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Prolog

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Endlich hatten wir uns Zeit genommen. Nun saßen wir drei vor dem Kasten Bier, der Gegenstand einer Wette war, die ich wie selbstverständlich gewonnen hatte. Zugegeben, eigentlich wettet man ja gewöhnlich um eine Flasche Schampus und der Anlass hätte das aus meiner Sicht durchaus verdient, schließlich ging es um nichts Geringeres als den Fall der Mauer; genauer gesagt um meine Voraussage der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands.

Damals – das war Anfang der 80er-Jahre – hätte ich auf das Jahr 2000 getippt. Weil die anderen beiden daran aber überhaupt nicht glaubten, hatte ich mich vorsichtshalber auf 2010 festgelegt. Weiß der Himmel, was bis dahin noch alles von der gewohnten Landkarte verschwunden sein wird.

Insofern kam der Grund des Besäufnisses überraschend und war – trotz der Kosten für meine Kumpels – für uns als eingefleischte West-Berliner überaus erfreulich. Und als Leute, die im Kiez aufgewachsen sind, haben wir für Schampus sowieso nicht viel übrig.

Wie dem Saufen der Kater, folgt der Freude oft die Ernüchterung. Tatsächlich wollen viele die Mauer am liebsten wieder aufbauen, und diesmal noch höher und überall. Zumindest tragen einige sie im Kopf weiter mit sich herum.

Sollte Erich H. etwa Recht behalten, wenn er am 40. Jahrestag seines »Arbeiter- und Bauernstaates« vor Tausenden mit Winkelementen ausgestatteten, mehr oder weniger überzeugten, vorbeimarschierenden werktätigen Untertanen großspurig der Welt verkündete: »Die Mauer steht noch 100 Jahre!«?

Schade, dass der Dialekt nicht rüberkommt; man muss es gehört haben. Nein, sage ich und finde es nach wie vor gut, dass wir wieder eine Nation sind, und ich wette, wir werden auch wieder gedanklich ein Volk. Im Übrigen stehe ich mit dieser Meinung keineswegs alleine da, immerhin kenne ich schon zwei Menschen mit der gleichen Ansicht:

»Na denn, Jungs, haut weg die Braun’schen Röhren!«

Wirklich schlimm ist nur, was uns alles erzählt und weisgemacht worden ist – auf beiden Seiten. Der Frust sitzt eben tief, wenn man erkennt, wie dämlich man war, und all die Lügen glaubte, wie beispielsweise diese:

»Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.«

Amtlich gewonnen

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