Читать книгу Time of Lust | Band 1 | Gefährliche Liebe | Roman - Megan Parker - Страница 4

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BodyGuards für Zahira

Zwei endlos lange Wochen war es her und seitdem war kein Tag vergangen, an dem ich nicht ständig an ihn denken musste. Ich war wie in Trance, süchtig nach Tagträumen, in denen er die Hauptrolle spielte, und überwältigt von einer völlig neuen Gefühlswelt, die sich in mir auftat. Obwohl mich anfangs hauptsächlich sein äußeres Erscheinungsbild verzaubert hatte, so waren es doch andere Attribute, nach denen ich mich jetzt sehnte. Seine erotische, männliche Stimme, seine einfühlsamen, aber doch sehr bestimmenden Worte, das gekonnte Spiel seiner Hände an meinem Körper. Aber vor allem der dominante Blick in seinen dunklen Augen war es, dem ich mich so bedingungslos ausgeliefert fühlte. Er ließ mein Herz höher schlagen, meinen Atem schneller fließen und brachte meine Hände zum Zittern. Es war ein berauschendes Gefühl, das in mir grenzenlose Begierde weckte, und ich wusste nicht, wie lange ich es ohne ihn noch aushalten würde. Ich hatte in diesen vierzehn Tagen drei Kilo abgenommen. Mein Kreislauf bereitete mir seit längerem Probleme, doch in letzter Zeit noch häufiger, was sich aber vor allem den vielen kleinen Schmetterlingen in meinem Bauch zuschreiben ließ. Ich wartete angespannt auf ein Lebenszeichen von ihm.

***

Es war ein Sonntagabend, als ich wieder einmal gedankenverloren auf meiner Couch saß und mir seine wundervollen Hände herbeisehnte ... da vibrierte mein Handy ... und eine unbekannte Stimme fragte nach mir.

»Zahira?«

Mit einem Schlag war ich hellwach. Kurz drückte ich das Handy an meine Brust, mit einem stummen »Bitte!« zum Himmel gerichtet, und entgegnete: »David?«

Er schenkte mir ein lachendes »Ja«, und ich war so glücklich. All die Verzweiflung der letzten Tage war vergessen. Seine Stimme klang angenehm und ich hörte aufgeregt zu, als er anfing zu reden.

»Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich musste bei deiner Agentur einiges in Bewegung setzen, bevor ich deine Telefonnummer bekam. Du hast nichts versäumt, Santiago ist noch in Haft, er kommt diesen Freitag raus und er möchte dich sehen. Bis dahin haben wir noch etwas Zeit, alles zu organisieren.«

Nervosität stieg in mir auf und es verschlug mir fast die Sprache, aber ich strahlte bis über beide Ohren. David kündigte an, er würde montagabends zu mir in die Wohnung kommen, dann könnten wir alles besprechen. Ich musste ihm nur versichern, allein auf ihn zu warten.

Zu mir in die Wohnung ... Santiago sagte, ich solle ihm vertrauen. Normalerweise war ich vorsichtiger, aber in diesem Fall ging ich, ohne wirklich lange nachzudenken, darauf ein und gab David meine Adresse.

***

Ehrlich gesagt, war ich mir am nächsten Abend, als es an meiner Tür klingelte, nicht mehr ganz sicher, wer sich hier vor wem in Acht nehmen wollte, denn David erschien in Begleitung von zwei weiteren Männern. Einer von ihnen blieb vor meiner Wohnungstür stehen und der andere kam mit herein. Ein Fahrer wartete beim Wagen ... eine schwarze Stretch-Limousine, die ich etwas später bei einem beiläufigen Blick aus dem Fenster meiner im sechsten Stock gelegenen Wohnung bemerkte.

