Читать книгу Fürstenkrone Classic 48 – Adelsroman - Melanie Rhoden - Страница 3

Оглавление

Die angenehme Frauenstimme aus dem Bordlautsprecher bat die Fluggäste, das Rauchen einzustellen und die Sicherheitsgurte anzulegen. Fürst André von Hornstein kam der Aufforderung nach und warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Es sah so aus, als ob die Maschine auf die Minute pünktlich in Rom landen würde.

Sandra Mangini wird in der Bar schon auf mich warten, dachte er. Wenn es keine weiteren Pannen gibt, schaffe ich es bis zur Konferenz in Paris, die rote Mappe durchzuarbeiten.

Die silbrig glänzende Maschine zeichnete ihre Bahn durch den tiefblauen südlichen Himmel, zog über dem Häusermeer der Stadt am Tiber eine Kehre und setzte zur Landung an. Wenige Minuten später rollte sie mit pfeifenden Turbinen auf der Betonpiste hinüber zum Abfertigungsgebäude.

Als der junge Fürst mit sportlich elastischen Schritten die Gangway hinunter lief, bat ihn die Stewardeß: »Durchlaucht, wir haben nur vierzehn Minuten Zeit!«

»Ich werde pünktlich sein«, versprach André von Hornstein und fand doch noch Zeit zu bemerken, wie strahlend hellblau die Augen der Stewardeß waren. »Nichts kann mißlingen, ich habe alles bestens organisiert!«

Schnell überquerte er den freien Platz und war fest davon überzeugt, daß alle Ereignisse ablaufen würden wie vorgeplant. Er konnte nicht ahnen, daß ausgerechnet in diesen vierzehn Minuten eine ganze Kette von schicksalhaften Ereignissen ihren Anfang nehmen würde, Ereignisse, die sein Leben sehr verändern sollten.

Durch die Glastür zur Bar des Flughafens entdeckte er die etwas füllige, durchaus reizvolle Sandra, die am Tresen saß und ihn erwartete. Dabei übersah er, daß zugleich mit ihm eine junge Dame die Tür erreichte und ebenfalls eintreten wollte.

Es geschah in der Eile, daß er sich durch den Eingang drängte. Erschrocken blickte er dann in das Gesicht einer Südländerin. Große dunkle Augen funkelten ihn unwillig an. Ein Gesicht von klassischer Schönheit und doch sehr ausdrucksstark! Die vollen, fast schon üppigen Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Lächeln und flüsterten in italienischer Sprache: »Sehr schlecht erzogen!«

Dann erschrak sie, als der große hellblonde Deutsche in fast akzentfreiem Italienisch antwortete: »Verzeihen Sie, bitte! Ich war in Gedanken…«

Einige Sekunden lang zögerte sie, als bedauerte sie schon ihre ärgerlichen Worte. Die dunklen, samtig schimmernden Augen verrieten sogar etwas zuviel Interesse an dem Fremden. Sie faßte sich sofort wieder, nickte ihm kurz zu und betrat die Flughafenbar durch die Tür, die er ihr nun offenhielt.

Mit den sicheren, eleganten, leicht wiegenden Schritten einer jungen Frau, die sich ihrer Wirkung wohl bewußt war, durchquerte sie den Raum und spürte wahrscheinlich die Blicke, die ihr der blonde Fürst nachschickte.

Er wäre kein Mann gewesen, hätte ihn nicht ihre Erscheinung fasziniert: groß, sehr elegant, nach letzter Mode der römischen Haute-couture gekleidet; langes seidiges Haar von einem ungewöhnlichen Schwarzbraun, unübersehbare Formen und makellose Beine.

Für einige Sekunden vergaß Fürst André von Hornstein, daß ihn an der Bar eine andere junge Dame erwartete, die Repräsentantin der Hornstein-Chemie in Rom.

»Durchlaucht«, flüsterte eine weibliche Stimme neben ihm. Da erwachte von Hornstein aus seinen gefährlichen Träumen und kehrte ganz zur Wirklichkeit zurück. Signorina Mangini war ein ganzes Stück kleiner als er. Sie mußte zu ihm aufschauen. »Ich habe es geschafft! In meinem Handkoffer sind die Papiere. In letzter Minute konnte ich gutmachen, was unsere Herrn Direktoren angerichtet hatten!« sagte sie stolz und strahlte ihn an.

»Die Konferenz ist gerettet! Es lebe die Tüchtigkeit der Frauen!« lachte der Fürst. Ihm fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen. Voll ehrlicher Freude legte er zur Begrüßung die Arme um Sandra Mangini und küßte sie herzlich auf beide Wangen.

»Durchlaucht!« Sandras errötete Wangen wirkten besonders reizvoll. »Sie lernen noch ganz die italienische Art der Begrüßung!«

»Wenn Sie mir aber auch eine so wunderbare Nachricht bringen! Nun kann uns nichts Unangenehmes mehr geschehen!«

Unwillkürlich suchte sein Blick die Bar nach der unbekannten Schönen ab, deren Blick aus dunklen Samtaugen ihn ganz seltsam verzaubert hatte. Dabei merkte er, daß auch sie – zufällig – zu ihm herschaute, und er gab rasch San­dra Mangini aus seinen Armen frei.

Die Unbekannte wandte sich ärgerlich ab. Sie sprach mit einem Herrn von ebenso elegantem wie attraktivem Aussehen. Fürst André von Hornstein fand ihn sofort unsympathisch, arrogant, zu sehr von seiner Schönheit überzeugt. Im ganzen ein »leerer Schönling«!

Wieder störte Sandra Mangini seine Gedanken.

»Höchste Zeit, daß wir an Bord gehen! Unser Flug wurde schon zweimal ausgerufen.«

»Worauf warten wir noch!« stimmte ihr Fürst André bei und beobachtete doch insgeheim, wie sich die Unbekannte bei dem »Schönling« unterhakte. Ein kleiner Freudenblitz durchzuckte den Fürsten, denn ihm wurde klar, daß auch sie für dieselbe Maschine gebucht haben mußte. Er fragte sich nicht, weshalb er sich freute, befand sie sich doch in Begleitung des blendend aussehenden Italieners, der sie besorgt, fast schon zärtlich, geleitete. Als sie mit diesem nun an Fürst André von Hornstein vorüber ging, schenkte sie ihm wieder einen Blick. In ihren samtig schimmernden Augen lag ein Ausdruck von weiblicher Neugierde und einem gewissen Interesse. Erst als sie merkte, daß auch er sie fasziniert betrachtete, wandte sie sich in vollendeter Arroganz ab.

»Durchlaucht«, mahnte ihn Sandra Mangini zum dritten Mal mit unverändert geduldiger Stimme. »Wollen Sie bitte die Mappe mit den Papieren übernehmen? Ich schlage drei Kreuze, wenn ich die Verantwortung dafür losgeworden bin.«

Also ließ sich Fürst André eine rote Aktenmappe geben. Darin befanden sich jene geheimen Unterlagen der Hornstein-Chemie, ohne die es gar nicht möglich gewesen wäre, an der Pariser Konferenz teilzunehmen. Eine Stimme aus dem Lautsprecher bat Fürst Hornstein, sich unverzüglich zur Maschine zu begeben. Nun beeilten sie sich sehr. Der blonde Deutsche mit seinen langen Beinen hatte es da leichter als Sandra Mangini, die nicht nur viel kleiner war als er, sondern dazu noch sehr hochhackige Schuhe trug. Der Fürst war ihr behilflich und reichte ihr seinen Arm als Stütze. Dennoch stolperte Sandra auf der Gangway und wäre beinahe gestürzt, hätte er sie nicht in seinen Armen aufgefangen.

