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TEIL I
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Wer hat Gerlinde Bauer
getötet?
Industriekrimi
1
„Wir sind überaus erfreut, hier und heute einen so verdienten Mitarbeiter auszeichnen zu können. Inner-halb kürzester Zeit nach seiner Versetzung von der Abteilung Arbeitssicherheit in die Personalabteilung ist es ihm gelungen, zur Implementierung vieler Arbeits-prozesse in der Personalabteilung und damit so zu deren Optimierung in einer beispielhaften Weise bei-zutragen", verkündete der Geschäftsführer zum Tagesordnungspunkt ‚Verschiedenes’ der Betriebsver-sammlung. „Dank seines unermüdlichen Einsatzes konnten zum Beispiel die Entwicklungsplanung für Führungskräfte und die Leistungsbeurteilung für außertarifliche Angestellte im Betrieb zum ersten Mal elektronisch umgesetzt werden. Als Zeichen unseres Dankes und unserer Anerkennung für seinen Einsatz, seinen Fleiß, für seine Loyalität und Integrität über-reichen wir Herrn Brás einen Scheck über 10.000 Euro und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg.“
Nach der Versammlung, unter vier Augen im Büro, wurde Brás von Schultheiß, seiner Chefin, gelobt: „Gut gemacht! Das hat mich in meinem Entschluss bestätigt, Ihnen das Feld vorzeitig zu überlassen. Wie Sie ja wis-sen, habe ich nicht vor, bis zum regulären Rentenalter zu arbeiten. Wenn alles klappt, gehe ich in Alters-teilzeit und höre mit achtundfünfzig auf. Dann werden Sie mein Nachfolger. Versprochen ist versprochen. Und die Geschäftsleitung hat dieser Entscheidung ja auch schon zugestimmt.“
Der Geschäftsführer Waldmann war ein großer, kräf-tiger Mann. Er hatte ein rundes, bräunliches Gesicht mit tiefblauen Augen und weißen Haaren. Er lief lang-sam und kerzengerade, sprach wenig, aber jedes ein-zelne Wort betonend. Er hatte eine Ausstrahlung, die andere sofort erfasste und in den Bann zog — ein charismatischer Typ, der alleine mit seinem Auftritt große Wirkung erzielte. Im Betrieb sah man ihn kaum, denn er war ständig auf Dienstreise bei Kunden oder an anderen Standorten der Firma. Nur wenn wichtige Kunden oder Vertreter der Konzernleitung aus den USA kamen, war er vor Ort und lief mit ihnen durch den Betrieb. Die Kunden und die Mitarbeiter respek-tierten ihn gleichermaßen. Kam er von einer Reise zurück, rief er seine Mannschaft, die Mitglieder der Geschäftsleitung, zu sich, informierte sie und verteilte verschiedene Aufgaben, die dann zeitig und präzise auszuführen waren und tatsächlich so ausgeführt wur-den. Auch als guter Akquisiteur war Waldmann be-kannt, holte er doch einen Auftrag nach dem anderen herein. Von Lucis bis Osada, von Binair bis Ravi, Kreutzer, EFG, alle großen Autohersteller, ohne Ausnahme, hatte er mit der Zeit als Kunden gewinnen können, ihre Aufträge lasteten den Betrieb gut aus. Die Maschinen liefen rund um die Uhr, dreischichtig wurde gearbeitet. Sogar an Wochenenden und Feier-tagen mussten immer wieder Sonderschichten gefah-ren werden, um die angeforderte Stückzahlen produ-zieren und liefern zu können. Am Ende des Finanz-jahres rief Waldmann die Mitglieder der Geschäfts-leitung zusammen und erkundigte sich danach, ob sie neue Mitarbeiter oder neue Maschinen und Geräte bräuchten, weil sie so viel Umsatz machten. Damals erlebte die Firma ihre Blütezeit und expandierte stetig.
Das Werk in Villbeck hatte für Waldmann eine beson-dere Bedeutung. Er hatte dort als Sicherheitsingenieur angefangen. Später, zu Beginn der Achtzigerjahre, hatte er die Geschäftsführung übernommen, gerade in einer Phase, in der die Firma bestreikt wurde, denn die Konzernleitung hatte entschieden, die Produktion nach Italien zu verlagern. Nach langen Verhandlungen mit der Konzernleitung und dem Betriebsrat gelang es ihm schließlich, eine Schließung des Betriebs zu verhindern, den Standort auf Dauer zu erhalten und ihn sogar auszubauen. Unter seiner Führung wurde Villbeck in kürzester Zeit zum erfolgreichsten Werk innerhalb des Konzerns. Waldmann war daher mit dem Werk Villbeck besonders verbunden und setzte sich folglich auch besonders stark für es ein. Das Werk lag innerstädtisch, innerhalb eines intensiv genutzten Ge-werbegebiets, ein typisches Großstadtareal. In einer Zeit, in der es als angesagt galt, dass die Firmen die großen Metropolen verließen, um auf der grünen Wiese Produktionshallen mit vermeintlich niedrigeren Kosten zu errichten, verteidigte er diesen Standort, ohne zu wanken, denn er verband mit ihm weit überwiegende Vorteile, etwa die Nähe zum Flughafen, die zum Großkunden CarAg oder die schnelle Erreich-barkeit dank guter Verkehrsanbindung. In seiner Ein-gangsrede hatte er zur Wirtschaftslage des Unterneh-mens auch den Druck angesprochen, der von anderen Kunden auf die Firma ausgeübt wurde, Kunden, die Errichtung neuer Werke in ihrer Nähe und deshalb die Aufgabe des Standorts Villbeck forderten. Sie würden unverschämte Preisnachlässe verlangen, schon seien die ersten Aufträge verloren gegangen. Darum, so hatte er angefügt, appelliere er mit allem Nachdruck an jeden einzelnen Mitarbeiter, sich weiterhin mit voller Kraft für den Erhalt des Standortes einzusetzen, verstärkt eigene Ideen einzubringen, jene Potenziale zu entdecken, die in einem steckten, in einem jeden von ihnen, ebenso wie in Brás, den am Ende der Be-triebsversammlung zu würdigen er die Ehre haben würde. Er glaube fest an ihre Fähigkeiten und ihr Erfah-rungswissen und sei sicher, dass eine Belegschaft, die so motiviert sei und über so viel Erfahrung verfüge wie sie, seine Zuhörerschaft, eben diese alle Schwierigkei-ten werde meistern können. Er, Waldmann, gehöre nicht zu jenen, die bei jeder noch so minimalen kon-junkturellen oder betrieblichen Schwankung Men-schen auf die Straße setzten, weil sie im Personalab-bau das Allheilmittel schlechthin gegen missliebige Zahlen sähen.
„Daher“, wiederholte er nochmals, „lassen Sie uns gemeinsam unser Wissen und unsere Erfahrungen und unsere Motivation einsetzen ohne Abstriche, damit wir allen zeigen, wie gut wir sind und wie wichtig dieses Werk ist.“
Die Mitarbeiter, die zahlreich erschienen waren und die Betriebskantine bis zur letzten Ecke füllten, hörten der emotionalen Rede ihres Geschäftsführers still und aufmerksam zu und waren davon sichtlich berührt. Seine Worte waren wie Balsam auf ihre Seelen, Aner-kennung, Wertschätzung und Motivation zugleich.
Noch am Abend desselben Tages wurde ihm aus der Konzernleitung in New York über Telefon mitgeteilt, dass man ihn nicht mehr brauche. Die Zusammenarbeit sei mit sofortiger Wirkung beendet.
Die Geschäftsleitung des Werks Villbeck bestand aus-schließlich aus langjährigen Mitarbeitern. Sie alle hat-ten im Betrieb klein angefangen und waren dann lang-sam aufgestiegen, bis in die Positionen, die sie jetzt bekleideten: Geschäftsführer, Werkleiter, Produktions-leiter, Controller, Leiter Produktentwicklung usw. Sie kannten sich sehr gut aus in ihrer jeweiligen Materie und verfügten über vorzügliche Kontakte zu ihren Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern. Fachlich waren sie über alle Zweifel erhaben. Aber sie setzten sich offen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, für ihren Standort ein und riskierten dadurch Schwierig-keiten bei der Konzernführung, Schwierigkeiten, die den Fortbestand ihrer Anstellungsverhältnisse gefähr-deten.
2
Zunächst entsandte der Konzern einen Amerikaner als Geschäftsführer: James Kiser. Der war kleinwüchsig, etwas rund, hatte einen großen, kugeligen und kahlen Kopf mit einem rötlichen Gesicht. Er sprach nur Eng-lisch und war nicht bereit, Deutsch zu lernen. Er war auch nicht bereit, Kunden zu besuchen. Sein Motto war: ‚Sie wollen unser Produkt, also sollen sie zu uns kommen‘. Die Kunden, vorwiegend Autohersteller, waren zu Recht verärgert, ließen sich diese Arroganz nicht gefallen und zeigten ihm die kalte Schulter. Die Aufträge wurden noch weniger und die Lage noch schlechter.
Anscheinend war der Konzernspitze die Entwicklung nicht verborgen geblieben. Denn nach nur acht Mona-ten ließ sie ihm einen Deutschen folgen, Hartmut Lehnhoff, der vorher schon in der Konzernzentrale als Finanzdirektor weltweit tätig gewesen war und den Job in Deutschland zusätzlich übernehmen sollte. Er dachte intensiv über seine eigene Situation nach und kam zu keinem guten Ergebnis. Auch, dass seine deut-sche Frau ihm die Rückkehr nach Deutschland verwei-gert und es vorgezogen hatte, mit den beiden Kindern zu ihrem amerikanischen Friseur zu fliehen, trug weder zur Hebung seiner Laune noch zur Steigerung seines Arbeitseifers bei. Als er Villbeck übernahm, stand er regelrecht unter Schock, war unkonzentriert und über-wiegend mit sich und seinen eigenen Problemen be-schäftigt. Dabei hatte er eine so steile, vielver-sprechende Karriere hinter sich. Er hatte in Villbeck seinerzeit als Finanzanalyst angefangen, war wenig später zum Controller ernannt, und wiederum kurz danach als Finanzdirektor Europa nach London beor-dert worden. Nach zwei Jahren hatte man ihn nach Amerika versetzt und schließlich als Geschäftsführer wieder nach Deutschland abgeordnet. Gewiss hatte der Konzern sich einiges von Lehnhoff versprochen, in Deutschland kannte er sich ja aus. Aber auch Lehnhoff pflegte keine Kundenkontakte und schrieb keine neu-en Aufträge. Folglich wurden die Geschäfte auch dies-mal nicht besser.
Nach einigen Monaten wurde er kommissarisch von Erwin Schubert ersetzt, einem esoterisch angehauch-ten Männlein, das mit autoritärem Gehabe seine Kleinwüchsigkeit zu überspielen und sich Respekt zu verschaffen bemühte. Die von New York beauftragten Unternehmensberater suchten währenddessen eifrig nach einem Geschäftsführer von dauerhafter Perspek-tive. Die ersten beiden Kandidaten, angeblich ‚Top-leute‘, hatten kurz vor Vertragsabschluss abgesagt. Schließlich hatte Kai Hallmann, der Mann dritter Wahl, unterschrieben und die Geschäftsführung mit Wirkung zum März 2000 übernommen. Zugleich wurde die Suche nach neuen Führungskräften für Deutschland intensiviert — für die Koordination der Personalabtei-lungen, nach einem neuen Director Operations, einem Director Quality und einem Director Finance. So wurde die Geschäftsleitung nach und nach ausgewechselt. Die Neuen kamen. Ihr Ruf eilte ihnen rascher voraus, als sie tatsächlich leibhaftig im Werk erscheinen konnten.