David sah atemberaubend gut aus. Er wirkte deutlich älter als Santiago, extrem schlank, groß, auffallend hellhäutig und nur leicht muskulös. Seine blonden glatten Haare, von denen einzelne Strähnen ständig die Stirn umspielten, waren im Nacken modisch kurz angeschnitten und ließen ihn etwas jünger erscheinen, als er tatsächlich war. Er begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln und hatte mit seinem souveränen Auftreten sofort mein Vertrauen gewonnen. Ich konnte Santiago in ihm spüren, nur dass es etwas leichter war, mit David zu reden, weil mein Körper nicht so verrücktspielte. Er gab sich sehr einfühlsam und er merkte schnell, dass ich in den letzten zwei Wochen eine schwere Zeit durchgemacht hatte, und auch, wie froh ich war, dass zumindest er nun bei mir sein konnte, um mich meinem Ziel etwas näher zu bringen. Schon nach den ersten paar Minuten in meiner Wohnung hatte er mich durchleuchtet. »Du liebst ihn!«, war das Ergebnis seiner Analyse ... und ich brauchte nicht zu antworten, denn sofort kullerten ein paar Tränen aus meinen Augen.

David nahm mich ohne zu zögern in seine Arme, er hielt meinen Kopf fest an sich und versuchte, mich zu beruhigen. Aber jetzt löste sich erst recht die ganze Anspannung und unzählige meiner Tränen sickerten in sein weißes Hemd. Er küsste meine Haare und bat seinen jungen Gefährten, mir ein Glas Wasser zu bringen. Es war so ungewohnt, von einem fremden Mann gehalten zu werden, überhaupt wenn man sich schon zwei Wochen lang nach der Liebe eines anderen gesehnt hatte. Aber es fühlte sich auch unheimlich gut an, und ich musste mich bewusst zurückhalten, um nicht zu vergessen, in wessen Armen ich mich befand.

Wir setzten uns nebeneinander auf die weiße Leder-Couch und er ließ mich einen Schluck trinken. Ich drehte mich in seine Richtung, verschränkte meine Beine auf der breiten Sitzfläche und er griff nach meiner Hand.

»Du musst mehr auf deine Gesundheit achten ... Du wirkst so zerbrechlich«, befand David. »Auf deiner Setcard habe ich gelesen, du wirst in zwei Wochen achtzehn, bist eins einundsiebzig groß und wiegst fünfzig Kilo.«

»Ja«, antwortete ich, »zurzeit nicht ganz ... Ich konnte kaum etwas essen ... die letzten Tage.«

David nickte verständnisvoll und erklärte mir, dass er schon seit Jahren Santiagos Leibarzt war und davor als Schönheitschirurg in einer Privatklinik in Miami gearbeitet hatte.

»Es gibt ein paar Tests, die Santiago verlangt, wenn ein Mädchen mit ihm zusammen sein möchte ... eine Art Gesundheits-Check. Bist du einverstanden, wenn ich dich untersuche?«, fragte er vorsichtig.

Ich nickte etwas skeptisch.

Er ließ sich von dem jungen Mann vor der Tür eine Tasche bringen und kontrollierte zuerst an meinem linken Arm den Blutdruck. Danach musste ich meine Bluse vor ihm aufknöpfen, damit er mich abhören konnte und als er das kalte Stethoskop an meine Brust legte, trafen sich unsere Blicke. Zum ersten Mal registrierte ich bewusst seine schönen jadegrünen Augen und ich fühlte auch seine warmen Finger auf meiner Haut, als wollten sie mich rund um das metallische Plättchen vor der Kälte schützen. Es war entsetzlich still im Raum ... und das kalte Ding an meiner Brust ließ mich meinen nervösen Herzschlag nicht vor ihm verbergen. Ein sanftes Lächeln blitzte aus seinen Mundwinkeln, die sich daraufhin etwas nach unten zogen, aber er sagte nichts. Verlegen blickte ich zur Seite, um mir die Peinlichkeit zu ersparen.

Dann löste er vorsichtig eine Butterfly-Nadel aus einer neuen Verpackung, schnürte mit einer engen Manschette meinen Oberarm ab und entnahm ein Röhrchen Blut aus meiner Armbeuge. »Du wirst bei deiner Agentur als Beauty-Model geführt, hat man mir gesagt ... und machst hauptsächlich Foto-Shootings für Magazine«, erzählte er, um mich abzulenken.

»Ja, ich bin zu klein für den Laufsteg ... nur in Paris hatte ich Glück.«

»Sie haben mir auch ein FHM-Cover von dir gezeigt. Nur damit du es weißt, ich habe einen Abzug davon an Santiago schicken lassen.«

Ich nickte ... und lächelte stolz. Ein schöneres Bild von mir hätte er gar nicht kriegen können.

»Gehst du nebenbei noch zur Schule?«, fragte er und bediente sich weiter an meiner Ader.