»Danke, Durchlaucht«, flüsterte Sandra Mangini lachend.

»War mir ein besonderes Vergnügen!« gab er, galant scherzend, zurück. Er ärgerte sich jedoch ein wenig, als er merkte, daß die Unbekannte auch diese Szene beobachtet hatte. Wieder stand um ihre Lippen ein kleines spöttisches Lächeln. Gleich darauf wandte sie sich ihrem Begleiter zu, den der Fürst in Gedanken als »Schönling« abgetan hatte. Als sie wenige Minuten später die Sicherheitsgurte anlegte, ließ sie sich vom »Schönling« dazu helfen, was dieser zu kleinen Zärtlichkeiten mißbrauchte. Nun las der Fürst in ihren schwarzen Samtaugen Funken von Triumph und grausamer Freude.

Mit einigem Erstaunen stellte André von Hornstein fest, daß ihm diese unbekannte Italienerin nicht ganz gleichgültig war und zwischen ihnen etwas wie ein stummer, erbitterter Kampf ablief.

Sandra Mangini hingegen kam auch ohne jede Hilfe mit ihrem Sicherheitsgurt zurecht. Für sie bedeutete das Reisen im Flugzeug nichts Ungewöhnliches. Aber sie wäre keine Frau gewesen, hätte sie nicht längst gemerkt, daß zwischen jener attraktiven jungen Römerin und dem Fürsten von Hornstein eine ganz seltsame Spannung bestand.

»Durchlaucht, ich hoffe, unsere Aktionen in Paris werden volle Erfolge bringen«, sagte die Mangini nach einer ganzen Weile, als sie schon die Gurte wieder abgelegt hatte.

»Das hoffe ich auch«, stimmte ihr der »oberste Chef« zu. Aber Fürst Andrés Stimme klang nicht ungetrübt heiter.

*

Nach der Landung auf dem Flughafen von Orly ergab sich für André von Hornstein eine unerwartet günstige Gelegenheit, die unbekannte Römerin doch noch näher kennenzulernen. Es entstand nämlich einige Verwirrung, als bekannt wurde, daß seit einer Stunde die Taxifahrer von Paris in einen unbefristeten Streik getreten waren. Vor dem Flughafengebäude herrschte Verärgerung und Ratlosigkeit. Als der große elegante Achtzylinder vorfuhr und ein Chauffeur in Uniform für den Fürsten die Tür offenhielt, entdeckte André soeben die Römerin mit ihrem Begleiter. Verständlich, daß sie sich suchend umblickten: kein Taxi!

»Verzeihung!« sagte in diesem Augenblick von Hornstein zu ihr. »Erlauben Sie, daß ich mein Mißgeschick in der Flughafenbar von Rom wettmache? Ich bringe Sie gern in die Stadt, wohin Sie wollen!«

Ganz flüchtig übersonnte ein Lächeln das klassisch schöne Gesicht der jungen Dame, dann nahm es gleich wieder einen abweisenden, fast arroganten Ausdruck an. Etwas abschätzend schaute sie auf Sandra Mangini und sagte: »Zu freundlich! Wir haben unseren eigenen Wagen.« Und als im nächsten Augenblick ein Maserati vorfuhr, das Prachtstück eines jeden Autosalons, rief sie dem »Schönling« am Steuer zu: »Endlich, Romolo! Hier gibt es zuviel Gedränge! Fahren wir los, Amore!«

Ein flüchtiges, betont gleichmütiges Kopfnicken zu dem blonden deutschen Fürsten hin, und schon war sie in den Sportwagen gestiegen.

»Man sollte nie zu hilfsbereit sein wollen!« knurrte Fürst André ärgerlich, aber Sandra Mangini erkannte doch, daß ihn viel mehr seine etwas angeschlagene männliche Eitelkeit schmerzte. Seit zwei Jahren war sie rettungslos und unglücklich in den Fürsten verliebt, aber in all dieser Zeit war es ihr gelungen, diese Gefühle vor ihm zu verheimlichen. Er hingegen verriet ganz undiplomatisch seine Empfindungen für diese aufregend schöne Römerin schon in der ersten Stunde des Kennenlernens. Dabei war es zu einem Kennenlernen überhaupt nicht gekommen, und Sandra Mangini tröstete sich mit der Überzeugung, daß somit die »Bekanntschaft« wieder ein Ende gefunden hätte.

Die Möglichkeit, daß sie einander in Paris noch jemals begegnen würden, stand nur eins gegen etwa drei Millionen, denn so viele Menschen lebten in der Lichterstadt an der Seine.

»Ich kann diese jungen Schönlinge, Angeber und Muskelprotze ohne Hirn und Herz nicht ausstehen«, murmelte Fürst André erbittert.

Er hatte bestimmt nicht gewollt, daß Sandra Mangini diese Worte hören sollte. Die junge Frau fühlte sich jedoch zu einer Antwort verpflichtet.

»Auch ich als Italienerin mag diesen Männertyp nicht. Hingegen lieben wir blonde große Männer, keine verspielten Jungen, sondern richtige Männer…«

Sie verstummte erschrocken, weil sie merkte, daß diese Beschreibung verdächtig genau auf den Fürsten von Hornstein zutraf. Um nichts in der Welt hätte sie ihm gestehen wollen, für wen ihr Herz verzweifelt hoffnungslos schlug. Beide versanken in Gedanken.

Erst als sie das elegante Hotel betreten hatten und die Hausdiener sie in ihre Apartments führten, bat der Fürst: »Sandra, kommen Sie in einer halben Stunde zu mir? Wir müssen vor der Konferenz die letzten wissenschaftlichen Berichte aus den Laboratorien noch einmal durchsprechen.«

»In Ihr Zimmer, Durchlaucht?« vergewisserte sich die italienische Direktorin. Weil ihr Herz so sehr schlug, klang ihre Stimme belegt.

Zu ihrer Enttäuschung verbesserte sich der »Chef« sofort: »Wir finden bestimmt einen kleinen Salon, wo wir ungestört sprechen können.« Er machte ihr aber die Freude und bat noch: »Wenn wir nicht gerade bei einer Konferenz auf höchster Ebene sind, sollten Sie besser das ›Durchlaucht‹ weglassen. Ich mag es nicht, wenn die Leute mich anstarren, als ob ich ein Wundertier wäre. Außerdem arbeiten wir seit Jahren erfolgreich zusammen, und ich sage viel leichter ›Sandra‹ als ›Signorina Mangini‹. Einverstanden?«

»Gern!« beteuerte die hübsche, ein bißchen zu rundliche Direktorin und verriet in der Stimme sogar eine Spur zuviel Freude. »Gern, Signore… Gern, André.«

Eine halbe Stunde später fand sich Sandra Mangini pünktlich im kleinen Konferenzzimmer ein, das die Hotelleitung ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Ausnahmsweise verfehlte Fürst André die Zeit um einige Minuten, denn er stand an jenem Fenster seines Luxus­appartments, von dem aus er weit über die Dächer von Paris schauen konnte. Große samtigschwarze Augen, ein Mund mit weichen vollen Lippen, wie zum Küssen geschaffen…

Ärgerlich stellte der Fürst den Alarm an seiner Armbanduhr ab, weil er ihn aus schönsten Träumen gerissen hatte.

