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ОглавлениеKapitel 1
Moon
Ich zog die Mütze des Hoodies tiefer in mein Gesicht und beschleunigte meine Schritte. Mit der Kapuze tief gezogen, den Kopf gesenkt, hoffte ich, nicht von irgendwelchen Überwachungskameras identifiziert zu werden. Mittlerweile war das Task Force sicher schon auf der Suche nach mir. Ich bezweifelte, dass sie mein Verschwinden vor dem Morgen bemerkt hatten, und ich war abends aus der Zentrale des Task Force geflohen. Das war jetzt beinahe vierundzwanzig Stunden her. Ich hatte also ein wenig Vorsprung. Auch wenn es nicht genug war, um das Task Force abzuschütteln. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, dass ich abgehauen war. Ich hatte nicht vor, etwas Unrechtes zu tun. Alles, was ich wollte, war, meine Gefährtin zu finden. Ich hatte mir seit einer Weile eine Gefährtin gewünscht, doch seit man mir das Implantat entfernt hatte, welches mein Biest unterdrückte, war alles anders. Mein Biest und ich waren endlich einmal in Harmonie. Und was mein Biest wollte, war ein Weibchen. Unser Weibchen. Das Einzige, was mir ein schlechtes Gewissen verschaffte, war, dass ich fünfhundert Dollar aus Liams Büro gestohlen hatte. Doch es war notwendig. Ich brauchte etwas Geld in dieser Menschenwelt. Die ABU konnte es mir später von meinen Credits abziehen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie viele Credits fünfhundert Dollar waren, doch ich war zuversichtlich, dass ich genügend auf meiner Karte hatte. Die Gerüche hier in dieser riesigen Stadt waren eine Tortur für meine Sinne. Ich konnte mir nicht vorstellen, was die Menschen dazu bewegte, in der Stadt zu leben. Vielleicht lag es einfach daran, dass ihre Nasen so schlecht waren und sie den Gestank nicht wahrnahmen. Es waren nicht nur die Abgase von den Fahrzeugen. Es gab eine Vielzahl von unangenehmen Gerüchen. Abfall. Urin. Ungewaschene Leiber. Penetrantes Parfüm. Hundekot. Wie sollte ich inmitten dieses Gestanks nur den Geruch meiner Gefährtin aufspüren? Wenn sie sich denn in dieser Stadt befand. Sie könnte sich im schlimmsten Falle auf der anderen Seite dieses Planeten befinden. Ich könnte vielleicht Jahre hier auf der Erde herum irren, ohne sie jemals zu finden. Der Gedanke betrübte mich. Vielleicht war dies alles eine dumme Idee gewesen. Doch wenn ich nicht versuchte, sie zu finden, dann würde es niemals geschehen. Vielleicht würde das Schicksal mich zu ihr führen, wie es bei meinen Brüdern geschehen war. Ich erreichte eine Treppe, die nach unten führte. Menschen strömten die Treppe auf und ab. Ein Schild verriet mir, dass es sich um eine U-Bahn Station handelt. Ich mochte mich hier nicht auskennen, doch ich wusste, dass die U-Bahn mich schneller weiter von der Zentrale wegbringen würde. Da ich keine Ahnung hatte, wo ich meine Suche starten sollte, war es egal, wohin die Bahn führte. Hauptsache, ich brachte mehr Abstand zwischen meine Verfolger und mich. Wenn ich doch nur wüsste, wie man die Fahrzeuge bediente, dann würde ich einen Wagen stehlen und damit weit weg fahren. Vorzugsweise aus dieser verdammten Großstadt heraus. Ich hatte mich in der Wildnis viel wohler gefühlt, als wir nach Grief gesucht hatten. Dort hatten auch Menschen gewohnt, doch es waren alles nur kleine, oftmals weit voneinander entfernte Siedlungen gewesen. Wie groß war die Chance, dass meine Gefährtin in einer dieser kleinen Siedlungen lebte? Ich schüttelte seufzend den Kopf. Mit gesenktem Kopf bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmasse die Treppen hinab. Ich folgte dem größten Strom der Menschen und nach einer Art Tunnel landeten wir in einer Halle mit Schranken. Die Menschen hielten eine Karte an ein Gerät und passierten die Schranken. Verdammt. Wie kam man an eine dieser Karten? Die Schranken waren niedrig genug, um darüber zu springen, doch das würde unweigerlich Aufmerksamkeit erregen. Das war etwas, was ich mir nicht erlauben konnte.