»Ja ... theoretisch noch ein Jahr, aber ich werde wahrscheinlich abbrechen. Mit etwas Glück wird mich eine internationale Kosmetik-Firma unter Vertrag nehmen. Sie sagten, meine Chancen stünden recht gut, ich würde genau ihren Vorstellungen entsprechen: lange kräftige Haare, kühle blaue Augen und eine makellos reine Haut. In zwei Monaten fällt die Entscheidung.«

David konnte sich nicht wirklich für mich freuen. »Wenn du bei Santiago bleiben möchtest – er lebt auf einer Privat-Insel vor der Küste von Miami, eine Stunde vom Festland entfernt – dann wirst du zumindest vorübergehend dein Leben hier aufgeben müssen. Santiago wird deine Wohnung sicher gern weiter bezahlen, solange du bei ihm bist, aber wir müssen überlegen, was du deinen Eltern erzählst, denn du kannst kein Handy mitnehmen. Es wäre gut, wenn sie sich mit einer E-Mail pro Monat begnügten.« Endlich hatte er das letzte Röhrchen mit meinem Blut gefüllt und entfernte die Butterfly-Nadel aus meiner Armbeuge.

Mein Mund blieb offen stehen. Eine Insel? Eine Privat-Insel? Irgendwie war ich freudig überrascht und schockiert zugleich. So schön eine Insel auch sein mochte, aber warum durfte ich mein Handy nicht behalten und warum musste ich mein Leben aufgeben? So lange hatte ich auf ein Vertragsangebot wie dieses gewartet und nun, wo alles kurz davor war, Realität zu werden, sollte ich aussteigen? Verängstigt sah ich David mit großen Augen an. »Ich weiß nicht, ob ich das kann ...«

Er wirkte plötzlich sehr ernst und sprach mit leisen, aber zielsicheren Worten. »Dann gehe ich jetzt wieder.«

»Nein!«, entgegnete ich erschrocken. Im selben Moment begann mein innerlicher Kampf ... Es schmerzte ... Ich sollte also meine Model-Karriere aufs Spiel setzten ... gerade jetzt! Angestrengt und nachdenklich zogen sich meine Augenbrauen zusammen und bildeten eine tiefe Sorgenfalte. Ich biss auf meine Lippen und versuchte, meine Traurigkeit vor David zu verbergen. Aber es gelang mir nicht.

»Wo leben deine Eltern?«, fragte er, um mich auf andere Gedanken zu bringen.

Ich seufzte. »Meine Mutter ist aus Kolumbien. Sie war früher auch Model und ist nach meiner Geburt zu meinem Vater nach Spanien ausgewandert. Mittlerweile ist sie von ihm getrennt und hat dort mit einem neuen Mann Zwillinge. Ich habe kaum noch Kontakt zu ihr. Es würde ihr vermutlich nicht mal auffallen, wenn ich mich ein halbes Jahr nicht melde. Meinem Vater schon eher. Wir telefonieren oder mailen zirka einmal pro Woche. Aber das ist auch gar nicht das Problem ... sondern mein Model-Vertrag!«

»Du wirst ja sehen ... Wenn die Entscheidung für deinen Vertrag erst in zwei Monaten fällt, bist du bis dahin bestimmt in der Lage, abzuwägen, was dir wichtiger ist«, bestärkte er mich.

Es war eine leere Versprechung, bloß um mich zu beruhigen. David wusste genau, in welcher Lage ich mich zwei Monate später befinden würde ... Vermutlich wechselte er deshalb auch so schnell das Thema. »Machst du Sport? Kannst du laufen?«

Ich nickte.

David nahm wieder meine Hand. »Wir müssen ein Belastungs-EKG machen und einen Lungenfunktionstest. Ich habe mich vorweg etwas erkundigt, in dem Fitness-Center hier um die Ecke bieten sie beides an. Edward wird dich übermorgen dorthin begleiten.«

Bestimmt sah er die vielen Fragezeichen in meinen Augen. Wer war Edward? Und ... brauchte man ein Belastungs-EKG und einen Lungenfunktionstest, um mit Santiago ins Bett gehen zu dürfen? »Ich will mit ihm keinen Marathon laufen«, entgegnete ich.