Zwei Stunden lang studierten sie gemeinsam die Geheimakten durch. Fürst André von Hornstein, der Leiter und Besitzer der Hornstein-Chemie-Werke, und Sandra Mangini, die Direktorin der Fabriken von Rom. Durch ihre Tüchtigkeit, ihr Fachwissen und ihre Aufopferung für die Firma erregte Sandra seine Bewunderung. Während er ihren Ausführungen folgte, glitt sein Blick des öfteren unauffällig über ihr hübsches rundes Gesicht mit den klugen Augen, dem reizvoll geschnittenen Mund; von dort über ihre vollschlanke Gestalt.

Fürst André fragte sich, warum sein Blut nicht auch angesichts von Sandras unübersehbaren Reizen ebenso in Wallung geriet wie in dem Augenblick, als er der fremden Römerin begegnete. Ein Geheimnis der Natur? Liebe auf den ersten Blick?

»Unsinn«, kam es fast tonlos über die Lippen des vor sich hin träumenden Mannes. Erstaunt blickte Frau Direktor Mangini auf. Sie war sich in ihrem Vortrag keines Irrtums bewußt. André mußte sie schnell beruhigen.

»Ich dachte soeben an…, an einen meiner Verkaufsdirektoren. Tatsächlich gibt es viele Herren, die nicht annähernd so tüchtig sind wie Sie, San­dra.«

Arglos erwiderte sie: »Alle Erwartungen, die Sie in diese Tage hier in Paris gelegt haben, sollen sich erfüllen, André. Es würde mich glücklich machen.« Nach einer kleinen Pause setzte sie lächelnd hinzu: »Ich bin nämlich auch sehr ehrgeizig.«

»Und eine bezaubernde Frau.«

Mit diesem ganz ehrlichen Kompliment machte er sie über alle Maßen glücklich. Sie war eben nicht nur bezaubernd und tüchtig, sondern auch als Frau feinfühlig und gescheit. Sandra machte sich längst keine Hoffnung mehr auf Andrés Liebe. Vielleicht bedeutete ihr seine Anerkennung und Freundschaft gerade deshalb so viel.

*

»Zu zweit sind wir ein unschlagbares Team, Sandra!« freute sich André von Hornstein und schlug seine Mappe zu. »Die Verhandlungen gingen doch ohne alle Schwierigkeiten über die Bühne. Selbst Weltkonzerne mußten all unsere Bedingungen annehmen! Also haben wir auch verdient, nach Herzenslust zu feiern!«

Sandra Mangini ordnete die Papiere, prüfte noch einmal die Unterschriften. Sie beschäftigte sich damit so eingehend, weil sie es vermeiden wollte, dem »Chef« in die Augen blicken zu müssen.

»Bedeutete das, daß wir noch nicht zurückfliegen? Nicht gleich? Sie nach Deutschland, ich nach Italien?« erkundigte sie sich zögernd.

André beruhigte sie lachend: »Es gehört zu unseren Repräsentationspflichten, wenigstens noch drei Tage lang in Paris zu bleiben und die teuersten Unterhaltungslokale unsicher zu machen. Die Presse muß uns bemerken und über Gerüchte von Millionenverträgen tratschen. Das gibt uns in der Branche ein noch größeres Gewicht!«

Nicht einen Augenblick lang zweifelte Sandra Mangini dran, daß der »Chef« scherzte, aber sie träumte doch heimlich in schlaflosen Nächten davon, ihr elegantes Abendkleid ausführen zu dürfen. Um André zu gefallen! Ganz versteckt hing es in ihrem Schrank, ein bißchen sehr gewagt und verführerisch.

»Wir sollten aber die Chance nutzen und den Louvre, die Museen…«, schlug sie vor.

Der Fürst lachte fröhlich auf. In diesem Augenblick sah man ihm die acht­unddreißig Jahre nicht an, sondern er wirkte wie ein großer übermütiger Junge.

Als Sandra ihre Papiere fertig geordnet hatte, hakte sich von Hornstein bei ihr unter und verkündete feierlich: »Tagsüber die Kultur, verehrte Frau Direktor, aber nachts wollen wir uns in das sündige Leben von Paris stürzen!«

Sandra errötete ein wenig. Das kam weniger von den Erwartungen, die sie vielleicht in das Nachtleben hätte setzen können, als von der Freude, den Fürsten so übermütig und glücklich zu sehen. »In die Nachtlokale auf dem Montmar­tre gehen doch nur Touristen und die Leute vom Lande!« erinnerte sie ihn.

»Einige unserer Vertragspartner fallen durchaus in die Kategorie von ›erlebnishungrigen Herren‹, die meisten kennen zwar die Welt, nicht aber deren Kultur. Also bieten wir ihnen das, was sie von Paris erwarten: die Nachtlokale!« erklärte von Hornstein mit großem Ernst.

Es gelang Sandra Mangini kaum, die Enttäuschung in ihrer Stimme zu unterdrücken.

»Ach, Sie wollen mit all den Herren…«

»Und deren Damen das sogenannte Pariser Nachtleben genießen«, vollendete von Hornstein ihren Satz. »In die Museen würden ohnehin nur die wenigsten mitkommen. Auf, ans Werk, Frau Direktor!«

»Wie Sie wünschen, Durchlaucht!«

Wieder war Sandra um eine Illusion ärmer geworden, aber sie hatte schon gelernt, ihre Enttäuschungen als Frau durch die Erfolge als Direktorin der Hornstein-Chemie wettzumachen.

Immerhin bot ihr aber das Schicksal noch in der folgenden Nacht eine ganz große Chance. Fürst André hatte versprochen, sie um zwanzig Uhr von ihrem Apartment abzuholen; sie wollten sich dann mit den Geschäftspartnern und deren Sekretärinnen in einem der ersten Restaurants treffen.

Fürst André warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und fand weder am Äußeren seiner Erscheinung noch an dem eleganten Abendanzug etwas auszusetzen. Aus dem Spiegel schaute ihm ein noch immer jugendlich wirkender und erfolggewohnter Herr entgegen, schlankes Gesicht, hellblaue Augen, blondes Haar, gebräunter Teint. In allem ein sportlicher Typ, dem aber die elegante Note nicht fehlte.

Er ging über den Korridor bis zu Sandras Apartment. Auf sein Klopfen antwortete ihre Stimme sofort: »Bitte, André, kommen Sie nur herein. Sie müssen um ein paar Minuten zu früh dran sein!«

Der Fürst betrat den hübschen kleinen Salon, der zwar im wesentlichen jenem in seinem Apartment glich, aber doch die Note einer jungen Frau trug. Da lag ein feiner Duft in der Luft, da stand in einer Kristallvase eine dunkelrote Rose, und über die Lehne des Stuhls im Stile von Louisseize hing ein zarter Schleierumhang.

André sah auf die Uhr und gestand: »Tatsächlich unverzeihlich, Sandra! Ich bin zwei Minuten vor der vereinbarten Zeit gekommen und hätte doch wissen müssen, daß eine schöne Frau…«

Das etwas herkömmliche Kompliment erstickte auf seinen Lippen, denn Sandra war aus dem Nebenzimmer getreten. Sie trug das bewußte Abendkleid: römische Modekunst, asymmetrisches Dekolleté, der Rock nicht ganz bodenlang und raffiniert eng geschnitten. Es war ein dunkles, anschmiegsames Material.

