Читать книгу Time of Lust | Band 4 | Teil 1 | Geliebter Schmerz | Roman - Megan Parker - Страница 3
ОглавлениеDie Höhle von Megan Parker
Warmer Nieselregen prasselte sanft auf meinen Körper, ich legte meinen Kopf in den Nacken und empfing die feinen Strahlen direkt auf meinem Gesicht. Wie von selbst öffnete sich mein Mund, um das betörende Prickeln von meinen Lippen in meine Kehle zu verlagern. Es kitzelte, entlockte mir ein Lachen und sogar ein vergnügtes Gurgeln, als sich das Wasser an meinem Gaumen überschlug. Doch schon nach ein paar Sekunden wurden all die Reize zu intensiv und ich ließ den Unfug wieder sein! Ich spuckte das Wasser aus, nahm stattdessen etwas Shampoo aus dem Spender und massierte es in meine langen Haare.
Dabei hatte ich mir angewöhnt, auf meinen gläsernen High Heels möglichst still zu stehen, um das Risiko, in der Dusche auszurutschen, so gering wie möglich zu halten. Der Boden war aus rauem Stein, doch in Verbindung mit Shampoo wurde auch der zu einer Rutschbahn. Erst als ich meine Haare ausspülte, mich bedacht drehte und einen größeren Schritt zur Seite wagte, wurde ich mir der schmerzhaften Erfahrung von gestern wieder bewusst. Wasser, vermischt mit Seife, lief zwischen meine Pobacken, wo es noch empfindlich brannte. Die Wirkung der Betäubungscreme hatte sich längst verflüchtigt. Vorsichtig berührte ich mich selbst und glaubte sagen zu können, dass ich wund war, aber nicht verletzt. Die rohe Begierde zweier Männer und der monströse Plug danach waren einfach zu viel gewesen. Nun brauchte ich dringend eine Heilsalbe.
Ich stellte die Dusche ab und war erleichtert, als gleichzeitig auch die sphärischen Weltraumklänge verstummten. Ich konnte die Musik nicht mehr ertragen. Manchmal war es wie in einem Horrorfilm. Wenn man unter der Felsendusche die Augen schloss, glaubte man, an einem Tiefenrausch mit Sinnesstörungen zu leiden! Ich fragte mich, ob Santiago diese Musik mochte oder ob es ihm bloß darum ging, uns Mädchen damit Unbehagen zu bereiten!?
Doch genau dieses Gefühl sollte für mich an jenem Tag noch zur Herausforderung werden ... Vielleicht war das auch der Grund, warum ich mich gerade jetzt – nach dem Schock im Keller der Villa, nach Santiagos glorreicher Verkündung, die mir den Boden unter den Füßen entrissen und mich in eine bodenlose Finsternis gestürzt hatte – an jenen Tag erinnerte ...
***
Als ich mich abgetrocknet, geschminkt und meine langen Haare geföhnt hatte, fand ich eine Heilsalbe in den Regalen der Männer. Vorsichtig brachte ich sie auf und sie verschaffte mir tatsächlich etwas Linderung. Somit waren die Voraussetzungen perfekt, dass heute ein schöner Tag werden konnte, denn Santiago hatte angekündigt, mit einer Yacht mit mir rausfahren zu wollen!
»Bist du fertig?«, fragte Damian, als er wenig später zu mir ins Zimmer kam.
Ich nickte und betrachtete ich mich noch einmal im Spiegel. Der weiße Bikini mit seinen zarten goldenen Verzierungen machte sich sehr hübsch auf meiner braunen Haut. Bei unserem letzten Ausflug mit der Sea Star hatte ich deutlich an Farbe zugelegt und der Kontrast schmeichelte meiner Figur. Fertig gestylt und bewaffnet mit einer Sonnenbrille begleitete ich Damian die breite Treppe hinunter.
»Kommt sonst niemand mit?«, fragte ich erstaunt.
»Santiago und Marcus sind schon auf der Symphonie«, erklärte er.
Ein kleiner Schrecken durchfuhr meine Magengrube. »Die Symphonie?« Allein bei der Vorstellung, schon wieder als einziges Mädchen mit mehreren Männern an Bord der Symphonie gehen zu müssen, wurde mir übel.
