Читать книгу Diarra - Melody Adams - Страница 5

Оглавление

Prolog


Olly

Vier Jahre zuvor

Mit einer Mischung aus schmerzvoller Liebe und Ehrfurcht starrte ich auf das Bündel in meinen Armen. Mein Gott! Sie war so klein. So zerbrechlich. Wie sollte ich für so ein hilfloses Wesen sorgen, wenn ich schon bei dem Gedanken, sie aus Versehen fallen zu lassen, in Angstschweiß ausbrach? Tränen standen in meinen Augen, ließen meine Sicht verschwimmen. Hilfe suchend wandte ich mich zu meiner Mom um.

„Wie soll ich ...?“, begann ich mit gebrochener Stimme.

„Du bist nicht allein, Olly“, fiel meine Mutter mir ins Wort und trat neben mich, eine Hand auf meinen Arm legend, mit der anderen sanft über eine rosige Babybacke streichend. „Wir sind hier für euch und du wirst lernen. Es mag im Moment alles zu viel und überwältigend zu sein, doch ich bin sicher, dass du ein wundervoller Vater sein wirst. Glaub mir, selbst wir Frauen fühlen uns ein wenig unsicher und überwältigt, wenn wir Mutter geworden sind. Für ein Baby zu sorgen ist nicht angeboren. Man lernt. Schritt für Schritt. Man macht Fehler. Manchmal ist man verzweifelt. Doch das ist normal.“

„Da ist so viel was falsch laufen könnte“, erwiderte ich verzweifelt. „Sie ist so zerbrechlich. Was, wenn ich ...“

„Deine Mutter hat recht, Sohn“, mischte sich mein Dad ein. „Warte ein paar Tage und du wirst dich nicht mehr so unsicher fühlen. Wenn ich es lernen konnte, dann kannst du es auch.“ Er kam näher, bis er vor uns stand und lächelte auf meine Tochter hinab. „Was glaubst du, wie ich mich gefühlt hab, als ich dich das erste Mal in meinen Armen hielt? Ich hatte solche Angst, dass ich etwas breche, dass ich steif wie eine Statue war. Sieh dich an! Wie du deine Tochter im Arm hältst. Du bist jetzt schon viel besser darin als ich es war. Du schaffst das. Und wie deine Mutter bereits gesagt hat, wir sind hier. Wir passen auf sie auf, wenn du arbeitest.“

Der Druck auf meinem Brustkorb wurde etwas leichter, doch so ganz wollten die Angst und Unsicherheit nicht weichen. Ich holte tief Luft als ich mir schwor, dass ich alles tun würde um der beste Vater für meine Tochter zu sein. Ich würde dafür kompensieren, dass die Mutter meiner Tochter eine falsche Schlange war, die uns in Stich gelassen hatte, um mich und das Baby für einen Kerl mit mehr Geld zu verlassen.

„Hast du eine Idee, wie du sie nennen willst?“, durchbrach Mom meine Gedanken.

„Was sagst du dazu, wenn ich sie nach Granny benenne? Ruth.“

Mom lächelte breit.

„Das ist eine wundervolle Idee. Ich weiß, Granny Ruth würde sich sehr darüber freuen. Sie liebte Babys.“

„Ich wünschte, sie könnte Klein Ruth sehen“, sagte ich mit Wehmut in der Stimme. Meine Granny war verstorben kurz bevor Melanie – die falsche Schlange – schwanger geworden war. Granny Ruth war nie mit meiner Frau – Ex Frau – warm geworden. Das allein hätte mir zu denken geben sollen. Meine Granny war ein ausgezeichneter Menschenkenner gewesen. Doch ich war zu blind gewesen. So ein Idiot. Ich würde nie wieder den Fehler machen, mich an eine Frau zu binden. Ich hatte meine Lektion gelernt. Von nun an würde ich alle meine Liebe auf meine Tochter richten.

Diarra

3 Monate bevor

Mit Wehmut starrte ich auf Diamond, als sie mit ihrem kleinen Sohn spielte. Ich wünschte ich könnte sie dafür hassen, dass sie mir Griorr weggenommen hatte. Doch ich konnte nicht. Zum einen war ich nicht einmal eine von Griorrs Favoritinnen gewesen ehe Diamond hier aufgetaucht war und zum anderen war Diamond eine wundervolle Person. Ich gönnte ihr und Griorr alles Glück, doch das änderte nichts daran, dass mein Herz schwer war. Griorr und ich waren nie besonders nah gewesen. Ich war eine von vielen Frauen für ihn gewesen. Doch zumindest hatte ich einen Mann gehabt, zu dem ich gehörte. Der mir hin und wieder Aufmerksamkeit schenkte. Das war immer noch besser gewesen als diese Einsamkeit. Alle vorherigen Sklavinnen von Griorr hatten einen neuen Mann gefunden. Ich war die einzige, die allein blieb. Es hatte ein paar Angebote gegeben, doch alle drei Männer waren bereits jenseits ihres besten Alters gewesen. War es zu viel verlangt, dass ich einen Mann wollte, den ich auch begehren konnte? Einen, der mein Herz höher schlagen ließ?

„Diarra!“

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und sah Griorr über mir stehen. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, in was für einer Laune er sich befand. Hatte er bemerkt, wie ich seine Gefährtin und seinen Sohn angestarrt hatte? Dachte er, ich wäre eine Gefahr für sie, wegen meiner Eifersucht?

Griorr rückte einen Stuhl zurecht und setzte sich. Um meine innere Unruhe zu verbergen, verschränkte ich meine zittrigen Hände in meinem Schoß. Ich wagte nicht, Griorr direkt anzusehen und so starrte ich auf den Tisch zwischen uns. Griorr seufzte.

