Читать книгу Jüdisches Biel - Melissa Flück - Страница 6
Einleitung
ОглавлениеDie Idee, Zeugnisse des jüdischen Lebens in Biel sichtbar zu machen, stand am Anfang. Entstanden ist ein Buch, das Erinnerungen, Meinungen und Anekdoten jüdischer Bielerinnen und Bieler versammelt.
Einst sehr bedeutend, umfasst die Jüdische Gemeinde Biel heute nur noch eine Handvoll Mitglieder, umso mehr kommt diesem Buch eine wichtige kulturhistorische Bedeutung zu. Die historische Dimension der Jüdischen Gemeinde Biel bis 1945 legte Annette Brunschwig in der Publikation «Heimat Biel» 2011 umfassend dar. Im Gegensatz dazu soll im vorliegenden Porträtbuch auf die Lebenswelt der gegenwärtigen Gemeindemitglieder fokussiert werden. Meine Absicht war es, die Akteurinnen und Akteure selbst zu Wort kommen zu lassen.
Neun Personen haben sich bereit erklärt, mir aus ihren Leben zu erzählen. Einige weitere haben aus verständlichen und leider sehr realen Bedenken abgesagt. Die Gefahr, die mit der Exponierung als Jüdin oder Jude einhergeht, war ihnen aufgrund zunehmender antisemitischer Tendenzen in der Schweiz zu gross.
Die Menschen in diesem Buch vereint ein Bezug zu Biel und zum Judentum. Im Fokus der Porträts stehen Wahrnehmungen und Erinnerungen zur Entwicklung des Bieler Judentums im 20. und 21. Jahrhundert, das persönliche Verständnis von Judentum und Religion sowie auch Geschichten aus dem Leben allgemein. Welche Bedeutung das Jüdische in ihrem Leben hat oder in der Vergangenheit hatte, ist jedoch so individuell wie die Porträtierten selbst.
Jedes Porträt steht exemplarisch für sich alleine, im Zusammenspiel mit den anderen Lebensgeschichten erschliessen sich der Leserin und dem Leser aber auch offensichtliche und subtile Bezüge. In der Summe ergibt sich eine bereichernde Vielzahl von Blickwinkeln.
Die Gespräche sind Momentaufnahmen, die zwischen Juli 2017 und September 2019 entstanden sind. Während die Erzählung in den Porträts an einigen Stellen ausführlich ist, bleibt sie an anderen unvollständig und lückenhaft. Die Erinnerung an gewisse Geschehnisse ist im Laufe der Zeit verblasst. Nicht geschichtliche Ereignisse, sondern die individuelle Wahrheit der jeweiligen Person steht im Zentrum.
Die Porträtierten, sechs Männer und drei Frauen, waren zum Zeitpunkt der Interviews zwischen 41 und 90 Jahre alt. Ihre Wohnorte liegen zwischen Zürich und Neuenburg. Die Synagoge besuchen sie an ihrem Wohnort, in Bern, in Biel – oder auch gar nicht.
Wie uns die Menschen in diesem Buch zeigen, kann das Judentum ebenso wie jede andere Religion für das persönliche Leben von Bedeutung sein – oder eben auch nicht.
Gerade in einer Stadt wie Biel mit ihren unterschiedlichsten Einflüssen und Bewohnern scheint es mir wichtig, diese vielfältigen und individuellen Möglichkeiten aufzuzeigen, Judentum zu leben oder zu definieren. Diese Erkenntnis kann dazu beitragen, Stereotype oder Vorurteile abzubauen, auch gegenüber Mitgliedern anderer Religions- oder sonstigen Gemeinschaften.
So gibt es vielleicht dank diesem Buch ein paar stereotype Vorstellungen und Vorurteile weniger und ein paar ganzheitliche Bilder von Jüdinnen und Juden – nämlich als selbstverständlicher Teil der Schweizer Bevölkerung – mehr. Denn ich meine, mit den Worten meines Gesprächspartners Haim Madjar: «Jeder hat seinen eigenen Weg.»
Von Herzen danke ich den Menschen, die sich bereit erklärten, mir ihre Geschichte zu erzählen, die mich an ihrem Leben teilhaben liessen, sich mir bereitwillig öffneten und die Erinnerungen an Freud und Leid mit mir teilten: Ofer Fritz, Yona Fritz, Simon Lauer, Avinoam Levy, Haim Madjar, Yaron Maor, Joke Mollet, Georges Rosenfeld und Charlotte Schnegg.
Gabriela Dömötör, Catherine Fellmann, Vera Gerz und Katharina Stöckli vom Verein Kulturigunden sowie Esther Hörnlimann danke ich für den Austausch und ihr kritisches Gegenlesen. Marina Tardin danke ich für die wunderbaren Porträtfotografien, der Historikerin Stefanie Mahrer und dem Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr für die ergänzenden Texte. Meiner Familie danke ich aus vollem Herzen für ihre Unterstützung und ihr Dasein an meiner Seite.