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Aufbruch in den Westen

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Mit der unheilvollen Diagnose Schwindsucht neben seinen anderen Habseligkeiten im Gepäck, wusste John Henry Holliday dass diese Krankheit einem Todesurteil gleichkam, welches zu jener Zeit in der Regel binnen kürzester Zeit vollstreckt wurde. Erst 1882 sollte der Deutsche Heinrich Hermann Robert Koch (1843-1910) das Tuberkulose-Bakterium entdecken, sodass die Krankheit später geheilt werden konnte - zu spät für Doc.

Viele Wege führen nach Rom, heißt ein altes Sprichwort, doch zu jener Zeit nicht sehr viele nach Dallas, Texas, ist man an dieser Stelle geneigt hinzuzufügen. Man weiß, dass Doc Holliday mit dem Zug nach Dallas fuhr, doch wann genau er seine Fahrkarte ohne Rückschein am Schalter kaufte, weiß man nicht. Dasselbe galt auch für den Ausgangspunkt seiner Reise in den Westen, denn darüber gibt es ebenfalls unterschiedliche Berichte. Tatsächlich besaß Valdosta bereits 1860 eine Eisenbahnlinie, nämlich die der Atlantic & Gulf Railroad, die ursprünglich bis zum Golf von Mexiko gebaut werden sollte. Der erste Spatenstich erfolgte dabei am 02. Januar 1859 am Little Satilla, in der Nähe von Screven, Georgia und wurde über Valdosta (1860) nach Thomasville (1861) vorangetrieben, bis der Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges den Weiterbau verzögerte. Im Dezember 1867 erreichte die Strecke Bainbridge, Georgia und das nächste Ziel hieß Pollard in Alabama. Dann jedoch kam es zu finanziellen Schwierigkeiten, sodass der Bau der Eisenbahn erst ins Stocken und schließlich ganz zum Erliegen kam. Im Jahre 1877 musste das ganze Unternehmen schließlich Konkurs anmelden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Doc Holliday von Valdosta aus in den Westen reiste, ist also eher unwahrscheinlich, da seine Fahrt spätestens in Bainbridge geendet hätte. Es ist eher wahrscheinlich, dass er einen Zug in Atlanta bestiegen hatte, der ihn dann über Mobile, Jackson, Vicksburg, Little Rock, Texakana, Marshall und Longview nach Dallas brachte und das am oder nach dem 01. Juli 1873, dem Tag, wo die Strecke zwischen Longview und Dallas erstmals in Betrieb genommen wurde. Doc hatte vier Staaten (Georgia, Alabama, Mississippi und Arkansas) durchquert, um in einem fünften Staat, nämlich Texas, eine neue Perspektive zu finden, so sie denn bedingt durch seine Krankheit überhaupt möglich gewesen war.

Dallas ist heute, nach Houston und San Antonio, die drittgrößte Stadt von Texas und den meisten von uns durch die Fernsehserie gleichen Namens sowie dem Attentat auf den US-Präsidenten John Fitzgerald Kennedy am 22. November 1863 bekannt. Daneben gilt sie heute als „heimliche Hauptstadt“ von Texas und als ein wichtiger Anlaufpunkt für Wirtschaft und Kultur in der Region. Die Stadt wurde 1841 im Nordosten von Texas östlich von Fort Worth gegründet und man mutmaßt, dass sich der Name der Stadt sowie der des gleichnamigen Countys von dem damaligen 11. US-Vizepräsidenten George Miflin Dallas (1792-1864) ableitete. 1856 erhielt Dallas das Stadtrecht und bedingt durch zwei Bahnlinien, die den Ort von Norden nach Süden und dann vom Osten her (1873) durchkreuzten, sollte sich Dallas in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten zum Kommerzzentrum und zu einer glitzernden Metropole des Staates entwickeln. Als Doc Holliday irgendwann Mitte 1873 oder danach aus dem Zug stieg und seine ersten Fußabdrücke auf dem staubigen Boden von Dallas zurückließ, war der Ort eine jener typischen Kistenholzstädte gewesen, wie man sie üblicherweise von den zahlreichen Hollywood-Wildwestfilmen her kannte und die den Bürgern und Neuankömmlingen jegliche Art von Zerstreuung und geschäftlichen Aktivitäten bot. Saloons, Amüsierviertel und Läden gab es zuhauf und viele von ihnen befanden sich an der Elm Street, jener Straße die John F. Kennedy am 22. November 1963 zusammen mit seiner Frau Jackie, Gouverneur John Connally, dessen Frau Nellie, dem Fahrer William Greer und einem weiteren Leibwächter in einer Lincoln-Limousine befuhr, bevor er von dem mutmaßlichen Einzeltäter Lee Harvey Oswald (1939-1963) mit zwei Gewehrschüssen getötet wurde, die dieser aus dem fünften (nach amerikanischer Zählart sechsten) Stockwerk des Texas School Book Depository heraus auf den Präsidenten abgefeuert hatte.