Flüchtige Sekunden lang bedauerte Fürst André, daß sich an dem nächtlichen Ausflug etwa zehn Herrn mit ebenso vielen Damen beteiligen würden. Er sprach seine Gedanken nicht aus, aber Sandra las es von seinen Augen ab. Das waren ihre glücklichsten Minuten an diesem bestimmt noch sehr ereignisreichen Abend.

»Sandra, ich hätte wissen müssen, daß ich heute mit der bezauberndsten Frau ausgehen darf!« sagte er lächelnd.

Erst flüsterte sie: »Danke für die Blumen.« Aber gleich rief sie sich selbst zur Ordnung: »Alle Frauen von Paris werden mich um meinen Begleiter beneiden! Sie können nicht wissen, daß wir ganz ›alte Kollegen‹ sind, und Sie bisher noch nie bemerkt haben, ob ich Direktor oder Direktorin bin. André…, ich darf doch auch heute noch so zu Ihnen sagen? Die erlebnishungrigen Herren aus Übersee warten auf uns, damit wir ihnen das alte, lasterhafte und doch unverwüstliche Europa vorführen mögen! Allons enfants de la patrie!«

Sie lachte so übermütig, daß sie dahinter erfolgreich alle Bitterkeit einer unglücklich Liebenden verbarg.

Mit ihrem natürlichen Charme bezauberte sie alle Herren der Gesellschaft. In Fürst André erwachte beinahe etwas wie Besitzerstolz; aber Liebe war es eben nicht.

Vielleicht hätte das Schicksal an diesem Abend der jungen Frau doch etwas mehr Glück geschenkt, als sie sich jemals erträumte. Doch da geschah etwas völlig Unerwartetes, das all ihre Hoffnungen zerstörte.

Die Gesellschaft von etwa zwanzig Personen hatte nun schon drei Nachtlokale erlebt und brach soeben wie ein Schwarm ins vierte ein. Mit geübten Blicken erkannten die Leute vom Personal, daß sich ihnen möglicherweise ein Goldregen bieten würde. Der Besitzer und das Personal kümmerten sich beinahe nur noch um diese sichtlich sehr wohlhabenden, bestens gelaunten Gäste.

Zwei Herren waren ohne Damenbegleitung geblieben; ihnen boten sich aufregend freundliche Barmädchen an, so daß sie wählten wie Paschas im Harem. Im Laufe des Abends versuchten die Herren immer entschlossener, zur mächtigen Hornstein-Chemie auch menschliche Kontakte herzustellen, weshalb sich Sandra zu André flüchtete. Er tanzte öfter und öfter mit ihr. Als sie sich, ein bißchen weinselig, in seine Arme kuschelte, zog er sie an sich, und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Beinahe konnte sie nicht fassen, was ihr zu widerfahren schien. Für eine einzige Stunde des Glücks hätte sie vielleicht sogar sterben wollen; zumindest meinte sie das ganz fest in dieser Nacht, als ihr Fürst André von Hornstein, der goldblonde große Mann aus dem Norden, näher war denn je.

Als sie sich noch, wie im Traum, langsam über das halbdunkle Parkett des kleinen Nachtlokals bewegten, spürte André plötzlich etwas Störendes. Er kannte noch nicht die Ursache, aber er wußte ganz genau, daß etwas Fremdes zwischen Sandra und ihn gedrungen war und zwischen ihnen eine unsichtbare Glaswand errichtet hatte. Noch ruhte Sandras Kopf mit dem seidenweichen Haar sanft an seiner Wange, und das teure römische Parfum hüllte ihn in eine betörende Wolke, aber er suchte doch das Lokal nach der Ursache seiner Unruhe ab.

Sie saß in einer kleinen Loge, halb verborgen und doch unübersehbar. Schön und gefährlich wie eine schwarze Raubkatze. Im Dämmerlicht des Nachtlokals schienen ihre dunklen Augen wie schwarze Edelsteine zu glühen. Das üppige schwarze Haar war zu einer kostbaren Abendfrisur hochgesteckt. Nur einige kleine Schmuckstücke trug sie, aber die warfen so viel Feuer, daß an ihrer Echtheit kein Zweifel bestehen konnte.

Die Unbekannte aus dem Flugzeug!

Als sie merkte, daß Fürst André von Hornstein sie entdeckt hatte, legte sie ihre Hand leicht und zärtlich auf die ihres Begleiters und neigte sich, dunkel lachend, ihm zu. Unter dem raffinierten schwarzen Abendkleid meinte man, alle Formen und Linien zu erkennen. Doch dann merkte man, daß man einer Illu­sion verfallen war. Ihr Abendkleid war hoch geschlossen und ließ nur ahnen, was man zu sehen glaubte.

Unwillkürlich verzögerte der Fürst einen Tanzschritt, fand jedoch gleich wieder in den Rhythmus der Musik.

Sandra hatte die Gefahr gemerkt. Sie folgte dem Blick ihres Begleiters und erkannte die junge Römerin in der Barloge sofort wieder. Da wußte sie, daß auch in dieser romantisch verträumten Nacht all ihre Chancen zunichte geworden waren.

Als sie bald darauf zur Gesellschaft zurückkehrten, wirkte ihr Gesicht ein wenig blasser als vorhin. Sie tanzten nun nicht mehr, und einige Amerikanerinnen versuchten erfolglos, von Hornstein für sich zu gewinnen.

Er antwortete auf ihre Scherzchen, schien amüsiert zu flirten, und dennoch beobachtete er nur das Geschehen in der kleinen Loge, wo sie zu zweit saßen: die unbekannte Römerin und ihr Begleiter. Es war noch immer derjenige, mit dem sie geflogen war, der Besitzer des tollen Autos, den sie Romolo genannt hatte. In die Augen des Fürsten trat ein seltsames Funkeln.

Nun erhob sich dieser Romolo und führte seine Begleiterin zum Parkett. Sie legte mit katzenhafter Geschmeidigkeit ihre Arme um Romolos Nacken und schmiegte sich beim langsamen, erregend zärtlichen Tanzschritt eng an ihn.

Auf Andrés Lippen trat ein fröhliches, zufriedenes Lächeln, denn er meinte erkannt zu haben, daß die verliebte Harmonie zwischen diesem Paar nicht ganz echt war. Spielte sie nur diese Gefühle? Warum? Der Fürst von Hornstein war beinahe sicher, die Antwort zu kennen.

In der Gesellschaft des Fürsten befanden sich fast ausschließlich Herren, die es gewohnt waren, unter den schönsten und teuersten Damen des Jet Set wählen zu können. Ihnen entging nicht die rassige Schönheit der Römerin, die mit ihrem Partner viel mehr Figuren als nur die üblichen Tanzschritte beherrschte. Offensichtlich kannten sie einander schon längere Zeit. Diese Beobachtung störte zwar den jungen Fürsten, konnte ihn jedoch nicht entmutigen. Wie ein Jäger beobachtete er das Paar, um auch die geringste Chance wahrzunehmen, die sich ihm bieten würde.

Dann geschah etwas, das die Situation völlig veränderte. Später bezweifelte André sogar, daß ihm da nur ein Zufall zu Hilfe gekommen sein sollte.

