Читать книгу Hieronyma - Max Kommerell - Страница 4

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Auf diese Nachrichten war der Marquese von. Velez von einer seltsamen Beklommenheit heimgesucht. Hätte er sich gekannt oder hätte er mehr Mut zu sich gehabt, so hätte er der Empfindung, die in ihm unter den fertigen Sprachen seiner vorrätigen Gefühle vergeblich nach Sprache rang, den wahren Namen gegeben und hätte sie darüber hinaus noch in Pflege genommen wie etwas liebes Zugelaufenes, denn sie war selten und neu und hatte einen Duft voll Zukunft. Er aber erkannte nicht, daß sie Sehnsucht nach seiner Frau war. Er fühlte stark, wenn er auch nicht wußte was, und, so zwiespältig ihm zumute war, so genoß er sich darin. Ehre! gewiß Ehre .. aber sie gebot ihm fortzureiten und in dem Mutwillen der Kunstschäferinnen, der allerlei Körper- und Seelenübel vorschützte, das zu beanspruchen, was sein war.

Eine leise Unsicherheit meldete sich .. hatte er nicht zehnfach verdient, daß Hieronyma den jungen Fant – was er auch in seinen schlimmsten Befürchtungen ausschloß – völlig erhöre? Um sich vor dieser Unsicherheit zu schützen sah er in den Spiegel, schnallte alles fester, was es an ihm zu schnallen gab, Schuhspange, Gürtel, und ohne zu wissen ob er ausgehen wollte, warf er sich den schwarzen Mantel über die von grünem Samt und dem weißen Spitzenkragen für diesen Augenblick zu bejahende Schulter. Der Spiegel gestand zu, daß er sehr Mann war .. genug, um nicht nur eine Frau einzuschüchtern. Schon sah er sich reiten .. ankommen .. »Ich weiß, was du mir innerlich vorwirfst .. aber das Leben hat eine Außenseite .. eine hochgeborene und edel verheiratete Frau steht unter strengeren Gesetzen .. du vergaßest dich .. und damit du dich nicht mehr vergissest ..«

Aber dann müßte er ja fort von ihr .. o die Leidenschaft .. er war ihr verfallen, dieser Urraca, mit ihrer noch halb schlafenden, in diesem Schlaf so begehrlich atmenden und seinen Namen nennenden Liebesfähigkeit – welch Spiel des Zufalls, daß sie seiner Frau diente und seine Herrin war .. seit sie sich nicht mehr fürchtete, ihr nicht mehr untertags begegnen mußte .. und mit welcher Miene sollte sie ihr beim Auskleiden helfen .. würde ihr nicht ein Blick entschlüpfen .. des doppelten Siegs .. auch ein Blick auf ihre zu reifen Formen .. Das hatte die kleine Teufelin gesagt, und er hatte es wohl eingesehen .. Aber nun, da diese Gefahr vorüber war, hatte sie ihm ihre ersten köstlichen Nächte geschenkt.

Der Spiegel gab ihm zu, daß er sehr verfallen war .. Konnte er sich von ihr trennen? Aber die Ehre .. Jedenfalls mußte er sie diese Nacht aufsuchen .. sie sollte alle künftigen in sich halten .. Denn wer weiß, ob man sich, wenn man so streng fordert, nicht auch – auf eine Weile – wird Zwang aufzuerlegen wissen .. Hieronyma, gereizt .. ihre mächtige Verwandtschaft .. Zwar ihre Güte, ja ihre himmlische Güte – er wußte, daß er gerecht war – der Spiegel, den er zufällig streifte, nannte ihn aber zu seinem Bedauern in diesem Augenblick weder sehr gerecht noch sehr leidenschaftlich, sondern eher verlegen .. Jedenfalls, von Geschäften war keine Rede, und die Gesellschaft dieser Nacht sagte er ab.

