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Kapitel 1


Flame

Manchmal war es eine Plage, ein Anführer zu sein. Ich hatte mir nicht ausgesucht, der Sprecher für meine Leute zu sein, doch es hatte sich einfach so ergeben. Die SPs, aber auch andere Breeds im Camp kamen mit ihren Problemen und Beschwerden zu mir. Wenn ich die Sache nicht selbst lösen konnte, dann wandte ich mich an einen der Aufseher, so wie jetzt.

„Okay, Flame, erzähl noch mal, was genau das Problem ist“, forderte Terror.

Terror war selbst einer der schwierigen Fälle hier im Camp gewesen, ein Insasse, doch er hatte sich so gut verhalten, dass man ihm mehr Freiheiten gegeben hatte und gewisse Aufgaben anvertraute. Er arbeitete jetzt mit den Aufsehern zusammen.

„Die Männer sind unruhig, weil die Weibchen separat gehalten werden“, erklärte ich.

„Wir haben dies zur Sicherheit der Fraue... – Weibchen getan“, erklärte Hawk, einer der Aufseher, geduldig, doch bestimmt. „Wir haben dreizehn Männer hier, vier davon SPs, und nur drei Fra... – Weibchen. Wenn wir sie nicht extra unterbringen würden, dann könnten wir nicht für ihre Sicherheit garantieren. Kannst du mir versichern, dass alle deine SPs ihren Breeding-Instinkt so gut unter Kontrolle haben, dass sie den Frauen – ähm, Weibchen, keine Gewalt antun?“

Ich schüttelte den Kopf. Die SPs waren ein schwieriger Haufen. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie schwer es war, die Instinkte in den Griff zu bekommen, die Teil unserer Alien DNA waren. Im Gegensatz zu den Alien Breeds, die mehr menschlich waren, hatten wir so viel Alien DNA, dass wir nicht nur aussahen wie Monster, sondern uns auch oft so verhielten. Manchmal wünschte ich, die Menschen hätten uns bei unserer Befreiung einfach abgeknallt. Hätte ihnen und auch uns viel Ärger erspart. Es gab Momente, wo ich meine Existenz hasste. Ich wollte wie die anderen Breeds in der Kolonie leben, frei sein, eine Gefährtin haben. Alles Dinge, die uns SPs aus guten Gründen verwehrt blieben. Ich konnte nachvollziehen, warum man uns keinen Zugang zu den Weibchen erlaubte, doch ich war nun einmal Sprecher meiner Leute, also musste ich die Sache vortragen. Nicht, dass ich damit rechnete, damit irgendwelchen Erfolg zu haben.

„Nein, ich kann nicht dafür garantieren“, sagte ich seufzend. „Doch ich kann garantieren, dass es einen Aufstand geben wird, wenn meine Männer keine Erleichterung für ihren aufgestauten sexuellen Frust finden.“

Hawk nickte.

„Ich verstehe“, sagte er. „Ich werde mich mit den Fra... – Weibchen unterhalten um zu sehen, ob sie überhaupt bereit für sexuelle Kontakte mit deinen Männern sind. Dann erst kann ich dir mehr dazu sagen. Berichte deinen Männern, dass ich mich des Problems annehme, doch dass sie etwas geduldig sein müssen.“

„Okay“, erwiderte ich. „Ich werde mit ihnen reden. – Doch ich warne dich: sie sind extrem unruhig und du weißt, dass ihr Instinkt stärker ist als ihr Verstand. Ich fühle mich selbst rastlos und unzufrieden. Ich kann ihre Unruhe verstehen.“

„Es ist ein Jammer, dass der ganze Vorrat an TX320 verloren gegangen ist“, seufzte Hawk. „Es kann Wochen dauern, um eine neue Kolonie zu züchten und TX320 herzustellen.“

Ich stimmte mit einem Brummen zu.

TX320 war eine von DMI entwickelte Droge, um den Sex Trieb von uns SPs zu bremsen. Leider war kürzlich der gesamte Bestand bei einem Laborbrand vernichtet worden und nun musste die Droge mühsam erneut hergestellt werden. Sie wurde aus einer bestimmten Schimmelsorte hergestellt und es war ein langwieriger Prozess.

