Читать книгу Rette mich Jace! - Melanie Weber-Tilse - Страница 5

Kapitel 2

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„Du hast mich nicht von deinem Bruder holen lassen?“ Kathy konnte es nicht fassen. Sie war auf Jace Lüge hereingefallen.

„Nein. Aber ich kann ihn verstehen.“ Vicky ahnte, was ihren Bruder dazu getrieben hatte, Kathy das Wochenende mit hierher zu nehmen.

„Ich aber nicht. Was soll das?“

„Kathy, bitte. Ich kann verstehen, dass du sauer bist. Ich glaube aber, dass er es wirklich gut gemeint hat. Was wirklich eine Seltenheit bei meinem Bruder ist.“

„Klär mich bitte auf Vicky. Ich habe nämlich überhaupt keine Ahnung.“ Kathy hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie ging nun auf Abwehr. Ihr gefiel es gar nicht, dass sich Jace und Vicky so in ihr Leben einmischten.

„Ich möchte dir nicht zu nahe treten. Aber … ich habe ihm erzählt, dass ich da so einen Verdacht habe.“

„Einen Verdacht?“ In Kathys Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken.

„Na ja, dein Vater …“

„Was ist mit ihm?“

„Mensch Kathy. Du kannst wirklich mit mir darüber reden.“ Vicky hatte sich das Gespräch einfacher vorgestellt. Sie hatte immer gehofft, dass Kathy dankbar den Strohhalm nehmen würde, den sie angeboten bekam. Stattdessen ging sie immer mehr auf Abwehr. „Ich denke, dass er dich missbraucht.“ Nun war es raus.

„Wie kommst du auf diese Idee?“ Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Das strahlst du aus, liebe Kathy“, mischte sich eine Stimme ein. Eine Stimme, die sie nur zu gut kannte. „Für mich ist es keine Vermutung. Ich kann einen Menschen erkennen, der tagtäglich großem Leid ausgesetzt ist. Ich kann aber auch erkennen, wenn ein Mann eine Frau will und auch bekommt.“ Seine Stimme war immer leiser und schärfer geworden. „Ich habe die Berührungen deines Vaters gesehen. Ich habe die unterschwellige Botschaft genauso empfangen wie du.“

Kathy starrte die Geschwister an. „Ihr haltet euch wirklich für sehr schlau. Vor allem du Jace, hältst dich für oberschlau. Wenn du seine Botschaft mitbekommen hast, dann weißt du, was mir Sonntagabend blüht.“

„Das werde ich verhindern.“ Jace sah sie entschlossen an.

„Klar. Magst du etwa mit zu mir nach Hause gehen und mir die Hand halten? Oder willst du meinen Vater verprügeln … vielleicht sogar umbringen?“

„Die Idee, ihn umzubringen ist gar nicht so schlecht“, das Grinsen von ihm war diabolisch. Oh ja, sicher hätte er seinen Spaß daran.

„Jace, lass es. Er ist der Sheriff. Damit haust du dich ganz schön tief in die Scheiße rein“, mischte sich Vicky nun ein. „Es tut mir leid Kathy. Wirklich. Ich wusste nicht, dass mein Bruder den heiligen Samariter spielen würde.“

„Da wir nun alles geklärt haben, gehe ich wieder nach Hause.“ Kathy drehte sich auf dem Absatz um und ergriff ihre Tasche. Sie wurde sofort am Arm festgehalten. „Du bleibst hier“, flüsterte Jace direkt an ihrem Ohr.

Kathy verspannte sich. Dann funkelten ihre Augen. Zu lange hatte sie ihre Wut unterdrückt. „Lass. Mich. Los! Ich werde jetzt gehen und du wirst mich nicht daran hindern Jace. Du weißt nicht, was mir blühen wird. Du hast keine Ahnung, was er mit mir machen wird.“ Der Griff um ihren Arm lockerte sich und sie schüttelte seine Hand ab. „Ach und noch etwas. Fass mich nie wieder ungefragt an!“

Sie umfasste ihre Reisetasche fester und verschwand. Zurück blieben eine geschockte Vicky und ein nachdenklicher Jace.