“Entschuldigung”, fragte ich eine ältere Frau. “Wo bekomme ich eine von diesen Karten?”
Die alte Dame blinzelte zu mir auf. Würde sie erkennen, dass ich kein Mensch war? Meine Kopfform wurde von der Kapuze verdeckt, doch meine Augen könnten mich verraten, wenn ich sie direkt ansah.
“Sie können eine Fahrkarte in einem der Automaten dort lösen”, sagte sie, zu einer Reihe von Maschinen deutend, die an einer der Wände entlang platziert waren.
“Oh. Okay. Danke.”
“Gern geschehen, junger Mann”, sagte die Dame und wandte sich ab.
Ich schlenderte zu den Maschinen, oder Automaten, wie die Dame sie genannt hatte. Es gab eine ganze Reihe von Knöpfen und Funktionen und ich runzelte die Stirn. Warum musste alles in dieser verdammten Welt der Menschen so kompliziert sein?
Ich fühlte mich erschöpft, als ich endlich in der Bahn saß. Nachdem ich eine ganze Weile versucht hatte auszutüfteln, wie man eine verdammte Karte aus dem Automaten bekam, hatte ein junger Mann in Anzug sich meiner erbarmt und mir geholfen, eine solche Karte zu erwerben. Nun saß ich eingezwängt zwischen so vielen Fremden, dass mein Biest begann, unruhig zu werden. Auch wenn bisher niemand gemerkt zu haben schien, dass ein Alien Breed zwischen ihnen saß, so war ich verdammt nervös. Alle paar Minuten hielt die Bahn und Leute strömten aus und in die Bahn. Als wir erneut stoppten, regte sich mein Biest. Ein betörender Duft erreichte meine Nase und ich konnte nur mit Mühe ein Knurren unterdrücken. Hatte ich tatsächlich mein Weibchen gefunden? Ich wandte den Kopf zur Tür, wo ein Paar gerade eingestiegen war. Die Frau war klein und zierlich. Ihre blonden Locken hingen ihr bis zu den schmalen Schultern. Sie hatte eine blasse Haut und Sommersprossen. Sie trug eine große Sonnenbrille, was ich seltsam fand. Der Kerl bei ihr war groß und breit gebaut. Er war dunkelhäutig und hatte eine Menge Tattoos. Eine schwere Goldkette hing um seinen dicken Hals. Eine Aura von Brutalität ging von ihm aus. Unter dem süßen Duft des Weibchens, welcher meine Aufmerksamkeit erregt hatte, lag der scharfe Geruch von Angst. Der Mann fasste sie grob beim Arm und zerrte sie zu einer Sitzbank. Nach einem drohenden Blick machte ein junger Mann seinen Sitz frei und der Kerl ließ sich in den Sitz fallen. Ich runzelte die Stirn, warum der Bastard den Sitz für sich selbst beanspruchte, anstatt die Frau sitzen zu lassen. Es war offensichtlich, die beiden waren ein Paar. Aber es war auch offensichtlich, dass die Frau Angst vor dem Mann hatte. Sie war wahrscheinlich nicht freiwillig mit ihm. Mein Biest wollte, dass wir den Hurensohn in Stücke rissen und die Frau – unser Weibchen – mit uns nahmen. Doch ich besaß genug Kontrolle, um den Drang zu unterbinden. Es würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Ich würde ihnen folgen, und wenn sich eine Gelegenheit ergab, würde ich mein Weibchen aus den Klauen des brutalen Arschlochs befreien.