„Okay. Gibt es noch etwas anderes, was du auf dem Herzen hast?“, wollte Hawk wissen.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, dies ist unser dringendstes Problem, wenn wir das gelöst haben, lösen sich alle anderen von alleine auf.“

„Was für Probleme sind das?“, fragte Hawk scharf.

„Nörgeleien am Essen, Kämpfe unter den Männer und so weiter – doch das hängt alles mit der Rastlosigkeit der Männer zusammen.“

„Was stimmt nicht mit dem Essen?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Es ist nichts. Die Männer suchen nur nach einem Grund, um Ärger zu machen. – Wie schon gesagt: es hängt alles mit dem sexuellen Überdruck zusammen. Wenn sie den loswerden, dann werden auch die anderen Probleme aufhören.“

Hawk seufzte.

„Okay. Dann hoffen wir, dass wir das Problem schnell lösen können.“

Als ich am Nachmittag im Trainingsraum auf einen Sandsack ein boxte, kam es zu einem Tumult zwischen Thor und Savage. Ich hatte keine Ahnung, was zu dem Streit geführt hatte, doch plötzlich stürzte sich Savage mit einem Brüllen auf Thor und binnen Sekunden brach die Hölle los. Andere Breeds stürzten sich ins Kampfgetümmel. Ich sah, wie einer der Aufseher zu Boden ging.

Ich hatte von meinem Sandsack abgelassen und stürmte auf Thor und Savage zu, die das Ganze angefangen hatten. Ich hoffte, dass, wenn ich sie dazu bringen konnte aufzuhören, die anderen sich auch wieder beruhigen würden. Mit einem Brüllen stürzte ich mich von hinten auf Thor, um ihn zur Seite zu reißen. Ich stand Auge in Auge mit Savage, dessen rote Augen zeigten, dass er vollkommen die Kontrolle über sein inneres Biest verloren hatte.

„STOPP!“, brüllte ich, doch der SP war zu sehr in seiner Rage gefangen, um auf mich zu hören. Er warf sich auf mich und ich boxte ihm mit allem was ich hatte in den Magen.

„Heavy, du siehst zu, dass du Darkness hier heraus bekommst. Jemand von der Krankenstation sollte jeden Moment hier eintreffen. Sorge dafür, dass Darkness versorgt wird!“, hörte ich plötzlich jemanden brüllen. Es klang nach Hawk. Sie mussten den Tumult bemerkt haben und waren hier, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Wie ich die Sache einschätzte, konnte sich das als schwierig erweisen.

Ich schleuderte Savage zur Seite, und er krachte in die Geräte, wo er bewegungslos liegen blieb.

„Okay. Ich kümmre mich drum!“, hörte ich Heavy antworten.

Ich wandte mich um und sah Hawk, Heavy und Terror.

„Gut! Terror, du gehst dort rüber und unterstützt Saber“, ordnete Hawk an. „Sieht so aus, als könne er ein wenig Hilfe gebrauchen.“

„Okay“, stimmte Terror zu und rannte los.

Jemand sprang mich von hinten an und ich fluchte. Ich war abgelenkt gewesen und hatte für einen Moment nicht auf das geachtet, was unmittelbar um mich herum geschah.

Wir gingen zu Boden. Ich rollte mich herum, brachte meinen Angreifer unter mich. Es war Thor.

„Fuck! Was zum Teufel ist nur los mit euch Idioten?“, brüllte ich und rammte seine Nase mit meinem Schädel. Es knirschte, und Thor brüllte als seine Nase brach. Ich bearbeitete sein Gesicht mit meiner Faust. So langsam wurde auch ich richtig wütend, konnte spüren, wie mein inneres Biest die Kontrolle übernahm.

Ein Schuss erklang, dann ein weiterer.

„Genug!“, hörte ich Hawk brüllen. „Wen soll ich noch auf die Krankenstation bringen?“

Thor hörte auf, sich unter mir zu bewegen, und ich sprang auf, schaute mich um. Die Kämpfe stoppten nach und nach. Die Männer blickten unschlüssig umher. Einige fluchten, andere hielten sich stöhnend und schwer atmend irgendwo fest. Der Geruch von Blut und Adrenalin lag schwer in der Luft.

