Читать книгу Babysophie - Was wir von den Kleinsten lernen können ! - Michael Jendryssek - Страница 3
Zufriedenheit
ОглавлениеDas Baby wird geboren. Und es dauert, für die wartenden Eltern eine gefühlte Ewigkeit, in Wirklichkeit in der Regel wenige Sekunden, bis das nach Luft schnappende Würmchen seinen Unmut äußert, indem es herzerweichend schreit. Es brüllt, es zappelt, es ist mit seiner Situation recht unzufrieden.
Nach den wohlig warmen 37 Grad im Körperinneren der Mutter ist zügig erschreckend frisch geworden. Ein Temperatursturz geradezu. Für jemanden, der gerade keine Kleidung zur Hand hat, eine Zumutung.
Als ob das nicht reichen würde, wird als nächstes die Nahrungszufuhr abgeklemmt und mittels Schere unwiderruflich gekappt. Eben noch mit allem versorgt, versiegt dieser Quell. Für jemanden, der gerade keinen Reiseproviant zur Hand hat, ein Affront.
Schließlich ist es zu allem Übel auch noch auf einmal ätzend hell. In Mutters Leib herrschte diese vertraute kuschelige Dunkelheit und dann das. Für die in den Abend- und Nachtstunden Geborenen Halogenstrahler, für die anderen womöglich gleißender Sonnenschein. Und immer direkt ins Gesicht.
Dann das Messen und Wiegen. Gerade noch schwebte man schwerelos im Fruchtwasser, auf einmal hat man ein Gewicht, welches einen gegen den Boden drückt, sodass Bewegung zur Anstrengung wird. War man eben noch murmelig eingerollt, so wird man plötzlich brachial gestreckt. Für jemanden, der sich neun Monate eigentlich ganz wohl gefühlt hat, eine Tour de Force.
Was für eine Tortur. So häuft sich Stein auf Stein der Unzufriedenheit. Das Gebrüll – gerechtfertigt.
Und dann, das Wunder.
Der kleine menschliche Gnubbel wird der Mutter auf den Bauch gelegt und setzt sich kriechend in Bewegung. Die Augen sind geschlossen oder blinzeln leicht, während er sich mit den kleinen Händchen und Füßchen nach oben schafft in Richtung Brust. Der erste Akt des Willens, so scheint es, treibt ihn zum neuen Quell des Lebens. Er findet ihn. Er beginnt zu trinken und nach all der Anstrengung, all dem Belastenden der ersten Minuten in dieser Welt kommt Zufriedenheit über den kleinen Wurm. Die wärmende und für den Säugling gleichwohl wunderbar duftende Haut der Mutter, der dünne Strahl ihrer Milch. Ein wenig Ruhe. Mehr braucht er nicht. Und schließlich schläft er ein.
Wenige Wochen später wird er geschoben von der Eltern Hand in seinem Wagen. Die kleinen Hände ragen in den Himmel, wenn er da so auf seinem Rücken liegt. Unruhig wippt er hin und her. Sein Gesichtlein spiegelt Unrast wider. Seine Augen suchen und erblicken nichts als Blau. Ab und zu blickt ein großer Kopf auf ihn herab und murmelt etwas in sein rollend Bettchen. Auf Dauer etwas wenig Abwechslung, so wohl die Sicht des Säuglings. Ein kurzes Entgleisen der Gesichtszüge hin zu einem Ausdruck, der einen nicht unberührt lassen kann, der zur Handlung auffordert. Und wieder ein kleines Mirakel. Im Vorbeigehen findet sich die Lösung, befriedet sich die Situation in wenigen Momenten.
Die Eltern steuern das Reisegefährt des Babys weg von der gleißenden Sonne in den kühleren Schatten. Sie nehmen das Verdeck ein wenig zurück und das Kleine hält einen Augenblick inne. Die Augen weiten sich und ein Glanz überzieht sein Antlitz. Was ist geschehen?
Gewichen ist das Schwarz des Stoffes und das Blau des Himmels einem grünen Meer, das sich bewegt im sanften Hauch des Windes. Mild raschelnd wogt es hin und her, erfreut das kleine Menschlein spielerisch. Selig folgen die Äuglein dem harmonischen Treiben der Blätterwellen, als ob der grüne Rausch ihm Geschichten zu wispern wüsste.