Bella
Ich hatte Mühe, mein Zittern zu unterdrücken, als wir die U-Bahn betraten. Moses war heute in besonders mieser Laune. Koks im Wert von hunderttausend Dollar war verschwunden und er verdächtigte Leo, meinen Bruder. Um ehrlich zu sein, ich hatte denselben Verdacht. Seit mein Bruder abhängig geworden war, war er nicht mehr der Alte. Die Sucht war alles, an was er denken konnte. Einst war er mein Beschützer gewesen. Nie hätte er erlaubt, dass ein Mann wie Moses mir Gewalt antat. Doch um seine Schulden zu tilgen, hatte er mich an dieses Monster verschachert. Natürlich hatte ich versucht, abzuhauen. Doch Moses Männer hatten mich im Handumdrehen aufgespürt. Nachdem Moses seine Wut an mir ausgetobt hatte, hatte er meinen Bruder vor meinen Augen zusammen geschlagen. Der Bastard wusste genau, dass ich meinen Bruder trotz allem über alles liebte und dass es für mich mehr Strafe war, ihn leiden zu sehen, als selbst zu leiden. Seitdem hatte ich keine Versuche mehr gemacht zu entkommen. Stattdessen versuchte ich alles, um abzustumpfen. Die Grausamkeit des Mannes, der mich nun seinen Besitz nannte, nicht an mich herankommen zu lassen. Doch es funktionierte nicht immer. Ich war ständig nervös, angstvoll darauf bedacht, nichts Falsches zu sagen oder zu tun. Niemals Moses Ärger auf mich zu ziehen. Doch er brauchte keine Entschuldigung, um mir wehzutun. Egal wie sehr ich mich bemühte, gut zu sein, er fand immer Gelegenheit, mich zu quälen. Moses schleifte mich mit sich zu einer Sitzbank. Nachdem er einen jungen Mann drohend angeblickt hatte, erhob sich dieser und Moses setzte sich auf den freien Platz. Ich hielt den Kopf gesenkt. Ich war nicht erlaubt, Moses anzusehen oder Blickkontakt mit anderen zu machen. Die anderen Fahrgäste ließen mitleidige Blicke über mich gleiten, doch wandten sich dann wieder ihrem eigenen Leben zu. Niemand half mir. Ich hatte das bereits lernen müssen. Selbst als Moses mich einmal mitten auf der Straße ins Gesicht geschlagen hatte, waren die Leute einfach weiter geeilt. Niemand wollte sich einmischen. Es war unschwer zu erkennen, was für ein Mann Moses war. Ein Gangbanger. Ein gewalttätiger Krimineller. Ich spürte jedoch noch immer Augen auf mir. Es juckte mich nachzuschauen, doch ich wagte es nicht, den Kopf zu heben. Vorsichtig schielte ich zu Moses. Gut, dass die Sonnenbrille nicht nur mein Veilchen, sondern auch meine Augen verbarg. Moses hatte sein Handy herausgeholt und zockte ein Casino-Spiel. Kaum merklich hob ich den Kopf ein wenig und ließ meinen Blick umher schweifen, bis ich den Mann gefunden hatte, der in meine Richtung starrte. Er war noch riesiger und breiter gebaut als Moses. Er hatte die Kapuze seines Hoodies so tief ins Gesicht gezogen, dass ich seine Augen nicht erkennen konnte. Dennoch wusste ich, er starrte in meine Richtung. Mein Magen machte einen doppelten Salto. Dies war ein Mann, der es mit Moses aufnehmen könnte. Doch er wirkte nicht vertrauenswürdiger als der Mann, der mich seit Monaten quälte. Mit einem kaum hörbaren Seufzen senkte ich den Kopf erneut. Wenig später erreichten wir unsere Station und Moses erhob sich. Er packte mich beim Arm und zerrte mich mit sich. Aus den Augenwinkeln wurde ich gewahr, dass der Typ mit dem Hoodie ebenfalls aufstand. Zufall? Oder folgte er uns? Meine Knie waren ganz weich, als ich die verschiedenen Möglichkeiten durchging, was geschehen