist denn das?«

»Semiramis mit Hängetitten, das kennen Sie nicht? Die Sechsen und Einsen!«

»Aber Herr Stadtrat!«

»Wenn der nicht immer so ’n unschuldiges Späßchen machen kann, dann ist ihm nicht wohl!«

»Na, Jungfer Bertha?«

»Prost! Haben Sie nicht was zu roochen für mich!«

»Hier, die ist aber stark! Jungfer Bertha, da möchtste dir wohl die Hosen zubinden!«

»Sie hat ja gar keene an!«

»Woher weißt du?«

Ein Würfel springt vom Tische herunter. Man jagt ihm nach. »Unterm Sofa muß er doch liegen . . . ich hörte ihn deutlich rollen.«

»Hat niemand ein Streichholz?«

Der Zigarrenhändler verirrt sich in gelbseidene Spitzen und Bändchen und Hitze und rundliches Fleisch. Er schnauft.

»Das sollte Ihre Frau sehn!«

»Verflucht!«

»Der Schmolke muß zahlen!«

»Nun sagt mal, Kinder, wie lange sitzt ihr denn eigentlich hier?«

»Wir waren noch gar nicht Mittag essen.«

»Wir haben uns auf dem Gericht getroffen. Schmolke hat seinen Erbschaftstermin. Na, deine Alte, die wird schön spukken!«

»Ob sie immer noch mit dem Essen wartet?«

»Nun aber die letzte Runde, ja! Wieviel hab’ ich denn schon zu bezahlen?«

»Ach was, die Bertha muß doch eingeweiht werden!«

»Ja, trinken wir mal auf die neue Bertha!«

»Die dicke Bertha!«

Sie grapschen nach ihr.

»Ich glaube, ich hab’s wieder gut getroffen. Wo ich zuletzt war, bei Klose in Brieg, da waren auch so fidele Brüder. Die letzten drei Nächte kam ich kaum schlafen, wir feierten ohne Pause Abschied, wir wurden alle immer wieder besoffen und nüchtern; dann nahmen sie Droschken und brachten mich alle zusammen zum Bahnhof, am hellichten Tage, das war ein Klaumauk! Der Landmesser Langer, der kriegte sogar noch mit dem Stationsvorsteher Krach, weil er immer noch mal die Coupétür aufriß, als der Zug sich schon längst im Fahren befand. Mir ist nachher von dem verfluchten Geratter bald mordsübel geworden; wir hatten auch alles durchsammen getrunken, noch mal den ganzen Keller durch, jede Sorte Schnaps und Wein; ich kotzte wie sieben Reiher – ein herrlicher Abschied!«

»Du scheinst ja ’nen guten Magen zu haben. Ich glaube, du vertilgst eine Stange!«

»Seit sie mir den Blinddarm hamm rausgeschnitten . . .«

»Was, du hast keen Blinddarm mehr? Nu da! Zeig’ mal . . . da muß ich doch einmal fühlen!«

»Hast du etwa auch sonstwas nicht mehr? Am Ende haben sie dir aus Versehen noch was andres mit weggeschnitten.«

»Abdenitten! Abdenitten!«

Der Zigarrenkaufmann erhebt sich.

»Was? Hinsetzen! Dageblieben! Sie müssen erst auch mal ’ne Runde verlieren!«

»Ein andermal! Ich habe Hunger.«

»Wir haben noch nicht einmal Mittag gegessen.«

»Ja Sie, meine Herren, sind frei; ich aber . . . wenn man im berufstätigen Leben steht . . . ich bin Geschäftsmann . . .«

»Sie können auch hier essen: es gibt heute Gulasch und Beefsteak mit Linsen.«

»Ein andermal, Frau Schürmann, heut geht’s nicht.«

»Du hast wohl ein Rendezvous heute, Karle?«

»Ja, mit seiner Ollen!«

Der Stadtrat steht auf. »Dann werde ich mich auch gleich empfehlen: wir haben nämlich heut leider Besuch.«

»Verbrennt euch nischt!«

»Na, Berthel, da wünsch’ ich noch viel Vergnügen!«

»Morgen komm’ ich mir Zigaretten holen!«

Der Zigarrenhändler tätschelt sie noch einmal ab. »Da steck’ ich dir was in dein süßes Mäulchen.«

»Guten Abend, allerseits!«

»Guten Abend!«

»Guten Abend, Frau Schürmann!«

»Guten Abend, die Herren! Kommen Sie bald wieder!«

Die Tür kracht.

»Neue Runde: ›Ums Loch, ins Loch!‹ Oehm gibt an.«

Die Würfel klappern.

»Die Ehekrüppel! Pünktlich um neune zu Muttern ins Poocht!«

»Dem Schmidt, dem ist es ja bloß ums Fressen! Der Dickwanst, der kriegt ja nie genug. Als seine Frau einmal verreist war, da kam er zu uns Mittag essen. Du lieber Gott! Ich hatte ihm sowieso schon größere Portionen gegeben, aber nie war ihm eine groß genug, und Sie wissen doch alle, bei mir sind sie reichlich!«

»Ja, Mutter Schürmann läßt sich nicht lumpen!«

»Darf ich mir noch einen Glühpunsch bringen? Und wer gibt jetzt einen Böhm fürs Klavier?«

»Ich. Aber eine neue Walze!«

»Die Dollarprinzessin?«

»Das war schon zu oft.«

»Matchiche?«

»Ja gut, Matchiche!«

Gekurbel. Der Motor schnurrt an; die Tasten hacken.

