Читать книгу Am Anfang war Ägypten - Michael Höveler-Müller - Страница 9
Die »Verurteilung der Erinnerung« (damnatio memoriae)
ОглавлениеWas die Ägypter darstellen, ist für sie Wirklichkeit und wird durch die Darstellung Realität. Gleiches gilt für Namen: Durch die Niederschrift oder das Aussprechen eines Namens wird der Träger gegenwärtig. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wenn der Name oder die Darstellung einer Person zerstört wird, dieser niemals existiert hat. Entspricht ein Mensch nicht der Weltordnung (Maat) der Ägypter, werden Darstellungen von ihm spätestens nach seinem Tod beseitigt und sein Name, wo man ihn findet, vernichtet. Dadurch stirbt dieser Mensch den ewigen Tod, denn wenn die Erinnerung an ihn im Diesseits erlischt, gibt es für ihn kein Weiterleben im Jenseits. Diese damnatio memoriae ist bei Privatpersonen gut belegt und ist zuweilen sogar bei Königen zu erkennen. Bestimmte Herrscher haben aus altägyptischer Sicht derart Frevelhaftes getan, dass die Erinnerung an sie nicht weiterleben darf, weshalb man ihre Bildwerke und ihre Namen vernichtet (Abb. 40). Interessanterweise sind es zum großen Teil die nach ihrem Tod verfolgten und zunächst vergessenen Pharaonen, die heute die größte allgemeine Bekanntheit genießen: Hatschepsut, Echnaton und Tut-anch-Amun, um nur einige zu nennen. Diese Namen entgehen den späteren Chronisten, die sich an die aus dem pharaonischen Zeitalter überlieferten Königslisten gehalten haben, und werden erst im Zuge archäologischer Untersuchungen der Neuzeit wiederentdeckt.