könnte. Ich erlaubte mir eine kleine Fantasie, in welcher der Fremde mich aus Moses Klauen befreite. Auch wenn es unwahrscheinlich war, so hielt ich daran fest. Es war eine bessere Variante als die, wo der Fremde uns überfiel, Moses tötete, um mich zu vergewaltigen. Wir erreichten das Wohnhaus, indem Moses und einige seiner Männer lebten. Moses’ Reich erstreckte sich über die gesamte obere Etage. Von außen sah das Gebäude genauso heruntergekommen aus wie der Rest der Gegend, doch innen hatte Moses eine Menge seines Geldes in luxuriöse Einrichtung gesteckt. Der Fahrstuhl fuhr nur dann zur oberen Etage, wenn man einen Code eingab. Nur Moses und sein Partner Gunner hatten den Code. Nicht einmal ich kannte die Nummern. Auf diese Weise konnte ich aus dem Obergeschoss nicht entkommen, denn ich konnte nicht einmal den Fahrstuhl rufen, ohne den Code einzugeben. Und ich war nicht lebensmüde genug, um zu versuchen, aus dem sechsten Stock zu springen. Laute Musik drang aus dem Haus, als Moses die Eingangstür öffnete. Ergeben folgte ich ihm ins Innere, doch nicht ohne noch einmal einen Blick zurückzuwerfen. Von dem Hoodie-Mann war weit und breit nichts zu sehen. Enttäuschung mischte sich mit Erleichterung. Weder hatte der Fremde mich befreit, noch hatte er mich vergewaltigt.
“Komm schon”, knurrte Moses, mich zum Fahrstuhl schleifend. “Mach dich auf was gefasst, wenn wir oben sind. Ich werd dafür sorgen, dass du eine Woche nicht laufen kannst, du nutzlose weiße Schlampe.”
Tränen quollen aus meinen Augen, als ich Moses in den Fahrstuhl folgte. Moses war wirklich schlecht drauf und ich wusste, ich würde heute Nacht leiden. Wenn er drohte, ich würde eine Woche nicht laufen können, dann war das eher eine Untertreibung. Denn wenn er einmal in Fahrt war, dann schaukelte sich seine Aggression höher und höher. Eines Tages würde er zu weit gehen und mich umbringen. Ich wusste es. Ein Teil von mir wünschte, er würde es endlich tun und mich von meinem Leben in Angst erlösen. Manchmal dachte ich daran, ihn so zu reizen, dass er alle Kontrolle verlor. Doch ich war zu feige, um den Plan in die Tat umzusetzen.
Moon
Alles in mir schrie danach den Bastard, der mein Weibchen hatte, zu überfallen und meine Gefährtin zu befreien. Doch auch wenn es mittlerweile spät war und es dunkel geworden war, so waren noch immer zu viele Menschen auf den Straßen. Ich konnte nicht riskieren, gesehen zu werden. Doch ich würde den Bastard töten. Auf dem Weg von der U-Bahn war der Geruch der Angst, der von meiner Gefährtin ausging, immer stärker geworden. Ebenso wie der Geruch von Aggression, der von dem Hurensohn ausgegangen war. Er würde meinem Weibchen wehtun, sobald er sie irgendwo allein hatte. Ich konnte es nicht nur spüren, sondern auch riechen. Seine Aggression mischte sich mit Erregung und mein Biest gewann beinahe die Oberhand. Niemand würde unserem Weibchen Gewalt antun, erst recht keine sexuell Gewalt. Sie gehörte uns. Ich stand auf dem Dach eines Gebäudes und schaute auf die Straße hinab zu dem Haus, das der Mistkerl mit meiner Gefährtin gerade betreten hatte. Ehe sie ins Innere verschwunden war, hatte sie sich noch kurz umgeschaut. Hielt sie nach mir Ausschau? Spürte sie den Bund? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie war ein Mensch. Sie würde den Bund so schnell nicht spüren. Wahrscheinlich hoffte sie nur, dass jemand zu ihrer Rettung kam.