»Keine Angst«, raunte Damian. »Es ist nicht, wie du vielleicht denkst. Santiago hat ein neues Spielzeug, dem seine ganze Aufmerksamkeit gilt.«
»Ein neues Mädchen?«, fragte ich betroffen.
»Nein, kein Mädchen.«
»Ein Mann?!«
Damian lachte. »Nein. Definitiv ein Spielzeug.«
Ich nickte skeptisch.
Damian half mir in den High Heels über den langen Schotterweg. Auf dem steileren Stück nahm er mich sogar auf seine Arme, und fast hatte es etwas Romantisches, als ich mein Gesicht dabei an seine breiten Schultern schmiegen durfte – wäre er nicht auch einer der beiden Männer gewesen, die mich erst am Tag zuvor im Flugzeug auf unserem Kurztrip nach New York so rüde misshandelt hatten, dass ich jetzt eine Heilsalbe brauchte.
Mit dem Speedboot fuhren wir hinaus zur großen Yacht. Marcus half mir an Bord, ich nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in meine Haare.
Santiago begrüßte mich mit seinem charakteristischen schiefen Lächeln. Sein zweiter Blick lief über meinen Körper, er kam mir näher und raunte: »Du darfst heute als einziges Mädchen mit mir den Tag verbringen. Freust du dich?«
Ich lächelte. »Ja.«
»Warum sehe ich das nicht?«, entgegnete er streng.
Was sollte ich tun? Sollte ich seine Füße küssen? Nach kurzem Zögern und nachdem er mir seine Hand nicht angeboten hatte, kniete ich vor ihm nieder und küsste seine bloßen Füße. Er trug eine lange weiße Hose aus leicht glänzendem Material, mit roten Streifen an den Seiten, und darüber ein Polo-Shirt. Doch seine Füße waren nackt. Als ich mit meinen Lippen zärtlich den Rist jeder Seite mit kleinen Küssen bedeckt hatte, stand ich wieder auf.
Santiago nickte besänftigt und wandte sich an Marcus: »Fahren wir!«
Wir blieben im Freien in der Sonne und nahmen auf den cremefarbig gepolsterten Sitzbänken im hinteren Teil der Yacht Platz. Beiläufig bemerkte ich, dass die Symphonie neuerdings eine Art Rettungsboot hinter sich herzog. Aus unserer Perspektive sah es aus wie ein schmales Motorboot, das man mit einer steilen Zeltplane abgedeckt hatte. War das sein Spielzeug? Vielleicht ein Motorscooter auf einem Beiboot?
Die Maschinen starteten und es presste mich dezent in den Sitz. Das Meer war außergewöhnlich ruhig für einen Vormittag zu dieser Jahreszeit und bald glitten wir gleichmäßig dahin. Damian und Santiago begaben sich unter Deck, und ich rutschte ganz an die Außenseite zur Reling, wo ständig etwas Wasser über die Bordkante hochspritzte. Der Fahrtwind blies angenehm durch meine Haare, ich inhalierte die frische Meeresluft und machte mir Gedanken über alles Mögliche ... über mein Leben und Dinge, die für mich nicht erreichbar waren, über David ... und über Santiago.
Nach einiger Zeit spritzte ein Schwall Wasser hoch bis über meinen Arm und ich merkte, dass Marcus den Kurs geändert hatte. Als ich hinter mich blickte, war Ivory nicht mehr zu sehen. Die Symphonie wurde langsamer und schließlich hielten wir an einer Stelle mitten im Meer an.
Vorsichtig erhob ich mich und blickte über die Reling nach unten. Durch das klare Wasser sah man bis auf den Grund. Allzu tief konnte es hier nicht sein. Vielleicht war ein Riff in der Nähe?
»Gehen wir Schnorcheln?«, fragte ich Marcus.
Er lächelte und schüttelte entschuldigend den Kopf, als müsse er mir etwas verheimlichen. Ich seufzte, und da die Yacht noch immer leicht schaukelte, setzte ich mich wieder nieder, während Santiago und Damian aus der Kajüte die Treppe hochkamen. Marcus warf den Anker aus und danach versammelten sich alle in meiner Nähe am Heck ...