Der Rentier grölt: »Wenn meine Frau sich auszieht, wie das dann aussieht . . .«

Bertha macht sich an ihn heran: »Kennen Sie schon den Witz vom Kompagnon . . .?«

Der Zigarrenkaufmann Schmidt betritt seine Wohnung. Der Tisch ist gedeckt. Frau Emma schlürft wie Trinkgeld heischend:

»Na, Männe?«

»Gibt’s Essen? Ich hab’ einen Riesenappetit.«

»Ich glaube, die Kartoffeln sind weich. Wir haben heute Koteletts mit Gemüse.«

»Immer ran! Wo ist Hugo?«

»Er lernt nebenan.«

»Na los!«

»Hugo! Hu–go!«

»Ich komme ja schon!« Bücher klappen. Ein glupschender Bengel murrt.

»Ihr stört mich mitten in meiner Lektion.«

»Man sagt: Guten Abend!«

»Was ist denn los?«

»Papa ist gekommen, du siehst. Er hat Hunger.«

»Das brauchst du mir doch nicht zu erzählen; das ist doch alt. Na, Mojen, Papa!«

»Man sagt doch nicht Morgen am hellichten Abend!«

»Wir Pennäler, wir sagen jetzt immer Mojen!«

»So laß ihn doch, Emma, sie haben ja recht. Man muß sich durch irgendwas unterscheiden. Die Jungens müssen schon eigen sein.«

»Was war noch im Geschäft los?«

»Wie immer. Die Rettichen hat fünfzig Stück Zigaretten geholt; die feiert wohl wieder ’ne Orgie mit ihren Zimmerherren . . .«

»Aber Karl!«

»Nachher kamen noch die drei Krippensetzer, der Vollert, der Koch, der Adolf, und schleppten mich mit zum Biere. Ich konnte nicht nein sagen, man muß doch auch mal die Kundschaft besuchen!«

Hugo meckert um einen Knochen herum: »Unser neuer Kandidat, der Matuschek, bei dem wir jetzt die Botanik haben, der wohnt bei der Rettichen.«

»Was du nicht sagst! Wie stehst du mit ihm?«

»Ich war noch nicht dran. Wir haben schon einen Spitznamen für ihn: wir nennen ihn Naso; er hat so ’ne lange.« Papa grölt geschmeichelt. Frau Emma entsetzt sich. »Wo hätten wir sowas beim Lehrer gewagt!«

»Das sind doch auch keine Klippschüler mehr!«

»Vom ›Nämlich‹ der Sohn, der Leutnant, der soll ein Duell gehabt haben im Briesener Walde . . .«

»Das dacht’ ich mir doch . . . wahrscheinlich wegen der Amtsrichterfrau . . . das ist so eine hochfeine Prise mit ausländischen Sitten; die trieb jeden Sport . . .«

»Ich war mal auf den Kohlsdorfer Wiesen und fing mir Frösche, da kamen sie zusammen in Karriere geritten.«

»Geritten ist gut!«

»Aber Karl!«

»Die hat – gibt’s noch etwas Käse – die hat sogar Zigarren geraucht, das Dienstmädel von ihr mußte welche holen, als wär’s für den Herrn, die sagte mir mal: Die Gnädige liegt selber halbnackt auf ’m Sofa und pafft alles blau . . .«

Man steht vom Tisch auf.

»Ich muß noch Latein und Französisch machen.«

»Überanstreng’ dich nicht! Jetzt wird auch wirklich zuviel verlangt!«

»Gute Nacht, Papa!«

»Dreh’ hübsch das Gas zu, wenn du schlafen gehst! Gute Nacht, mein Junge!«

Frau Emma wirtschaftet in der Küche. Der Zigarrenkaufmann lüftet sich wohlig und greift nach der Zeitung. »Da soll doch der Geier . . .! Die Müßiggänger, verfluchten die! Schon wieder ein Streik! Wenn das so fortgeht . . .«

Sie trocknet die Hände noch in die Schürze. »Jedem möchten halt die gebratenen Tauben ins Maul fliegen, ja . . .«

»Und hier ein Sittlichkeitsverbrechen! Das kommt von der lausigen Nichtstuerei!«

»Ich bin eigentlich recht müde, Karl! Seit früh um sechs schon auf den Beinen!«

»Na, gehn wir schlafen; ich eigentlich auch!«

»Hast du alles abgeschlossen?«

»Jawohl!«

»Und morgen früh muß vor allen Dingen der Laden erst wieder mal ausgefegt werden. Und um zehn wollte der Bursche vom Lipka eine Kiste ›Mein Liebling‹ holen, vergiß nicht! Bezahlt ist sie schon.«

»Was ist heute die Kasse?«

»Wir hatten schon mehr.«

Er stemmt die Kassette. Der Schlüssel wird unters Kopfkissen geschoben. Der Zigarrenkaufmann pellt sich den Rock aus, die Weste, den Kragen, zieht seine Uhr auf und hängt sie an den Nagel am Bette. Wenn er die Schuhe ausgezogen hat, löscht seine Frau die Lampe.

Das Ehepaar Schmidt entkleidet sich weiter im Dunkeln. Man hört Röcke rascheln, Nadeln fallen, Seufzer des Hantierens an heimtückischer Montur.

In das Bett nach der Tür zu wuchtet der Zigarrenkaufmann Schmidt, in das andre am Fenster, die Füße ihm zu Häupten, schlüpft stöbernd Frau Emma. Ein Blasebalg arbeitet dumpfes Schnarchen, ein dünnes Gepfeif durch spitzwinklige Nase begleitet.

Die Luft wird dick.

Der Knabe Hugo feixt mit der Lupe näher über ein paar Bilder, die er unter der französischen Grammatik hervorzog.

Die Turmuhr schlägt zehnmal.

Der nächtliche Orient-Expreß saust an dem Städtchen vorüber.

Der Flüchtling

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