Halte durch, Angel. Ich komme für dich.
Ich beobachtete das Haus genau. Die meisten Fenster waren erleuchtet, doch das gesamte Obergeschoss lag im Dunklen. Als nur kurze Zeit später das Licht in einem der oberen Fenster anging, wusste ich, dies war, wo ich meine Gefährtin finden würde. Ich zog meinen Hoodie über den Kopf und ließ die Verwandlung über mich kommen. Ich wuchs sowohl in Höhe als auch in Breite. Meine Fänge wurden länger. Scharfe Krallen wuchsen aus meinen Fingern und an meinen Ellenbogen. Meine Augen röteten sich und meine Sicht wurde noch schärfer als zuvor. Alle meine Sinne waren jetzt um ein Vielfaches verstärkt. Dann, als Letztes, drangen meine Flügel aus meinem Rücken. Sie sahen aus wie Drachenflügel und waren ebenfalls mit Krallen versehen. Wir hatten zuvor nie wirklich gewusst, wie unsere Biestform aussah. Nur durch Dread hatten wir eine Vorstellung davon bekommen können. Doch Dread hatte vor der Entfernung seines defekten Implantats nur teilweise seine Biestform annehmen können. Er hatte keine Flügel gehabt. Ich breitete meine Flügel aus und stellte mich auf die niedrige Mauer, die das Flachdach umgab. Mit ausgebreiteten Armen und Flügeln ließ ich mich nach vorn fallen. Ich brauchte nur wenige Flügelschläge, um das Dach des gegenüber liegenden Hauses zu erreichen, in dem sich meine Gefährtin befand. Ein Knurren kam über meine Lippen, als ich die ärgerliche Stimme des Mannes und die schluchzenden Bitten meiner Gefährtin hörte. Ohne weiter nachzudenken, ließ ich mich erneut vom Dach in die Tiefe gleiten und krachte durch das Fenster in das Zimmer, wo der Hurensohn mein Weibchen hielt. Er hatte seine riesige Hand um ihre zarte Kehle geschlossen, während er mit der freien Hand ihre Bluse zerriss. Er wandte den Kopf, als die Scheibe barst und ich mit einem Brüllen auf dem Fliesenboden landete.
“W-was...?”, stammelte er, seine Augen weit vor Angst.
Mein Weibchen starrte mich geschockt an, den Mund zu einem lautlosen Schrei aufgerissen. Der Hurensohn hatte sie losgelassen und sie taumelte, ehe sie auf das Bett fiel. So schnell sie konnte, rappelte sie sich auf und kroch über das Bett, um sich dahinter zu verkriechen. Ich hatte keine Zeit, ihr zu versichern, dass alles okay war, denn der Mistkerl, der ihr Gewalt angetan hatte, zog eine Waffe und feuerte. Meine Gefährtin schrie und ich brüllte, dann stürzte ich mich auf den Mann.
Bella
Moses riss mir die Bluse auf, als plötzlich das Fenster zerbarst und ein Monster mit einem unmenschlichen Brüllen ins Zimmer gekracht kam. Moses wandte sich zu dem Wesen um, ohne seine Hand von meiner Kehle zu nehmen.
“W-was...?”, brachte er geschockt hervor.