Ich schaute mich sorgfältig um. Hawk und seine Männer hatten die Kämpfenden irgendwie in zwei Lager gespalten und hielten sie in Schach. Hawk begab sich zu einer der Hantelbänke und stieg hinauf, um von allen besser gesehen zu werden. Er warf einen Blick in die Runde. Alles schwieg. Niemand sagte ein Wort. Auch ich starrte ihn stumm an. Das einzige Geräusch im Moment war das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren. Ich schüttelte den Kopf.

„Genau deswegen seid ihr hier und nicht in der Kolonie!“, brüllte Hawk, seinen Blick über die Versammelten gleiten lassend. „Weil ihr nicht in der Lage seid, friedlich miteinander zu leben. Ihr seid eine Gefahr für den Frieden und die Ordnung in der Kolonie. Deswegen müsst ihr euer Leben hier im Camp fristen. Und ich kann und werde eure Freiheiten hier noch weiter einschränken, wenn ihr nicht kooperiert!“

Ein aufgeregtes Murren entstand.

„Ihr fühlt euch rastlos und sexuell frustriert? – Ja, das kann ich nachvollziehen. Doch solange ihr eine Gefahr für andere – besonders für unsere Weibchen seid – werdet ihr kein Weibchen zu Gesicht bekommen. Es liegt also in eurem eigenen Interesse, euch zusammen zu reißen und euch nicht wie ein Haufen wilder Tiere aufzuführen. Seht Terror hier! Er war genauso wild und zornig wie ihr. Doch er hat sich geändert, weil er weiß, dass er seine Gefährtin sonst nie wieder sehen wird. Und wisst ihr, was seine Belohnung für dieses vorbildliche Verhalten der letzten zwei Monate ist?

Ich kann es euch sagen. Nächste Woche wird seine Gefährtin auf Eden eintreffen und dann darf Terror endlich in die Kolonie. Einer von euch. Einer, der es geschafft hat. – Und ihr könnte es auch schaffen, doch das liegt nur an euch selbst. IHR entscheidet, ob ihr hier bleiben müsst, oder ob ihr wie alle anderen freien Breeds in der Kolonie leben dürft.“

Ich beneidete Terror. Nicht nur, dass er endlich in die Kolonie durfte, sondern vor allem um seine Gefährtin. Schon für eine ganze Weile war mein inneres Biest unruhig, und ich wusste warum. Es brauchte ein Weibchen. Der Drang war stark, manchmal unerträglich. Deswegen auch die Probleme im Camp. Ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn ich mein eigenes Weibchen hatte. Sie würde stark sein. Kräftig genug, um wildem Sex mit mir Stand halten zu können. Viele Alien Breeds hatten menschliche Gefährten, doch das war etwas anderes. Sie hatten sich besser unter Kontrolle und würden ihr Weibchen nicht gefährden. Ein SP konnte sich unmöglich mit einer menschlichen Frau paaren. Sie würde das nicht überleben. Abgesehen davon sahen wir zu monströs aus, um das Interesse einer menschlichen Frau zu wecken. Es musste also ein Alien Breed Weibchen sein. Wir hatten ja leider keine weiblichen SPs.

„Sorry Flame“, riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

Ich wandte mich um. Thor stand da und schaute mich reumütig an. Sein Gesicht war blutverschmiert. Ich hatte wirklich ganze Arbeit mit seinem Gesicht geleistet.

Ich nickte.

„Sorry, dass ich dir die Nase gebrochen hab“, erwiderte ich und gab Thor einen kameradschaftlichen Schlag auf die Schulter.

„Ich hab’s nicht anders verdient.“

Thor seufzte.

„Unser Anliegen mit den Weibchen wird wohl jetzt nichts, hmm?“, fragte er zerknirscht.

„Sorry, das hat sich wahrscheinlich erst einmal auf längere Zeit erledigt“, erwiderte ich. „Hawk hat mir ausdrücklich gesagt, dass es um die Sicherheit der Weibchen geht. Solange wir uns nicht in den Griff bekommen und eine Gefahr für die Frauen darstellen, werden sie uns nicht erlauben, Kontakt mit den Weibchen zu haben.“

„Mist! Ich weiß einfach nicht, wie ich mein Biest unter Kontrolle bekommen soll. Es ist rastlos und mega angepisst. Was wir brauchen ist eine Gefährtin, oder zumindest ein Weibchen, um den Druck abzubauen.“

„Glaub mir, es geht mir nicht anders wie euch“, versicherte ich grimmig.