Bei einigen in der Belegschaft wirkte schon dieser Ruf wie eine frische Brise. Bei anderen löste er Skepsis aus.
Unter dem Strich aber überwog Freude. Endlich! Nach langer Führungslosigkeit hatte die Belegschaft eine neue Führung. ‚Nun geht es endlich wieder aufwärts‘, dachte man. ‚Neue Manager, neue Ideen, die uns aus dem Schlamassel ziehen werden‘. Die neuen Manager grüßten jeden, sie lachten und sprachen ruhig und gelassen, und sie trugen keine Krawatten. Die meisten fühlten sich in ihren positiven Erwartungen bestätigt. Doch schon bei der ersten Betriebsversammlung, auf der die neuen Manager und die neue Strategie des Unternehmens vorgestellt wurden, betonte man im-mer wieder, wie notwendig es für den Fortbestand des Unternehmens sei, in sämtlichen Bereichen zu sparen. Insgesamt müssten die Personalkosten erheblich re-duziert werden, um einige Arbeitsplätze retten zu kön-nen und marktfähig zu bleiben.
Und tatsächlich meinten auch Teile der Belegschaft, das sei der richtige Weg. Und sie zählten der neuen Geschäftsleitung in allen Einzelheiten so fachmännisch wie naiv alles auf, was es nach ihrer Einschätzung an überflüssigen Funktionen im Betriebsablauf alles gäbe — ohne einen Gedanken auf die Folgen dieser Äuße-rungen zu verschwenden. Bei anderen sah man den Schock in den Gesichtern. Sie rochen den Braten, erkannten Altbekanntes, denn die Methoden waren gleich geblieben. Nur im Verhalten unterschieden sich die ‚Erneuerer‘" wirklich von den Alten. Die Neuen hatten sich Verbindlichkeit verordnet und Monotonie. Die Neuen brachten es fertig, in ein und demselben Ton zu lachen, zu schimpfen und zu drohen, ohne jede Änderung des Gesichtsausdrucks. Sie grüßten einen Mitarbeiter mit demselben nichtssagenden Lächeln, mit dem sie ihm seine Entlassung ankündigten und, schlimmer noch!, wussten dabei nicht einmal die Namen derer, die sie gerade begrüßt oder entlassen hatten. Am schlimmsten aber war ihre Überzeugung, dass ausreichende Gewinne nur mithilfe neuer Struk-turen erzielt werden könnten: Dass die vorhandenen alten Strukturen, Arbeitsmethoden und Vergütungs-modelle untauglich seien und zerstört werden müss-ten. Dass die Standorte der Werke so nicht bleiben könnten, weil sie nicht effizient genug seien. Sogar im gleichen Land spielten sie die vorhandenen Standorte ständig gegeneinander aus.
Schon bald stellte sich heraus, dass den Neuen die Produktkenntnisse fehlten und dass sie keinerlei Erfah-rung im Umgang mit Kunden hatten. Wie auch? Sie hatten keine örtliche Bindung. Sie identifizierten sich nicht mit dem Unternehmen. Trotz ihrer lässigen Ver-haltensweise ging ihnen eine wirkliche Nähe zu den Mitarbeitern ab. Ihr Bezug zur Realität entlarvte sich als unzureichend, denn als sie versuchten, die neuen Arbeitsmethoden, von denen sie schwadroniert hat-ten, umzusetzen, (natürlich zulasten funktionierender Abläufe, Positionen und Bereiche), lief nichts zusam-men, und noch dazu verriet ihr ganzes Verhalten, dass ihre Planung nicht wirklich durchdacht war. Sie scheuten sich davor, weitreichende Entscheidungen zu treffen, als hätten sie Angst vor dem Verlust ihres Status. Sie gingen kein Risiko ein. Sie taten nichts (oder, wenn sie was auch immer taten, zu wenig ener-gisch), um die angestrebten Veränderungen durchzu-setzen. Konsequenz und Entschlusskraft demonstrier-ten sie eigentlich nur dann, wenn es darum ging, be-stimmte Positionen abzuschaffen. Und alle, die die von ihnen vorgegebenen Strategien kritisierten, wurden als nicht anpassungsfähig abgestempelt, degradiert, in Ecken geschoben oder entlassen. Ein scheinbar nicht enden wollender, zermürbender Umstrukturierungs- und Organisationsprozess begann, der nicht nur kost-spielig war, sondern auch die Atmosphäre im Betrieb noch zusätzlich belastete. ‚Der Fisch stinkt vom Kopf her‘, sagt das Sprichwort, und sein Geruch breitete sich rasch quer durch den Betrieb bis in die letzte Pro-duktionshalle aus. Die Vorschusslorbeeren der Neuen waren schnell verdorrt, die Euphorie auch der letzten Unterstützer in der Belegschaft war rasch verschwun-den. Ernüchterung und Hoffnungslosigkeit begannen, Oberhand zu gewinnen. So ging ein Auftrag nach dem anderen verloren, der Marktanteil schwand und schwand.
Auch das Unternehmen, dieser weltweite Konzern, spürte Erosion am eigenen Leibe. Die profitverwöhnte Konzernleitung in Nordamerika, getroffen wohl mehr von den Auswirkungen der Globalisierung als von de-nen der Rezession, ergriff in blindem Aktionismus wie so oft kurzsichtige Eilmaßnahmen, die freilich nur Schaden anrichteten. Erfolgreiche Manager wurden Knall auf Fall geschasst, eine völlig neue Strategie von oben mit aller Macht der Zentrale (per Videokonferen-zen, zahllosen Einzelgesprächen und Veranstaltungen auf den unterschiedlichen Organisationsebenen) mit Nachdruck diktiert und nach außen als Stein der Wie-sen lauthals verkündet.
Im Betrieb Villbeck betraf die nächste Personalände-rung die Personalleitung. Die dortige Leiterin, Heike Schultheiß, hatte wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der ganzen Welt an der von New York live geschal-teten Videokonferenz teilgenommen und sich wie die-se anhören müssen, dass Personalleiter fortan höhere Anforderungen zu erfüllen hätten. Ab sofort müssten sie bei der Strategiebestimmung des Konzerns aktiv mitzuwirken imstande sein. Und diese Fähigkeit auch einbringen. Als Personalleiter müsse man körperlich sehr sehr mobil sein und geistig höchst flexibel. Um sparen zu können. Sparen. Einsparungspotentiale er-kennen und realisieren. Denn Profit steigern sei das primäre Ziel des Unternehmens. Und des Personal-leiters. Den Profit steigern. Der Personalleiter als Human Resources Manager habe schnelle Entschei-dungen, unangenehme Maßnahmen zu ergreifen. Er habe zu sparen. Sparen. Sparen, das bedeute für den Human Resources Manager: Aktiv und ständig Spar-möglichkeiten eruieren. Welche Abteilung arbeitet ebenso effektiv mit weniger Mitarbeitern? Wo ist einer zu viel? Wer ist zu oft krank? Sparen. Sparen, das heißt: Profit steigern. Und Profit braucht der Konzern. Der Human Resources Manager arbeitet also mit dem Ziel, Profit zu steigern. Mit dem Ziel, auch drastische Spar-pläne zu erarbeiten und umzusetzen. Zu sparen. Spa-ren und Profit steigern. Mit den Mitarbeitern ener-gischer umgehen, ihre Anzahl reduzieren. Sparen. Pro-fit steigern. Auch mal spektakuläre Entlassungen vor-nehmen. Das schüchtert ein. Hält die Leute bei der Stange. Den Umgang mit den Mitarbeitern auf Dauer verschärfen. Positionen streichen, auch wenn sie wich-tig sein sollten. Alles auf den Prüfstand. Verunsichern, flexibilisieren. Biegsam machen, beugsam. Alle bisherigen Arbeitsmethoden ändern. Sparen. Sparen. Profit steigern. Profit. Profit. Profit! Profit! Profit! ...
Wie ein Kreuzverhör war das in einem dunklen, blass beleuchteten, kahlen und kühlen Raum voll von laut hallenden Stimmen und unwirklichen Gesichtern. Wie ein Erdbeben war das, das keinen Stein auf dem anderen ließ. Wie Bruchstücke sah sie die Menschen, die Häuser, die Gegenstände, hörte sie die Stimmen. Sie war wie betäubt und benommen, getroffen wie von einem Schlag, angezählt. Als sie wieder zu sich kam, nach langem bewegungs- und wortlosen Stehen, nach langem Wanken, hallte in ihrem Ohr noch das Echo JENES Satzes: des Satzes, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sei. Das war der zweite Schlag, der ihr endgültig den festen Boden unter den Füßen wegriss und sie zum Schwanken brachte. Damals, als ihr Chef, Waldmann, als Geschäftsführer von jetzt auf eben entlassen worden war, hatte das ihre Bilder von Fairness, von menschlichem Umgang miteinander, von Treue und Liebe zum Beruf, von Anerkennung der Leistung, Berufsethik und von Würde zerstört wie ein brutaler Stiefeltritt eine Kugel aus feinem Kristallglas, und die scharfen Scherben, die spitzigen Splitter ritz-ten noch immer ihr feines Empfinden zu Blut. Das erste Mal, seit sie dem Betrieb angehörte, entstand eine Distanz zwischen ihr und ihrem Beruf, zwischen ihr und der Firma. Ihr ganzes Berufsleben, ihren ganzen Einsatz, alles, was so lange Jahre ihr Leben erfüllt hatte, den Betrieb, all das fand sie mit einem Mal schal, sinnlos und fremd.
Dann kam der Tag, an dem ihr mitgeteilt wurde, dass sie künftig einen neuen Vorgesetzten über sich haben würde. Wie sie jetzt erfuhr, hatte man, ohne sie zu informieren, den Posten eines Deutschlandkoordi-nators für die Personalabteilungen geschaffen, direkt unterhalb der Geschäftsführung, dem sie also nun unterstellt war. Das war ein Vorgesetzter, der wie eine Rakete durch die geschlossene Tür schoss (die Tür vib-rierte hinterher noch eine Weile), eine Frage stellte, mit unverminderter Geschwindigkeit den Raum ver-ließ, um etwas später auf die gleiche Art und Weise wiederzukommen und die Frage erneut zu stellen, ohne jede Rücksicht darauf, was der Andere gerade machte. Ein Vorgesetzter, der in das Büro von Schult-heiß oder Brás kam, dort von seinem Handy aus tele-fonierte, im Raum umherschreitend, als wäre er allein bei sich zuhause, oder, auch das kam vor, den Fest-netzanschluss benutzte, um ihn manchmal für Stunden zu blockieren. Oder er platzte in eines der Büros, setzte sich an den Tisch und holte einen Stapel Akten aus seiner Tasche, die Schultheiß oder Brás sofort zu erledigen hatten, unabhängig davon, was sie gerade taten oder noch zu tun hatten. Er mischte sich in ihre Gespräche ein oder unterbrach sie. Er schickte Mitar-beiter, die die Personalabteilung aufgesucht hatten, einfach weg, ohne sie nach ihrem Anliegen gefragt zu haben. Er stellte ständig Suggestivfragen zu Mitarbei-terbetreuung, Mitarbeitereinsatz, Mitarbeiterbeschaf-fung oder zur politischen Überzeugung. Er sprach in erhöhter Stimmlage und bekam ein puterrotes Ge-sicht, wenn die Antwort ihm nicht gefiel, oder wenn man ihm widersprach. Er stellte alles, was bisher als anständig, gut und richtig gegolten hatte, infrage oder auf den Kopf und lief dabei ständig mit einem blasier-ten Lächeln herum. Dieser neue Vorgesetzte der Perso-nalleitung, Schultheiß́ neuer Chef, hieß Eberhard Berg-stein.