„Bist du dir immer noch so sicher, dass ich ihn nicht umbringen soll?“

„Hm. Ich weiß es nicht Jace. So habe ich Kathy noch nie erlebt.“

***

Fast blindlings lief Kathy den Weg, den sie schon hundertmal gelaufen war, wenn sie von Vicky nach Hause ging. Ungeweinte Tränen brannten in ihren Augen. Kurz vor ihrem Zuhause blieb sie stehen und schaute zu dem Haus. Dann zog sie einen kleinen Schlüssel aus ihrer Hosentasche und drehte ihn zwischen ihren Fingern hin und her.

Immer wieder schaute sie den Schlüssel, dann das Haus an. Immer mehr formte sich die Idee in ihrem Kopf und sie steckte den Schlüssel wieder in ihre Tasche. Dann drehte sie sich um und ging in ein nahegelegenes Wäldchen. Sie kramte in ihrer Tasche und fand, was sie brauchte. Schnell zog sie sich um, band ihre Haare hoch und setzte die Kappe auf, die sie sich tief in das Gesicht zog. Dann räumte sie die Klamotten von ihrer Reisetasche in eine kleinere Plastiktüte um, die sie vorhin mitgenommen hatte. Die Reisetasche vergrub sie unter einem Haufen von Laub und Ästen.

Zielstrebig machte sie sich auf den Weg in Richtung Innenstadt. Sie musste nur aufpassen, dass sie keiner erkannte. Vor allen Dingen nicht ihr Vater. In der Stadt angekommen, führte sie ihr erster Weg zur Busstation. Bevor sie an den Schalter trat, zog sie ihre Mütze ab und strahlte den Mitarbeiter an.

„Eine Fahrkarte bitte nach Darkville.“

„Das macht 120 Dollar junge Lady. Sicher, dass sie dort hin wollen?“

„Ganz sicher!“. Sie lächelte den Mitarbeiter immer noch an. Oh ja, sie war sich ganz sicher. Sie verstaute ihr Ticket in der Hosentasche und begab sich zum Busbahnhof. Kathy zog ihr Handy aus der Tasche und stellte es aus. Sie bestieg den Bus nach Darkville und packte das Handy in das Gepäckfach.

Sie verschwand aus der hinteren Tür aus dem Bus. Kurz stand Kathy noch an der Haltestation und sah ihm hinterher. Dann drehte sie sich entschlossen um und ging weiter zum Bahnhof.

Dort angekommen, steuerte sie sofort die Schließfächer an und ließ den Schlüssel, den sie die ganze Zeit in der Hosentasche gehabt hatte, in das Schloss gleiten. Die Kombination hatte sie schon immer im Kopf. Neugierig schaute sie in das Fach und runzelte die Stirn. Nur ein einzelner Briefumschlag lag darin.

Vorsichtig öffnete Kathy diesen. Eine Karte war darin. Kein Brief, nichts. Nur eine verdammte Landkarte, auf der eine Stelle mitten im Nirgendwo markiert war. Seufzend steckte sich Kathy die Karte ein und machte sich auf den Weg ins Nirgendwo. Ihre Mutter hatte sich anscheinend etwas dabei gedacht. Hoffte sie auf jeden Fall.

***

Dass sie die ganze Zeit von Jace beobachtet wurde, bekam Kathy nicht mit. Er aber war neugierig. Sehr neugierig.

Als sie nicht weiter zu ihrem Haus gegangen war und sich in das Wäldchen zurückgezogen hatte, war ihm klar gewesen, dass sie abhauen wollte. Allerdings hatte er mit einer kopflosen Flucht gerechnet, sicher nicht mit so etwas. Sie schien durchdacht an die Sache zu gehen und sogar einen Plan zu haben. Er musste sich eingestehen, dass sie ihn überraschte. Und das machte ihn schon wieder geil. Ihre Kraft, die sie jetzt ausstrahlte, machte seinen Schwanz härter als ihre Angst. Das war neu für ihn.

Er wechselte sein Handy und warf das Alte in den Müllwagen, der gerade vorbeifuhr. Er hatte immer ein neues Einmalhandy dabei. Er war immer auf alles vorbereitet. Und wenn er Kathy folgen wollte, durfte man auch seine Spur nicht finden. Denn er wollte sie allein für sich haben.

Kathy ging zügig in östliche Richtung. Dort lag der große Nationalpark von White Beach. Er folgte ihr in großem Abstand. Jace war wirklich gespannt, wo die Reise hinging, vor allen Dingen, was sich in dem Schließfach des Bahnhofes befunden hatte. Sein Aussichtspunkt dort war bescheiden gewesen und er hatte nichts erkennen können. Solche Fehler unterliefen ihm normalerweise nicht. Hier hing aber hoffentlich auch nicht sein Leben davon ab.