David lächelte. »Musst du auch nicht.«

»Wozu dann?«, flüsterte ich und durchbohrte ihn gleichzeitig mit meinen Blicken.

Aber er gab mir keine befriedigende Antwort. »Zu deiner Sicherheit.«

Zum Schluss zog er mehrere Phiolen verschiedenster Medikamente in eine Spritze und injizierte mir ein Serum in den Oberarm, das mich mit Vitaminen versorgen und mir wieder Kraft geben sollte. Danach hatte ich es überstanden ... zumindest verstaute er all seine Utensilien wieder in der Tasche.

»Nimmst du die Pille?«, fragte er beiläufig.

»Ja, schon seit zwei Jahren ... aber eigentlich nur für meine Haut«, beichtete ich ihm.

Er lächelte. Santiago hatte ihm bestimmt erzählt, dass ich noch nie richtig Sex hatte.

»Wir werden das ab deinem nächsten Zyklus auf eine Ein-Monats-Spritze umstellen«, gab er mir zu verstehen, »das ist sicherer.«

Klar, ich durfte ihm kein Kind anhängen ... war für mich ohnehin ausgeschlossen. Ich hatte auch kein Problem mit dieser Spritze ... so musste ich wenigstens an nichts denken.

»Wie alt ist Santiago eigentlich?«, fragte ich David.

»Das weißt du nicht?« Er schien überrascht.

»Nein, wir hatten nicht genügend Zeit ...«

»Sechsunddreißig.«

Ich nickte ... So ungefähr hatte ich ihn eingeschätzt. David war damals bereits vierundvierzig, aber das erfuhr ich erst später.

»Zahira, wenn du achtzehn bist, kannst du tun und lassen was du möchtest, trotzdem wollen wir deine Eltern nicht verärgern. Ich gebe dir bis Ende der Woche Zeit, um alles zu regeln. Pack einen Koffer nur mit dem Notwendigsten, du bekommst alles von uns. Ich lasse dir zwei Leibwächter hier, Edward und Marcus, sie stehen telefonisch in Kontakt mit mir. Also, wenn du irgendwelche Fragen haben solltest, wende dich am besten an Edward. Ihr fliegt Freitag in der Früh nach Miami, dort treffen wir einander und holen Santiago gemeinsam ab. Verändere nichts an deinem Äußeren und versuche, dich ein wenig zu erholen.« David gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange und in der nächsten Minute stand ich allein in meiner Wohnung ... mit Edward. Marcus wachte vor meiner Tür.

Edward war nicht sehr gesprächig, er war angewiesen worden, nur über das Allernotwendigste mit mir zu reden. Und er sah gut aus. Zirka fünfundzwanzig Jahre oder älter, er hatte hellbraune lockige Haare, eine stattliche Figur und ein markantes, für sein Alter schon recht männliches Gesicht. Marcus wirkte etwas jünger, vielleicht durch sein schwarzes kurz geschorenes Haar.

***

Die Tage vergingen langsam und die beiden beobachteten mich ständig. In der Nacht schliefen sie abwechselnd auf meiner Couch. Ich erzählte meinen Freundinnen, dass ich nach Europa gehen würde. Meine Eltern ließen sich überzeugen, dass ich in der Schule an einem Projekt teilnahm, wo wir ein Semester lang ohne Fernsehen, Handy und Internet zu leben versuchten, aber wir durften einmal pro Monat E-Mails versenden, damit sich unsere Verwandten keine Sorgen machten. Edward begleitete mich wie angekündigt zu dem Gesundheits-Check und empfahl mir, einen Nachsendeauftrag für meine Post zu vereinbaren. Er versprach auch, dass zumindest einmal pro Monat jemand nach meiner Wohnung sehen würde.

***

Donnerstag war ich schon ziemlich aufgeregt und überlegte, was ich am nächsten Tag anziehen sollte, als es plötzlich an der Tür klingelte. Ein kleines Paket wurde abgegeben, zirka so groß wie eine Schuhschachtel. Obendrauf klebte ein Brief von David:

»Liebste Zahira, Santiago schickt dir dieses Kleid.

Er hätte gern, dass du es am Freitag für ihn trägst.