Das Beiboot, das wir nachgeschleppt hatten, wurde mit einer Winde herangezogen und seitlich gedreht, bis es an Steuerbord andockte. Marcus sprang hinunter auf die Plane und löste sie rundum. Dann zog er sie ab und mir stockte der Atem, als darunter ein Ding zum Vorschein kam, das auf den ersten Blick aussah wie eine Rakete!
Ich hatte mich noch nie übermäßig für sogenanntes »Millionärsspielzeug« begeistern können, waren es teure Autos, Flugzeuge, Helikopter oder protzige Yachten gewesen. Allerdings hatte ich bis jetzt auch kein Problem damit gehabt. An Komfort und Luxus gewöhnte man sich schnell, doch dieses Gefährt war mir schon auf den ersten Blick nicht geheuer. Es war metallisch schwarz, hatte eine äußerst schnittige Form und so etwas Ähnliches wie Tragflügel an den Seiten. An einem davon entdeckte ich die Aufschrift Black Shark. Also sollten es vielleicht doch eher Flossen sein? Ein schwarzer Hai. Es hatte auch eine mächtige Rücken- und eine Schwanzflosse! Vielleicht konnte man das Ding fernsteuern? Aber dafür erschien es mir wiederum reichlich groß.
Santiago besprach sich mit Damian, während Marcus den Black Shark vom Beiboot langsam ins Wasser gleiten ließ. Ich ging entlang der Reling ein Stück nach vorn, in Richtung der beiden Männer, und als ich beiläufig hinaus aufs Meer blickte, bemerkte ich, dass wir doch in der Nähe einer kleinen Insel waren! Eine karge Felsformation ragte nicht weit von uns aus dem Meer. Vermutlich hatte mir zuvor die Kajüte der Yacht die Aussicht dorthin verstellt. Und Damian hatte nun tatsächlich eine Art Fernbedienung in der Hand, während Santiago sich seiner Kleidung entledigte und nur noch rote Badeshorts anbehielt.
»Ist das ferngesteuert?«, fragte ich Damian und war leicht irritiert, weil Santiago sich entkleidete. Das konnte aber auch an der Hitze liegen. Was mich viel mehr beunruhigte, war, dass Santiago keineswegs den Eindruck erweckte, als wolle er sich nun mit einem Spielzeug vergnügen. Seine Miene war ernst und konzentriert, als hätte er in Kürze eine geschäftliche Besprechung.
»Die Fernbedienung ist nur für das Glasdach«, erklärte Damian. Santiago kam näher und während wir auf Sharky hinabblickten, schob sich der vordere Teil des Dachs auseinander und zum Vorschein kam ein Cockpit, ähnlich wie in einem kleinen Flugzeug – ein edles Armaturenbrett, Steuerknüppel und zwei sportlich schmale Ledersitze. Unter dem getönten Glas hatte man all das zuvor nicht erkennen können. Nun wurde mir erst recht mulmig zumute, denn die schnittige Form schrie geradezu nach Geschwindigkeit. Santiago strich sich affektiert über die Haare. Er wollte sich doch nicht etwa da hineinsetzen?!
»Sie soll besser die High Heels ausziehen«, empfahl Damian.
Santiago nickte.
Ich lachte ... »Nein, ich steige da bestimmt nicht ein!«
Nun hatte auch Santiago wieder ein Lächeln auf den Lippen.
Mir schauderte. »Was ist das überhaupt?«, fragte ich. »Ein U-Boot oder ein Speed-Boot?«
»Beides! Man kann damit auf der Oberfläche gleiten, aber auch abtauchen«, erklärte Damian freundlich. »Und mit genügend Schub kann man bis zu vier Meter aus dem Wasser springen. Es ist das schnellste Modell derzeit auf dem Markt. Der Ferrari unter den Sport-U-Booten.«
Ich suchte verzweifelt nach meiner Stimme. »Und da soll ich mitfahren?!«, hauchte ich.