Bergstein ließ nicht mit sich reden. Die Argumente, die er vorbrachte, dienten allein dazu, bei seinen Ge-sprächspartnern lähmende Angst zu erzeugen. Ein Arbeitnehmer dürfe sich nie darauf verlassen können, dass sein Job sicher sei. Nicht das Interesse der Mitarbeiter an einem sicheren Arbeitsplatz – diese Art zu denken sei ohnehin eine deutsche Krankheit, die es sonst nirgendwo auf der Welt gäbe – zähle, sondern das berechtigte Profitinteresse des Unternehmens und seiner Aktionäre, und das müsse mit allen Mitteln und notfalls "mit aller Gewalt" erfüllt werden. Kündigungs-schutz und Mitbestimmung? Das würde die Arbeits-plätze in Deutschland vernichten und noch dazu das Betriebsklima vergiften! Langjährige Betriebszugehö-rigkeit? Nichts weiter als ein Beleg der Immobilität und Engstirnigkeit des betreffenden Arbeitnehmers! Identi-fikation mit dem Unternehmen? Eine lächerliche emo-tionale Schwäche!
Schultheiß hingegen hatte eine völlig konträre Sicht der Dinge, wusste sie doch aus ihrer langjährigen Tä-tigkeit in der Personalführung um die Bedeutung wechselseitigen Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und eines stabil funktionierenden Bezie-hungsgeflechts zwischen ihnen. Obwohl sie selbst-bewusst war und es ihr normalerweise an Mut nicht mangelte, hinterließ Bergsteins Haltung auch bei ihr Spuren. Als er sie mit seinen zynischen Sprüchen kon-frontierte, reagierte sie ebenso perplex wie erschüt-tert. „Aber …. Aber …“, brachte sie mühevoll hervor, „Aber das sind doch Menschen. Die haben alle Familie. Ein sicheres Einkommen bedeutet für sie die Sicherung ihrer Existenz. Diese Menschen brauchen Planungs-sicherheit …“
„Nichts aber“, entgegnete Bergstein, den Kopf noch mehr nach links beugend. Wie immer, wenn er sich aufregte, begann er mit den Augen zu zwinkern, die Hitze schoss ihm ins Gesicht, und die Worte verließen motzend und spuckend seinen Mund: „Aber! Aber! Nichts aber! Das ist ausschließlich das Problem der Arbeitnehmer selbst, nicht unseres!“
So wurden seine Konturen langsam sichtbar: die Kon-turen einer Kreuzung zwischen Chamäleon und Hyäne. Die Konturen eines Wesens, das sich nicht wirklich greifen lässt. Von dem man nur weiß, es ist abgrundtief böse.
Eberhard Bergstein kam von einem großen Unterneh-men in Villbeck, das Haustierartikel herstellte. Anläss-lich seiner Einstellung erfuhr der Betriebsrat von den dortigen Kollegen, dass Bergstein als berühmtberüch-tigter Sanierer galt. Unter Sanierung würde er aus-schließlich die Entlassung von Personal verstehen. Um seine Ziele zu erreichen, würde er lügen, ohne rot zu werden, über Leichen gehen, sogar über die seiner ei-genen Frau. Er sei glatt wie ein Aal, herz- und emo-tionslos und würde aus allem und jedem Kapital für sich schlagen. In der letzten Zeit hätte er das Werk nur mit Leibwachen betreten und verlassen. Zwar hatte der Betriebsrat, als er das in Erfahrung gebracht hatte, bei der Geschäftsführung interveniert, seine Einstel-lung aber nicht verhindern können, und so hatte Bergstein seine Tätigkeit als Personalkoordinator hier schließlich doch aufgenommen — mit dem erklärten Ziel, die Tätigkeit der Personalabteilungen in Deutschland so zu vereinheitlichen und abzustimmen, dass die Vorgaben des Konzerns hundertprozentig umgesetzt würden, einschließlich der Einführung neu-er, Personal sparender Arbeitsmethoden.
Als Schultheiß diese Zusammenhänge zu erkennen be-gann, ging es ihr schlecht. Die Frische fehlte, alles ging ihr nur noch zäh und mühsam von der Hand. Zu allem schien sie sich zwingen zu müssen. Angestrengt hielt sie sich aufrecht, die Augen von dunklen Ringen um-geben. So quälte sie sich durch den Tag, und wer sie kannte, dem fiel auf, wie sehr sie immer mehr verlangsamte, und wie kraftlos und grau sie jetzt aussah.
Schultheiß war in ihrer 31-jährigen Betriebszugehörig-keit nie krank gewesen. War sie mal erkältet, schleppte sie sich trotzdem ins Büro. Die Ohren waren ihr wun-der Punkt, oft litt sie unter Ohrenschmerzen, eine Ope-ration hatte auch keine wirkliche Besserung gebracht. Obwohl die Schmerzen oft so stark waren, dass sie sie kaum ertrug, war sie immer zur Arbeit gegangen. Auch bei Migräneanfällen, die sie in der letzten Zeit häufiger heimsuchten, oder bei anderen Wehwehchen des Älterwerdens fehlte sie nie. Oft genug hatte sie ihren ohnehin knapp bemessenen Urlaub auch noch unter-brechen müssen — ganz zu schweigen davon, dass sie fast an jedem Wochenende gearbeitet hatte. Wie oft war sie an Sonntagabenden von Waldmann in die Firma zitiert worden, um ihm einige Dokumente zu-sammenzustellen oder ein paar eilige Briefe zu schrei-ben, die ihm kurz vor seiner Reise in die USA eben noch eingefallen waren. Und wie oft hatte sie dem Unternehmen zuliebe das gemeinsame Abendessen verlassen, ungeachtet aller Proteste ihres Lebens-partners, den sie krank und verärgert zu Hause allein ließ.
Sie war auf Fahrradtour am Bodensee, als es geschah. Sie fiel vom Fahrrad, einfach so, wie vom Blitz ge-troffen. Zum Glück hatte die Gruppe, mit der sie unter-wegs war, gleich ärztliche Hilfe geholt. Bei der an-schließenden Untersuchung wurde festgestellt, dass eine Herzklappe nicht mehr funktionierte und operiert werden musste. So blieb sie zum ersten Mal wegen einer Krankschreibung zu Hause. Noch während sie auf einen Operationstermin wartete, erlitt ihr Lebens-partner einen tödlichen Herzinfarkt; die Nachricht, dass Schultheiß schwer herzkrank sei und operiert werden müsse, hatte ihn zu sehr mitgenommen. Doch all das wurde überlagert von der eigenen Schwäche und vom Warten auf einen OP-Termin. Die Sache schien kompliziert, sie war auf die Hilfe von Spezia-listen in der Schweiz angewiesen, und dort war für längere Zeit kein Bett frei.
Kurz vor dem endlich angesetzten OP-Termin in der Schweiz wurde sie in den Betrieb bestellt. Sie hätte unter Verweis auf ihren Gesundheitszustand zuhause bleiben können, doch obwohl sie ahnte, was ihr bevorstand, kniff sie auch dieses Mal nicht und ging hin.
Als sie die Eingangstür aus schwerem Glas von drau-ßen schloss, war sie ihre Stelle los. Es war ein kurzes Gespräch gewesen, kurz und einseitig. Ihr fehlte die Kraft, und sie hatte sich nicht gewehrt gegen das, was man ihr antrug, ‚Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses‘. Und so stand sie plötzlich, schwer krank, ohne Lebenspartner, ohne Arbeit da. Sie war jetzt allein mit ihrer Angst, ihren Sorgen und einer neuen Lebenssituation, mutterseelenallein. Auch vom Betrieb hatte sich niemand gemeldet, nur der ehe-malige Betriebsratsvorsitzende und der alte Produk-tionsleiter, beide waren inzwischen im Ruhestand, hatten ihr alles Gute gewünscht. Einsam, ängstlich und verwirrt wartete sie auf die Operation.
3
Das erste Mal seit Wochen kam Schultheiß wieder ins Büro. Sie hatte abgenommen. Ihr Gesicht schien da-durch noch dünner und blasser. Der Glanz in ihren Augen war erloschen, sie lagen noch tiefer und schie-nen fast farblos. Ihre ganze Erscheinung wirkte hinfällig wie ein fahler Schatten.
Sie hatte nur ihre Handtasche bei sich. Sie stellte sie auf den Tisch, prüfte zunächst mit einem Blick die auf dem Tisch liegenden wenigen Sachen, lose Blätter, ein Schreiben vom Arbeitgeberverband, ein eingetrock-netes Schreibset, irgendwelche Werbemittel der Fir-ma, ein gerahmtes Bild ihres Hundes und eine Gene-sungskarte des Betriebsrates. Dann blickte sie auf die Dinge, die auf den Aktenschränken standen, vom Schreibtisch aus an der linken Wand. Das waren meist exotische Sachen, die sie dort aufgestellt hatte: etwa Souvenirs, die ihr die Mitarbeiter aus dem Urlaub in fernen Ländern mitgebracht hatten, oder kleine Ge-schenke von Unternehmensberatern, Zeitarbeitsfir-men und Aus- und Weiterbildungsinstituten. Hinter ihrem Stuhl, zwischen zwei Fenstern, hing die Urkunde über ihre Ernennung zur ehrenamtlichen Richterin. An die rechte Wand hatte sie ein großes Ölgemälde gehängt, eine liegende Nackte in hellem Grau vor etwas dunklerem Hintergrund, das Geschenk eines malerisch begabten kroatischen Mitarbeiters, dessen Bilder die kahlen Wände vieler Büros freundlicher machten. Schultheiß mochte das Bild sehr. Kaum ein Besucher, der das Bild nicht wahrgenommen und dann seine Bemerkungen dazu gemacht hätte. Sie selbst verband viele Erinnerungen mit damit. Während sie das Bild anschaute und sich in der Vergangenheit verlor, stand sie auf. Sie schritt zum Fenster, hielt inne und schaute reglos hinunter in den Hof. Jeder Blick war so voll von Erlebtem und Erinnertem, so voll von Empfindung und Gefühl, dass die Flut der Bilder, die mit einem Mal auf sie niederprasselten, ihr beinahe den Atem raubte.
Mani Brás klopfte an die halboffene Tür und trat ein, ohne auf Antwort zu warten: "Guten Morgen Frau Schultheiß, mein herzliches Beileid noch mal. Wie geht es Ihnen?"
"Danke. Wie soll es mir gehen? Sie wissen ja, was alles passiert ist."
"Haben Sie sich denn alles gut überlegt? Wollen Sie wirklich aufhören?"
"Es hat keinen Sinn mehr! Sie wissen, mir steht eine große Operation bevor. Und mit diesem Typen kann ich unmöglich zusammenarbeiten. Er ist chaotisch und konzeptionslos."
"Trotzdem sollten Sie nicht alles aufgeben. Insbeson-dere nach dem Verlust Ihres Lebenspartners und kurz vor einer bevorstehenden Operation sollten Sie nicht eine solch vorschnelle Entscheidung treffen."