See you, David.«

Es musste sehr klein sein, wenn es darein passte, dachte ich. Gespannt öffnete ich die Schachtel und erblickte ein wunderschönes cremeweißes Seidenkleid. Es war extrem kurz, Neckholder zogen sich vom Hals über meine Brüste und verbreiterten sich bis zum Nabel, um sich dort in einem lockeren Volant zu vereinigen. Dazwischen nichts. Auch der Rücken war frei. Den meisten Platz in der Schachtel benötigten die perlmuttfarbenen High Heels, mit ein paar Riemen und mit Steinchen besetzt ... und ganz unten versteckt fand ich noch einen seidigen Slip. Ich musste schmunzeln. Noch nie hatte mich jemand so komplett eingekleidet. Aber alles passte wie angegossen und nun war meine Vorfreude kaum noch zu bändigen.

***

Als ich am nächsten Morgen erwachte, waren meine beiden Bodyguards schon in Eile. Marcus telefonierte ohne Unterbrechung und Edward brachte seine Schlafstätte in Ordnung. Ich hatte Millionen von Schmetterlingen im Bauch. Endlich war der Tag gekommen, an dem ich mich für Santiago stylen durfte. All meine Bemühungen galten einzig und allein ihm. Meine Haare sollten perfekt sein, meine Haut seidig weich und makellos. Für ihn wollte ich nach einem Meer voller Rosen duften und ich konnte es gar nicht erwarten, ganz zum Schluss in das hübsche Kleid und die edlen High Heels zu schlüpfen. Wieder einmal würde ich komplett overdressed ein Flugzeug besteigen und damit Hunderte Blicke auf mich ziehen ... und trotzdem fühlte es sich diesmal anders an. Marcus und Edward wichen nicht von meiner Seite, sie verhielten sich wie Bodyguards der »Alten Schule«. Ständig hatte zumindest einer der beiden Männer seinen Arm um mich gelegt. Auch wenn sie nicht mit mir sprachen, ich fühlte mich grenzenlos beschützt und brauchte mich um absolut nichts zu kümmern.

***

Wir flogen First Class ... und landeten gegen Mittag im sonnigen Miami, wo angenehm tropisches Klima meinen leicht unterkühlten Körper empfing. Obwohl Edward gleich zu Beginn des Fluges aufmerksam eine flauschige Decke über mich gebreitet hatte, hatte ich doch ein wenig gefroren.

Eine schwarze Stretch-Limousine wartete bereits vor dem Flughafengebäude und als wir näher kamen, stieg David elegant gekleidet aus dem Wagen. Er begrüßte mich mit einem herzerwärmenden Lächeln und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange.

»Du siehst umwerfend aus, Zahira.«

Ich lächelte. »Danke.« Das hört jede Frau gern. Aber ich war nervös, um nicht zu sagen, mir war schlecht.

David verlangte mein Handy und die Schlüssel zu meiner Wohnung. Er warf einen Blick auf mein Gepäck, welches schon zuvor von Edward sorgfältig aussortiert worden war, sodass nur eine kleine gefüllte Reisetasche übrig geblieben war. Die Limousine bot Raum für zehn Personen, ich nahm neben David in der hintersten Reihe Platz. Mir gegenüber saß ein von auffallender Schönheit gezeichneter Mann, den ich noch nicht kannte. Er wurde mir als »Keathan« vorgestellt, Santiagos Anwalt, der nicht nur alle juristischen Angelegenheiten für ihn erledigte, sondern auch für seine Finanzen zuständig war. Keathan war wie Santiago ein eher südländischer Typ, vielleicht etwas muskulöser, aber trotzdem schlank. Seine mittelbraunen Haare trug er in lockeren, knapp kinnlangen Wellen.

Die Reihe davor teilten sich Edward und Marcus. Während der Fahrt musste ich ständig Keathan ansehen ... wie er sich mit David unterhielt. Wenn er lachte, sah er hinreißend aus. Er hatte beneidenswert perfekte Zähne. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch David. Auf mich wirkte er fast ein wenig abweisend.

Als wir vor der Justizanstalt hielten, wurden alle wieder sehr ernst. David nahm mich an der Hand und auch Keathan stieg mit den beiden anderen Männern aus. Edward ergriff meinen Oberarm, hielt mich fest und blieb mit mir beim Wagen stehen. Ich fragte mich, warum keiner mit mir sprach, ich war doch kein kleines Kind ... Wenn sie wollten, dass ich hier stehen blieb, so konnte ich das auch allein. Man musste mich nicht ständig halten.