Ich starrte das Wesen aus weiten Augen an. Mein Schrei war mir in der Kehle stecken geblieben. Mein Herz galoppierte in meiner Brust und ich war mir sicher, dass ich mich jeden Augenblick einnässen würde. Bisher hatte ich gedacht, ich würde nichts und niemanden mehr fürchten als Mose. Ich hatte falschgelegen. Ich war vor Angst wie gelähmt. Als Moses mich losließ, um nach seiner Waffe zu greifen, taumelte ich auf meinen plötzlich knochenlosen Beinen und fiel auf das Bett. Ein Schuss erklang. Moses hatte auf das Biest geschossen. Ich war zu verängstigt, um hinzusehen, ob er getroffen hatte. Nach einer Schrecksekunde rappelte ich mich auf und krabbelte über das Bett um mich dahinter zu verstecken. Das Biest brüllte und ich schrie. Ich lugte über das Bett hinweg und sah, wie das Monster auf Moses zu stürmt, obwohl der mehrere Schüsse abfeuerte, die alle in den Oberkörper des Biests eindrangen. Doch es schien, als wenn es die Kugeln nicht einmal spürte. Es packte Moses bei der Kehle, genau so, wie Moses zuvor mich bei der Kehle gehalten hatte. Moses versuchte erneut zu schießen, doch das Magazin war leer.
“Hilfeeee!”, schrie er und versuchte panisch, das riesenhafte Biest abzuschütteln.
Ich hatte keine Ahnung, um was für eine Kreatur es sich handelte. Ich hatte nie zuvor etwas dergleichen gesehen. Die Gesichtszüge könnten beinahe menschlich aussehen, wenn sie nicht zu solch einer Grimasse verzogen wären. Und wenn da nicht die langen Fänge und roten Augen wären. Das Wesen war weit über zwei Meter groß und gebaut wie Hulk. Die scharfen Krallen an den Fingern und an den Ellenbogen sahen aus, als wenn sie mühelos durch Fleisch und Muskeln reißen könnten. Die Flügel erinnerten mich an eine Fledermaus. Oder an einen Drachen. Sie waren ebenfalls mit Krallen bestückt.
“Niemand wird dir helfen,” knurrte die Bestie. “So wie niemand dem Weibchen geholfen hat, wenn du deine schmutzigen Finger an sie legst. Doch das hat nun ein Ende. Nie wieder wirst du ihr oder irgendeinem anderen Weibchen wehtun.”
“Du... du willst die... die Schlampe?”, stammelte Moses. “Du kannst sie ha-haben. I-ich brauch sie ni-nicht mehr. Nimm sie. Nur l-lass mich in... in Ruhe.”
“Oh, ich werde sie nehmen”, knurrte das Monster. “Sie ist mein. Doch du wirst sterben.”
Mit diesen Worten riss das Monster mit den Krallen seiner freien Hand tiefe Wunden in Moses Oberkörper. Moses brüllte in Agonie. Der Geruch von Urin füllte den Raum.
“Nicht so lustig, wenn du derjenige bist, der leiden muss, huh?”
“Bitte. Lass mi-mich.”
Doch das Monster grinste nur zynisch. Es hob Moses bei der Kehle in die Luft, als wöge Moses nicht mehr als eine Stoffpuppe. Dann rammte er Moses mit dem Rücken gegen die Wand. Die freie Krallenhand riss Moses Jogginghose samt Boxers hinab und mit einem Ruck hatte er den Mann entmannt, der mich unzählige Male vergewaltigt hatte. Moses Schreie waren ohrenbetäubend. Ich würde Genugtuung verspüren bei dem Anblick, wenn ich nicht so verdammte Angst vor dem Monster hätte. Ich hatte keine Ahnung, was es mir antun würde. Es wollte mich? Wieso? Ich warf einen Blick zur Tür und überlegte, ob ich entkommen konnte. Doch ich würde nicht in den verdammten Fahrstuhl kommen. Verdammt. Ich saß hier fest. Ein Schluchzen kam über meine Lippen. Das Monster wandte ruckartig den Kopf zu mir um und ich wimmerte. Oh nein, ich hatte seine Aufmerksamkeit auf mich gelenkt.
“Bitte”, flüsterte ich mit erstickter Stimme.
“Hab keine Angst, Angel”, knurrte das Monster mit seiner rauen, dunklen Stimme. “Ich würde dir nie wehtun.”