»Ja, Santiago wird mit dir fahren. Aber erst ziehst du die High Heels aus!«
Fassungslos wandte ich mich an Santiago, der mir gerade näher kam. »Warum ich?«, hauchte ich entsetzt. »Die Männer reißen sich vermutlich um so etwas. Warum ist Edward nicht hier?«
»Weil ich mit dir fahren will!«, fauchte er mir direkt ins Gesicht.
Das klang höchst überzeugend. Trotzdem fragte ich mich, ob man das nicht erst lernen musste. Immerhin hatte Damian vorhin erzählt, es wäre ein »neues« Spielzeug. Also war Santiago vielleicht noch nie damit gefahren!
»Muss man das nicht lernen?«, fragte ich schüchtern.
»Zweifelst du an meinen Fahrkünsten?«, raunte Santiago.
»Nein«, hauchte ich eilig und verkniff mir jeden weiteren Einwand.
Santiago trat zur Seite. Marcus reichte ihm die Hand und half ihm hinunter auf den Fahrersitz. Inzwischen half Damian mir aus den High Heels. Mein Herz raste. Ein wenig fühlte ich mich ja auch geschmeichelt, dass er tatsächlich mit mir allein irgendwohin fahren wollte – ohne Leibwächter! Ich konnte mir nicht mal vorstellen, mit ihm zu zweit in einem Auto zu sitzen und durch die Straßen von Miami zu düsen. Aber trotzdem hatte ich auch Angst.
Nun reichte Marcus mir die Hand. Barfuß stieg ich auf das schwarze Fieberglasdach, über Santiago hinweg und einen großen Schritt hinunter auf den Beifahrersitz. Augenblicklich wurde mir noch mulmiger zumute, denn die Sitze waren nicht wie in einem Sportwagen komfortabel und breit, jeder für sich, sondern dicht beisammen, sodass ich Santiago an seinem Oberarm und Oberschenkel zwangsläufig berührte. Langsam schloss sich das Dach und ich lächelte hilflos verzweifelt – konnte selbst nicht glauben, was ich da tat. Plötzlich musste ich an meine Eltern denken ... Nicht mal in Disney-World wäre ich in ein solches Gefährt gestiegen!
»Bitte sag mir, dass du schon einmal damit gefahren bist«, flehte ich leise flüsternd.
Santiago sah mich an und auf dem engen Raum hier konnte ich nicht mal vor ihm zurückweichen! Es war, als hätte man uns unzertrennlich miteinander verbunden und ich fühlte mich in seiner atemberaubenden Aura mit eingeschlossen! Mit zittrigen Fingern fuhr ich durch meine Haare, wagte aber nicht, Santiago anzusehen.
»Ich hab den ›Shark‹ schon seit meinem Geburtstag«, brummte er. »Es gab eine Einweisung vom Hersteller, ein Fahrtraining und ich bin auch schon mit Lilienné unterwegs gewesen! Beruhigt dich das?!«
»Ja«, hauchte ich dankbar. Auch wenn er das mit Lilienné nicht hätte erwähnen müssen, in diesem Fall beruhigte es mich tatsächlich.
Santiago schnaubte. »Gurte dich an!« Dann legte er seine Hände an die zwei Steuerknüppel. Mein Sitz begann zu vibrieren, ein dumpfes Dröhnen erklang, zuerst lauter, dann pendelte es sich auf ein erträgliches Summen ein. Wir fuhren los und wurden kontinuierlich schneller, glitten auf der Wasseroberfläche dahin ... bis Sharky schließlich zum Geschoss wurde ...
Wir zogen Kurven und Kreise, die spektakuläre Fontänen hinterließen. Sharky war wendig. Die ganze Zeit erwartete ich, dass wir abtauchen würden, doch Santiago reizte alle Techniken aus, die er über Wasser zu bieten hatte. Ich kämpfte verzweifelt gegen die Fliehkraft, mein Kopf und meine Beine schlugen von links nach rechts, meine Haare wirbelten herum, ich stöhnte, japste, schnappte nach Luft, versuchte ständig, mich irgendwo festzuhalten, mich zu beruhigen und tapfer zu sein. Die kleine Felseninsel hatte ich längst aus den Augen verloren, wir steuerten immer weiter aufs offene Meer hinaus, wo der Seegang etwas lebendiger wurde. Plötzlich betätigte Santiago einen anderen Hebel und wir tauchten ab.