"Sie haben ja recht, aber es hat wirklich keinen Sinn mehr. Sie wissen, wie schwer die Operation ist. Wann und ob ich überhaupt wiederkomme, weiß ich nicht. Und außerdem: Sie haben überhaupt keine Vorstellung davon, welch eine Unverschämtheit sich dieser blöde Bergstein geleistet hat. Er ruft mich auf meinem Handy an, zwei Tage nach dem Tod meines Lebenspartners, und sagt mir sein herzliches Beileid. Und fügt an, dass ich die Trauerzeit bloß dazu nutzen sollte, über die Beendigung meines Arbeitsverhältnisses nachzuden-ken. Ich wusste, dass wir beide, Sie und ich, auf der Liste stehen, dass die Personalabteilung im Zuge der Globalisierung neu besetzt werden sollte, weil wir angeblich nach den alten Methoden, was immer das auch heißt, arbeiten würden. Nun gut. Aber trotzdem empfand ich sein Verhalten als unglaublich takt- und gefühllos. Er redete mit mir, als ginge es um irgendeine Belanglosigkeit, ums Wetter, Fußball oder so. Glauben Sie mir: Ich habe so viele Geschäftsführer, Führungs-kräfte, Manager und Personalleiter kommen und ge-hen sehen, aber so einen gefühl- und charakterlosen Typen wie diesen Bergstein habe ich noch nicht erlebt. Noch nie! Nein, es ist unmöglich, mit so einem zusam-menzuarbeiten. In meinem Alter, mit 55, kann ich einen solchen Unmenschen wie den als Chef nicht akzeptieren!"
Ihre Stimme hatte anfangs eintönig und matt geklun-gen. Im Verlaufe ihres Monologs aber wuchs ihre Kraft. Schultheiß wirkte nun zunehmend lebhafter, schließ-lich geradezu entschlossen. Sie bog den Rücken durch, hob den Kopf, öffnete energisch den Mund und sprach mit unüberhörbarer Bitternis, ganz wie jemand, der vieles loszuwerden hat. Dann aber erhob sie die rechte Hand, machte mit den Fingern eine Bewegung nach unten, schüttelte den Kopf, als wolle sie sagen, „Las-sen wir es, es bringt sowieso nichts!“ und schaute stattdessen auf die Uhr:
"Wo ist er denn? Wir waren um zehn verabredet. Es ist schon halb elf."
"Er hat mich den Aufhebungsvertrag schreiben lassen und selbst schon unterschrieben. Er sagte mir, ich solle das mit Ihnen machen, er müsse dringend nach Bra-tislava."
Sie überflog den Vertragstext, ein paar Zettel, mit deren Unterzeichnung ihr 31-jähriges Arbeitsverhältnis zum Ende des Monats Oktober einvernehmlich been-det würde, und holte den Füller aus ihrer Handtasche. Da sprang Brás auf, ergriff ihren Arm und hielt ihn fest.
"Tun Sie nichts Unüberlegtes, Frau Schultheiß! Lassen Sie sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen!"
"Ach, Herr Brás! Danke für Ihre Sorge. Aber meine Ent-scheidung ist längst gefallen. Schauen Sie sich doch die Situation an: Der neue Geschäftsführer, mit dem ich mich eigentlich recht gut verstanden habe, ist auf Bergsteins Linie eingeschwenkt. Über den heutigen Termin ist er bestimmt informiert. Trotzdem kommt er nicht mal von seinem Büro herunter, um „Auf Wieder-sehen“ zu sagen. Und der feige Bergstein selbst muss-te angeblich nach Bratislava. Nach einunddreißig Jahren werde ich so verabschiedet! Nein danke, kein Interesse mehr an diesem Laden!"
Sie nahm den Füllhalter und unterzeichnete. Die für sie bestimmte Ausfertigung steckte sie in ihre Tasche. Dann verließ sie das Büro, kerzengerade, doch mit tief gesenktem Kopf, ohne Brás und den Raum noch ein-mal eines Blickes zu würdigen. In unveränderter Hal-tung schritt sie durch den verwinkelten und dunklen Flur. Obwohl sie nichts als den Boden ansah, wusste sie, wie die anderen reagierten. Sie spürte, dass die Kolleginnen und Kollegen sich in ihren Löchern ver-krochen hatten; manche schauten wohl scheu durch offene Türen. Entweder hatten sie Angst um ihren eigenen Arbeitsplatz oder sie wussten nicht, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten sollten. So verfolgten sie das Bild der das Betriebsgebäude ver-lassenden Schultheiß mit unsicher fragender, schüch-terner Miene. Sie aber wusste genau: Keiner traute sich, sie anzusprechen. Im Hof angekommen, fühlte sie unzählige Augenpaare hinter den Fensterscheiben auf sich gerichtet, spürte, wie viele Blicke an ihr hafteten — und wie einsam und verlassen sie war. Doch sie drehte sich nicht mehr um, um die Neugierigen nicht in Verlegenheit zu bringen und auch, um sich nicht noch mehr wehzutun.
Kaum hatte sie das Betriebsgelände verlassen, schlug die Erinnerung zu. Das Erlebte wurde lebendig, das im Gedächtnis Gespeicherte lief vor ihrem inneren Auge ab wie ein Film, ein Film, der auch schöne Momente enthielt und ihr zuweilen sogar ein Lächeln ins ernste Gesicht zaubern konnte.
An der Ecke vor dem Überqueren der Straße wandte sie sich kurz um. Sie sah sich, wie sie vor 31 Jahren zum ersten Mal durch das Tor, das sie gerade verlassen hatte, hereinkam, als wäre es eben, und sie stünde daneben und beobachte sich. Damals, das war ein rei-ner Zufall, sie war zu Fuß unterwegs gewesen von Bischofsheim, wo sie nach der Scheidung eine Zwei-zimmer-Wohnung gemietet hatte, zur Kirmes am Rast-weg. Damals ging sie, wie von einem siebten Sinn gesteuert, in die Bernhausener Landstraße, zum Per-sonalbüro der dortigen Automobilzulieferfirma, Sparte PKW-Innenausstattung. Nach kurzen Gesprächen, zuerst mit der Personalleiterin, dann mit dem Ge-schäftsführer, erhielt sie die mündliche Zusage (und das, sie fasste es selbst kaum!, ohne Vorlage jeglicher Bewerbungsunterlagen, die erst später, bei Aufnahme der Tätigkeit, mitzubringen waren), zu Beginn des Fol-gemonats, in zwei Wochen, könne sie anfangen, als Schreibkraft in der Abteilung Fertigungsplanung.
Vierundzwanzig war sie damals. Jung, groß, schlank, lange Haare und endlos lange Beine. Ihre betont weib-liche Erscheinung, eine klug gewählte Kleidung, kalku-liert freizügig und ihre Linien unterstreichend, doch hinreichend dezent, lenkte ab von dem länglichen Ge-sicht, das für sich betrachtet ein wenig unreif aussah. Punkten konnte sie besonders mit ihrer Ausstrahlung. Sie wirkte ausgeglichen, fröhlich und manchmal beinah übermütig, was dem Gegenüber zumeist den Eindruck vermittelte, dass sie wisse, was sie wolle, von sich überzeugt sei und sich von ihren Entscheidungen auch nicht leicht abbringen lasse.
Vier Jahre war sie mit einem sehr konservativen Mann unglücklich verheiratet gewesen, einem Mann, der sich weder von seiner Mutter hatte lösen können noch von den Bräuchen und Traditionen des kleinen Dorfes am Rande Villbecks, in dem sie wohnten. Nun, nach der Scheidung, fühlte sie sich einerseits frei, wie aus langer Gefangenschaft entlassen. Andererseits merkte sie immer wieder, wie die Wut auf den Ex-Mann, auf seine Familie, auf sich selbst und die verlorenen Jahre in ihr hochstieg. Sie sehnte sich nach einem wirklich freien Leben, nach Anerkennung ihres Frau-Seins, und sie träumte davon, Versäumtes nachzuholen. Denen, für die sie bestimmt war, blieb die erotische Aura der Willigen nicht verborgen. Sie war die einzige Frau in der Abteilung, und Nähe zu den männlichen Mitar-beitern stellte sich ein. Eine beinah kindlich offene Art, ansteckende Neugier und die kaum verhohlene Be-reitschaft zu flirten, zu necken und zu spielen, das waren Reize, die die begeisterten Kollegen wohl zu schätzen wussten.
Später sagte sie immer wieder, dass die Zeit in der Fertigungsplanung ihre schönste Zeit in der Firma gewesen sei. Sie erzählte von den Gesprächen, die sie damals miteinander führten, von Witzen und witzigen Verhaltensweisen der Kollegen, zum Beispiel in den ausgedehnten Frühstücks- und Mittagspausen, von den einmal im Jahr gemeinsam unternommenen Rei-sen innerhalb Deutschlands oder von den Weihnachts-feiern am letzten Arbeitstag des Jahres vorm Heiligen Abend, die schon so früh begonnen und so spät geendet hätten. Gegessen habe man reichlich und gut, und der Alkohol sei wie Wasser geflossen, sodass die meisten Kollegen am Ende total besoffen und nicht mehr in der Lage gewesen seien, alleine nach Hause zu fahren. Auch von den alljährlichen Betriebs-, Jubi-läums- und Geburtstagsfeiern berichtete sie; begeis-tert schwärmte sie von der Atmosphäre, die dabei ge-herrscht habe. Das Beste sei freilich gewesen, dass man sich immer gegenseitig geholfen habe, dass man sich die Zeit genommen habe, sich auszutauschen, nach dem Wohlbefinden des anderen, nach seinen Urlaubserlebnissen zu fragen, gemeinsam über Freu-den und Sorgen zu reden. Aber wenn es ums Arbeiten gegangen sei, hätten sie sich alle am Riemen gerissen und hätten sich nach Kräften eingesetzt; unendlich motiviert seien sie gewesen und hätten darum immer alles gegeben, alles, was sie geben konnten. Wenn erforderlich, hätte man manchmal auch bis zum späten Abend und samstags und sonntags gearbeitet. Aufträge und Arbeit hätten sie genug und mehr als genug gehabt damals. Von allen namhaften Auto-mobilherstellern hätten sie Aufträge erhalten, die Geschäfte seien gut gelaufen, sehr gut sogar. Drei Schichten habe man gefahren, und selbst die seien überlastet gewesen. Die Gewinne hätten nur so ge-sprudelt, ein Teil sei in den Aufbau neuer Fertigungs-werke in Birmingham und Ilmenau gegangen. Später, als Personalleiterin, sei es ihr eine große Freude ge-wesen, die Leute von der Straße zu holen und fast jeden, der vorbeikam, einstellen zu können.
Dann ihre Zeit in der Personalabteilung; nach zwei Jahren war sie hierhin versetzt worden, als Sekretärin zunächst. Bald begleitete sie den Geschäftsführer auf dessen häufigen Dienstreisen nach Amerika, England, Italien und Spanien, aber auch zu Kunden im Inland, Automobilherstellern zumeist. Das stärkte das Selbst-bewusstsein der noch immer vorwitzig frech wir-kenden, in Wirklichkeit jedoch wegen ihrer Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen schüchternen jungen Frau ganz enorm.
Eines Tages verstarb unerwartet ihre Vorgesetzte, eine um etliches ältere Frau, alleinstehend und alkoholab-hängig. So standen ihr mit einem Mal alle Karriere-chancen offen, sie brauchte sie nur zu ergreifen. Und das tat sie. Denn als der Geschäftsführer ihr wenig später die Nachfolge der Verstorbenen auf die Stelle der Personalleiterin antrug, eine mit allen Befugnissen ausgestattete Position direkt unterhalb der Führungs-ebene mit Berichtspflicht direkt an ihn, zögerte sie keine Sekunde, dieses Angebot anzunehmen. Erfüllt von Freude und Stolz, gewann sie Statur und wuchs schnell in die neue Stelle und deren Bedeutung hinein. Von nun an pflegte sie ihre äußere Erscheinung noch bewusster: Immer hielt sie sich kerzengerade, achtete (natürlich!) auf Gewicht und Figur sowie darauf, dass Make-up, Frisur und Kleidung perfekt zueinander-passten, kontrollierte Mimik, Gestik und Haltung auch in schwierigster Lage und gewöhnte sich an, souverän durch die Flure zu schreiten und dominant einen Raum zu betreten.