David und Keathan gingen über den Vorplatz zum Eingang der Anstalt. Wir warteten nicht lange. Keine fünf Minuten später öffnete sich das große Elektrotor und Santiago trat begleitet von zwei Wachbeamten hindurch. Er trug eine lockere weiße Hose, ein weit aufgeknöpftes weißes Hemd ... und Handschellen. Diese wurden jedoch sofort geöffnet und die beiden Beamten machten auf der Stelle kehrt und verschwanden wieder in der Anstalt.

Santiago sah mich kurz an, dann ging ihm David als Erster entgegen und Santiago schloss ihn in seine Arme. Er hielt ihn innig fest und küsste ihn ... auf den Mund. Es war kein freundschaftlicher Kuss, er dauerte lange, war sehr gefühlvoll und beide schienen es zu genießen. Erschrocken holte ich tief Luft. Santiago sollte schwul sein? Oder besser gesagt bi? Ihre Körper schmiegten sich aneinander und es war für mich ein äußerst gewöhnungsbedürftiger Anblick. Als David von ihm wieder zurückwich, wirkte er sichtlich aufgelöst ... zittrig fuhr er sich durch die Haare und drehte sich zur anderen Seite. Erst jetzt registrierte ich, dass die durch die Haft bedingte Trennung auch ihn belastet hatte. Dann streifte Santiago durch Keathans schöne Locken und küsste ihn ebenfalls leidenschaftlich ... genau auf dieselbe Weise. David stand dabei neben Santiago und hatte eine Hand auf dessen Schulter gelegt, so, als wollte er ihn nie wieder verlieren. In dem Moment war ich mir gar nicht mehr sicher, ob Santiago überhaupt noch Liebe für ein weibliches Wesen übrig haben konnte.

Doch dann kamen alle drei auf uns zu und mein Herz begann zu stolpern. Je weiter sich Santiago näherte, umso erdrückender wirkte seine Schönheit auf mich. Ganz in weiß war es sogar nahezu unerträglich. Ich kratzte mich zum Schein in meinen Haaren, um mir unauffällig eine Hand vors Gesicht halten zu können und mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Meine Knie wurden weich und jetzt war ich dankbar, dass mich jemand hielt. Doch plötzlich ließ mich Edward los. Santiago stand bereits vor mir und nahm mir meine schützende Hand aus dem Gesicht. Mit einer gekonnten Bewegung bog er sie hinter meinen Rücken. Seine andere Hand griff zärtlich an meine Wange. Ich sah zu ihm auf und konnte ein kleines Lächeln an seinen Mundwinkeln erkennen ... sein Kopf legte sich leicht schräg und seine geschmeidigen Lippen berührten meine. Im selben Augenblick gaben meine Knie nach und ich wurde ohnmächtig.

***

Als ich wieder erwachte, lag ich auf der hinteren Bank der Limousine, gegenüber von Santiago und Keathan. Ich hatte meinen Kopf in Davids Schoß und fühlte seine Hand an meiner Schulter. David merkte sofort, dass ich aufgewacht war und half mir in eine aufrechte Sitzposition. Er gab mir ein Glas Wasser ... Ich richtete mein Kleid und legte meine langen Locken auf die andere Seite. Ich sah zu Santiago, der ganz entspannt vor mir saß und mich anlächelte. Er brachte mich in Verlegenheit und seine wunderschöne Hand auf seinem Oberschenkel wirkte so einladend auf mich, dass ich nicht mehr widerstehen konnte ... So lange hatte ich es herbeigesehnt, schon im Flugzeug musste ich mich stundenlang beherrschen, um es nicht zu tun. Ich wollte mir meine Gefühle nicht mehr verbieten und sank hinunter auf den Boden der Limousine, zwischen seine Beine, und legte meinen Kopf seitlich in seinen Schoß. Santiago strich durch meine Haare und hielt danach meine Hand fest. Ich sah dies als ein Zeichen von Einverständnis, dass ich hier so bei ihm bleiben durfte. Endlich hatte ich das Gefühl, nur ihm zu gehören. Vergessen waren all die Vorwürfe der Justiz gegen ihn. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass er mir oder irgendeiner anderen Frau etwas antun könnte. Alles, was ich spürte, war meine Ergebenheit ... und seine Liebe ... als würde sie durch seine warme Hand in mich strömen.