Von einer Sekunde auf die andere veränderte sich die Kulisse um hundert Prozent. Hatten wir gerade noch Himmel, Meer und Sonnenschein gehabt, war nun die Sicht erheblich beeinträchtigt. Ich fand keine Anhaltspunkte mehr, unterschiedliche Blautöne wechselten einander ab. So heftig, wie es mich allerdings in den Sitz presste, wusste ich, dass wir nach wie vor unsagbar schnell unterwegs waren und meine größte Angst war nur noch, hier im Meer mit voller Wucht gegen irgend ein Hindernis zu prallen. Santiago kannte diese Angst offensichtlich nicht, denn meinem Gefühl nach wurden wir immer schneller. Wie es schien, hatte ihn jetzt der Geschwindigkeitsrausch gepackt. Immer wieder entkam mir ein kleiner Schrei, wenn er unvermittelt die Richtung wechselte. Ich atmete kaum noch, hielt mit einer Hand meine Haare fest und mit der anderen fallweise meine Augen zu. Plötzlich zogen wir in die Höhe, durchbrachen die Oberfläche und Sharky schoss aus dem Wasser ...
Ich kreischte wie von Sinnen ... Wir flogen viele Meter, dann die Landung, der Aufschlag, und sofort tauchte er wieder ab. Keuchend und zitternd saß ich neben Santiago und zum ersten Mal wagte ich nun doch einen Blick zur Seite, um in sein Gesicht zu sehen. Er sah konzentriert nach vorn, aber nebenbei grinste er unverhohlen. Und schon wieder flogen wir durch die Luft. Der Aufprall traf mich mit voller Wucht. Ich schrie und krümmte mich zusammen, konnte mir kaum vorstellen, dass sein Platz besser gefedert war als meiner, aber Santiago schienen die Schläge kaum etwas auszumachen. Wieder lächelte er. Ängstlich verspreizte ich mich auf meinem Sitz. Und er tat es immer wieder. Ein kurzer Flug in das gleißende Sonnenlicht, danach der Aufprall und das erneute Abtauchen. Unter Wasser zogen wir schnittige Kurven, und als ich schließlich kreidebleich, zitternd und durchgeschüttelt neben ihm saß, stellte er endlich die Luftsprünge ein.
Santiago nahm eine Hand vom Steuer und streichelte über meinen nackten Oberschenkel. Ich fragte mich, ob er spüren konnte, dass ich schwitzte. Aber von da an glitten wir nur noch gleichmäßig dahin. Die Unterwasserwelt zog an uns vorüber und langsam kam ich wieder zu Atem. Es war eindrucksvoll, als wir an einem Korallenriff vorbeisegelten. Santiago drosselte die Geschwindigkeit und drückte selbstbewusst meinen nackten Oberschenkel. Doch wir waren zu schnell, um einzelne Fische beobachten zu können, bloß die Farbenpracht insgesamt blieb mir in Erinnerung.
Langsam wechselte das Riff seine Beschaffenheit, es wurde felsig und wir tauchten tiefer – geradewegs auf eine finstere Schlucht zu ... Santiago machte die Scheinwerfer an, der Fels wurde sparsam ausgeleuchtet und Sharky schlüpfte durch eine Enge in eine Art natürlich gewachsenen Tunnel!
»Oh mein Gott!«, stöhnte ich. »Warst du schon mal hier?«
Santiago nickte unmerklich.