Romolo und die rassige Römerin waren in ihre kleine Loge zurückgekehrt. Der »Schönling« bestellte bei einem Kellner zwei gefährlich aussehende, sehr bunte Drinks. Beide hoben sie die Gläser. Der Fürst konnte selbstverständlich die hingehauchten Worte nicht hören: Sie neigte sich zärtlich ihm zu und stieß dabei gegen sein Glas, das umfiel. Der grellbunte Cocktail malte auf den cremefarbenen Smoking Romolos einen ganzen Regenbogen. Erschrocken legte seine Begleiterin besänftigend ihre Hände an seine Wangen. Damit streichelte sie alle Verärgerung aus seinem Gesicht. Er entschuldigte sich, erhob sich und ging mit raschen Schritten in die Garderobe, um den Schaden an seinem Anzug wenigstens einigermaßen beheben zu lassen. Der Zufall spielte weiterhin freundlich an der Seite des Fürsten An­dré mit, denn Garcia Mendoz, ein Argentinier, bat Sandra Mangini so flehend um einen Tanz, daß sie – schon im Interesse der Hornstein-Chemie – nicht ablehnen konnte.

»Der Augenblick der Wahrheit«, sagte André von Hornstein tonlos vor sich hin, erhob sich und ging an die Bar. Er bestellte ein Glas Sekt und wartete. Er wußte, daß die nächsten Sekunden entscheidend sein würden.

»Noch einen Teufelscocktail«, verlangte neben ihm eine weibliche Stimme. Zwei Plätze weiter glitt die begehrte Unbekannte auf einen Barhocker. Prinz André von Hornstein wagte keinen zu vertraulichen Blick. Er wußte, daß jede Plumpheit eine Frau von ihrer Klasse vertreiben würde.

Erst als der Barmann mit einem anderen Gast beschäftigt war, sagte André halblaut: »Ich wußte, daß wir einander wiedersehen würden! Es mußte wohl so sein!«

Jetzt erst wagte er es, sie anzublicken. Seine hellen Augen strahlten seltsam tief, als ob sie Glück und Hoffnung aus seiner Seele widerspiegelten. Die Unbekannte hatte ihm ihr Gesicht zugewandt. »Woher wußten Sie, daß wir einander noch einmal begegnen könnten?« fragte sie leise zurück. »Es ist doch ein Zufall, der…«

Er lächelte, nicht überheblich und doch selbstsicher. Beinahe konnte er fühlen, wie er sie damit unsicher machte. »Ich wollte es gerne!« gestand er.

»Bekommen Sie immer, was Sie sich wünschen?« Ihre Lippen wölbten sich trotzig auf wie die eines kleinen Mädchens. Dennoch war ihr Unmut nicht gespielt, sondern wirkte sehr echt.

»Wie kann ich Sie wiedersehen?« flüsterte Fürst André hastig, weil er beobachtete, daß dieser Romolo soeben wieder die Bar betrat. »Sie dürfen nicht zögern! Uns bleibt keine Zeit…«

»Woher wollen Sie wissen, daß ich ein Wiedersehen ebenso wünsche wie Sie?« wehrte sie ab. Aber diesmal klangen ihre Worte überhaupt nicht überzeugend, eher sogar etwas hilflos, beinahe ängstlich.

»Sonst hätten Sie Ihrem blendend aussehenden Begleiter nicht den Cocktail über seinen Smoking schütten müssen!« behauptete André von Hornstein.

Sie wehrte den Verdacht mit einem kleinen Lächeln ab. Als sie sah, wie Romolo zur Bar herkam, flüsterte sie: »Morgen, neunzehn Uhr, Rue de Paix, fünfundzwanzig… Ach, Romolo, Amore, ich habe ein wenig zuviel getrunken! Wir wollen gehen!«

*

Am nächsten Vormittag fühlte sich André von Hornstein nicht sehr wohl, denn seine Geschäftspartner hatten ihn während der Entdeckungsreise durch das Pariser Nachtleben bis in die Morgenstunden festgehalten. Nur weil San­dra Mangini so tapfer durchhielt, war er nicht einfach aufgestanden und in sein Hotel zurückgekehrt. In Wahrheit langweilte ihn diese Art von Vergnügen.

Nun rächte er sich auf seine Art am nächsten Vormittag, indem er die Herren und deren Damen in den Louvre einlud und mit ihnen vier Stunden lang die schönsten Gemälde aus aller Welt besichtigte.

»Ein Kunstbanause, wer dafür kein Verständnis aufbringt!« erwähnte er des öfteren so nebenbei, worauf keiner der Anwesenden mehr wagte, über Langeweile zu klagen. Sogar die attraktive Gattin eines steinreichen Südamerikaners quälte sich auf ihren hochhackigen Schuhen durch die unendlich vielen Säle und verbiß die Schmerzen. Sie strahlte den goldhaarigen Fürsten so verzückt mit ihren dunklen Augen an, daß sie damit sogar Sandras Mißfallen erregte.

Erst als die Mittagsstunde längst vorüber war und zwei englische Direktoren von Chemie-Konzernen diskretes Magenknurren verrieten, bat Sandra: »Lassen Sie es doch gut sein, André! Diese Löwen des Nachtlebens werden heute bestimmt nicht mehr auf ihren Pfoten kriechen können!«

Fürst von Hornstein sah sich von der kleinen Italienerin durchschaut.

»Nur gut so, denn heute nehme ich mir von dieser Meute einfach frei«, gab er lachend zurück.

Ein toller Hoffnungsstrahl durchzuckte Sandra Mangini. »André, wollen Sie mich zum Abendessen einladen?«

Sie tat dem Fürsten von Herzen leid, denn er ahnte längst etwas von ihrer Liebe zu ihm. Er zerstörte all ihre Hoffnungen mit einem glatten Schnitt, weil er meinte, das würde sie am wenigsten schmerzen.

»Heute darf ich einmal ganz Privatmensch sein. Ich habe ein Rendezvous.«

Sandra bewies große Beobachtungsgabe.

»Groß, schlank, braunschwarzes Haar und stets ganz raffiniert nach römischer Mode gekleidet… Fragen Sie mich nicht, Durchlaucht, woher ich das weiß. Nur eine Vision!«

Genau diese Vision sah auch Fürst André von Hornstein vor sich, als er gegen neunzehn Uhr in der Rue de Paix, einer der elegantesten Pariser Einkaufsstraßen, aus seinem Taxi stieg. Zwar trug er keine verräterischen Blumen bei sich, aber er ging nervös immer wieder vor den Häusern um Nummer fünfundzwanzig auf und ab. Das bezaubernde Gesicht mit den leidenschaftlich glühenden dunklen Augen und die Gestalt im köstlich raffinierten Kleid blieb nur Illusion. In Wahrheit konnte er sie auch zehn nach sieben noch nicht entdecken.

»Eine schöne Frau hat das Recht, sich zu verspäten«, sagte er sich, ungewöhnlich nachsichtig gestimmt. Aber seine Bedenken wuchsen, als sich die Unbekannte nicht zeigte. Unruhig ging der Fürst auf und ab. Er war es nicht gewohnt, auf eine Frau warten zu müssen; noch nie war er so grausam versetzt worden, auch dann nicht, wenn die Erwartete nichts von seinem gesellschaftlichen Rang oder seinem Reichtum wußte.

»Dieser Schönling Romolo hat sie festgehalten!« grollte er zornig.

Seine Enttäuschung machte ihn gegen den Italiener ungerecht; er bedachte nicht, daß es Romolos gutes Recht gewesen wäre, um eine so bezaubernde junge Dame zu kämpfen!