Seine Züge waren weicher, menschlicher geworden als er mich ansah. Trotzdem wirkte er nicht minder monströs oder gefährlich. Das Biest wandte sich wieder Moses zu, der bewusstlos in seinem Griff hing. Mit dem Handrücken schlug es Moses ins Gesicht und weckte ihn auf. Sofort fing Moses an zu brüllen.
“Gute Nacht, Arschloch”, knurrte das Biest.
Es packte Moses’ Kehle fester. Die Krallen bohrten sich tief in Moses’ Hals. Blut spritzte und Moses gab gurgelnde Geräusche von sich. Dann wurde er erneut schlaff. Diesmal schien er tatsächlich tot zu sein. Das Biest ließ ihn mit einem verächtlichen Geräusch zu Boden fallen. Ich starrte auf die Szene, ohne einen Laut von mir zu geben. Ich war zu geschockt. Angst lähmte nicht nur meine Glieder, sondern auch meine Kehle. Langsam kam das Biest auf mich zu. Ich erwachte aus meiner Starre, als mein Überlebensinstinkt endlich die Oberhand gewann. Ich sprang auf die Beine und versuchte, an dem Biest vorbei zur Tür zu fliehen. Ein riesiger Arm packte mich um meine Mitte und riss mich an eine unnatürlich breite Brust. Ich wandte mich in seinem Griff, panisch zu ihm aufsehend.
“Nein! Bitte.”
“Shhh, Angel. Hab keine Angst. Ich bin gekommen, dich zu retten. Nicht, dir etwas anzutun.”
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Plötzlich ging eine Veränderung durch ihn. Er schrumpfte. Nicht viel, doch zu etwas menschlicheren Maßen. Die Krallen verschwanden, ebenso die Flügel. Ich starrte verwirrt zu ihm auf. Auch sein Gesicht änderte sich, wurde menschlicher. Er sah jetzt beinahe aus wie ein – ein Alien Breed?
“Was...?”
“Shhh. Du bist sicher. Doch wir müssen hier weg, ehe die anderen Männer kommen. Die laute Musik unten hat wahrscheinlich geholfen, dass sie nichts mitbekommen haben.”
“Ich verstehe nicht”, murmelte ich, ihn noch immer ungläubig anstarrend. “Du... du siehst aus wie... wie ein...”
“Wie ein Breed?”
Ich nickte.
“Ich bin ein Alien Breed, Angel.”
“Aber... Ich dachte nicht... die... die Breeds könnten... fliegen, und...”
“Ich erklär es dir später. Jetzt müssen wir hier weg. Der sicherste Weg ist zurück durch das Fenster. Doch ich muss mich dafür zurückverwandeln. Fürchte dich nicht. Okay?”
Ich schluckte schwer. Wenn er ein Breed war, hieß das, dass er wirklich einer von den Guten war? Doch ich hatte nie davon gehört, dass die Breeds sich verwandeln konnten. Und was meinte er, zurück durch das Fenster? Wir waren im sechsten Stock!
Er hat Flügel, warf meine innere Stimme hilfreich ein.
Ich schluckte erneut. Fliegen? Er wollte mit mir fliegen?
“Ich... ich hab... hab Höhenangst.”
“Mach einfach die Augen zu. Ich verspreche dir, es wird dir nichts geschehen.”
Das Biest – oder der Breed – ließ mich los und verwandelte sich erneut. Mit einer Mischung aus Furcht und Faszination sah ich zu, wie die Verwandlung vonstatten ging. Als er wieder wie das Monster aussah, welches in das Zimmer gekracht war, hob er mich plötzlich auf seine Arme und trug mich zum Fenster. Ich kniff die Augen zusammen und klammerte mich an ihn. Ich spürte, wie er sprang und ein Schrei kam über meine Lippen. Ich riss die Augen auf und sah den Abgrund unter mir. Dann wurde alles schwarz um mich herum.