Die steilen Wände und vor allem die massive Felsdecke über uns erschienen mir beängstigend. Die Wege waren kaum breit genug für Sharky und vermutlich hätte man hier auch nicht wenden können. Gab es einen Ausgang auf der anderen Seite? Was, wenn uns der Sauerstoff ausging? Wie sollten wir von hier aus jemals wieder die Oberfläche erreichen? Schleichend langsam fuhren wir die letzten paar Meter, dann plötzlich endete der Tunnel an einer breiteren Stelle. Santiago nahm die Hand von meinem Knie, betätigte einen roten Knopf und wir gewannen an Höhe ... die Scheinwerfer hoben sich aus dem Wasser ... Sharky tauchte auf ... und wir befanden uns im Lufteinschluss einer kugelförmigen Höhle! Egal in welche Richtung ich blickte, ringsum ragten steile Felswände aus dem Wasser empor, die sich in einem Deckengewölbe trafen, bloß an einer Seite gab es ein paar monströse Felsbrocken und möglicherweise ein winziges Stück Land.
»Was machen wir hier?«, flüsterte ich.
»Wir steigen aus!«, entgegnete Santiago.
Er löste unsere Gurte und öffnete das Glasdach. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Vorhaben gut finden sollte. Santiago stieg als erster über die seitlich niedrige Karosserie. Wir waren offenbar ein Stück ins Seichte getrieben, denn das Wasser reichte ihm bloß bis zu den Oberschenkeln.
»Gibt es hier Schlangen?«, fragte ich ängstlich.
»Nein.« Er half mir aus dem Boot und schon hatte ich meine Beine im Wasser. Barfuß watete ich hinter Santiago her. Die Luft war kühl und es roch modrig. Zum Glück gab es hier keine Fledermäuse, soweit ich das beurteilen konnte. Sharkys Front- und Seiten-Scheinwerfer leuchteten die Höhle ganz gut aus. Und während sich das Wasser noch leicht bewegte, warf es unzählige Lichtreflexe in die Steinwände. Ich fühlte mich wie im Inneren einer Discokugel.
Nach ein paar Schritten auf glitschigem Untergrund erreichten wir über eine Stufe das Ufer und plötzlich hatte ich feinen hellen Kies unter meinen Füßen. Offenbar hatte sich jemand die Mühe gemacht, Kies hierher zu bringen und neben den hinkelsteinartigen Felsbrocken eine kleine Fläche damit zu ebnen. Ich musste schmunzeln ... Jetzt war es doch irgendwie romantisch. Allein mit Santiago, auf diesem winzigen Stück Land. In einer Höhle. Einsamer ging ja gar nicht mehr! Ein Hauch von Begeisterung überkam mich.
Santiago hingegen zeigte kaum eine Gefühlsregung. Er berührte mich kurz an der Taille, danach im Gesicht. »Gefällt es dir hier?«, fragte er.
Ich nickte glücklich.
Santiago erwiderte mein Nicken mit einem sanften Lächeln. »Zieh dich aus ...«, hauchte er verführerisch.
Er hielt seine Hand auf, und ich öffnete zuerst das Oberteil meines Bikinis, entließ meine bloßen Brüste in die Freiheit, dann bückte ich mich, streifte das Höschen über meine Beine nach unten und stieg heraus. Sorgfältig legte ich beide Teile zusammen und gab sie Santiago in die Hand.
Seine Augen funkelten undefinierbar. Er küsste mich auf die Stirn und befahl leise: »Warte hier ...« Daraufhin ging er zurück zum Wasser und ich dachte, er wollte unsere Kleidung ins Boot bringen und vielleicht eine Decke holen, um sie für uns auf diesem kleinen Kiesstrand auszubreiten. Doch als er Sharky erreicht hatte, stieg er ein! Ich konnte es nicht glauben und gegen das Scheinwerferlicht auch nur schlecht erkennen, aber er setzte sich tatsächlich ans Steuer und das Glasdach schloss sich über ihm! Dann hörte ich den Motor starten, Sharky trieb ein paar Meter rückwärts und tauchte ab! Nur in einem kurzen Augenblick, als sich die Scheinwerfer bereits unter Wasser befanden, während die Kabine noch hell erleuchtet war, konnte ich durch die Scheibe Santiagos Gesicht erkennen ... Ich konnte sehen, dass er mich eiskalt anstarrte und unverschämt grinste.
Das durfte doch nicht wahr sein! Wollte er mich etwa hier zurücklassen? Fassungslos beobachtete ich, wie der Black Shark unter Wasser wendete und sich langsam entfernte. Luftblasen stiegen an die Oberfläche und zerplatzten. Die Lichter wurden immer schwächer. Schließlich waren sie ganz verschwunden und ich blieb allein in der dunklen Höhle zurück.