Mit einem winzig kleinen Teil meines Herzens musste ich an Tyler denken, meinen Ex-Freund. Nie im Leben hätte er mir dieses Gefühl geben können. Tyler war aus wohlhabendem Elternhaus, er studierte Kunstgeschichte und man konnte ihn durchaus als Mädchenschwarm bezeichnen, denn er sah auch verdammt gut aus und rein optisch passten wir perfekt zusammen. Mit seiner anständigen und braven Art wäre er bestimmt der Traum jeder Schwiegermutter gewesen. Zudem hatte er noch diese eigenwillige Vorstellung von edler Keuschheit, also kein Sex vor der Ehe. Eifersucht war eines seiner wenigen Laster und auch der Hauptgrund, warum er vor meiner Abreise nach Paris mit mir Schluss gemacht hatte. Auf der einen Seite war er so schüchtern und zurückhaltend, dass er sich mir gegenüber nie traute, seine Meinung zu sagen ... gleichzeitig konnte ich deutlich beobachten, wie sehr es ihn verletzte, wenn andere Männer ein Auge auf mich hatten. Meistens war ich diejenige, die in unserer Beziehung sämtliche Entscheidungen traf, obwohl ich vier Jahre jünger war als er. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass er mir ein Mal sagte, wo es langging, dass er mit der Faust auf den Tisch schlug, wenn er verärgert war und dass er seine Stimme gegen mich erhob, wenn ich im Unrecht war. Ich hätte zu ihm aufsehen und ihn als richtigen Mann respektieren wollen, aber es gelang mir nicht. Teilweise hatte ich ihn sogar schon provoziert ... ohne Erfolg. Er blieb ruhig und sanft, bereit, selbst zurückzustecken für all meine Wünsche und Ideen. Umso mehr überraschte es mich, dass er es schließlich doch übers Herz brachte, unsere Beziehung so abrupt zu beenden und sich von dem Leid mit mir zu befreien. Seine Offenbarung war geradezu mitleidserregend, dennoch konnte ich seine Tränen nicht erwidern. Vermutlich wäre es ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen ...

Santiago war anders. Er würde mit mir umgehen können, dessen war ich mir ganz sicher. Ich war förmlich besessen von meiner Erinnerung an unsere intime Szene im Flugzeug, von seiner kräftigen Hand in meinem Nacken, wie er mich an den Haaren riss und bewegungsunfähig machte ... als hätte er es nötig gehabt, mir seine Liebe aufzuzwingen. Allein der Gedanke daran ließ mich tiefer atmen und meine schöne Stellung zwischen seinen Beinen erst so richtig genießen.

Manchmal bedeckte er meine freiliegende Gesichtshälfte mit seiner ganzen Hand ... minutenlang ... Dann streichelte er wieder durch meine Haare. Irgendwann ergriff er meine Handgelenke und hielt sie fest. Ich sah zu ihm auf und bemerkte, wie wundervoll fremd mir sein schönes Gesicht noch war. Mein gedankliches Bild von ihm war in den letzten zwei Wochen doch etwas vom Original abgewichen. Jetzt mochte ich besonders die kleinen Falten um seinen Mund, die jeder Mimik einen intensiveren Ausdruck gaben und sich bei seinem nach unten gezogenen Lächeln tief in die Haut gruben. Ich war fasziniert von seinen schwarzen Haaren, die er genau wie letztes Mal streng nach hinten gekämmt trug, und die gemeinsam mit seinen markanten Augenbrauen die erhabene Strenge in sein Antlitz zauberten. Einzig seine großen dunklen Augen und die langen hübschen Wimpern waren die Verräter in seinem Gesicht, denn sie verwandelten jeden langsamen Augenaufschlag in einen Akt der Verführung ... vermutlich auch gegen seinen Willen.