Bald schon hatte sie sich allseits Achtung und Aner-kennung erworben: bei den Unternehmen und Insti-tutionen, mit denen sie geschäftlich zu tun hatte, ebenso wie bei Vorgesetzten und bei den Mitar-beitern, quer durch die Abteilungen hindurch. Wo immer sie erschien — Engineering, Marketing, Ferti-gungsplanung, Einkauf oder Produktion — begegnete man ihr mit großem Respekt. Ihr blieb das nicht ver-borgen, und sie fühlte, wie sie aufblühte vor Freude und Stolz. Doch was war das für eine schöne Zeit ge-wesen, als sie beschwingten Schritts durch den Betrieb gelaufen war, unbeschwert, ohne diese Verantwor-tung, aufgehoben unter vielen. Nun, da ihr ihre Ein-samkeit bewusst wurde, fühlte sie die Erinnerung wie Messerstiche im Herz.
Ach! Wenn sie morgens zur Arbeit gekommen war oder durch die Abteilungen wie Engineering, Euroey-ting, Fertigungsplanung, Einkauf oder Produktion lief und die Mitarbeiter begrüßte, wie freundlich hatten die ihren Gruß erwidert! Egal, ob sie sich gerade ge-schäftlich oder privat mit Kunden oder miteinander unterhielten, ob sie in Arbeit vertieft waren oder sonstwie beschäftigt! So laut hatten alle gegrüßt, als würden sie sich gegenseitig übertönen wollen, und sie machten eine ehrerbietige Bewegung und drehten sich zu ihr um, und wenn sie vorbei war, hatten sie ihr noch lange nachgeschaut. Sie erinnerte an all das, als sei es gestern gewesen, und diese Erinnerung tat ihr weh.
Jetzt war sie Mitte fünfzig. Wie schnell waren die Jahre vergangen! Sie waren verflogen. Wo ist die Zeit geblieben? Fast hätte sie die Frage laut gesprochen. Außer Arbeit hatte sie fast nichts erlebt. Dennoch hatten die Jahre ihre Spuren deutlich hinterlassen. Die Haare waren weiß und kürzer geworden. Das Gesicht hatte zwar seine Form behalten, aber es war gezeich-net von dem Erlebten und vom Altwerden. Form und Haltung des ganzen Körpers hatten sich geändert. War ihre Schönheit früher jedem sofort ins Auge gefallen, so glühte sie jetzt unter den Zeichen des Alterns glei-chermaßen nach. Unverändert blieben nur ihre ge-pflegte Erscheinung und die seriös-distanzierte Aus-strahlung.
Bis zu ihrem letzten Arbeitstag vor dem Urlaubsantritt und der darauf folgenden Erkrankung war sie motiviert und pflichtbewusst, behielt jedoch stets ihren kri-tischen Blick; auch ihren Willen zur Vollkommenheit hatte sie darüber nicht verloren. Bevor sie etwas zur Unterschrift vorlegte, prüfte sie alles — auch die Zuarbeit von Brás — eingehend, sodass die Arbeitser-gebnisse bis zu ihrem letzten Arbeitstag fehlerfrei waren. Auch sorgte sie immer dafür, dass die Vor-schriften zu den Arbeitsabläufen strikt beachtet und Termine genau eingehalten wurden, auch wenn dies ihr enorme Kraft und Anstrengungen abverlangte. Die Zuständigkeit für den Abschluss der Arbeitsverträge und der Betriebsvereinbarungen hatte sie sich vor-behalten. Auch pflegte sie bis zuletzt die Kontakte zu Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und anderen Institutionen; sie selbst hatte sie früher aufgebaut. Alles andere aber delegierte sie an Mani Brás, seit sie ihn, nach der Eigenkündigung ihrer dama-ligen Sekretärin, zu sich geholt hatte.
Die Firma war der Inhalt und der Mittelpunkt ihres Lebens gewesen! Kontakte hatte sie nicht gepflegt, bis auf eine Ausnahme (eine Freundin) waren die weni-gen Freundschaften im Laufe der Zeit verloren gegan-gen. Das übrige Leben mit all seinen Möglichkeiten, seiner Vielfältigkeit und Buntheit blieb vor den Toren der Firma, beschränkt auf den Inhalt der Arbeit und ihre unmittelbaren Auswirkungen. Hier, bei der Arbeit, verbrachte sie die meiste Zeit, fand sie Anerkennung und Respekt, wenn auch auf das Firmengelände begrenzt, es sei denn, sie traf durch Zufall einen Mitarbeiter draußen, außerhalb der Firma. Wer immer jetzt auf sie traf, in der Straßenbahn oder beim Einkau-fen, fand sie wie üblich gepflegt, in kerzengerader Haltung und mit der bekannt stolzen Miene. Doch hinter diesem Verhalten verbarg sich nicht mehr das Bewusstsein, das sie im Betrieb gehabt hatte, sondern eine tiefe Unsicherheit, Folge ihres Entferntseins, vom Leben außerhalb der Firma wie auch ihrer Einsamkeit.
Jetzt wurde ihr erstmals bewusst, die Zeit war für im-mer weg und ließ nur noch Erinnerungen zurück, Er-innerungen, die schmerzten, und die ihr bisweilen das Gefühl gaben, dass das Leben keinen Sinn mehr habe.
Von traurigen Gedanken gefesselt, blieb sie noch eine Weile reglos im Auto sitzen.
Die Operation hatte sie schließlich gut überstanden. Als sie wieder zu Kräften kam, spürte sie Wut, eine große Wut auf ihre alte Firma, der sie sich regelrecht aufgeopfert hatte. Insbesondere Undankbarkeit und Unwürdigkeit der Entlassung hinterließen tiefe Wun-den in ihrem Herzen, Wunden, die nicht verheilen woll-ten. Sie pflegte noch Kontakte zu Herbst und zu Brás, mit denen sie sich regelmäßig traf. Sie sprach immer von der Vergangenheit. Jedes Mal fragte sie voller Zorn und Bitterkeit, was Bergstein und ‚seine Dicke‘ machen würden. Sie informierte sich über jede Ände-rung und Entwicklung im Unternehmen und kom-mentierte sie. Über ihre Nachfolgerin äußerte sie sich immer herablassender und aggressiver.
4
Brás hatte dichte dunkle Haare, braune Augen, einen etwas schiefen Mund und ein ovales Gesicht. Er war mittelgroß und schlank. Brás war ein fröhlicher Mensch, witzig. Immer strahlte er Freude und Optimis-mus aus. Diese Charaktereigenschaften halfen ihm, in jedem Ereignis das Positive zu sehen. So glaubte er felsenfest daran, dass allen düsteren Erlebnissen helle Zeiten folgten. Das Bewältigen auftretender Schwie-rigkeiten bereite ja schließlich eine große Freude. Seine innere Ruhe äußerte sich in seinem entspannten Gesicht, lachenden Blicken und leichten Bewegungen. Andererseits war er scheu und unsicher, er vermied direkte Augenkontakte und lief nicht selten verträumt durch die Gegend, versunken in seinen Gedanken, die ihn von der Außenwelt abschirmten.
Brás war wie ein von Menschenhand nicht berührter glasklarer Fluss in den Bergen oder in der Wildnis, und genauso klar und rein sah er seine Mitmenschen. Sein Herz war weich wie Samt, und jede Äußerung, jeder Blick und jedes Verhalten eines anderen landete direkt in der Tiefe dieses samtweichen Herzens. Umgekehrt reagierte er auf seine Mitmenschen eben mit dieser Weichheit und Reinheit seines Herzens. Es offenbarte sich in ständigem Lächeln und steter Hilfsbereitschaft, was einigen Gesprächspartnern oft übertrieben, fremd, ja künstlich vorkam und entsprechende Reak-tionen nicht verbergen ließ. Solche Reaktionen verletz-ten Brás oft. Das geschah schnell, weil er nur an die positiven Seiten des Menschen dachte, im Grunde naiv war und mit seinem Verhalten seine Freundlichkeit, Offenheit, Menschlichkeit sichtbar machen wollte. Mit achtzehn Jahren war er nach Deutschland gekommen, ganz allein und ohne Geld. Er war geflohen vor un-überwindbarer Armut und vor seiner desolaten Fami-lie. Er träumte von einem Leben in Deutschland mit offenen, freundlichen und kultivierten Menschen, mit Arbeit und ohne finanzielle Sorgen. Schon zu Beginn seiner Migration hat er feststellen müssen, dass sich die Menschen in den Industrieländern nicht weniger darwinistisch verhielten als die Naturvölker; es galt das Recht des Stärkeren, und um besser oder länger leben zu können, war man bereit, sich den Veränderungen mehr als wirklich nötig anzupassen. Sie liefen stock-steif, als wären sie ferngesteuert. Sie sprachen, lach-ten und aßen, als wären sie allein auf der Welt. Sie hatten die Fähigkeit, mit ihren Blicken und Verhalten das Vorhandene nicht vorhanden, das Geschehene ungeschehen zu machen, mit offenen Augen den Nebenstehenden nicht zu sehen, die Ereignisse, die sie nicht betrafen, nicht wahrzunehmen. Diese Fähigkeit der Menschen, diese Anpassung wirbelte Brás‘ Welt durcheinander. Er fand den Industriemenschen zwar technisch entwickelt, jedoch sozial schwach, ego-istisch und mit Vorurteilen behaftet. Einerseits verhielt er sich im Allgemeinen ungezügelt, andererseits lebte er sehr unfrei. Die Freiheit war auf die Freiheit des Ka-pitals reduziert, auf die Reisefreiheit und die Freiheit, politisch ungefährliche Meinungen zu äußern. Der höchste Wert, das höchste Gut, die Arbeit, fesselte die Menschen wie ein Kerker Fledermäuse, und dement-sprechend sahen sie die Welt. Dank technischer Errun-genschaft hielten sie fest am Glauben, dass der ein höherwertiger Mensch sei, der einer höherwertigeren Kultur angehört, und dass allein seine Werte und Nor-men allgemeingültig, abweichende aber minderwertig seien. Der Industriemensch beobachtet seinen Mit-menschen immer aus einer psychologisch-überheb-lichen und einer neidischen Perspektive, je nach seiner Lage in der Gesellschaft, und er schreibt diesem jeweils passende Eigenschaften zu, um sich selbst gut zu verorten, ja, um sich besser und wertvoller als der andere zu fühlen. Diese unsichtbare Mauer, gegen die jeder Fremde aus einem Land prallt, das industriell nicht hoch entwickelt ist, stößt und wirft ihn in die dunkelsten Bräuche und Traditionen seiner Kultur zu-rück. Er findet keine Offenheit vor, sondern Abschot-tung und Ablehnung. Man nimmt ihn nicht auf, man sondert ihn ab. Auch die einschlägigen Gesetze und Verordnungen engten seine Bewegungsfreiheit ein. Er konnte nicht einfach dorthin hingehen, wohin er woll-te. Bald fühlte sich Brás einer doppelten Beobachtung und Überwachung ausgesetzt: zum einen als Mensch, wie jeder andere in der gesellschaftlichen Hierarchie, und zum anderen als Fremder, von dem jede Äußerung und jedes Verhalten besonders beäugt, beurteilt, bewertet und begutachtet wird. Man wollte ihn in einen bestimmten Rahmen, in eine bestimmte Rolle zwängen. Was den anderen nicht passte, wurde mit verbaler Gewalt passend gemacht. Er spürte schmerz-haft, wie die Blicke auf ihm hafteten, wie Vorurteile ihn auf Schritt und Tritt verfolgten. Er war Gefangener dieser Blicke und Gedanken, und wenn er sich das klar machte, ahnte er, dass die Flucht ihm zu einer viel tieferen Enttäuschung geworden war als sein Leben in Armut.