Durch seinen Doktortitel fand Holliday rasch Arbeit und wurde im September 1873 Juniorpartner von Dr. John A. Seeger, der in der 56 Elm Street eine Zahnarztpraxis betrieb. Er war kompetent und einige seiner von ihm hergestellten Zahnprothesen, die er für die zahnmedizinische Schule vorbereitet hatte, wurden 1873 auf der Dallas County Fair vorgestellt. Er erhielt drei Auszeichnungen, einen Teller sowie 15 Dollar in bar. Doch das Praktizieren wurde mit jedem Hustenanfall, die seine Tuberkulose auslöste, immer schwieriger und sie kamen in der Regel immer dann, wenn er seine Patienten behandelte, die natürlich mit der Zeit mitbekamen, dass mit dem hustenden Zahnarzt etwas nicht stimmte und daher seiner Praxis vorsichtshalber fernblieben. Sein Behandlungszimmer leerte sich von Mal zu Mal und damit auch die einzige Einnahmequelle, die er besaß. Er musste sich notgedrungen nach einer anderen Beschäftigung umsehen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren und er hatte, da de facto bereits arbeitslos, nun auch mehr Zeit, sich in einem der vielen Saloons und Gasthäuser der Stadt zu amüsieren. Das Jahr 1874 kann somit als das Jahr angesehen werden, wo aus dem Zahnarzt Dr. Holliday der gefürchtete Spieler und Gunfighter Doc Holliday wurde, der Karten spielte, sich mehr und mehr dem Alkohol zuwandte und mit den Jahren zu einem schwarzhumorigen Zyniker wurde. Den Umgang mit Waffen und das Kartenspielen hatte Doc dabei mit Sicherheit bereits in Georgia erlernt, das belegt u. a. die Episode am Withlacoochee River. Er galt auch als guter Messerwerfer und das Kartenspielen hatte ihm womöglich eine schwarze Haushälterin im Hause Holliday beigebracht und das mit Erfolg, denn er galt in Dallas als ein guter Spieler, der darüber hinaus aber auch keinem Streit aus dem Wege ging, wie ein Artikel des Dallas „Weekly Herald“ vom 02. Januar 1875 belegt:

Dr. Holliday und Mr. Austin, ein Salooner, durchbrachen gestern am Nachmittag die Monotonie des ständigen Krachens von Feuerwerkskörpern, indem sie aufeinander einige Schüsse abfeuerten. Wieder einmal hörten wir das fröhliche Lärmen des friedlichen Sechsschüssers. Beide Männer wurden festgenommen.“

Warum und wieso es zu dem Revolverkampf gekommen war, darüber schweigt sich das Blatt hingegen aus. Es gab keine Toten oder Verwundeten, während ein anderer Revolverkampf, der sich gegen Mitternacht des 01. Januar 1875 herum in der Stadt ereignet hatte, einen Toten gefordert hatte und anders als der Holliday-Austin-Kampf das Stadtgespräch während der nächsten Tage gewesen war. Diesmal hatte Doc nicht über die Köpfe, bzw. den Kopf hinweggeschossen und wahrscheinlich war es lediglich dem zuvor konsumierten Alkohol zu verdanken, dass keiner der beiden Schützen eine ihrer Kugeln ins Ziel gebracht hatte. Man kann jedoch festhalten, dass Doc an diesem Tage, ob nun betrunken oder auch nicht, bereit gewesen war, einen Gegner mit einer Waffe zu begegnen und ihn gegebenenfalls auch zu töten.

Bald nach dieser Episode, beschloss Doc Dallas Lebewohl zu sagen. Seine nächste Station nach Dallas war, folgt man der Legende, Jacksboro in Jack County gewesen, wo er Betreiber eines Spieltisches wurde, an dem Faro (Pharao) gespielt wurde, eine amerikanische Variante des europäischen „Alles oder nichts.“ Er trug nun einen Revolver sowie ein Messer bei sich. Folgt man der Legende weiter, soll er in dem Ort drei Männer erschossen sowie einen weiteren verwundet haben, doch handfeste Beweise oder Belege dafür finden sich nicht. Selbst sein Aufenthalt in Jacksboro ist nicht mit Sicherheit belegt und Doc selber hielt sich, wenn denn, auch nicht allzu lange in dem Ort auf, sondern zog weiter durch Texas hindurch gen Westen.

Doc Holliday

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