Santiago übergab meine Handgelenke an David, der hinter mir saß und sie an meinen Rücken führte. Er hielt sie kurz fest und gab mir damit zu verstehen, dass ich so verharren sollte. Noch immer sah ich zu Santiago auf. Er legte seine warme Handfläche auf mein Gesicht, hielt mir die Augen zu, bedeckte meine Nase, meinen Mund. Er streichelte über meine Kehle, ergriff meinen ganzen Unterkiefer und drückte ihn kräftig. Mit der anderen Hand massierte er gleichzeitig meinen Hinterkopf. Santiago durfte mich überall berühren ... und so lange er wollte ... Aber, obwohl ich mit einem aufreizenden Dekolleté, das bis zu meinem Bauchnabel reichte, halb nackt vor ihm kniete, beschränkte er sich einzig auf mein Gesicht und meine Haare. Es erregte mich so sehr, ihm dabei in die Augen zu sehen, dass sich mein Mund öffnete und ich nur noch schwerfällig atmen konnte. Er spielte mit meinen Lippen, strich gefühlvoll mit seinem Daumen darüber und sie folgten geschmeidig seinen Bewegungen. Zwischen uns herrschte übereinstimmendes Schweigen und ich war so sehr auf ihn fixiert, dass ich Keathan daneben gar nicht wahrnahm. Immer wieder, wenn meine Erregung zu groß wurde, riss er mich an den Haaren in meinem Nacken, sodass ich nur noch den Himmel der Limousine im Blickfeld hatte und mich mit meinen Händen auf Davids Schuhen abstützen musste. Schließlich legte er meinen Kopf wieder in seinen Schoß und für den Rest der Fahrt bedeckte seine Hand mein Gesicht. Einzig sein kleiner Finger verlangte nach Einlass an meinen Lippen ... und genau damit hatte er meine gesamte Aufmerksamkeit für sich gebucht. Meine Erregung empfand ich schon fast als anstrengend ... bis wir endlich den Hafen von Fort Lauderdale erreichten.

David half mir hoch, jedoch meine Beine schliefen noch und ich knickte ein. Er gab Edward die Anweisung, mich zu tragen, wofür ich wirklich dankbar war, denn mit meinen High Heels hätte ich mich auf dem Holzsteg verdammt schwer getan. Gleich am ersten Pier, ganz weit draußen, lag Santiagos Yacht. »Seine Kleinste, die nur der Überfahrt dient«, erklärte mir Edward.

Santiago wollte selbst steuern und ich fand einen Platz zwischen Edward und Marcus. Meine langen gewellten Haare wehten im Fahrtwind und die Luft fühlte sich plötzlich kühler an. Edward legte schützend seinen Arm um mich und spendete mir Wärme. Ich überlegte, ob Santiago möglicherweise eifersüchtig sein würde, aber vertraute schließlich darauf, dass die Jungs wussten, was sie taten. Die Dämmerung brach über uns herein und das Boot glitt ruhig über die flache See. Santiago zündete sich eine Zigarette an und machte es sich im Kapitänssessel bequem ... Genau so hatte ich ihn mir immer vorgestellt ... den Mann meiner Träume.

Einmal drehte er sich kurz nach mir um und seiner Aufmerksamkeit entging natürlich nicht, dass Edwards Arm noch immer auf meinen nackten Schultern ruhte. In der Sekunde verbitterte sich sein Gesichtsausdruck, seine Augen formten flache Schlitze und ich hatte fast den Eindruck, dass er die Ohren etwas nach hinten zog, als würde er sie anlegen. Es genügte dieser eine Blick und Edward nahm seinen Arm von mir. Mein Herz klopfte, ich wollte doch nichts falsch machen. Edward war sauer und trotzig, er biss sich auf die Lippen, sah demonstrativ zur anderen Seite und seufzte.

»Steh auf!«, befahl ihm Santiago mit leicht gereizter Stimme, und inhalierte seine Zigarette.

Edward gehorchte ihm.

»Wenn du schon etwas tun willst, dann zieh dein Sakko aus, gib es ihr und verzieh dich unter Deck!«

Ich nahm verängstigt sein Sakko, wickelte mich ein und setzte mich wieder ... einen halben Meter von Marcus entfernt. Santiago machte erneut einen Zug an seiner Zigarette und sah mich verächtlich an. Ich hatte doch gar nichts getan! Wenn mir doch nur einer die Regeln erklärt hätte! Edward durfte vier Tage rund um die Uhr an meinem Leben teilhaben, auf meiner Couch schlafen, mich tragen, aber seinen Arm durfte er offenbar in Santiagos Gegenwart nicht um mich legen ...

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