„Du hast dir keinen neuen Mann genommen“, sagte er. Eine Feststellung mit einer versteckten Frage.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Hattest du keine Angebote?“

„Ein paar“, erwiderte ich ausweichend.

„Aber ...?“

„Ich war ... nicht interessiert.“

„Verstehe.“

„Sie ... Die Männer waren – alt.“

„Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe und das tut mir leid, Diarra. Doch du weißt, dass wir beide nie besonders nah waren. Du bist eine wundervolle Frau, die viel zu geben hat. Der Mann, der dich bekommt, kann sich glücklich schätzen. Du verdienst jemanden, der dich zu schätzen weiß. Vielleicht hättest du woanders mehr Glück, einen passenden Mann zu finden.“

Mein Herz klopfte schneller.

„Du ... du willst mich aus dem Dorf verstoßen?“

„Nein, Diarra. Natürlich will ich dich nicht verstoßen. Doch du bist offensichtlich unglücklich hier. Und wie es sich ergibt, hat sich eine einzigartige Möglichkeit aufgetan, die dir vielleicht zusagen würde.“

„Was ... was für eine Möglichkeit?“

Ich hatte keine Ahnung, was für eine Möglichkeit er meinen könnte. Ich wagte nicht zu hoffen, dass ich vielleicht doch noch mein Glück finden konnte. Wenn ich zu sehr hoffte und es nicht geschah, dann würde es mich endgültig brechen. Doch als ich Griorr ansah, darauf wartend, dass er mir erklärte, was er meinte, klopfte mein dummes Herz aufgeregt in meiner Brust und mein Magen war hoffnungslos und schmerzhaft verknotet.

„Die Alien Breeds und die Menschen haben eine neue Siedlung zwischen der Kolonie im Westen und der im Osten. Sie wollen diese Siedlung mit Breeds, Menschen und Jinggs bevölkern. Es würde uns helfen, voneinander zu lernen und zusammen zu wachsen. Jeder Stamm wird ein paar Männer und Frauen zu der neuen Siedlung senden. Natürlich nur Freiwillige.“ Ich gaffte ihn ungläubig an, und er sah mich abwartend an. „Nun? Wärst du interessiert?“

„Ich ... ich weiß nicht. Ich ...“

Ich hatte Schwierigkeiten, die Neuigkeiten und die damit verbundenen Möglichkeiten zu verarbeiten. Eine neue Siedlung? Eine, wo ich mit Jinggs, Alien Breeds und Menschen leben würde? Das Dorf, in dem ich geboren und aufgewachsen war, verlassen? Der Gedanke erfüllte mich mit Aufregung und Angst gleichermaßen. Es wäre eine große Veränderung. So viel Neues. Alles was ich bisher kannte, was mir vertraut war, würde ich hinter mir lassen und komplett von vorne anfangen. Konnte ich das tun? Ich hatte nie Kontakt mit Menschen gehabt und Diamond war die einzige Alien Breed, die ich etwas näher kannte. Ich wusste wenig über diese Fremden, was für Sitten sie hatten, wie sie dachten, fühlten. Drei unterschiedliche Völker zusammen in einer Siedlung. Konnte so etwas überhaupt gut gehen? Was, wenn die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien zu groß war? Ich kannte nur den Weg der Jinggs. Unsere Art zu leben. Unsere Struktur und Hierarchie der Gesellschaft. An Diamonds Beispiel allein konnte ich sehen, wie unterschiedlich die Breed Frauen waren zu und Jinggs. Diamond war stark, stur, mutig. Sie hatte keine Angst, sich gegen ihren Gefährten zu behaupten oder gar sich gegen ihn aufzulehnen. Ich hatte viele Male mitbekommen wie die beiden sich manchmal stritten. Ich könnte niemals so sein wie sie.

„Du hast drei Tage Zeit, es dir zu überlegen“, unterbrach Griorr meine rasenden Gedanken. „Wenn du dann nicht zugesagt hast, muss ich einen anderen Freiwilligen finden.“

Mein Herz galoppierte schneller und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich würde eine Entscheidung treffen müssen, wenn ich meine Chance nicht vertun wollte. Eine Chance, neu anzufangen. Wo niemand von meiner Schande wusste, dass mein vorheriger Herr mich nicht mehr gewollt hatte, weil er – eine andere gefunden hatte. Trotz meiner Angst vor dem Unbekannten hatte der Gedanke etwas Verlockendes. Ein neues Leben, wo ich vielleicht einen Mann finden konnte, der mich wollte. Ich könnte meinem Leben neuen Sinn geben, indem ich mithalf, ein neues Dorf aufzubauen. Doch wenn ich mich nicht entschied, dann würde jemand anderer die Chance bekommen.

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf, als ich gewahr wurde, dass Griorr aufgestanden war und im Begriff war zu gehen.

„Ich ... Ja, ich will gehen!“, rief ich aus.

Griorr sah mich prüfend an.

„Bist du sicher? Du hast noch drei Tage Zeit, es dir in Ruhe zu überlegen.“

„Ich bin sicher! Ich will gehen!“

Ein Lächeln trat auf Griorrs Gesicht. Er nickte.

„Okay. Dann komm in vier Tagen eine Einheit vor dem Morgenmahl hierher, und ich werde dir und den anderen Freiwilligen die Einzelheiten erklären.“

„Okay. Ich werde da sein!“, versprach ich.

Griorr nickte erneut, dann wandte er sich ab und ging durch den Saal in Richtung seiner kleinen Familie. Ich schloss die Augen und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. Aufregung erfüllte mich, als ich begann mir auszumalen, wie mein neues Leben aussehen könnte. Eine einzelne Träne lief über meine Wange, doch es war eine Träne des Glücks und der Hoffnung.

Diarra

Подняться наверх