***

Kathy legte einen straffen Schritt hin. Auch wenn ihr Vater erst Sonntagabend mit ihr rechnete, so wollte sie auch jetzt schon so viel Abstand wie nur möglich zwischen ihm und ihr bringen. Sie marschierte bis in die Nacht hinein. Sie würde eine Pause einlegen, wenn sie weit genug von White Beach entfernt war.

Als der Mond schon hoch am Himmel stand und ein fahles Licht durch die Blätter warf, erlaubte sich Kathy ihre erste Pause. Sie hatte eine kleine Flasche Wasser mit. So durchdacht sie an die ganze Sache herangegangen war, hatte sie doch das wichtigste Vergessen: Essen und Trinken.

Ein leises Stöhnen entfuhr ihr und sie lehnte sich kurz an einen Baum und schloss die Augen. Wasser würde sie hoffentlich hier irgendwo finden, aber Essen … Sie raffte sich wieder auf, um weiter zu gehen.

Bevor sie sich auf den Weg gemacht hatte, war sie noch an einem Elektroladen vorbeigegangen. Zum Glück war White Beach groß und sie war nicht überall bekannt. So hatte sie sich ein neues Handy, zwei Akkus und Solarladepacks gekauft. Mit Blick auf ihr Handy vergewisserte sie sich, dass sie auch noch in die richtige Himmelsrichtung lief. Sie hatte auf der Map den Punkt markiert, wo sie hinmusste. Wenn sie nun abschätzen sollte, wie lange sie zu laufen hatte … sie wusste es nicht. Wenn sie wenige Pausen einlegte und nur kurz schlief, vielleicht drei Tage. Allerdings wusste sie nicht, ob sie das Tempo mit den wenigen Pausen beibehalten konnte.

Der neue Rucksack zahlte sich auch aus. Er war gut gepolstert und das Gewicht ihrer Klamotten verteilte sich gut auf ihrem Rücken. Wie aber hatte sie nur Essen und Trinken vergessen können? Noch einmal schüttelte sie über sich selbst den Kopf.

***

Jace sah ihr hinterher, wie sie weiterging. Er konnte sich kaum ein Lachen verkneifen. Natürlich hatte er beobachtet, wie sie ein neues Handy und auch den Rucksack gekauft hatte, aber den Proviant vergessen hatte. So ganz war ihr Plan doch nicht durchdacht gewesen. Er dagegen hatte sich noch schnell mit Proviant eingedeckt, der gut verstaut in seinem Rucksack wartete. Vielleicht würde er ihr etwas davon abgeben …. aber jetzt noch nicht.

***

Sie lief die ganze Nacht hindurch und gestattete sich nur kurze Pausen. Der neue Tag brachte wieder sehr warmes Wetter. Im Wald war Kathy zum Glück geschützt und doch drückte das Wetter ganz schön auf ihre Konstitution. Immer öfter stolperte sie über Wurzeln und konnte sich gerade noch so auf den Beinen halten.

Sie musste sich eingestehen, dass sie dringend eine längere Pause brauchte. Sie verzog sich in ein kleines Gebüsch und kroch tief hinein. Die Wasserflasche war nur noch zur Hälfte gefüllt. Sie musste sparsamer damit umgehen. Allerdings verbrauchte sie jetzt am Tag zu viel Flüssigkeit. Sie legte ihren Kopf auf den Rucksack und rollte sich zusammen.

***

Jace beobachtete Kathy, wie sie in den Schutz der Büsche kroch. Dass sie erst jetzt eine längere Pause einlegte, erfüllte ihn mit Stolz. Mit Stolz? War er total bescheuert? Starke Frauen waren noch nie sein Ding gewesen. Sie hatten nie das Feuer in ihm entfacht, was ihn überspulte, wenn er in Augen blickte, die deutliche Angst zeigten. Die Frauen, die er so genommen hatte, waren zwar freiwillig bei ihm gewesen, aber seine Art hatte letztendlich jede von ihnen in die Knie gezwungen. So etwas machte ihn an. Angst, Panik, Unterwerfung.

Sogar die Menschen, die er aus berufsgründen gequält hatte, waren ihm unter die Haut gegangen. Regelmäßig nach dem Foltern musste er sich seinen geilen Schwanz reiben, weil der nach Erlösung lechzte.

