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Galilei
Оглавление»Ich muss zunächst erklären, wer ich noch bin. Ich bin nicht nur Malte Lichtermann, ich bin auch Galilei. Galilei ist mein Name in der Hackerszene. Ich gab mir den Namen, da ich mich schon immer für Astronomie interessiert habe und deshalb auch an der hiesigen Sternwarte als Assistent arbeite.
Malte Lichtermann ist der Assistent an der Sternwarte – Galilei ist der Hacker und Lichtermanns Alter Ego.
Ich arbeite alleine, sowohl tagsüber als Malte Lichtermann in der Sternwarte als auch nachts als Galilei zu Hause. Ich möchte betonen, dass ich mit meinen Hackeraktivitäten noch niemals jemandem finanziell geschadet habe, ich lebe als Hacker meine Fantasien aus. Ich möchte nichts verharmlosen oder verniedlichen, aber mein oberstes Gebot ist, dass ich niemandem finanziellen Schaden zufügen werde, und das habe ich bis heute auch nicht getan.
Ich bin ein digitaler Schlüsselloch-Spanner, ein Voyeur im Netz oder der Unsichtbare in deinem Computer, Pad oder Smartphone.
Mich interessiert nur, ob ich in deine digitale Welt eindringen kann. Ist dies geschehen, dann sehe ich mich darin um, schaue nach privaten Bildern und Filmen, und falls ich solche finde, dann kopiere ich mir die für mich interessantesten Bilder oder Filme in mein privates Archiv; räume meine Spuren auf, verbessere manchmal deine Sicherheitseinstellungen und verlasse deine digitale Welt. Andere Inhalte interessieren mich nicht.«
Jantina atmete tief und schwer ein. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie Malte an. Sie war nicht nur überrascht über ihn, sie war auch enttäuscht, und zwar von Malte und von sich selbst. Dass Malte ein Spanner ist, wollte sie nicht wahrhaben, und es fiel ihr schwer zu glauben, was sie gerade gehört hatte. Aber am meisten war sie über sich selbst desillusioniert – sie hatte sich in Malte komplett getäuscht! Bei all ihrer Erfahrung, die sie in ihrem Beruf schon sammeln konnte und sammeln musste, hätte sie mit mehr Professionalität und Distanz agieren müssen. Sie wollte Malte als harmlosen und netten jungen Mann sehen und hatte sich einlullen lassen – so etwas darf einer Staatsanwältin nicht passieren!
Zornig und mit Verachtung fragte sie: »Und von wie vielen digitalen Einbrüchen sprechen wir? Ich möchte mir ein Bild davon machen, in wie vielen Intimsphären Sie sich schon ›umgeschaut‹ haben.«
Malte entging weder der Zorn noch die Verachtung in Jantinas Stimme.
»Ich erwarte nicht, dass Sie oder irgendjemand mich versteht oder gutheißt, was ich getan habe.«
»Mich interessiert nicht, was Sie erwarten, Herr Lichtermann! Beantworten Sie einfach meine Frage!«
»Das zum Thema: privates Protokoll und kein Verhör. Ging ja recht schnell. Vielleicht habe ich mich in Ihnen getäuscht? Aber …« Maltes Gesicht wurde wieder kühl und hart. Er reduzierte Gestik und Mimik auf ein Minimum: »… ich war schon immer ein lausiger Menschenkenner.«
»Wie viele?«, wollte die Staatsanwältin unbarmherzig wissen.
»Ich weiß es tatsächlich nicht genau, aber eintausend … mehr oder weniger … werden es wohl sein.«
»Wie bitte?« In Jantina Alfering stürzte eine Welt zusammen, mit ratloser und leerer Stimme wollte sie mehr wissen: »Und w…« Sie bemerkte, dass ihre Stimme hohl und nichtssagend war. Sie räusperte sich und setzte zum zweiten Versuch an: »Und was haben Sie alles ›mitgehen lassen‹ oder kopiert?«
»Vieles. Ein paar Gigabyte.«
»Genauer!«
»Herrgott! Ich weiß doch nicht die genaue Anzahl der Dateien!«
»Wo befinden sich diese Dateien?«
»In meinem System.«
»Sie meinen auf Ihrem Computer?«
»Nein! Ich meine in meinem System. Hören Sie bitte, ich werde Ihnen alles zeigen, aber … kann ich fortfahren? Wir vergeuden wertvolle Zeit!«