Andere machte das verschlossen, sie kapselten sich ab. Doch er blieb offen, mehr noch: Die Enttäuschung weckte in ihm einen Riesen aus tiefem Schlaf. Eigen-sinn und Trotz traten aus ihm heraus wie der Geist aus Aladins Lampe und standen ihm fortan zur Seite. Er spürte in sich eine Kraft wachsen, die er bisher nicht gekannt hatte. Jetzt wollte er kämpfen, um die weißen Blicke weißer zu machen, um nicht als Verlierer oder Versager dazustehen, um in der Gesellschaft anzu-kommen, deren technische Entwicklung, Disziplin und Ordnung er doch so bewunderte.
Es war seine erste Arbeitsstelle, er hatte noch keine Er-fahrung mit der Arbeitswelt. Er wurde als studentische Aushilfe eingestellt, um den Betriebsrat stundenweise bei der Schreibarbeit zu unterstützen. Er war schüch-tern, höflich und unsicher. In Gegenwart mehrerer er-rötete er, wenn er sprach, war sichtlich aufgeregt, machte grammatikalische Fehler, verschluckte die End-silben und seine Stimme war zittrig. Er ärgerte und schämte sich, wenn er seine Stimme hörte oder sich vorstellte, wie seine Stimme sich anhören würde. Der Betriebsratsvorsitzende unterstützte ihn, informierte ihn über die Abläufe im Betrieb, klärte ihn auf, erläu-terte ihm das Betriebsverfassungsgesetz, das er sehr gut kannte, und erzählte ihm von Rhetorikkursen, die die Manager besuchen, die er aber auch besucht hätte. Er würde auch für Brás einen Kurs beantragen. Brás war trotz seiner Schüchternheit sehr motiviert und kontaktfreudig und verstand die Zusammenhänge schnell. Im Schriftlichen war er gut, sogar ausdrucks-stark. Er tippte alle Briefe und Protokolle des Betriebs-rates ab und korrigierte sie, er erstellte Tabellen und Graphiken und ein Informationsheft mit allen wichti-gen Angaben für Mitarbeiter. In kurzer Zeit wurde er wegen seines Fleißes, seiner guten Auffassungsgabe, seiner Kenntnisse und wegen seiner Offenheit sehr geschätzt und anerkannt. Nach Abschluss seines Studiums wurde er schließlich in ein festes Arbeitsver--hältnis übernommen. Er sollte in der Abteilung Arbeits-sicherheit und Umweltschutz dem Sicherheitsinge-nieur beistehen, der unheilbar krank war und mehrere Monate im Jahr fehlte.
Von da an schien das Glück auf seiner Seite zu sein. Er erledigte sämtliche Korrespondenz mit Behörden, Berufsgenossenschaften und Entsorgungsfirmen. Er schrieb die Betriebsanweisungen über den Umgang mit Gefahrstoffen, überwachte die Einhaltung der Vor-schriften und Schutzeinrichtungen und das Gefahr-stofflager und erstellte ein Sicherheitshandbuch mit allen verwendeten Gefahrstoffen und dem Verhalten im Notfall. Diese positiven Veränderungen eines brach-liegenden, vernachlässigten Bereiches brachten ihm großes Lob ein. Das belebte ihn spürbar, sein Gesicht bekam Farbe, die Augen glänzten, Lachen erhellte sein Gesicht. Er strahlte. Sein ganzer Körper, sein ganzes Auftreten zeigten, wie erfüllt von Freude er war. Er lief federleicht und immer aufrechter, und er trat immer gepflegter auf. Schüchternheit und Unsicherheit schwan-den allmählich. Dazu hatte er weiter Glück, denn damals kündigte die Sekretärin der Personal-leitung. Die Personalchefin, Bettina Schultheiß, die über Brás gut informiert war und ihre Arbeit allein nicht bewältigen konnte, holte Brás zu sich. Sein Herz klopfte wie am ersten Tag. Denn Schultheiß war eine Respektperson, die er zunächst nicht einschätzen konnte. Und von dem neuen Arbeitsgebiet hatte er auch kaum Ahnung. Er wusste aber, dass es eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe sein würde, die nicht nur viel Wissen, sondern auch einen sicheren und seriösen Umgang mit Menschen erforderte.
Wieder wirkte er unsicher, er war sichtlich aufgeregt. Aber er wollte sich diese Chance nicht entgehen las-sen. Sein Ehrgeiz und das Wissen, dass in ihm noch mehr Potential stecken würde, schenkten ihm schließ-lich die Kraft, die er brauchte. Schultheiß übertrug ihm zunächst einfache Arbeiten wie Tages- und Monats-berichte. Er erstellte Statistiken über die Anzahl der Mitarbeiter in den jeweiligen Bereichen, Personalbe-wegungen, Eintritte und Austritte, Tabellen über krankheitsbedingte Abwesenheiten, Fluktuation und Ausbildungsstand der Mitarbeiter. Dann verfasste er Bescheinigungen für Mitarbeiter, Briefe, Er- und Ab-mahnungen und die ersten Arbeitszeugnisse. Seine Chefin korrigierte seine Arbeit, erläuterte ihm, worauf er achten soll, und lobte ihn schließlich trotz vieler Fehler. Danach führte er Gespräche über angezeigtes Fehlverhalten und Gespräche mit Mitarbeitern nach der Rückkehr aus der Krankheit. Schultheiß hörte sich diese Gespräche von ihrem Büro im Nebenzimmer aus an, ohne sich einzumischen. Anschließend kam sie he-raus, sagte ihm seine starken und seine schwachen Seiten und wies ihn ein, wie er Gespräch führen solle. Schließlich nahm sie ihn mit zu Vorstellungsgesprä-chen. Bald ließ sie ihn die Arbeitsverträge verfassen. Später übertrug sie ihm die Leistungsbeurteilungen der tariflichen Mitarbeiter und arbeitete ihn in die Beurteilung der außertariflichen Angestellten ein. Sie lobte seine Arbeitsergebnisse und zeigte ihm seine Fehler und Schwächen. Er war sehr motiviert. Mit jeder Aufgabe, die er bewältigte, mit jeder Erweiterung sei-nes Arbeitsbereiches wurde er entspannter, fröhlicher und einsatzfreudiger. Autodidaktisch erweiterte er seine Computerkenntnisse, studierte den Manteltarif-vertrag und erstellte für sich eine Tabelle aus den wich-tigsten Paragraphen. Die Fragen der Führungskräfte und der Mitarbeiter konnte er jetzt leichter beant-worten, auf die Vorschriften hinweisen, Möglichkeiten aufzeigen. Dies alles beeindruckte seine Vorgesetzte sehr, die ihn immer förderte. Sie ermöglichte ihm, dass er die Fachausbildung zum Personalfachmann besuch-te, die er erfolgreich und mit gutem Ergebnis absol-vierte. Es wurden ihm weitere Aufgaben übertragen. Personalentwicklung und -betreuung wurden Schwer-punkte seiner Arbeit. Er trainierte alle außertariflichen Mitarbeiter in dem elektronischen System zur Planung der Nachfolgerentwicklung, das im Konzern neu eingeführt worden war. Es war sehr kompliziert, schwer verständlich und in noch kaum einer Nieder-lassung umgesetzt. Daneben behielt er seine bisheri-gen Aufgaben. So lernte er in kurzer Zeit das ganze Spektrum der Personalarbeit kennen und umsetzen, Verhandlungen mit dem Betriebsrat eingeschlossen. Regelmäßig und aufmerksam verfolgte er die Ge-setzesänderungen, die wirtschaftlichen Entwicklungen und das politische Geschehen.
Schon bald beeindruckte er seine Gesprächspartner mit seinem Wissen. Er wurde immer selbstbewusster. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung blieb seinen Vorgesetzten nicht verborgen. Zunächst versuchte sie, ihn immer wieder im Zaum zu halten, seine sprudelnde Energie zu bändigen. Doch später fragten sie ihn bei jeder bevorstehenden Entscheidung nach seiner Mei-nung, und wenn sie nicht zu einem Ergebnis kamen, bat sie ihn, sich darüber Gedanken zu machen und diese dann niederzuschreiben. Immer öfter hatte sie dann seine Ideen eins zu eins übernommen und bei der Geschäftsführung oder Betriebsrat präsentierte sie sie oft mit Erfolg, ab und zu auch mit geringfügigen Kor-rekturen, die sie dann gemeinsam bearbeiteten. Im-mer mehr zog sie sich vom Tagesgeschäft zurück und überließ es Brás. Sie führte nur noch die Vorstellungs-gespräche, pflegte die Außenkontakte und war Ansprechpartnerin der Geschäftsleitung und des Betriebsrates.
Doch er hatte auch Schwächen. Seine manchmal über-trieben wirkende Freundlichkeit und Offenheit konnte er trotz seiner Erfolge und seines gewachsenen Selbst-bewusstseins nicht ablegen. Manche interpretierten sein Verhalten als Schwäche oder fehlendes Selbst-wertgefühl. Insbesondere die ausländerfeindlichen Kollegen oder die, die Autorität, die Unfreundlichkeit und Distanz als Charakterstärke und als Zeichen einer starken Persönlichkeit verstanden, betrachteten ihn aus ihrer unverrückbar eindimensionalen Sicht; sie lie-ßen entsprechende Bemerkungen fallen, auch in seiner Anwesenheit. Er würde schauspielern, mit seiner Scheißfreundlichkeit wolle er bestimmt etwas erschlei-chen. Ein Nicht-West-Europäer könne unmöglich so gebildet und freundlich sein. Da stimme etwas nicht! Insbesondere die Juristin, Myriam Kohler, und der Produktionsleiter, Walter Steinbach, äußerten sich häufig in seinem Beisein, ihm gegenüber oder in den Gesprächen mit der Personalleitung sehr abfällig über die Ausländer, insbesondere über die Türken. Für die Beiden waren die Ausländer, vor allem die Türken, der Quell allen Übels; sie waren die Ursache der Wirt-schaftskrise ab Mitte der neunziger Jahre, der steigen-den Kriminalität im Lande, der Erstarkung der radi-kalen Gruppen, des Auftragsrückgangs, der Unruhe im Betrieb, sogar die Ursache der Einsamkeit von Kohler, die Mitte dreißig war, keinen Freund hatte und noch bei ihren Eltern lebte. Ihr Vater, pensionierter Staats-anwalt in Villbeck, hatte ihr, seiner Tochter, Volljuristin, mit auf den Weg gegeben, dass sie den Menschen niemals vertrauen sollte. Menschen seien böse von Natur; sie solle sich nicht wundern, wenn jemand et-was Böses tue. Im Gegenteil solle sie sich wundern, wenn jemand eine gute Tat erbringe. Dieser Lebens-philosophie folgte sie.
Eines Tages wurde sie tot in ihrem Wagen auf dem Fir-menparkplatz aufgefunden. Walter Steinbach ging in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre in den Ruhe- stand. Seitdem wurden keine Diebstähle mehr verzeichnet, es gab keine Streitereien mehr zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien in der Firma. Die Qualitäts-mängel wurden geringer. Auch die Krankheitsrate sank.