Mit einer willigen Frau, die auf Schmerz stand, konnte er dagegen nichts anfangen. Das war ihm zu billig, das turnte ihn nicht an. Und eine Frau, die wusste, was sie wollte und stark war, stieß ihn regelrecht ab. Er war schon immer der dominante Part gewesen, sicher würde er nie und nimmer die Führung im Bett abgeben. Er selber fand es abstoßend, wenn eine Frau ihn dominieren wollte.

Daher war er doch verwirrt, dass sein Körper so stark auf Kathy reagierte. Fuck, sein Körper schrie nach ihr, er verzehrte sich regelrecht nach ihr. Auch wenn die Situation ihn überhaupt nicht behagte und er sonst immer auf sein Bauchgefühl hörte, blieb er hier.

***

Mit einem Ruck fuhr Kathy hoch. Verdammt, sie war eingeschlafen, dabei hatte sie doch nur kurz ruhen wollen. Müde fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht. Nach dem Sonnenstand zu urteilen, hatte sie einige Stunden geschlafen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass dem so war. Sie gönnte sich einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und krabbelte dann aus ihrem Versteck heraus. Noch immer war es sehr warm. Sie schwang sich den Rucksack auf den Rücken und marschierte weiter.

***

Sie waren mittlerweile vier Tage unterwegs. Für Jace, der genug Proviant dabei hatte und auch sonst solche Märsche kannte, kein Problem. Kathy dagegen baute immer mehr ab. Es waren einige Situationen gewesen, wo Jace fast eingegriffen hätte. Doch Kathy hielt tapfer durch. Das Ziel war ihm nicht bekannt, doch beim letzten Blick auf ihr Handy, war ein Strahlen über ihr Gesicht gehuscht. Anscheinend waren sie nun sehr nah an ihrem Ziel.

Er bewunderte Kathy immer mehr. Ihr Durchhaltevermögen beeindruckte ihn wirklich. Dabei war er nicht leicht zu beeindrucken.

***

Kathy war mittlerweile am Ende ihrer Kräfte. Wasser war bisher keins zu finden gewesen und ihr Magen hing ihr in den Kniekehlen und schmerzte. Allerdings war sie nun ihrem Ziel sehr nah. Ein Blick auf das Handy hatte dies vor einer Stunde bestätigt. Dort vorne durch die Bäume sah sie es endlich. Kathy legte noch einmal einen Zahn zu, um dann abrupt stehen zu bleiben. Vor ihr tat sich eine Lichtung auf, auf der eine Blockhütte stand. Kathy schaute sich um, aber alles war ruhig. Die Hütte sah auch nicht wirklich bewohnt aus. Die Holzläden waren geschlossen.

Langsam ging sie auf die Hütte zu. Je näher sie kam, desto mehr sah man der Behausung an, dass hier die Zeit schon sehr genagt hatte.

Die Hütte war nicht groß. Es gab an der Vorderseite eine breite Veranda, zu der drei Stufen hochführten. Diese knarrten, als Kathy darauf trat. Sie ging weiter zur Tür und nach einigem Drücken ließ sie sich schwerfällig öffnen. Sie ließ ihren Rucksack auf die Veranda sinken und leuchtete mit ihrem Handy ins Innere.

Noch einmal atmete sie tief ein, dann trat sie über die Schwelle.

***

Jace beobachtete Kathy weiterhin. Er hatte die Umgebung sondiert und war sich sicher, dass hier keine Gefahr drohte. Bis vielleicht auf einen morschen Balken, der ihr auf den Kopf fallen konnte. Ansonsten aber war alles ruhig und still. Sie war wirklich mutig. Nur mit ihrem Handy bewaffnet, war sie in die Hütte verschwunden. Jace hoffte, dass sich kein Getier dort eingenistet hatte, was Kathy gefährlich werden konnte. Gerade Dachse und Waschbären waren nicht ohne.

Kathy kam nach einiger Zeit mit einer großen Tasche aus der Hütte und setzte sich auf die Stufen der Veranda. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen, aber ihre Körperhaltung drückte eindeutig Überraschung aus. Sie öffnete die Tasche und zog eine Pistole heraus. Was suchte dort eine Pistole? Auf dem schnellsten Weg begab er sich zu Kathy.

Rette mich Jace!

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