In seinem wachsenden Zorn las Fürst von Hornstein auch die Werbeankündigungen an der nächsten Litfaßsäule, und da blieb sein Blick an einer Zeile hängen: 25 Rue de Paix. Er trat näher und sah ein Foto, das eine Modenschau zeigte. Der Text sagte ihm nicht mehr viel: Sabina di Matteo (Rom) zeigt die schönsten Kreationen der Modekunst! Doch auf dem Foto entdeckte er neben zahlreichen bezaubernden Mannequins auch die Schöpferin der Modenschau, Sabina di Matteo.

»Das kann nicht wahr sein«, murmelte Fürst André. »Die Vorführung beginnt um zwanzig Uhr. Also wollte sie, daß ich kommen sollte. Sabina di Matteo! Sie wird wohl von den Kulissen aus zusehen, zärtlich am Arm ihres Romolo!«

André von Hornstein fühlte sich versucht, einfach in sein Hotel zurückzukehren, in die Bar zu gehen und seine Enttäuschung mit einer Flasche Sekt hinunterzuspülen. Aber das Schicksal zwang ihn, den anderen Weg zu gehen. Eine letzte Klippe ergab sich dann noch, als eine bezaubernd livrierte, etwas gewagt zurechtgemachte junge Dame am Saaleingang von ihm das Einladungsbillett verlangte.

»Tur mit leid«, gestand der Fürst, ohne unsicher zu werden.

Die Schöne in ihren hautengen Goldshorts und mit dem noch sparsameren Oberteil bedauerte flüsternd: »Mir tut es nicht weniger leid, Monsieur, aber die heutige Modenshow ist nur für geladene Gäste.«

Fürst André lächelte sie freundlich an und beruhigte sie: »Weiß ich doch! Persönliche, mündliche Einladungen von Sabina. Ich will sagen: von Sabina di Matteo!«

»Pardon, ich verstehe!« Mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen trat das Mädchen zur Seite und gab den Weg frei.

Selbstbewußt, mit ein bißchen männlicher Überheblichkeit, suchte Fürst André von Hornstein die Reihen der rot gepolsterten, vergoldeten Stühle ab. Die meisten von ihnen waren schon besetzt; entweder von sehr eleganten Modeschöpferinnen, von diamantenbehängten Millionärinnen oder von einigen Herren.

Weil Sabina nicht zu entdecken war, wählte André einfach den nächsten Stuhl, von dem aus er den ganzen Saal am besten überblicken konnte. Eine sehr üppige Dame nahm irrigerweise an, er hätte sich ihretwegen dorthin gesetzt und dankte ihm mit einem Lächeln, das ihn ermutigen sollte.

Keine Spur, kein Zeichen von Sabina. Erst als ein Conférencier das Podium betrat und einleitende Worte sprach, huschte abermals ein Mädchen in Gold­shorts zum Fürsten und flüsterte ihm zu: »Eine halbe Stunde nach Ende der Show im ›Rauchenden Hund‹.«

»Wie meinen Sie das?« versicherte sich der Fürst noch einmal, weil er sicher gehen wollte, keiner Täuschung durch Signor Romolo zu erliegen. Außerdem kannte er noch nicht das Restaurant zum »Chien qui fume«.

»Diese Botschaft ist leider nicht von mir, Monsieur, sondern von der Chefin.« Die Kleine huschte wieder davon.

Also doch von Sabina! Gerade in diesem Augenblick trat sie dann vor ihn

hin, schöner denn je, in Bühnenaufmachung mit großem Make-up und einem raffinierten Abendkleid, das nicht nur die Herzen der Herren rasend schlagen ließ. Es war dies das Gewand einer griechischen Hetäre, beinahe durchsichtig, aufregend, ein Traum an Linien, Farbenspiel und Verführung. Das braunschwarze Haar trug sie schulterlang frei fallend. Sie begrüßte ihre Gäste zu ihrer Modenschau, die sie als Show verstanden wissen wollte. Wenngleich sie zu allen sprach, gab sich doch Fürst André der Illusion hin, sie hätte viele Worte nur persönlich zu ihm gesagt und ihn dabei angesehen.

»Ich bin glücklich, sehr glücklich, daß Sie heute gekommen sind! Es soll ein wunderschöner Abend werden… Ich will das Meine dazu tun!«

Auch das war schon Show. Aus einem Programmheft las der Fürst ab, daß Sabina di Matteo nicht nur eine geniale Modeschöpferin der höchsten Klasse war, sondern es auch verstand wie keine andere Moderatorin, ihre Modelle vorzuführen. Dem stimmte von Hornstein bereitwillig zu, denn während der nächsten zwei Stunden kam kein Augenblick des Leerlaufs oder der Langeweile auf. Zwanzig der schönsten Frauen, unterschiedlichster Rassen und Hautfarben, führten Kleider vor. Sie tanzten, boten vollendete Akrobatik und spielten stumm auch kleine pikante Szenen. Dazu assistierten ihnen etwa zehn Dress­men, und einer von ihnen war… Romolo.

Nicht ohne eine Spur von Bosheit, murmelte Fürst André: »Der Traumberuf für diesen Schönling!«

In jeder der Szenen, ob Tanz oder Pantomime, erschien zuletzt eine triumphierende Gestalt, eine Königin, eine Göttin, eine Fee, und die schwebte einfach elegant über das Parkett: Sabina!

Da Fürst André stets von einem ihrer Auftritte zum nächsten wartete und zwischendurch auch die vollendete, raffinierte Kunst der anderen Darsteller bewunderte, vergingen ihm die zwei Stunden rasch und ohne Langeweile. Zuletzt kam noch einmal Sabina vor den Vorhang und dankte ihren Gästen.

»Ich hoffe, vor Ihnen liegt noch ein schöner Abend, liegt noch eine ereignisreiche Nacht!«

Wieder war es dem Fürsten von Hornstein, als glitten ihre Augen mit dem schwarzsamtenen Blick zärtlich verheißend über ihn, und er spürte ihn wie eine sanfte Liebkosung. Die Scheinwerfer verlöschten.

Fürst André schaute auf die Uhr. In einer halben Stunde sollte er in dem Restaurant »Zum rauchenden Hund« sein. Um diese Zeit bestimmt nicht zu versäumen, suchte er sich ein Taxi, was um diese Stunde nur mit Glück gelang. Wenige Minuten vor der vereinbarten Zeit betrat er das Lokal.

Ein Kellner kam auf ihn zu und fragte mit ehrfürchtig gesenkter Stimme: »Fürst Hornstein?«

»Ja«, sagte dieser zu.

»Ein Logentisch ist reserviert«, verkündete der Mann.

Auf dem Weg dorthin fragte sich An­dré noch, woher Sabina seinen Namen und Titel kennen mochte. Ein gutes Trinkgeld löste auch in Paris die Zungen, selbst die des diskretesten Personals, und der Fürst deutete es als günstiges Zeichen, daß sich Sabina um solch eine Information offensichtlich bemüht hatte.

Nachdem er eine weitere Viertelstunde vergeblich auf ihr Kommen gewartet hatte, gab er die Hoffnung beinahe auf. Er tröstete sich nur noch mit der Erwägung, sie könnte beruflich in der Rue de Paix aufgehalten worden sein. Je weiter die Zeit fortschritt, desto zorniger wurden seine Gedanken gegen den Dress­man Romolo.