Brás ärgerte sich sehr über die provokativen Gesprä-che, aber traute sich nie, seine Meinung dazu zu sagen, obwohl er die Hintergründe der Emigration und die so-ziologischen Gründe des Verhaltens der Einheimischen und der Emigranten sehr gut verstand. Er schluckte alles. Er schluckte es wie ein Gift, das langsam, aber sicher wirkt. Doch es gab viele nette und freundliche Kollegen, die ihn schätzten, die ihn unterstützten, die ein Gegengift waren. Sein positives Menschenbild änderte sich nicht, auch wenn die Erlebnisse nicht spurlos an ihm vorübergingen. Er wusste nun, dass der Erfolg viele Neider hat. Er wusste aber auch, dass er keine höhere Position anstreben wollte. Denn der Umgang mit unliebsamen Mitarbeitern, mit den Men-schen aus der unteren betrieblichen Hierarchie schock-te ihn, zerstörte seine Illusionen von der Arbeitswelt. Er ärgerte sich sehr über die Menschen, die von einer Rolle in die andere schlüpften, wenn es darum ging, andere Kollegen anzuschwärzen, sich von Mitarbeitern zu trennen oder sich Vorteile zu schaffen. Diese Verhal-tensweisen nahmen nach dem Managementwechsel im Zuge der Globalisierung immer mehr zu. Die Werte hatten sich verschoben, ja, geändert. Nicht Fachwissen zählte, sondern die elastischen, nicht definierbaren Charakterzüge, bei höheren Positionen kombiniert mit der Einstellung zum Profit. Nicht Praxis und Erfahrung waren wichtig, sondern jene Idee, jene Theorie, die die deutlichste Verschlankung der Arbeitsabläufe und den höchsten Gewinn versprach. Nicht das Beherrschen des Aufgabengebietes zählte, sondern die Reaktion auf die jeweilige Situation. Nicht die Prinzipien der Menschenführung, sondern die Eigenprofilierung do-minierte. Werte wie Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Spar-samkeit, Ordnung und der Respekt füreinander siechten dahin wie eine Flamme in nasskalter Nacht. Brás durfte gar nicht daran denken, wie sehr die Infragestellung all dessen, was für ihn wichtig war, ihn getroffen hatte. Dabei sollte er noch am eigenen Leibe erfahren, wie der Kapitalismus funktionierte, wie Ar-beitsmethoden geändert wurden, weil der Grundsatz der Profitsteigerung es so verlangte, und wie heftig die industrialisierte Gesellschaft sich auf die zwischen-menschlichen Beziehungen der Mitarbeiter auswirkte.
Dies alles hinterließ seine Spuren bei Brás. Auf welche Art man seine Vorgesetzte entlassen hatte und wie man bei der Massenentlassung vorgegangen war, hatte ihm zwar die Augen geöffnet. Auch das ganze Verhalten Bergsteins, der diese Kultur der Kulturlos-igkeit eingeführt hatte, erschütterte sein Menschen-bild. Doch diese Werteverschiebung übersah er, oder er wollte sie zunächst nicht sehen oder wahrhaben, weil sein neuer Chef, Bergstein, ihn gelobt hatte, da-mals, in einem Gespräch nach den reibungslos verlau-fenen Entlassungen, und ihm gesagt hatte, er, Brás, habe in der Krisenzeit gezeigt, wie fleißig und enga-giert er arbeiten würde. Schließlich hatte Bergstein ihm zugesichert, dass er einen sicheren Arbeitsplatz hätte, und die Firma nicht beabsichtige, ihn zu ent-lassen.
Und Barz glaubte daran!
Das manipulierte Verhalten, die manipulierte Einstel-lung der Menschen, er durchschaute all das und er wusste, es waren Welten zwischen ihm und dem Le-ben im Kapitalismus, wo noch das kleinste Detail vor-gegeben, vorgeschrieben und fremdbestimmt ist. Und dann die Selbstherrlichkeit der Menschen! Das abso-lute Gegenteil dessen, wofür er stand, was ihn aus-machte. In seinem Leben gab es nicht das Ich, sondern immer das Wir — die Familie, die Verwandten, das gan-ze Dorf. Seine Persönlichkeit war geprägt von seiner Herkunft aus armen Familienverhältnissen, von der Immobilität eines der Tradition und dem Brauchtum verhafteten Dorfes, einer Erziehung, die gegenüber den Älteren und Fremden zu Respekt und Ehrerbie-tigkeit verpflichtet; höflich zurückhaltend, freundlich und respektvoll. Die Normen und Werte des Kapitalis-mus aber bedeuteten distanzierte, kühle Beziehungen zwischen den Menschen, Egoismus und Respektlosig-keit als Beleg eines guten Selbstbewusstseins, gren-zenlose Freizügigkeit als Zeichen der Freiheit, Respekt in Abhängigkeit von Berufsstand, Einkommen und Kleidung des Gegenübers. Zwei Welten: In der einen erstickt der Mensch im Kerker der dunklen Geister, im Brauchtum. In der anderen verdunstet der Mensch regelrecht in der Hitze des Kapitalismus und wird schließlich recycelt als Objekt des Kapitals.
Es bedurfte jahrelanger Diskussionen mit sich selbst und mit seinen Mitmenschen inner- und außerhalb der Firma, bis er diese Mechanismen annähernd begriff. Trotzdem hielt er die guten zwischenmenschlichen Beziehungen für den Schlüssel aller Erfolge im Privat- und Arbeitsleben. Er spürte einen immer mehr erstarkenden Widerstand in sich, einen Widerstand gegen die neuen Werte der Globalisierung, deren Annahme er wie einen Verrat an sich selbst, wie die Aufgabe seiner eigenen Persönlichkeit empfunden haben würde.
5
Als würde er seinem Hobby nachgehen, begann Bergstein mit vollem Eifer an, die auf der Betriebsver-sammlung angekündigte Personalreduzierung umzu-setzen. Nach mehreren Verhandlungen mit dem Betriebsrat wurden ein zweistufiger Sozialplan und ein Interessenausgleich aufgestellt, in dem als Maßnah-men zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit die Verlagerung der Kabelproduktion – sie war sechs Jahre nach Abschluss des Sozialplanes immer noch nicht verlagert – und die (doch bereits abgelaufenen!) Auf-träge der Kunden Lucis, Kaito und Osada aufgeführt waren. Der neue, große Auftrag des Automobilher-stellers UVEC, der erst aber mehrere Monate später anlaufen sollte, wurde bei den Verhandlungen strikt geheim gehalten. „Diese Maßnahmen dienen dazu, dass von den 370 Stellen 60 zum 1. Juli 2001 entfallen.“
Die entlassenen Mitarbeiter, das waren überwiegend ältere über 50 und solche, die gesundheitlich ange-schlagen oder einfach unliebsam waren, wurden in einer Personalentwicklungsgesellschaft geparkt und bezogen von dort ein beziehungsweise zwei Jahre lang – je nach Alter des Arbeitnehmers - 80 % ihres bis-herigen Nettogehaltes. Diese Personen wurden weder weiter qualifiziert, noch wurden sie irgendwo beschäf-tigt, noch irgendwie betreut, noch wohin auch immer vermittelt. Die Personalentwicklungsgesellschaft, in der Praxis "Auffanggesellschaft" oder "Transfergesell-schaft" genannt, wurde vom entlassenden Unterneh-men und von den damaligen Arbeitsämtern finanziert, ohne dass jemand die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung, einer solchen Massenentlassung über-haupt prüfte. Ein Antrag des Arbeitgebers, der nicht hinterfragt wurde, reichte aus, und die Umsetzungs-maßnahme samt Zuwendung staatlicher Zuschüsse wurde genehmigt. Jedes Mal kam ein Beamter, ein gewisser Dieter Jordan, den Bergstein gut zu kennen schien, und beriet Bergstein. Sie trafen sich immer in einem Restaurant am Zoo. Bergstein bedankte sich jedes Mal mit einem dicken weißen Umschlag in einer dicken Stofftasche, die er dem anderen überreichte, nachdem er das Lokal mit seinen wandernden Blicken kontrolliert hatte.
So bezahlte der Staat den überwiegenden Teil der Massenentlassung. Nur für einen geringen Anteil kam der Betrieb auf. Der Staat hat auch die Folgen der Entlassung bezahlt. Firmen, die angeblich kriselten, wurden so nach einiger Zeit wieder kerngesund.
Brás zitierte immer wieder den Gesetzestext und lachte bitter über solche gesetzlich verankerte Betrügereien: „Die Teilnahme von Arbeitnehmern, die aufgrund von Betriebsänderungen oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses von Arbeitslosigkeit bedroht sind, an Transfer-maßnahmen wird gefördert, wenn die Maßnahme von einem Dritten durchgeführt wird, die vorgesehene Maßnahme der Eingliederung der Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt dienen soll, die Durchführung der Maßnahme gesichert ist und ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird. Transfermaßnahmen sind alle Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt, an deren Finanzierung sich Arbeitgeber angemessen (!) beteiligen. (…) Die Förderung wird als Zuschuss gewährt. Der Zuschuss beträgt 50 Prozent der aufzuwendenden Maßnah-mekosten, jedoch höchstens 2.500 Euro je gefördertem Arbeitnehmer.“
Die Gewerkschaften verhielten sich nicht anders. Sie profitierten von der Situation, gründeten eine eigene Personalentwicklungsgesellschaft und plädierten auf der Betriebsversammlung für die Maßnahme, anstatt die Massenentlassung zu verhindern oder infrage zu stellen.
Das zufriedene Lachen der Direktoren in New York und das Klirren der Sektgläser schallte von Amerika bis nach Villbeck. Die Telefonleitungen platzten beinah vor lauter Jubel, den sie zu transportieren hatten, und als es soweit war, entleerten sie sich mitten in die Brust von Bergstein, der daraufhin wie ein riesiger Luftballon anschwoll. Seine Füße berührten kaum noch die Erde. Direktoren, deren Pupillen aus Dollarzeichen bestan-den, und deren Sätze mit Dollarzeichen endeten und nicht mit einem Punkt, ehrten ihn in der Konzern-zentrale für die so kostengünstige Massenentlassung! Durch seine Restrukturierung seien die Aktien in die Höhe geschnellt. Mit geringem Aufwand seien Personalkosten reduziert worden, das hätte den Aktienkurs enorm beflügelt. Sie klopften ihm auf die Schulter, erweiterten seinen Zuständigkeitsbereich auf ganz Nordeuropa und verdoppelten sein Gehalt.
Bergstein wuchsen Flügel, und er stieg hoch in die Luft. Die Gegenstände, insbesondere die Menschen, wurden dabei in seinen Augen immer kleiner. In Wirklichkeit hatte Bergstein aber nur eine Betriebs-vereinbarung geschlossen, eine Vereinbarung, deren Muster er von seinem alten Arbeitgeber besorgt hatte; mit den Folgen des Sozialplans selbst hatte er nichts zu tun. Als es soweit war, befand er sich ständig auf angeblichen "Dienstreisen". Die eigentliche, die Drecksarbeit, wie Anmeldung der Massenentlassung beim Arbeitsamt, Gespräche mit jenen Mitarbeitern, die in die „Personalentwicklungsgesellschaft“ wech-seln oder „freigesetzt“ werden sollten, Anhörung des Betriebsrats und schließlich das Verfassen von Aufhe-bungsverträgen erledigte Brás ganz allein.
Die Erstellung der Tabellen für die Personalentwick-lungsgesellschaft, die Eingabe der Abfindungen in das System und die darauf gestützten Abrechnungen machte Hans-Martin Herbst. Sie hatten an allen Wochenenden im April gearbeitet. Sie waren den Enttäuschungen und berechtigten Aggressionen ihrer Kollegen ausgesetzt. Sie hatten die Entlassungen zu rechtfertigen, mit denen sie doch selbst nicht einverstanden waren. Mani Brás leitete die Personal-abteilung seit der Entlassung seiner Chefin bis Ende April 2001 erfolgreich. Er arbeitete nach wie vor sehr motiviert. Er war der einzige Ansprechpartner der Personalabteilung, da Bergstein oft abwesend war, und konnte endlich sein Fachwissen umsetzen.