Wie angewurzelt stand ich auf dem kleinen Fleckchen Kies. Nicht mal meine eigene Hand sah ich vor Augen, ich war nackt und wagte keinen einzigen Schritt, in welche Richtung auch immer. Gutgläubig vertraute ich darauf, dass Santiago umkehren würde. Jede andere Möglichkeit verbannte ich aus meinem Bewusstsein. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich tatsächlich hier aussetzen wollte. Er hatte bestimmt geplant, mir nur einen Schrecken einzujagen und würde gleich wiederkommen. Minutenlang stand ich regungslos, in völliger Dunkelheit, und weigerte mich, aufzugeben. Ich wollte mich nicht bewegen, mich nicht niedersetzen oder über irgendetwas nachdenken. Santiago würde zurückkommen!
Eine gefühlte halbe Stunde später zerbrach plötzlich all meine Hoffnung. Für wie lange wollte er mich noch hier aussetzen?! Etwa für immer?! War er noch ganz bei Trost? Ich liebte ihn. Und ich hatte alles für ihn gegeben ... Ich hatte mich für ihn eingesetzt – erst gestern, in New York, als es darum ging, David zurückzuholen! Ich hatte seine Ehre verteidigt ... seine Reue beschworen ... seine Unschuld bezeugt. Ich hätte alles für ihn getan! Sollte das nun der Dank dafür sein?
Tief erschüttert wandte ich mich vom Wasser ab. Jetzt bereute ich, dass ich so lange den schwindenden Lichtern hinterhergestarrt hatte. Ich hätte die Zeit besser nutzen und mich hier umsehen sollen! Mit ausgestreckten Armen tastete ich vor mir her, bis ich den ersten Felsen berührte, doch ich sah davon ab, irgendwo hochzuklettern. Die kleine Kiesfläche war umzingelt von mächtigen Steinbrocken und soweit ich mich erinnern konnte, ragten die Felswände dahinter senkrecht empor. Ich brach in Tränen aus. Verzweifelt ließ ich mich zu Boden sinken und heulte haltlos.
Mein Schluchzen erfüllte die ganze Höhle und wurde in kleinen Echos beharrlich zurückgeworfen ... Doch nach einer unbestimmten Zeitspanne bildete ich mir plötzlich ein, noch etwas anderes gehört zu haben ... Ich hielt den Atem an, aber ich konnte absolut nichts sehen. Jedes Mal, wenn ich meine Augen von Tränen befreit hatte, glaubte ich, von der Dunkelheit erdrückt zu werden. Es war unvorstellbar, wie konsequent man das Licht aus einem solch riesigen Raum verbannen konnte! Bloß mein Bewusstsein wollte sich nicht damit abfinden und spielte mir üble Streiche. Die Dunkelheit nahm Formen an. Mir war, als ob finstere Gestalten auf mich zu kamen, der Boden sich in mächtigen Wellen vor mir aufwarf und gespenstische Tiere durch die Luft flögen. Jede Sekunde hoffte ich auf das Zurückkehren eines Lichterscheins oder auf das ersehnte Geräusch von Motoren.
Wieder hörte ich etwas! Ein leises Knirschen. Doch diesmal war ich mir sicher, mich nicht getäuscht zu haben! Augenblicklich erhob ich mich auf meine Füße. Ich hatte panische Angst vor Ratten, Schlangen oder allem möglichen anderen Getier. Noch ein Knirschen ... dann ein helles Platschen ... als ob ein Stein ins Wasser gefallen wäre. Mein Atem beschleunigte sich. Bildete ich mir das alles bloß ein? Die Dunkelheit bewegte sich auf mich zu. Ich verfluchte mein hektisches Keuchen und den dröhnenden Pulsschlag in meinen Ohren, denn es gelang mir kaum, mich auf die Umgebung zu konzentrieren. Und dann, zum ersten Mal, war es eindeutig. Eine schlurfende Wellenbewegung im Wasser. Jemand oder etwas watete durch das seichte Wasser!