Er klingelte seinem Diener zu allen möglichen Verrichtungen, kleidete sich um – so wie es nötig war, um einerseits durch mehrere Höfe zu gehen und eine Reihe von Korridoren, und andererseits so, wie es sich schickte, nächtlicherweise im Boudoir einer Hofdame zu erscheinen. Er steckte sich einige Geschenke zu für das seiner Dame beigegebene Fräulein, das weggeschickt werden mußte, und wartete, mit einem langgestielten Glas Jérez, die Mitternacht heran; dabei spielte er gleichzeitig mit der bloßen Klinge seines Schwertes, fuhr mit dem Finger die Wildschweinjagd nach, die in die Klinge graviert war, und ließ hie und da sachte das Innere seiner Hand auf die Schneide fallen. Dann lächelte er, und wie heftig fühlte er – er lüftete die Brust, er mußte mit der eigenen Hand seinen Leib über dem Herzen berühren – und rühmte sich seiner Leidenschaft und gab ihr die Namen schöner Raubtiere .. Ach, wenn er nur gewußt hätte, was für ein unbekanntes Gefühl in ihm unterwegs war .. und fast schien es, die Bewegung der anderen Gefühle war nicht Kraft – nur Flucht vor diesem Unbekannten, um das sein Inneres, dürr und gelichtet genug, zum Wild wurde.

Aber der Mensch, soviel Lust und Schmerz er empfindet, merkt nicht, wenn er gerettet wird, und nicht, wenn er verloren geht .. und er ging zu Urraca, ließ sich heftig liebkosen und heftig bemitleiden und freute sich, welche Fortschritte sie im Küssen gemacht hatte, und verließ die heftig Weinende (ach, im Weinen war sie nicht schön, weil sich die scharfe und gebogene Linie ihres Mundes, der von voller Lippe, aber nicht breit war – ein wenig unförmlich verzog) etwas früh; wie er meinte, weil ihn die Ehre auf seinen Ritt trieb (»ich sehe ja ein, du mußt reiten«), in Wahrheit aber, weil er vorher noch etwas allein schlafen wollte und ihm ein klein wenig langweilig war. Ihr wohlgeformter Körper fühlte sich immer kühl an, und das, was dieses blauschwarze, etwas ungebärdige Haar, dieses Purpur der Wangenhöhle auf der sonst goldbraunen Haut, und diese unglaublichen Augen, die die groß geöffneten byzantinischen Mandorla-Ränder nicht ganz erreichten, und die zwischen der üppigen Lippe blitzenden Zähne versprachen, traf nicht ganz ein. Statt dessen behielt der Mund recht, der etwas zu nah unter der griechischen Nase saß und dessen scharfe Grenzlinie zwischen der Lippe sich so nach oben spitzte, daß der Ausdruck ans Neckische und Pedantische grenzte, dieser Mund blieb im Recht, wenn man sie so kannte, wie man ein Weib eben nur zwisehen Deckbett und Leintuch kennen lernt. Ihre Seele hatte kein Geheimnis, und dann ist es gefährlich, sich verführen zu lassen .. aber immerhin, der Leib hatte eins, für ihn, und das hieß Jugend, und ihn schüttelte das Behagen nach einer guten beutereichen Jagd, wenn er ihrer Brüste, ihrer Schultern gedachte .. Hätte sie doch mit Weinen gewartet, bis er fort war – aber das war ja das göttlich Unbewußte an ihr, gar nicht zu denken, was ihr steht.

Plötzlich stellte er sich seine Frau weinend vor .. nein, er sah sie weinen .. sicher weinte sie jetzt wirklich – wie er es sah –, nie hatte sie ihm eine Träne gezeigt .. warum eigentlich nicht? War das recht gegen ihn? Wie schön war sie weinend, dachte er, obwohl er sie nie hatte weinen sehen. Es war doch klar, er sah es ja. Wie eine Heilige? Heilig – nur ihm heilig. Ja, wahrhaftig, er hätte nie so über ihre Tränen gedacht wie über die Tränen Urracas. Und, so sagte er ingrimmig, indem er sich auf seinem Lager, auf das er sich wie er war geworfen hatte, aufrichtete und die Stücke, die er anhatte, in die Zimmerecke schleuderte, geheult hat sie .. nicht geweint. War er nicht grausam .. Lächerlich, über sich nachzudenken. – Er tat es nie, und jetzt – er mußte sehr angegriffen sein .. Höhnisch blinzte ihn der Rest Jérez aus dem Glas von vorher, der Stunde der Erwartung, an .. Was war eigentlich geschehen inzwischen? Hätte er nicht auch hierbleiben können? Die Lust? Was ist eigentlich Lust? Sie heult. Man muß sie verheiraten .. hier schlief er ein, und zwei Stunden darauf saß er im Sattel und ritt wie nur er und nur er in dieser Verfassung reiten konnte.

Hieronyma

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