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Bergstein hatte eine auffällige Zuneigung zu bestimmten Typen von Frauen. Für ihn gab es zwei Sorten von Frauen, und zwar die, die mit ihrem Aussehen ihrer Kleidung auf ihn anziehend wirkten, und die, die er aufgrund des Alters und der Erscheinung als Mutterersatz sah. Die Ersteren waren sich ihrer Schönheit und ihrer sexuellen Ausstrahlung bewusst, die sie auch immer wieder einsetzten, wenn sie etwas erschleichen wollten. Starke Frauen oder Frauen, die auf ihre Kleidung nicht achteten, mied er. Wenn solche Mitarbeiterinnen oder Besucherinnen ihm während eines Gesprächs widersprachen, bekam er ein knallrotes Gesicht und stotterte -trotz seiner hohen Position im Unternehmen. In einem kleinen, sicheren Kreis lachte er über diese Frauen, indem er ihre Sätze Grimassen schneidend wiederholte und ihre angeblich alternativ aussehende Kleidung abfällig beschrieb.
Bergsteins Kopf war immer etwas nach links gebeugt. Er hatte kurze, stachelige Haare, die seinem Kopf das Aussehen eines Igels bescherten. Sein Gesicht war oval. Er trug eine Brille. Seine Blicke waren immer in die Ferne fixiert, als würde er sich gerade mit Sachen beschäftigen, die eine besondere Anstrengung verlangten. Er schien selten geistig abwesend und ebenso selten hörte er einem zu -- was zur Folge hatte, dass er die gleiche Sache mindestens vier- bis fünfmal erfragte, falsch wiedergab und die Zusammenhänge nicht erkannte. Auch Auch nach Jahren kannte er die meisten Mitarbeiter nicht. Er kannte nur die Namen der Mitglieder der Geschäftsleitung und die einiger Vorgesetzter. Seine Nase war spitz, seine Ohren wirkten durch die kurzen Haare noch größer und irgendwie deplatziert, als wären sie im Nachhinein angeklebt worden. Die Lippen waren in der Mitte dick, als wären sie zurückgerollt, und zeigten oft seine Schneidezähne, insbesondere wenn er beim Formen seiner hinterhältigen Gedanken konzentriert in die Ferne blickte. In diesem Moment hatte er das Aussehen von einem Dachs. Das Gesicht war schmal und ausdruckslos, als wäre es von einer Maske überdeckt, die sich auf einen Tastendruck hin von einer Sekunde auf die andere veränderte, weich oder hart wurde.
Bergstein war sehr nachtragend. Wenn ein Mitarbeiter irgendwann aus irgendeinem Grund negativ auffiel, wurde er für immer als schlechter Mitarbeiter stigmatisiert. Nie erhielt er die Möglichkeit, sich zu verbessern oder zu zeigen, dass es sich um einen einmaligen Fehler gehandelt hatte. Sein einmaliges Fehlverhalten war das Einzige, was im Gedächtnis von Bergstein haften blieb, und das war schlimmer als ein Sieb. Er schlug jedes Mal zu — und wählte fast immer dieselben Mitarbeiter für den Personalabbau aus. Dabei vergaß er jedes Mal Wesentliches, sodass er bei dem einen oder anderen Mitarbeiter die Klage verlor oder die Kündigung aus den unterschiedlichsten Gründen zurücknehmen musste, wenn es darum ging, die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren. Er zeigte oder er hatte keine Gefühle. Er sprach die Mitarbeiter, die entlassen werden sollten, ruhig und monoton an, am Mittagstisch, am Kaffeeautomaten, auf dem Parkplatz oder im Flur, eben dort, wo immer er sie gerade antraf, stets im Beisein von anderen, als würde er etwas Belangloses mitteilen.
Mitarbeiter, die aufgrund eines traurigen Ereignisses geschwächt oder nicht in der Lage waren, klar zu denken, erhielten sofort die Kündigung oder es wurde ihnen der Abschluss einer einvernehmlichen Verein-barung über die Beendigung des Arbeits-verhältnisses angeboten, die sie dann in ihrem schwachen Zustand unterschrieben. So wurde das Arbeitsverhältnis mit Rolf Schmidtbauer genau in der Zeit beendet, als seine Frau ihn mit dem einjährigen Baby plötzlich verlassen hat. Günther Wiechmann erhielt das Kündigungs-schreiben nach seinem Hirnschlag im Krankenhaus. Im Fall Wiechmann übertraf Bergsteins Verhalten jede Vorstellungskraft und zeigte wieder einmal, wie wenig fassbar sein gesamter Charakter war. Wiechmann war von der Firma Ambros abgeworben und als Vertriebs-direktor für den ostasiatischen Markt eingestellt worden. Er war 51-jährig, Vater von vier Kindern und Alleinverdiener. Mit der Wechselprämie hatte er den Kauf eines Hauses teilfinanziert. Am vorletzten Tag der Probezeit von sechs Monaten teilte ihm Bergstein mündlich mit, dass er die Probezeit nicht bestanden hätte und das Arbeitsverhältnis am kommenden Tag enden würde. Noch am selben Tag erlitt Wiechmann einen Hirnschlag. Am nächsten Tag mit dem regulären Beginn der Arbeitszeit bat Bergstein den Betriebsrats-vorsitzenden, Otto Roland, mit ins Krankenhaus zu gehen. Roland ging gerne mit, weil er wie alle Mitarbeiter dachte, der Besuch sei gedacht als Erfüllung einer Vorsorgepflicht des Arbeitgebers oder einfach eine nette Geste von Bergstein. Wiechmann befand sich noch auf der Intensivstation. Seine Frau und die älteste Tochter warteten allein in einem großen, kahlen und sterilen Raum sorgenvoll und mit roten Augen. Bergstein stellte sich vor und erkundigte sich monoton nach dem Befinden von Wiechmann. Sie wisse noch nichts, sagte die Frau, der behandelnde Arzt sei kurz da gewesen und hatte mitgeteilt, dass der Gesundheitszustand sehr ernst sei. Sie brach dann in Weinen aus. Roland umarmte sie und versuchte, sie liebevoll zu trösten. Kaum hatte sie sich beruhigt, zog Bergstein aus seiner Jackentasche einen Briefum-schlag und überreichte ihn Frau Wiechmann. Mit dem bekannten unveränderten Ton fügte er an, dass es ihm sehr leidtue. Die Firma sei gezwungen, das Arbeits-verhältnis mit ihrem Mann mit dem heutigen Tag aufzulösen. Sie und Roland schauten versteinert und fassungslos. Roland zitterte später vor Wut und schrie Bergstein an, der unbeeindruckt blieb. Infolge des Gehirnschlags hatte Günther Wiechmann eine Ge-sichtslähmung und konnte nicht mehr sprechen. Auch beide Beine waren gelähmt, er war so geschädigt, dass er den Rest seines Lebens auf den Rollstuhl angewie-sen bleiben sollte.
Die meisten Menschen sind froh gestimmt, wenn sie mit Sonnenstrahlen aufstehen. Sie fühlen sich erleich-tert, haben ein fröhliches Gemüt und wünschen sich, auf dem Balkon, im Garten oder in einem Straßen-café zu sitzen und ihren Kaffee zufrieden zu schlürfen, oder einfach in der Natur spazieren zu gehen oder das zu machen, wonach sie sich sehnen, was ihnen Freude bereitet. Oder sie packen mit Freude die liegen gebliebene Arbeit an. Sie sprühen vor Energie und wollen jede Sekunde der Zeit ausnutzen. Bergstein ergeht es ähnlich. Auch er streckt sich, wenn die Sonne scheint, wie die anderen Menschen zufrieden aus. Wie die anderen Menschen wird er hierbei sagen, wie schön das Wetter sei. Seine weiteren Gedanken unterscheiden ihn jedoch von denen anderer Men-schen. Wie ein Denkmal mit ausgestreckten Händen und offenem Mund und kleinen Augen, jedoch fixierten Blicks, wird er überlegen, wem er heute kündigen, wem er eine Abmahnung erteilen, wessen Bitte er ablehnen könnte. Bei schönem Wetter sind die Menschen optimistischer, können mehr ertragen, bei schlechtem Wetter sind sie betrübt. Eine schlechte Nachricht mehr oder weniger spielt keine Rolle mehr, denkt er. Oder er überlegt, mit welchem Verhalten, mit welchem Witz, mit welcher Machtdemonstration er wel-chem Mann oder ganz besonders welcher Frau er heute imponieren will. Er denkt zum Beispiel ernsthaft darüber nach, welche Kleidung die Vertriebsassistentin heute trägt, wie kurz ihr Minirock wohl sein würde, und mit welchem Vorwand er in ihre Nähe kommen kann. Er findet es unerträglich, wenn andere Menschen glücklicher, zufriedener oder besser gestellt sind als er. Wenn Mitarbeiter freudestrahlend von ihren -schönen Erlebnissen mit ihren Kindern, Freunden und Verwandten oder von irgendwelchen Feiern, von ihrem Urlaub erzählen, bekommt er rote Backen, wird nervös, schlägt mit den Fingern un-kontrolliert auf den Tisch oder Stuhl oder auf seinen Bauch oder seine Beine, macht eine unpassende Bemerkung oder schaut demonstrativ auf seine Uhr und steht unter dem Vorwand eines Termins auf, den er gleich wahrnehmen müsse. Jedes Gespräch, jede Unterhaltung ist für ihn todlangweilig, wenn er nicht der Mittelpunkt ist. Er erzählt immer von der Arbeit oder er reißt Witze, die bei Anwesenden aufgrund ihres Inhaltes oft ein tiefes peinliches Schweigen oder betroffene Blicke auslösen. Nur er lacht schallend darüber.
Weil Bergstein Gespräche bis zum Schluss dominieren und kontrollieren musste, verließ er den Betrieb oftmals als Letzter zu einer Pause. Oft kaufte er sich anschließend auf dem Rückweg ein Eis; wieder im Betrieb, vor der ganzen Mannschaft, aß er es dann wie ein reiches, verwöhntes und einsames Kind, das im Beisein von armen und mittellosen Kindern ganz be-sonders genussvoll an seiner Errungenschaft schleckt. Alle anderen Mitarbeiter gaben eine Runde Eis für alle aus. Auf Dienstreisen bestellte er nur für sich Bier, er hatte angeblich nie Bargeld, wenn andere Mitreisen-den gemeinsam etwas bestellten.
Jeder Mitarbeiter, der ihn einmal hörte oder im Umgang mit Mitarbeitern erlebte, war sicher, dass die Konzernleitung so ein Verhalten nicht lange dulden würde. Es würde die Mitarbeiter demotivieren und dem Ruf des Unternehmens schaden. Daher sei die Entlassung Bergsteins gewiss nur noch eine Frage der Zeit. Doch Bergstein stieg auf. Mit jedem Fall skrupellosen Verhaltens stieg er weiter nach oben.
Die Mitarbeiter spürten den ersten Knacks in ihrem positiven Denken über ihr Unternehmen. War das eine Demonstration von Macht? Oder meinte das Unterneh-men in Wirklichkeit das Gegenteil, wenn es immer wieder propagierte, seine Mitarbeiter seien das größte Kapital? Wo bleiben die Ethik-Richtlinien, die den Mitar-beitern jährlich eingetrichtert wurden?
Bergstein hatte seinen Dienstsitz in Fliedholz. Die Geschäftsführung hatte vor einem Jahr die Firmen-gebäude an der Bernhausener Landstraße verkauft und war ins Umland, eben nach Fliedholz gezogen. Nur die Produktion und die dazugehörigen Bereiche wie Fertigungsplanung, Logistik, Qualität und ein Teil der Personalabteilung waren in Villbeck geblieben.