»Hat doch keinen Sinn mehr«, entschied er und verlangte vom Ober eine Rechnung. Immerhin hatte er inzwischen einige Drinks genommen, um seinen Ärger wegspülen zu können. »Die Dame kommt doch nicht mehr.«

Er zahlte und wunderte sich noch, daß ein paar Gläser Alkohol so teuer sein konnten.

*

»Ich wollte doch überhaupt nicht kommen«, gestand Sabina flüsternd, als sie plötzlich vor ihm stand. Am Logeneingang wären sie beinahe zusammengeprallt.

Von Hornstein versuchte, sich von ihrem Anblick nicht entwaffnen zu lassen. Sie wirkte siegessicher und ohne jede Spur von Reue. Zu oft schon hatte sie erfahren, daß sie mit Männern nach Belieben spielen durfte und ihr doch keiner böse sein konnte. »Warum haben Sie mich dann überhaupt noch in dieses Restaurant bestellt und sind zuletzt sogar gekommen?« grollte der Fürst.

Weil sie sich durch ihn nicht den Weg verstellen lassen wollte, ging sie mit einem kleinen entschlossenen Schritt noch weiter auf ihn zu. Beinahe hätte sie ihn berührt. Sanft lächelte sie ihn an.

»Muß ich Ihnen die lange Geschichte im Stehen erzählen? Außerdem bin ich schrecklich hungrig, weil ich vor einer Modeshow nie essen darf. Sie verstehen, die makellose schlanke Linie ist noch immer gefragt. Aber ich esse leider für mein Leben gern. Am liebsten römische Spezialitäten!«

»Wenn ich nun schon gegessen hätte?«

Sabina maß ihn mit großen erstaunten Augen. Ohne viel überlegen zu müssen, erklärte sie: »Dann hätte ich mich in einem Fürsten von Hornstein sehr getäuscht und würde mich über Ihr schlechtes Benehmen kränken. Das bedeutet, daß ich geradewegs zum nächsten Würstchenstand gehen und meinen ganzen Kummer hinunterwürgen müßte!«

Sie lachten beide. Der Ober kam wieder und reichte ihnen die Speisekarte. Sabina di Matteo wählte schnell, sicher und überhaupt nicht kalorienbewußt. Sie gab selbst dem Kellner die Bestellung auf. Dann erst sagte André seine Wünsche.

Als der dienstbare Geist gegangen war, stellte Sabina klar: »Leugnen hat keinen Sinn, Durchlaucht! Ich habe genau gesehen, daß es Sie störte, als ich dem Kellner meine Bestellung sagte. Aber ich bin nun einmal eine selbständige Frau und keinesfalls auf einen Mann angewiesen.«

»Hoffentlich beschränkt sich das auf die Bestellung im Restaurant«, erwiderte der Fürst. Und dann verlangte er noch einmal zu wissen, warum ihn Sabina zu einem Treffpunkt bestellt hatte, wenn sie angeblich doch nicht die Absicht hatte, sich mit ihm zu treffen.

Die junge Frau antwortete mit einem übermütigen Lachen. Nach einer ganzen Weile lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück und gestand: »Sie waren in der Bar so unverschämt selbstsicher, daß ich Sie einfach bestrafen mußte. Deshalb sollten Sie vergeblich auf mich warten. Das hätte Ihre männliche Eitelkeit schwer verletzt, und genau das würden Sie verdient haben! Basta!«

»Die Erklärung genügt mir überhaupt nicht«, widersprach André, dem dieser Wortkrieg mit ihr großes Vergnügen bereitete. »Immerhin haben Sie mich zu Ihrer Show eingeladen!«

In diesem Augenblick brachte der Kellner die köstlichen Vorspeisen. Sabina betrachtete sie mit fast liebevoll zärtlichen Blicken.

»Durchlaucht, nehmen Sie mir diese Platten wieder weg, wenn ich Ihnen eine Sie enttäuschende Wahrheit gestehe?« forschte sie, ehe sie mit dem Essen begann.

»Ich will großzügig sein und Gnade vor Recht ergehen lassen!« gelobte er. Unwillkürlich zeichneten seine Blicke fasziniert die wunderschönen Züge ihres Gesichts nach, glitten bewundernd über ihr Haar, tasteten sich über den langen schlanken Hals tiefer. Er bewunderte sie beinahe ebenso ehrfürchtig wie ein Gemälde im Louvre. Das vollendete Schöne faszinierte ihn.

Sabina di Matteo machte sich über das köstliche Hors d’oeuvre her und legte das Geständnis ab.

»Ihr Überfall in der Bar machte mich so ratlos, daß ich einfach einen beliebigen Treffpunkt nennen wollte. Ich dachte ohnehin nicht daran, dorthin zu kommen. Unwillkürlich kam mir die Anschrift jenes Palais’ in den Sinn, wo die Modeshow stattfinden sollte. Als ich Sie dann im Saal entdeckte, war ich einfach überwältigt.«

»Vor Verzweiflung, weil Sie mich nicht loswerden konnten?« erkundigte er sich.

Sie blickte von den Austern auf, schaute ihm unschuldsvoll in die hellblauen Augen und flüsterte: »Überwältigt vor Rührung, daß Sie wohl jedes Hindernis überwinden würden, nur um mich wiederzusehen. Darum schickte ich Ihnen auch die Botschaft.«

Genießerisch aß sie die letzte Auster und zeigte sich für den nächsten Gang des erlesenen Soupers bereit.

»Sie wollten also doch auch ein Wiedersehen?« meinte André von Hornstein versöhnlich.

»Jjjjein«, flüsterte sie. Spätestens in diesem Augenblick verliebte sich Fürst André von Hornstein in die bezaubernde Römerin, die so viel weibliches Raffinement mit geradezu mädchenhaftem Übermut verband. Das hatte allerdings auch zur Folge, daß in ihm die ersten Spuren von Eifersucht erwachten.

»Warum haben Sie mich hier so lange allein sitzen lassen?« verlangte er beinahe herrisch zu wissen. »Nun wollten Sie doch den Abend mit mir verbringen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich noch ein paar Minuten verspätet! Dann wären wir aneinander vorbeigegangen. Ohne Chance auf ein Wiedersehen!«

»Typisch männlich!« fauchte sie. An­dré merkte nicht, ob diese Verärgerung echt oder nur gespielt war. Erst nach einer ganzen Weile erklärte sie, was sie so »typisch männlich« fand.

»Erst taten Sie, als könnten Sie ohne mich nicht weiterleben; dann wollten Sie schon einer kleinen Verspätung wegen alles aufgeben? Die Tiefe Ihrer Gefühle erschüttert mich! Aber vielleicht hätte ich diesmal meinen Stolz überwunden und Sie in Ihrem Hotel angerufen. Wer weiß das so genau?«

»Woher kennen Sie meinen Namen, Signora di Matteo? Woher wollen Sie wissen, in welchem Hotel ich wohne?« erkundigte sich André.

Sie lächelte wie eine Sphinx. »Ich stehe mitten im Gesellschaftsleben. Im Jet Set kennt man einander. Man weiß auch, wer der Chef der Hornstein-Chemie ist.«

»Warum haben Sie den Chef der Hornstein-Chemie im ›Rauchenden Hund‹ so lange warten lassen?« Fürst André versuchte, seine Eifersucht hinter einem Scherz zu verbergen.