Meine Gedanken schweiften zu dem Weibchen, welches ich die letzten Male bei meinen heimlichen Streifzügen gerochen hatte. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war oder wie sie aussah, denn sie versteckte sich stets hoch oben in einem Baum. Doch ihr Geruch stellte etwas mit mir an. Ich hatte mir vorgenommen, sie das nächste Mal zu sehen zu bekommen. Nach dem was heute hier los gewesen war, war es jedoch fraglich, ob ich so schnell wieder von hier verschwinden konnte. Die Wachen würden sicherlich verdoppelt werden, um weitere Ausschreitungen zu verhindern. Ich spürte, wie Enttäuschung sich mit Ärger mischte. Es war besser, ich zog mich jetzt zurück, denn ich hatte plötzlich gute Lust, Thor den Arsch aufzureißen für das, was er und Savage verzapft hatten.

Wie ich es vorhergesehen hatte, wurden die Wachen im Camp verstärkt. Man hatte weitere Freiwillige aus der Kolonie angeheuert. Ich wurde mit jedem Tag unruhiger. Ich musste zu meinem Weibchen.

Moment? MEINEM Weibchen? Wo war dieser Gedanke auf einmal hergekommen. Ich wusste ja noch nicht einmal wer oder was sie war? Sie roch nicht wie ein Mensch, doch irgendwie auch nicht wie ein Breed.

Unruhig lief ich an der Mauer entlang. Kein verdammter Winkel war unbewacht. Es war zum verrückt werden. Ich spürte, wie meine innere Bestie immer unruhiger wurde. Mein Schwanz war so hart, dass ich damit ein Loch in diese verdammte Mauer rammen könnte. – Nicht, dass mir das was nutzen würde. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ein roter Schleier legte sich über meine Augen, und ein Knurren drang über meine Lippen. Das Biest in mir wollte übernehmen und meine Kontrolle hing an einem seidenen Faden. Ich wandte mich der Wand zu und tat das Einzige, was in dieser Situation noch half. Ich holte mit der Faust aus und rammte sie in die Mauer. Schmerz explodierte in meiner Faust, kroch über mein Handgelenk bis hinauf zu meiner Schulter. Ich schlug wieder und wieder auf die Wand ein, hieß den Schmerz willkommen.

„Verdammt! FLAME!“, drang eine aufgeregte Stimme durch den roten Schleier.

Hände griffen nach mir. Ich versuchte mich zu wehren, doch es dauerte nicht lange, und ich lag überwältigt am Boden. Vier Wachen über mir.

„FUCK!“, rief einer von ihnen, den ich durch den roten Schleier als Hawk erkannte. „Wir müssen die Sache endlich unter Kontrolle bekommen. Wenn wir nicht bald Nachschub an TX320 bekommen, dann haben wir hier in Kürze eine Revolte die sich gewaschen hat.“

„Ich rufe heute noch im Labor an, was so lange dauert“, erwiderte jemand.

Ich bäumte mich unter den Wachen auf und schaffte es beinahe, zwei von ihnen ab zu schmeißen.

„WO BLEIBT DIE VERDAMMTE SPRITZE?“, brüllte Hawk.

„Ich komme ja schon“, sagte eine andere Stimme.

Wenig später spürte ich eine Nadel, die in meinen Nacken drang. Ich brüllte wutentbrannt auf. Adrenalin jagte durch meinen Körper und ich bäumte mich explosionsartig auf, dass die Wachen von mir herab geschleudert wurden.

„FUCK!“, brüllte Hawk.

„Haltet ihn, verdammt noch mal!“

Ich hatte mich aufgerappelt und meine Hand schloss sich um die Kehle eines Breeds, der unglücklich genug gewesen war, sich noch in meiner Reichweite zu befinden.

Faustschläge trafen auf meinen Körper, als die anderen Wachen versuchten, mich davon abzubringen, den Breed zu erwürgen. Schwindel erfasste mich. Die verdammte Droge fing an zu wirken. Ich spürte, wie meine Kräfte rapide schwanden, bis ich den Griff an der Kehle des Breeds nicht mehr halten konnte. Schwärze überdeckte den roten Schleier. Dann wusste ich nichts mehr.

Flame

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