Zwar merkte das Sabina, aber sie tat ihm nicht den Gefallen, ihn zu schonen.

»Es war eben nicht ganz leicht, Romolo abzuschütteln, denn manchmal verwechselt er sich mit Othello!« erklärte sie offen.

Fürst André von Hornstein schenkte Wein nach. Dabei war seine Hand ungewöhnlich unruhig. Erst nach einer Weile wagte er die schicksalhafte Frage: »Hat dieser Romolo ein Recht, sich wie Othello zu verhalten?«

Mit einem unschuldsvollen Lächeln hob sie das Glas an ihre Lippen, blickte über den Rand hin zu dem Fürsten und flüsterte: »Er glaubt es zumindest. Schöne Männer sind meistens nicht sehr intelligent.«

Sie wirkte nicht nur bezaubernd, raffiniert und überlegen, sondern außerdem auch noch ebenso selbstbewußt wie selbstsicher. Ganz bestimmt hatte sie sich nicht in André, den Fürsten von Hornstein, verliebt. Und wenn doch, so wußte sie es nicht.

*

Auch als sie später miteinander in einer Nachtbar tanzten, fühlte sie sich noch immer ihrer sicher. Dabei halfen ihr die bewundernden Blicke der Männer und die neidischen der Frauen. Wohin sie auch kamen, stets wußte sich Sabina di Matteo als Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

»Sie tanzen wunderbar, André«, gestand sie ihm, nahe seinem Ohr flüsternd. Er hatte sie gebeten, Titel und Familiennamen wegzulassen.

»Sie sind wunderbar, Sabina«, ergänzte er das Kompliment. »Deshalb wissen Sie es auch längst, daß ich mich vom ersten Augenblick unserer Begegnung an in Sie verliebt habe. Wissen Sie es?«

»Es gibt Fragen, die man einer Frau nie stellen sollte!« wehrte sie ab. Gleich darauf gab sie doch indirekt darauf die Antwort: »Arme kleine Sandra Mangini. Ist sie sehr traurig?«

»Was wissen Sie noch über mich?« begehrte er, nun doch beinahe unwillig, auf. »Haben Sie mich beschatten lassen?«

»Ist doch nicht nötig gewesen«, lachte sie übermütig, schmiegte sich aber doch gleich wieder beinahe zärtlich an ihn, als wollte sie ihn auf diese Weise versöhnen. Sie tanzten sehr altmodisch, man hätte meinen können, verliebt. »Ich horchte nur ein bißchen im Gesellschaftsklatsch herum, und da erfuhr ich viel mehr, als ich eigentlich über Sie wissen wollte.«

Die Musik endete. André führte sie an den Tisch zurück, und dabei nahm er behutsam ihren bloßen Arm. Er genoß das wie eine Vertraulichkeit. An das Gespräch beim Tanzen anschließend, drohte er ihr: »Ich werde einmal diesen Romolo Othello befragen, was Sie ihm bedeuten und er Ihnen.«

Sabinas Gesicht wurde sehr ernst. »Bitte, André, tun Sie das nicht. Romolo ist viel zu sehr Kavalier, als daß er tratschen würde. So etwas tun im allgemeinen nur enttäuschte, neidische Frauen. Zerstören Sie nicht mutwillig, was vielleicht einmal hätte sehr schön werden können.«

»Sie denken immer nur an Romolo und…«, begehrte Fürst André auf. Eifersucht machte ihn blind.

Sabina di Matteo griff zu ihrer Abendtasche. »Es ist spät geworden. Wir sollten diesen Abend beenden, denn er ist zu schön gewesen, als daß wir auch nur ein bißchen davon zerstören dürften.«

Auch das Versprechen, nicht mehr eifersüchtig zu sein, half dem Fürsten nichts. Sabina wirkte nicht zornig, wohl aber etwas gedrückt, beinahe traurig. Nur noch Belangloses sprechend, verließen sie die Nachtbar. André setzte sich ans Steuer des italienischen Sportwagens, der Romolo gehörte. Er versuchte, letztere Tatsache zu vergessen, weil er nicht daran denken wollte, daß vielleicht auch Sabina dem römischen »Schönling« gehörte.

Die Bar war ziemlich weit außerhalb des Stadtzentrums von Paris gelegen; in Richtung von Vincennes. Deshalb führte die Heimfahrt über eine offene Landstraße. Sabina saß still auf dem Beifahrersitz und schaute in die blausamtene Nacht.

Nur wenn ihnen Autos entgegen kamen, deren Scheinwerferlicht ihr in den Augen weh tat, wendete sie den Kopf etwas ab. Dann blickte sie unauffällig in das Gesicht des Fürsten.

Sein Haar schimmerte auch im Dämmerlicht des Autos beinahe metallen, golden. Aus dem Dunkel des sportlich gebräunten Gesichts leuchteten die hellen Augen. Das Profil war nicht hart, aber markig männlich geschnitten. Nur der Mund verriet mit weichen Linien, daß er keine herrischen Worte aussprechen und viel eher zärtlich liebkosen wollte. Sabina di Matteo nahm eine seltsame, fast schmerzhafte Erregung des Herzens wahr.

»Ich mag nicht beim Fahren rauchen!« sagte sie, als sie an einem kleinen Waldstück vorüber kamen. »Dort ist ein Parkplatz. Er war vorhin schon angekündigt.«

Ihre Stimme klang gehemmt, ein bißchen kurzatmig. Noch im letzten Augenblick konnte der Fürst den Wagen in die Ausfahrt der Straße lenken. Ein nicht ganz ungefährliches Bremsen; das Auto schleuderte, aber dann stand es in der Dunkelheit des dichten Baumdaches.

»Eine Zigarette!« bat Sabina beinahe flehend.

Fürst André entnahm seiner goldenen Tabatière zwei Zigaretten. Eine davon schob Sabina zwischen ihre Lippen. Sie zitterten seltsam. Sein Feuerzeug flammte auf. Der warme goldene Schein erhellte ihr Gesicht, spiegelte sich in den Augensternen wider. Er ließ die Flamme verlöschen, ohne Sabina Feuer gereicht zu haben. Behutsam nahm er die Zigarette zwischen ihren Lippen weg und warf sie aus dem Fenster. Als er seinen Arm um Sabinas Schultern legte, spürte er, daß sie zitterte.

Er wollte ihr noch sagen, daß er sie liebte, daß ein Wunder geschehen sei und er sie liebte, noch ehe er sie gekannt hatte. Aber nicht eines der Worte konnte er ihr sagen, denn im nächsten Augenblick schlug sie die Arme um seinen Nacken und verschloß seine Lippen mit einem Kuß. Der Kuß steigerte sich zu einem Feuerbrand der bisher aufgestauten Leidenschaft.

Sabina war es, die ihn plötzlich von sich drängte. Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter und flüsterte: »Was tust du mit mir! André, was geschieht mit mir? Ich kann mich nicht wehren, ich verstehe mich nicht mehr. Ich…, ich liebe dich!«

»Ich liebe dich!« brach es aus ihm.

Es kam wie ein köstlicher Rausch über ihn. In seinen Armen hielt er die elegante, wunderschöne Sabina di Matteo. Sie schmiegte sich so zärtlich an ihn, und ihm war, als würde er sie seit undenkbaren Zeiten lieben. Als hätte sie schon immer zu ihm gehört und ihm gehört.

Fürstenkrone Classic 48 – Adelsroman

Подняться наверх